Protocol of the Session on January 22, 2015

Login to download PDF

[Bericht des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Integration über die Drucksachen 20/12564 und 20/12818: Beschäftigung statt Arbeitslosigkeit finanzieren: Hamburg wird zur Modellregion für den Passiv-Aktiv Transfer (Antrag der SPD-Frakti- on) und Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren – Hamburger Modellprojekt für Langzeitarbeitslose (Antrag der GRÜNEN Fraktion) – Drs 20/14128 –]

Von der Ziffer 1 der Ausschussempfehlungen haben wir Kenntnis genommen.

Wer schließt sich Ziffer 2 an? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist Ziffer 2 mit Mehrheit so beschlossen worden.

Punkt 71, Drucksache 20/14129, Bericht des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Integration: Auswirkungen und Erfahrungen zur Kontaktverbotsverordnung in St. Georg.

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/14386 in der Neufassung ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen der LINKEN, der GRÜNEN und der FDP vor.

[Bericht des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Integration zum Thema: Auswirkungen und Erfahrungen zur Kontaktverbotsverordnung in St. Georg (Selbstbefas- sungsangelegenheit) – Drs 20/14129 –]

[Antrag der Fraktionen der LINKEN, GRÜNEN und FDP: Kontaktverbotsverordnung – Drs 20/14386 (Neufassung) –]

Mir ist mitgeteilt worden, dass aus den Reihen der Fraktion DIE LINKE gemäß Paragraf 26 Absatz 6 unserer Geschäftsordnung das Wort begehrt wird. Frau Artus, Sie haben es für maximal fünf Minuten.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen der Bürgerschaft! Auf dem Abstimmungszettel der SPD-Fraktion für diese Bürgerschaftssitzung steht an dieser Stelle die Vorgabe Antrag ablehnen. Das ist erstaunlich. Es

(Präsidentin Carola Veit)

ist auch sehr irritierend, Herr Kienscherf, weil wir uns in den verschiedenen Sitzungen des Sozialausschusses überfraktionell einig gewesen sind, dass diese Kontaktverbotsverordnung umgehend abgeschafft werden muss, da sie genau das Gegenteil dessen bewirkt, was sie bewirken sollte. Die Frauen in ihrem Elend auf dem Straßenstrich werden, ich kann es nicht anders interpretieren, im Wahlkampf geopfert, um auf St. Georg Ruhe zu haben und eine Handvoll Stimmen zu bekommen. Ich habe nicht herausgefunden, und es ist auch nie gesagt worden, warum sonst die SPD so eine Kehrtwende macht. Sie haben es mir bis heute nicht erklärt, warum Sie diese elende Kontaktverbotsverordnung nicht beenden.

Worum geht es? Diese Verordnung ist damals ins Leben gerufen worden, um endlich auch einmal gegen die Freier vorzugehen. Die sollte es treffen, die sollten dafür bestraft werden, dass sie Sexarbeit akquirieren. Wir waren damals schon dagegen, das sage ich gleich dazu. Es ist genau das Gegenteil eingetreten. Wenn Sie sich die Statistiken ansehen, dann wird deutlich, wer die Bußgelder zahlen musste. Es sind überwiegend die Sexarbeiterinnen. Sie mussten auch überwiegend die hohen Gelder zahlen, 400 bis 800 Euro, und fast 30-mal ist Erzwingungshaft gegen sie verhängt worden. Auf die Nachfrage, ob denn auch Erzwingungshaft gegen Freier angeordnet wurde, hat der Senat mitgeteilt, das sei aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht zulässig. Diese Unverhältnismäßigkeit, diese Ungleichbehandlung, diese völlig falsche Intention der Kontaktverbotsverordnung ist, wie gesagt, im Sozialausschuss einmütig kritisiert worden. Deswegen war es auch richtig zu sagen, wir schaffen sie ab, und deswegen sollte ein interfraktioneller Antrag diese Kontaktverbotsverordnung noch in dieser Wahlperiode beenden.

Sozialpolitisch ist die Kontaktverbotsverordnung ein Desaster, frauenpolitisch ist sie es auch. Innenpolitisch ist sie vermutlich ein großer Erfolg; das müsste noch einmal dargelegt werden. Die CDU hat angekündigt, sie werde sich enthalten. Ich kann nur konstatieren: Die Sexarbeiterinnen werden nach wie vor weiterhin kriminalisiert. Sie werden weiterhin ins Elend getrieben. Jedes Bußgeld, das gegen sie verhängt wird, muss doch irgendwie refinanziert werden, und nun können Sie dreimal raten, in welcher Form das geschieht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Martina Kaesbach FDP)

Frau Bekeris von der SPD-Fraktion hat nun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es stimmt, uns gefällt gar nicht, wie es den Frauen in der Prostitution in St. Georg geht, und wir wollen die soziale

und gesundheitliche Lage dieser Frauen verbessern.

(Dr. Roland Heintze CDU: Machen Sie das doch!)

Aber wir sind nicht davon überzeugt, dass die Aufhebung der Kontaktverbotsverordnung das bewirken wird. Die Abschaffung der Kontaktverbotsverordnung nimmt nämlich einseitig den Druck von den Freiern; die Frauen würden weiterhin durch die Verletzung der Sperrgebietsverordnung Ordnungswidrigkeitsverfahren erhalten.

Die ersten Erfahrungsberichte zur Umsetzung der Kontaktverbotsverordnung haben uns im Sozialausschuss tatsächlich nicht überzeugt, unter anderem deshalb, weil mehr Frauen als Freier in das Visier der Kontrolleure geraten sind. Aber wir haben inzwischen abgefragt, ob sich das verändert hat. Im Laufe des Jahres 2013 und auch 2014 sind wesentlich mehr Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Freier als gegen Prostituierte verhängt worden. Ich möchte Ihnen diese Umkehr einmal anhand aktuell abgefragter Zahlen aufzeigen. Im ersten Quartal 2014 sind 150 Prostituierte abgezettelt worden und 244 Freier, im vierten Quartal 2014 waren es dann 103 Prostituierte und 198 Freier. Das ist eine Umkehr, die man so auch bewirken wollte.

Die GRÜNEN haben erneut einen Antrag zur Einrichtung eines Runden Tisches eingebracht, den wir einvernehmlich an den Sozialausschuss überwiesen haben, und ich kann mir auch gut vorstellen, dass wir in der nächsten Wahlperiode die Einrichtung eines solchen Runden Tisches hinbekommen. Davor muss man aber auch Gespräche mit den Beratungsstellen, den anderen Akteuren und auch den Anwohnerinnen und Anwohnern in St. Georg führen.

(Beifall bei der SPD)

Ein solcher Runder Tisch kann dann auch die Veränderungen, die im Bundesrecht beim Prostitutionsgesetz zu erwarten sind, aufgreifen.

Mir ist in diesem Zusammenhang noch einmal wichtig zu unterstreichen, dass das, was in St. Georg im Bereich Prostitution passiert, häufig wenig mit den Vorstellungen einer selbstbewussten Sexarbeit zu tun hat, und ich finde, dass wir diese besondere Lage in St. Georg bei den Lösungskonzepten berücksichtigen müssen. Die Aufhebung der Kontaktverbotsverordnung allein ist aus unserer Sicht nicht geeignet, die Situation der Frauen deutlich zu verbessern, im Gegenteil, sie würde den Freiern signalisieren, dass ihre Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen in St. Georg in Ordnung sei, und das ist sie ganz und gar nicht.

(Beifall bei der SPD)

Wir lehnen den Zusatzantrag der LINKEN, der GRÜNEN und der FDP deshalb ab. – Vielen Dank.

(Kersten Artus)

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als ich erfahren habe, dass die SPD sich diesem Zusatzantrag nicht anschließt, habe ich noch einmal in den Berichten des Sozialausschusses nachgelesen und hatte das Gefühl, dass ich diese Ablehnung nicht verstehe. Ich habe deutlich gelesen, dass die SPD den Unsinn der Kontaktverbotsverordnung durchaus erkannt hat und das auch in den Berichten bestätigt hat. Es gab niemanden in diesen Ausschusssitzungen, der gesagt hätte, das sei eine vernünftige Maßnahme. Und wenn Sie, Frau Bekeris, uns jetzt mit Zahlen kommen, dann sollten Sie sich einmal die Lebensrealität der Frauen dort in St. Georg anschauen.

(Ksenija Bekeris SPD: Sie haben von selbst- bestimmter Sexarbeit geredet, nicht wir!)

Die Zahlen bringen leider gar nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Es gibt nicht eine Prostituierte weniger. Glauben Sie denn wirklich, dass Sie durch die Kontaktverbotsverordnung einen anderen Weg beschritten haben? Nein, die Prostituierten werden einfach für noch weniger Geld arbeiten. Das sind alles Fakten, die auch auf dem Tisch liegen. Dann kostet eine Nummer eben nicht mehr 70 Euro, sondern nur noch 30 Euro, weil man keine anderen Möglichkeiten mehr hat. Man wird in die Gewalt getrieben und in die Abhängigkeit. Das hat nun wirklich überhaupt nichts zu tun mit selbstbestimmter Sexarbeit; Sie nehmen ihnen die letzte Möglichkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der LIN- KEN und der FDP)

Jetzt, am Ende der Legislaturperiode, sagen Sie, Sie stimmten unserem Antrag auf Einrichtung eines Runden Tisches zu. Sie hatten vier Jahre Zeit dazu. Von Anfang an haben DIE LINKE und wir GRÜNEN gesagt, dass wir eine Lösung brauchen, dass wir wissen, dass es hier zu Zielkonflikten kommt und dass wir einen Konsens in der Stadt brauchen. Und jetzt sagen Sie, dass Sie dem zustimmten. Das ist eigentlich ein Offenbarungseid im Hinblick auf die Sozialpolitik und auch auf die Frauenpolitik für Hamburg. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und der FDP)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Die sehe ich nicht. Dann können wir abstimmen. Zunächst zum gemeinsamen Antrag der GRÜNEN, der LINKEN und der FDP.

Wer möchte ihn annehmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann hat dieser Antrag keine Mehrheit gefunden.

Im Übrigen stelle ich fest, dass die Bürgerschaft vom Ausschussbericht Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zu Punkt 73a, Drucksache 20/14284, das ist ein Bericht des Haushaltsausschusses: HafenCity – Weitere Entwicklung des südlichen Überseequartiers, Projektneuordnung.

[Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksache 20/14066: HafenCity – Weitere Entwicklung des südlichen Überseequartiers, Projektneuordnung (Senats- antrag) – Drs 20/14284 –]

Hierzu ist mir mitgeteilt worden, dass aus den Reihen der CDU-Fraktion gemäß Paragraf 26 Absatz 6 unserer Geschäftsordnung das Wort begehrt wird. Herr Dr. Heintze, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sprechen mit den Entwicklungen und der Projektneuordnung des südlichen Überseequartiers über ein für die Stadt wichtiges Projekt mit Tragweite. Es ist wichtig, dass wir Klarheit darüber bekommen, was passiert. Es ist wichtig, dass wir Klarheit bekommen, welche Auswirkungen die über 800 Millionen Euro, die wir dort investiert haben, auf das Quartier, aber eben nicht nur darauf, sondern auch auf Hamburg insgesamt haben. Und für ein solch wichtiges Projekt sind wir in einer gemeinsamen Ausschusssitzung kurz vor Ende der Legislaturperiode mit der Stadtentwicklung im Haushaltsausschuss auf einen Parforceritt geschickt worden. Dieses wird angesichts der Tragweite, die dieses Projekt hat, verglichen mit den Drucksachenvorlagen und dem, was wir an Beratung hatten, völlig unabhängig von den Stadtentwicklungsaspekten, die dort auch reichhaltig diskutiert wurden, diesem Projekt nicht gerecht. Wir als CDU-Fraktion finden, dass es absolut nicht ausreichend ist, dieses parlamentarisch so zu befassen.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und bei Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Man kann nun sagen, es sei doch so wichtig, sodass das jetzt noch sein musste. Nein, lieber Senat, ihr habt den Zeitdruck in diesen Vertrag überhaupt erst hineingebracht. Er wurde Mitte Dezember, vor Weihnachten, notariell beglaubigt. Im Vertrag steht, es gäbe ein Rückzugsrecht für den Investor, wenn nicht innerhalb von drei Monaten in diesem Parlament – das Parlament muss Grundstücksgeschäften ja zustimmen – dem Grundstücksverkauf über 40 Millionen Euro zugestimmt

(Ksenija Bekeris)

würde. Da unterschreibt ein Senat im Dezember, kurz vor Weihnachten, einen Vertrag, der 800 Millionen Euro Investitionen zur Folge hat, und verlangt, dass das Parlament vier Wochen später dieses Thema geklärt hat. Für die Wichtigkeit und die Bedeutung dieses städtebaulichen Projekts ist das deutlich zu wenig Zeit und aus Sicht der CDUFraktion auch grob fahrlässig.

(Beifall bei der CDU)

Den Begriff "fahrlässig" begründe ich Ihnen gern, völlig unabhängig von der Frage der Einschätzung, was und wie dort gebaut wird. Diese Investition hat Auswirkungen auf den City-Einzelhandel. Es steht im Raum, es gäbe einen riesigen Nachfrageüberhang nach Einzelhandelsflächen. Man muss einmal nachschauen, woher diese Zahl kommt und ob sie vielleicht aus dem Jahr 2010 stammt und damit etwas veraltet ist. Es werden mit 800 Millionen Euro sehr zentrale Weichenstellungen inklusive der Grundstücksverkäufe getätigt.