Protocol of the Session on December 15, 2014

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(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich muss mich schon sehr wundern. Ich habe manchmal den Eindruck, dass bestimmte Argumente, je öfter sie wiederholt werden, gar nicht mehr überprüft werden, auch nicht, ob bestimmte Instrumente eigentlich zum gewünschten Ergebnis führen. Die 6000 Wohnungen – übrigens eine Zielzahl, die Schwarz-Grün in den Wohnungsentwicklungsplan eingebracht hat –,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Noch schlimmer! Das haben Sie gesetzt, aber nie realisiert!)

die Sie pro Jahr bauen wollen und jetzt auch gebaut haben, sind etwas, wofür Sie sich immer prei

(Jan Quast)

sen. Worüber Sie aber überhaupt nicht reden, ist die Frage, warum wir denn alle eigentlich die 6000 Wohnungen bauen wollen. Wir wollen sie bauen, damit die Mieten in dieser Stadt sinken und, wie Sie sagen, sich auch Leute mit geringem Einkommen Wohnungen leisten können. Und bei all dem Brimborium, das Sie mit Ihrem Wohnungsbauprogramm veranstaltet haben, hat sich in Ihrer Regierungszeit etwas in keiner Weise geändert: Der Anstieg der Mieten geht ungebremst weiter. Der letzte Mietenspiegel mit 5,7 Prozent liegt fast auf dem gleichen Niveau wie vorher mit 5,8 Prozent. Auf unseren Hinweis hin, Herr Bürgermeister, dass das offenkundige Nicht-Greifen des Wohnungsbauprogramms vielleicht daran liegen könnte, dass Sie die falschen Wohnungen bauen, nämlich die teuren, die frei finanzierten und nicht die Sozialwohnungen, haben Sie schlicht und einfach falsche Zahlen genannt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn ich Sie richtig verstanden hatte, Herr Bürgermeister, dann haben Sie gesagt, Ihnen hätte niemand geglaubt, dass Sie 6000 Wohnungen bauen würden, aber Sie hätten sie gebaut. Und das Argument, Sie würden die 2000 Sozialwohnungen nicht bauen, sei auch falsch; Sie hätten sie schon gebaut. Ich weiß nicht, welche Zahlen Sie meinen, Herr Bürgermeister. Ich lese Ihnen einfach einmal vor, wie viele Sozialwohnungen in den vergangenen drei Jahren fertiggestellt wurden. 2011 waren es 1121, etwas mehr als die Hälfte der 2000, die Sie bauen wollten. Im Jahr 2012 ist diese Zahl nicht gestiegen, sondern auf 505 Sozialwohnungen gesunken, und im Jahr 2013 sind es 654 Sozialwohnungen. Wie können Sie sich hinstellen und behaupten, Sie hätten auch bei den Sozialwohnungen Ihr Versprechen eingelöst? Sie sind davon meilenweit entfernt. Man sollte auch im Wahlkampf bei der Wahrheit bleiben, Herr Bürgermeister.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch zum Thema Elbvertiefung und Umweltschutz haben Sie interessante Ausführungen gemacht. Sie haben sinngemäß referiert, jeder in der Hafenwirtschaft wüsste, dass dieser Senat an der Verzögerung keine Schuld trage. Hier muss man doch einfach nur einmal in das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts schauen. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Planung dieses Senats zur Elbvertiefung – völlig unabhängig vom europäischen Wasserrecht, dieser Teil des Verfahrens wurde an den Europäischen Gerichtshof überwiesen – rechtswidrig und auf diese Weise nicht vollziehbar sei. Und dann stellen Sie sich hier hin und behaupten, es wäre an der Planung nichts falsch gewesen. Das war eine schallende Ohrfeige für diesen Senat und die Wirtschaftsbehörde, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Grundproblem ist doch einfach, dass dieser Senat permanent, nicht nur bei der Elbvertiefung, sondern auch bei anderen Themenbereichen, der Wirtschaft verspricht: Solange wir regieren, müsst ihr euch um den Umweltschutz, um dieses lästige Gedöns nicht kümmern. Wir machen das einfach und das, obwohl das europäische und deutsche Umweltrecht bestimmte Dinge nicht zulässt. Das ist es doch letztendlich, was dem Hamburger Hafen im Moment zu schaffen macht. Es ist doch nicht so, dass ein paar Umweltverbände die Schuld daran tragen, dass die Elbvertiefung jetzt nicht kommt. Die Elbvertiefung wird seit zwölf Jahren geplant, und in der Zeit haben die Vorgängersenate und auch dieser Senat die Planungen achtmal überarbeiten müssen. Von diesen zwölf Jahren gingen nur anderthalb Jahre auf Klagen von Umweltverbänden zurück. Aber zehneinhalb Jahre gehen darauf zurück, dass dieser Senat, aber auch andere Senate, meinten, bei der Elbvertiefung deutsches und europäisches Umweltrecht nicht ernst nehmen zu müssen. Das ist das wahre Standortrisiko der Hafenwirtschaft, eine Politik aus dem letzten Jahrhundert. Wenn Sie das nicht ändern, dann wird Hamburg noch das eine oder andere Mal vor Gericht Schiffbruch erleiden zum Schaden Hamburgs, aber auch zum Schaden des Hamburger Hafens und der Umwelt. Sie fahren hier eine Politik, bei der alle verlieren und niemand gewinnt. Auch in diesem Bereich braucht es einfach eine Änderung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um noch einmal auf diesen einen Punkt einzugehen, lieber Andreas Dressel: Alle unsere Haushaltsanträge sind gegenfinanziert. Wir geben keinen Cent mehr aus, als die SPD es geplant hat. Der Unterschied zwischen uns und euch ist, dass wir bestimmte Rücklagen, die von der SPD neu geschaffen wurden, auf null setzen und dafür das Geld in die notwendigen Bereiche investieren.

(Glocke)

(unterbrechend) : Herr Kerstan, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Dressel zu?

Gern.

Wir sind doch bei Podiumsdiskussionen bei den Beamten gewesen, und dort hast du dich immer sehr dafür gerühmt, dass hinreichend Vorsorge für ein Tarifergebnis über 1,5 Prozent getroffen werden soll. Nun wird, glaube ich, von eurer Fraktion, aber auch von anderen, an diesen Reservepositionen herumgegraben, sodass die Möglichkeit, Reserven für diesen Tarifausgleich darzustellen, nicht mehr gegeben ist. Wie erklärst du dies der Bürgerschaft?

(Jens Kerstan)

Das will ich gern tun. Es gab unter Schwarz-Grün einen zentralen Titel, das war die Personalreserve. Daraus haben wir die Tarifsteigerungen für den öffentlichen Dienst bezahlt. Das war eine zentrale Reserve, weil man nicht wusste, wie hoch die Tarifsteigerungen ausfallen würden, und als sie dann kamen, sind sie aus diesem Topf finanziert worden. Euer Senat hat das geändert. Es gibt diese zentrale Personalreserve immer noch, jedes Jahr sind dort 90 Millionen Euro eingestellt, aber daraus werden die Tarifsteigerungen nicht mehr bezahlt. Stattdessen sind Mittel für eine Tarifsteigerung von 1,5 Prozent vorher auf die einzelnen Etats verteilt worden und alles, was darüber hinausgeht, muss in der Behörde beim Personal eingespart werden. Es ist eine sehr unehrliche Politik,

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

wenn man sich dafür feiern lässt, dass man die Tarifsteigerungen bezahlt, aber den Behörden das Geld nicht gibt, sodass sie dann Stellen streichen müssen. Damit wird den Beschäftigten an der einen Stelle weggenommen, was ihnen an der anderen Stelle gegeben wird. Das ist unehrlich, das ist auch unsozial und das wollen wir ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

Wir wollen das schlicht und einfach aus dem Topf bezahlen, der für die allgemeine Personalreserve da ist. Darin sind immer noch 90 Millionen Euro, die gar nicht ausgegeben werden. Inzwischen beträgt der Rest in diesem Titel 255 Millionen Euro, die von einem Jahr zum anderen weitergeschoben werden, aber dieser Senat will einfach die Tarifsteigerung nicht bezahlen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Doch, die wird er auch bezahlen!)

Deshalb nehmen wir das Geld aus einer Reserve, die dafür auch gedacht ist. Das ist ehrlich, und das ist auch gegenüber den Beschäftigten verantwortbar, und es wäre insbesondere für die Bezirksämter eine wichtige Botschaft, die doch außer Personalausgaben so gut wie keine anderen Ausgaben haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daraus wollen wir im Übrigen auch die 700 zusätzlichen Erzieherinnen und Erzieher bezahlen, die wir nicht erst im Jahr 2019, wie von der SPD versprochen – ein Jahr vor der übernächsten Wahl – finanzieren wollen, sondern wir wollen ab August 2015 die Personalreserve genau dafür nehmen, wofür sie da ist, nämlich um in den Bereichen, wo es notwendig ist, das Personal zu verstärken.

Dafür setzen wir allerdings die neu geschaffenen Bürgermeistertöpfe auf null, die nach Gutsherren

art und politischem Gutdünken mal für das eine und mal für das andere ausgegeben werden, gerade dort, wo man denkt, dass es bei der Wahl gut ankommt. Diese Bürgermeistertöpfe braucht kein Mensch, darum setzen wir sie auf null, und das Geld werden wir in Erzieher und Erzieherinnen investieren. Die werden nicht erst 2019 gebraucht, sondern ab 2015. So sieht eine solide Haushaltspolitik aus, die die Zukunft der Stadt im Blick hat und nicht die Verteidigung der absoluten Mehrheit zum obersten Ziel erklärt. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt nun Herr Bläsing von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rede des Ersten Bürgermeisters glich in weiten Strecken einer vorgezogenen Weihnachtsansprache. Wenig Worte hat er allerdings über den Haushalt verloren, deshalb möchte ich dazu noch einmal etwas sagen.

Schon im September hatten wir vorausgesagt, dass der Haushalt nur bis zum 15. Februar Bestand haben würde, und, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, heute muss ich mich bei Ihnen entschuldigen. Sie haben uns eines Besseren belehrt. Mit fast 50 Änderungsanträgen zum Haushalt dokumentieren Sie auf über 100 Seiten eindrucksvoll, wie viel Sie vom HaushaltsplanEntwurf Ihres eigenen Senats halten. Offensichtlich nicht viel, sonst hätten Sie nicht einen solchen Nachbesserungsbedarf gesehen, wenngleich er an vielen Stellen eher kosmetischer Natur ist.

(Beifall bei der FDP)

Und besser haben Sie den Haushalt damit auch nicht gemacht, denn Sie haben sich im Klein-Klein verloren. Sie haben die Chancen vertan, auf die Kritikpunkte des Rechnungshofs zu reagieren, von unseren Verbesserungsvorschlägen einmal ganz zu schweigen. Sie rühmen sich für den Haushaltsausgleich in diesem Jahr, doch Anteil hatten Sie daran in Wirklichkeit keinen. Hierzu gibt es im Wesentlichen zwei Beweisstücke, beide stammen vom SPD-Senat selbst. Das ist einmal die damalige Finanzplanung von 2011 bis 2015 und zweitens die aktuelle Steuerschätzung. Was stellen wir fest, wenn wir diese beiden Dokumente nebeneinanderlegen und die Werte für 2014 vergleichen?

Erstens: Sie haben 326 Millionen Euro bei den Zinsen eingespart – Ihre eigene Leistung null.

Zweitens: Der Bund übernimmt die Grundsicherung im Alter. Entlastung: 169,9 Millionen Euro, Ihre eigene Leistung auch null.

Drittens: In Hamburg verbleiben circa 242 Millionen Euro mehr Steuern als noch in 2014 angenom

men. Auch hier liegt Ihre eigene Leistung, ihr eigenes Zutun bei null.

Viertens: Hamburg muss circa 130 Millionen Euro weniger an den Länderfinanzausgleich zahlen. Von eigener Leistung kann man da nun wirklich nicht sprechen, sondern wohl eher von einer Schlechtleistung, auch wenn sich das auf den Haushalt im ersten Moment positiv auswirkt.

(Beifall bei der FDP)

Summa summarum wurde Hamburg dadurch mit 867,9 Millionen Euro entlastet. Damit steht mehr zur Verfügung, als im Jahr 2011 für dieses Jahr angenommen, und das ist uns im Grunde ohne eigenes Zutun einfach so in den Schoß gefallen, auch wenn der Erste Bürgermeister das als eigene grandiose Leistung dargestellt hat – mitnichten, möchte ich sagen, dazu haben Sie wirklich keinen Beitrag geleistet.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was Sie eigentlich mit dem ganzen Geld gemacht haben. Sie können zwar dieses Jahr voraussichtlich auf die ursprünglich von Ihnen avisierten Schulden in Höhe von 300 Millionen Euro verzichten, doch dann bleiben immer noch gut 570 Millionen Euro. Frei nach dem Motto "Das Geld ist nicht weg, das Geld ist nur anderswo" wurde es einfach in den konsumtiven Bereich des Kernhaushalts verschoben und nicht in die Konsolidierung gesteckt. Das ist auch kein Wunder, weil Sie erstens den versprochenen Personalabbau von 250 Stellen pro Jahr nicht realisieren konnten und wir im Saldo nun sogar 1000 Stellen mehr haben, zweitens nicht in der Lage waren, die Kostenschraube in den Griff zu bekommen, und drittens darüber hinaus natürlich auch Ihre Wahlversprechen finanzieren mussten, dabei aber vergessen haben, dass es nicht nur um Quantität, sondern – wie beispielsweise bei den Kitas – auch um Qualität in der Politik geht. Die Qualität ist auf der Strecke geblieben, das muss man Ihnen, Stand heute, wirklich einmal so klar vorwerfen.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben in ausgesprochen guten Zeiten – bezogen auf die Rahmenbedingungen, nicht auf Ihre Regierungspolitik – dem Hamburger Haushalt schwerwiegend geschadet. Ihre eigene Prämisse, Herr Finanzsenator, war doch eigentlich immer die – ich kann es Ihnen gar nicht oft genug sagen –, Haushalte werden nicht in schlechten, sondern in guten Zeiten ruiniert. Doch leider haben Sie diesen Satz falsch verstanden oder zumindest nicht die richtigen Schlussfolgerungen daraus gezogen, denn er ist eine Aufforderung, gerade in guten Zeiten den Haushalt auf schlechtere Zeiten vorzubereiten. Dass Sie das nicht getan haben, belegt der Stresstest, den wir auf Basis Ihrer Haushaltspla

nung durchgeführt haben und der Ihre Annahmen auf Plausibilität überprüft.

Der Hamburger Haushalt besteht im Wesentlichen aus drei großen Kostenblöcken, die zusammen mehr als 70 Prozent der Gesamtausgaben ausmachen: Personal, gesetzliche Leistungen, Kapitalmarktzinsen. Alle drei Aufgabenblöcke haben eines gemeinsam, sie sind stark von externen Faktoren abhängig, also Einflussgrößen, die Hamburg kaum selbst beeinflussen kann. Ein Hamburger Kaufmann – oder natürlich auch eine Kauffrau – würde unter solchen Voraussetzungen vorsichtig planen und in seinen Annahmen über die zukünftige Entwicklung nicht vom besten aller Fälle ausgehen, nicht das Best-Case-Szenario anwenden. Doch was tun Sie? Sie gehen von einer sehr positiven weiteren Entwicklung der Rahmenbedingungen aus. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, wenn sich nur leichte Änderungen ergeben, dann bricht Ihnen sozusagen der ganze Haushalt unter dem Hintern weg, um es einmal plakativ auszudrücken. Wenn beispielsweise die Tarifabschlüsse um 2 oder 3 Prozent statt um 1,5 Prozent steigen, die Inanspruchnahme der gesetzlichen Leistungen dem Schnitt der letzten zehn Jahre entspricht und die Zinsen nur um 0,5 Prozentpunkte steigen sollten, dann ergeben sich hieraus Mehrausgaben von bis zu 300 Millionen Euro im Jahr 2018, und die Schuldenbremse ist dann für 2020 schon in großer Gefahr.

(Beifall bei der FDP)