Protokoll der Sitzung vom 24.08.2011

(Beifall bei der GAL und bei Dora Heyenn und Christiane Schneider, beide DIE LINKE)

Deshalb ist es auch richtig, was die LINKE fordert, damit die Bürgerinnen und Bürger das letzte Wort haben, wenn die SPD wider besseres Wissen falsche Entscheidungen trifft. Und damit die Politik überhaupt noch die Zeit hat gegenzusteuern, haben Sie jetzt die Verantwortung, die notwendigen Schritte einzuleiten, wenn Sie die direkte Demokratie nicht aushebeln wollen.

(Zurufe von der SPD: Das müssen Sie gera- de sagen!)

Wir haben dafür gesorgt, dass Volksentscheide verbindlich sind, und haben uns daran gehalten, als gegen unseren erklärten politischen Willen die Bürger anders entschieden hatten. Und Sie müssen jetzt zeigen, ob Sie auch dazu bereit sind. Ihr Bürgermeister ist das zurzeit nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der LINKEN)

Denn wenn Sie warten, bis Vattenfall vor Gericht gezwungen wird, die Daten herauszurücken, bevor Sie die nächsten Schritte zur Rekommunalisierung der Netze überhaupt erst möglich machen wollen, dann wissen Sie auch selber, dass das zu spät sein wird und dass, egal, was die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, die Stadt bis zum Jahr 2014 gar nicht mehr die Zeit hat, die Netze in eigene Regie zu übernehmen. Reden Sie nicht über wolkige Energiekonzepte, versuchen Sie nicht, verdeckte Botschaften in Anträgen unterzubringen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Eben war es noch toll, dass wir der GAL gefolgt sind!)

Das brauchen Sie doch gar nicht zu beschließen, das war doch die bisherige Linie des Senats.

Und wenn Sie wollen, dass der Bürgermeister sich daran hält, was er im Moment nicht will, dann sagen Sie das doch einfach einmal deutlich und verhandeln Sie mit der Initiative, die genau dasselbe will.

Das sind die entscheidenden Punkte und ich kann gut verstehen, dass Sie vor den Auseinandersetzungen in der SPD dieses wichtige Thema im Ausschuss nicht diskutieren wollen und eine Überweisung ablehnen. Aber das ist nicht nur nicht souverän, sondern auch noch falsch. Herr Bürgermeister, ich kann Sie einfach nur auffordern, Ihren falschen Kurs zu ändern und mit den Bürgerinnen und Bürgern über die zukünftige Energieversorgung dieser Stadt zu reden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Das sind doch alles Mär- chen, was Sie erzählt haben!)

Das Wort bekommt Herr Dr. Kluth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir freuen uns heute wirklich darüber, mit Ihnen erneut über Energiewende und Rückkauf der Netze diskutieren zu können, denn Sie werden sich daran erinnern, dass sich die FDP in den Bürgerschaftssitzungen am 8. und 22. Juni als einzige Fraktion, und zwar glasklar, gegen eine Verstaatlichung der Energienetze oder eine städtische Beteiligung an einer Netzgesellschaft ausgesprochen hat.

(Beifall bei der FDP)

Seit gestern haben wir für unsere Position eine tolle Unterstützung,

(Heiterkeit bei der LINKEN)

nämlich die Handelskammer, und darin sind immerhin 160 000 kleine, mittlere und große Unter

nehmen mit etwa 850 000 Beschäftigten. Die Handelskammer hat gestern ein sorgfältig ausgearbeitetes Positionspapier vorgelegt

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ganz sorgfältig!)

und veröffentlicht. Die klare Botschaft dieses Positionspapiers lautet: Hände weg von einer Privatisierung der Energieversorgungsnetze, ganz gleich, ob vollständig oder mit einer 25-prozentigen Beteiligung an einer Netzbetriebsgesellschaft.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Begründung ist so einfach wie überzeugend.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, sie ist ein- fach!)

Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass durch die Beteiligung der Stadt an den Energienetzen in Hamburg der Klimaschutz, die Verbraucherpreise oder die Versorgungssicherheit verbessert werden können.

(Beifall bei der FDP – Matthias Albrecht SPD: Aber mehr Transparenz!)

Zum Thema Transparenz kommen wir auch noch, Herr Kollege.

Wir haben die Befürworter einer Verstaatlichung der Netze in der letzten Bürgerschaftssitzung aufgefordert, den Bürgern reinen Wein über die Folgekosten der Verstaatlichung der Netze einzuschenken, denn die Entschädigungsleistungen an die derzeitigen Betreiber ist nur die Hälfte der Wahrheit. Bereits hier sprechen wir von 1 bis 2 Milliarden Euro.

Wir haben konkret gefragt, was passiert, wenn die Stadt die Netze übernommen hat, wer dann die Kosten für den Ausbau und die Modernisierung der Netze oder für Elektromobilität trägt. Wie berechtigt diese Fragen waren, zeigt sich an der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Kollegen der CDU-Fraktion. Auf die Frage, welche klimapolitischen Ziele denn mit der Verstaatlichung der Netze verfolgt werden sollten, antwortet der Senat, dass es erstens der dezentrale Aus- und Umbau der Netze, zweitens die Steigerung der Netzeffizienz und Verfügbarkeit der Netze und drittens die Rahmensetzung für Energieerzeugungsanlagen oberhalb der gesetzlichen Mindesstandards seien. Aber welche technischen Maßnahmen für den Aus- und Umbau der verstaatlichten Netze oder die Steigerung der Effizienz und der Verfügbarkeit der verstaatlichten Netze notwendig sind, wie hoch der Investitions- und Finanzierungsbedarf für diese Maßnahmen ist oder wer diese Investitionen zahlen soll – die Stadt, ein städtisches Unternehmen oder die Kunden über die Strom- und Gastarife –, darüber finden Sie in der Antwort des Senats kein Sterbenswörtchen.

(Beifall bei der FDP)

(Jens Kerstan)

Überhaupt schweigt sich der Senat über diese Frage aus. Wir gehen davon aus, dass auf den Netzbetreiber mindestens ein dreistelliger Millionenbetrag zukommen wird. Wer daher einer Verstaatlichung der Netze das Wort redet, ohne vorher den sich daraus ergebenden Investitions- und Finanzbedarf sauber zu klären, begibt sich auf einen finanzpolitischen Blindflug.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

Meine Damen und Herren! Überhaupt lässt das Kommunikationsverhalten des Senats gegenüber dem Parlament mehr als zu wünschen übrig.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das stimmt!)

Über die Verhandlungen mit den Netzbetreibern und seinen eigenen Meinungsbildungsprozess verweigert der Senat in der Antwort auf die Große Anfrage der CDU schlicht die Aussage. Begründung ist – und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –, dass eine parlamentarische Debatte zu der politisch und wirtschaftlich bedeutsamen und sensiblen Netzproblematik die Unbefangenheit der weiteren Gespräche gefährden würde; so ein Unfug. Es liegt doch im ureigensten Interesse der derzeitigen Netzbetreiber, die Meinung des Parlaments zu kennen, bevor es zu weitreichenden Vereinbarungen kommt. Wir halten das in Wahrheit nur für einen Vorwand des Senats und den Hochmut der absoluten SPD-Mehrheit gegenüber der Opposition. Aber Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.

Genauso intransparent wie das Kommunikationsverhalten des Senats sind die Verhältnisse bei HAMBURG ENERGIE. Warum eigentlich hat man ein Unternehmen, das man zu den neuen Stadtwerken machen will, nicht als direktes Tochterunternehmen, sondern als Urenkel-Gesellschaft konzipiert und gegründet, nämlich unterhalb der HGV und von HAMBURG WASSER? Warum werden mögliche Geschäftsbereiche aus dem unmittelbaren Geschäftsgegenstand von HAMBURG ENERGIE auf ein Geflecht von Beteiligungsgesellschaften ausgelagert? Warum sitzen im Aufsichtsrat von HAMBURG ENERGIE, anders als bei anderen städtischen Unternehmen, ausschließlich städtische Bedienstete? Und schließlich: Warum kommt HAMBURG ENERGIE seinen gesetzlichen Offenlegungsverpflichtungen nach Paragraf 325 HGB nicht pünktlich nach, so, wie sie für jede noch so kleine GmbH gelten? Es gibt Fragen über Fragen, aber Transparenz sieht anders aus.

(Beifall bei der FDP)

Eines ist aber klar: Das Geschäftsmodell, die Energieversorgung der städtischen Abnahmestellen – etwa 2200 allein im Bereich der Gasversorgung – unter Ausschluss von Wettbewerb nach Gutsherrenart auf HAMBURG ENERGIE zu übertragen, ist spätestens seit der Entscheidung des

Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 14. Dezember 2010 mausetot. Was sagt das OLG? Es sei schlicht wettbewerbswidrig und damit rechtswidrig. So hat die Vergabekammer entschieden. Das ist kein Ruhmesblatt für ein öffentliches Unternehmen.

Und ein neues Geschäftsmodell ist nicht in Sicht. Bei mehr als 100 Stromanbietern, darunter viele Ökostromanbieter wie Greenpeace Energy oder LichtBlick, besteht nämlich überhaupt kein Bedarf, diesen auch noch einen 101. städtischen Anbieter hinzuzufügen,

(Beifall bei der FDP)

ganz abgesehen davon, dass dieser im Hinblick auf seine gegenwärtige Kundenzahl – Frau Schaal, die ist nämlich dürftig – und die Produktionsmenge ohne Dauersubvention ohnehin kaum überlebensfähig sein dürfte. Frau Schaal, schauen Sie sich in diesem Zusammenhang den Jahresabschluss von HAMBURG ENERGIE zum 31. Dezember 2010 vielleicht einmal etwas sorgfältiger an. HAMBURG ENERGIE ist danach – und das immerhin als städtisches Beteiligungsunternehmen – bilanziell überschuldet und wird nur durch ein Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt vor der Insolvenz bewahrt. Ein privates, mittelstädtisches Unternehmen ohne eine entsprechende öffentliche Unterstützung hätte längst den Weg zum Insolvenzverwalter antreten müssen. Die Zeche zahlen die Kunden von HAMBURG WASSER mit über 6 Prozent Preissteigerung nach vielen Jahren der Preisstabilität und die Hamburger Steuerzahler durch eine Vielzahl von Quersubventionierung.

(Jens Kerstan GAL: Soviel zur Wirtschafts- kompetenz der FDP!)

Wir meinen daher, dass das schwarz-grüne Projekt HAMBURG ENERGIE möglichst schnell beendet werden sollte, bevor weiter Geld der Hamburger Wasserkunden und der Hamburger Steuerzahler verbrannt wird – je eher, desto besser.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Entsprechende Änderungsanträge zum SPD-Antrag haben wir zur Abstimmung gestellt. Werden diese angenommen, werden wir dem SPD-Antrag zustimmen, anderenfalls nicht. Den Änderungsantrag der LINKEN werden wir ablehnen,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist ja er- staunlich!)

und zwar aus zwei Gründen: Zum einen sind die Bekanntmachungspflichten ohnehin in Paragraf 46 Absatz 3 Energiewirtschaftsgesetz gesetzlich normiert. Überflüssige Beschlüsse sollte die Bürgerschaft nicht fassen. Und zum anderen, vielleicht das wichtigere Argument, nehmen wir die Volksgesetzgebung ernst, und das bedeutet auch, über das Vorgehen hinsichtlich der Netzverträge erst

dann zu entscheiden, wenn das Ergebnis des Volksentscheids bekannt ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)