Protokoll der Sitzung vom 24.08.2011

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Bekanntgabe des Ablaufs der Konzessionsverträge für das Gas- und Stromversorgungsnetz – Drs 20/1227 –]

Die FDP-Fraktion möchte die Drucksachen 20/1229 und 20/1333 an den Umweltausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Frau Dr. Schaal, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das letzte

Atomkraftwerk wird im Jahr 2022 vom Netz gehen, Brokdorf im Jahr 2021 und die Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel bleiben endgültig ausgeschaltet. Das ist gut so, denn das wollten wir hier so.

(Beifall bei der SPD und bei Birgit Stöver CDU und Jens Kerstan GAL)

Der Atomausstieg ist beschlossen, damit ist die Energiewende eingeläutet. Doch gelingen wird sie nur, wenn alle mitziehen. Darum muss es nun in Hamburg heißen: Klar zur Energiewende. Dieses Manöver startet die SPD-Fraktion nun mit klarem Kurs auf eine sichere, preiswerte, umwelt- und klimafreundliche Energieversorgung für die Stadt. Dazu soll uns der Senat bis zum Jahresende ein Konzept vorlegen, das aufzeigt, wie Hamburg Energie sparen, effizient einsetzen und erzeugen kann und wie erneuerbare Energien, Netze und Speichertechnologien ausgebaut werden können. Das letzte Energiekonzept wurde vom CDU-Senat im Jahr 2005 vorgelegt und ging noch davon aus, dass Atomenergie unverzichtbar sei. Das war und ist falsch.

(Beifall bei der SPD)

Inzwischen sind acht Meiler abgeschaltet und keiner sitzt im Dunkeln. Mit einer installierten Leistung von circa 93 Gigawatt bei einem Spitzenbedarf von etwa 80 Gigawatt werden auch im Winter Leistungen erbracht, die auch ohne Atomstrom Versorgungssicherheit garantieren.

Jetzt kommt es darauf an, die erneuerbaren Energien im Wärme- und Strombereich weiter auszubauen und den Anforderungen des Klimaschutzes, aber auch des Ressourcenschutzes gerecht zu werden, den Wettbewerb anzukurbeln und dadurch die Energiepreise stabil zu halten.

Meine Damen und Herren! Energiesparen muss Volkssport werden. Es reicht nicht, irgendwo Flyer auszulegen oder Plakate anzukleben, denn mit dem Energiesparen ist es genauso wie mit der Raucherentwöhnung: Die Bewusstseinsänderung reicht nicht, es muss eine Verhaltensänderung folgen, sonst bleiben die Informationen wirkungslos.

(Beifall bei der SPD)

Darum müssen wir mit den Menschen sprechen, um sie für das Energiesparen zu motivieren. Zum Beispiel könnte SAGA GWG zusammen mit der stadteigenen Energieagentur Hamea die Mieter und Mieterinnen in die eigenen Räume der SAGA GWG einladen und mit ihnen besprechen, wie man im Haushalt Energie und damit Geld sparen und auch dem Klima helfen kann. Wichtig ist dabei, dass alle Zielgruppen, auch Ältere und vor allen Dingen auch Migrantinnen und Migranten, gezielt angesprochen werden.

Direkte Ansprache und Unterstützung beim Energiesparen gibt es auch bei dem Modell Stromspar

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

Siehe Anlage 1, Seite 797 bis 801

Checks für Haushalte mit kleinen Einkommen. Dieser Ansatz soll weiterentwickelt und ausgebaut werden, ebenso wie das erfolgreiche Programm "fifty/fifty" an Schulen.

Dreh- und Angelpunkt der Energiewende aber ist die Steigerung der Energieeffizienz. Hierher gehört auch das Thema Energiespeicherung, zum Beispiel über sogenanntes Windgas, und das Thema Smart Grids. Beides macht die erneuerbaren Energien erst effizient. Das brauchen wir, um im Jahr 2020 auch die Klimaschutzziele zu erreichen.

Im privaten, gewerblichen und auch im öffentlichen Gebäudebestand soll die energetische Sanierung unter Inanspruchnahme von Bundes- und Landesfördermitteln vorangetrieben werden, denn in diesem Bereich liegt ein enormes Potenzial mit hohem Nutzen für die Eigentümer und Mieter durch Senkung der Heizkosten, für das öffentliche Bauhandwerk – nicht zu vergessen – und für das Klima durch die Verringerung der CO2-Emissionen. Auch hier, wie beim Wohnungsbau, muss die Stadt mit den Investoren sprechen, um sie für solche Investitionen zu gewinnen.

Allerdings wird es auch notwendig sein, dass endlich auf Bundesebene die Schularbeiten gemacht werden, die noch offen sind. Wir brauchen die Fördergesetze, damit die energetische Sanierung vorankommt.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen uns bei der Förderung der energetischen Sanierung auf den Bereich der Wohngebäude konzentrieren. Ein städtisches Förderprogramm für Gewerbebauten ist, anders als bei der GAL, bei uns nicht vorgesehen.

(Jens Kerstan GAL: Das würde auch zuviel bringen!)

Aber Hamburger Unternehmen sollen im Rahmen der Umweltpartnerschaft und des Förderprogramms "Unternehmen für Ressourcenschutz" weiter zielgenau angesprochen und für energieeffizientes Wirtschaften gewonnen werden.

Meine Damen und Herren! Der Ausbau klimafreundlicher Energieversorgung auch durch HAMBURG ENERGIE sowie die Stadtreinigung muss weitergehen, denn Hamburg deckt noch nicht einmal 5 bis 10 Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energiequellen. HAMBURG ENERGIE hat im letzten Jahr eine sehr erfolgreiche Bürgeranleihe für Photovoltaik auf den Markt gebracht, um in Hamburg Ökostrom günstiger anbieten zu können. Der Senat soll jetzt die Voraussetzungen für die Auflage weiterer Bürgeranleihen durch HAMBURG ENERGIE schaffen. Anders als die GAL möchten wir aber trotzdem nicht darauf verzichten, den Ausbau der erneuerbaren Energien in Hamburg zusätzlich durch Zusammenarbeit mit den etablierten Versorgern zu reaktivieren. Vat

tenfall baut zum Beispiel mit den Stadtwerken München Offshore-Anlagen in der Nordsee und das ist doch eine gute Sache, zumal das Konsortium in Hamburg sitzt.

(Beifall bei der SPD – Dora Heyenn DIE LIN- KE: Super, toll, fantastisch! Toll, das unter- schreiben wir!)

Unter dem Gesichtspunkt der Standortentwicklung für erneuerbare Energien, für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und sogenannte virtuelle Kraftwerke müssen Strom-, Gas- und Fernwärmenetze ausund umgebaut werden. Insbesondere die Wärmeversorgung soll künftig flexibler auch mit Einspeisung von Wärme aus dezentralen Anlagen mit einer deutlich klimafreundlicheren und damit CO2-ärmeren Erzeugung erfolgen als bisher; das dauert allerdings noch. Dabei muss man dann allerdings auch das Thema Kälteerzeugung mitdenken.

Meine Damen und Herren! Die Bürgerschaft hatte bereits im März vom Senat verlangt, mit dem Erwerb einer strategischen Beteiligung an den Verteilnetzen für Gas, Strom und Fernwärme sowie durch einen zusätzlichen Konsortialvertrag für die Stadt wieder energiepolitische Handlungsspielräume zu gewinnen. Dazu will der Senat nun Verhandlungen mit Vattenfall und E.ON aufnehmen. Die Partner in einer künftigen Netzgesellschaft, Frau Heyenn, müssen die Energiewende in Hamburg mittragen und unterstützen und den Klimaschutz weiter vorantreiben. Das hat die SPD dem Senat bereits vor Fukushima ins Pflichtenheft geschrieben. An die Adresse der FDP sage ich, wer das als Verstaatlichung bezeichnet, will bewusst Verwirrung stiften oder hat keine Ahnung von Daseinsvorsorge, denn das ist das Thema der Zeit.

(Beifall bei der SPD und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Wir warten jetzt ab, was der Senat aushandelt. Darum haben wir diesen Punkt auch nicht noch einmal zur Abstimmung gestellt.

Die Fraktion DIE LINKE beantragt, dass der Senat noch in diesem Jahr das Ende der Verträge für Strom und Fernwärme sowie für Gas bekanntmacht. Dem stimmen wir nicht zu. Die Bekanntgabe wird zeitlich und rechtlich korrekt erfolgen, muss aber auch sorgfältig vorbereitet werden, um eine transparente und diskriminierungsfreie Ausschreibung zu gewährleisten. Die dazu erforderlichen Daten liegen, wie Sie wissen, nicht vor.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Die können ja auch noch gar nicht vorliegen!)

Die Stadt klagt deswegen gegen Vattenfall, aber es muss auch mit dem Unternehmen darüber geredet werden. Der Bürgermeister hat klargestellt, und ich sage das noch einmal, dass es bei einem möglichen Volksentscheid, den wir unter Umständen zu erwarten haben, auch tatsächlich um eine Ent

scheidung gehen soll. Wir werden den Volksentscheid nicht ins Leere laufen lassen. Volksentscheide gelten und das ist und bleibt eine klare Zusage.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden aber weiter informieren und diskutieren, damit alle Hamburgerinnen und Hamburger sich eine Meinung über die unterschiedlichen Modelle und Vorstellungen von Senat und Volksinitiative bilden können.

Meine Damen und Herren! Abschließend bitte ich um Zustimmung zum SPD-Antrag: Hamburg – Klar zur Energiewende! Die Anträge der LINKEN und der GAL lehnen wir ab. Die Mitteilung des Senats über das Zustandekommen des Volksbegehrens "UNSER HAMBURG – UNSER NETZ" überweisen wir an den Haushalts- und den Umweltausschuss, um dort eine Anhörung der Initiatoren und weiterer Experten vorzunehmen. Auch der Sachstand der Senatsüberlegungen wird dann im Zuge der Anhörungen erörtert werden und die Hamburgerinnen und Hamburger sollen sich nicht zuletzt anhand eines umfassenden Faktenchecks, den wir vorhaben, selbst eine Meinung bilden, welcher Kurs bei der Energiewende der richtige ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Stöver.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Frau Dr. Schaal, Sie haben hoffentlich gemerkt, dass bei Ihren detaillierten Ausführungen kaum jemand zugehört hat

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt nicht!)

und dass selbst Ihre eigene Fraktion Mühe hatte zuzuhören. Die Debattenanmeldung der SPD stellt einen bunten Blumenstrauß von Themen dar, bunte Blumen, denen GAL und FDP noch weitere Farben hinzugefügt haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wo ist eigentlich Ihr Antrag?)

Es sind drei Drucksachen angemeldet, davon auch eine von unserer Fraktion. "Klar zur Energiewende!" heißt der Antrag der SPD, dann die Große Anfrage meiner Fraktion "Rückkauf der Netze – sinnvoll oder gewagtes Abenteuer?" und, last but not least, ein Antrag der LINKEN, der sich auch mit den Netzen beschäftigt. Das ist ein ambitioniertes Programm für nur eine einzige Debatte. Ich frage mich allen Ernstes, ob wir das heute schaffen.

(Ole Thorben Buschhüter SPD: Sagen Sie mal was zur Sache!)

Ich werde mich kurz fassen, wir sagen Ja zum Antrag der SPD. Wir brauchen natürlich ein neues

Energiekonzept, denn das alte aus dem Jahr 2005 ist längst überholt. Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Zum einen haben die schrecklichen Ereignisse in Fukushima zu der Energiewende geführt, die in einem breiten politischen Konsens am 30. Juni 2011 im Bundestag beschlossen wurde. Die schwarzgelbe Bundesregierung wird diese Energiewende zum Erfolg führen,

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. An- dreas Dressel SPD: Und Rot-Grün wird es zu Ende führen!)

und zwar in wirtschaftlicher, politischer und auch in gesellschaftlicher Sicht.

Hamburg profitiert bereits davon. Frau Dr. Schaal hat ausgeführt, dass die Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel schon mit Beginn des Moratoriums abgeschaltet wurden und sie bleiben auch nach den Abstimmungen im Bundestag abgeschaltet.