Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der vom Bezirksamt Hamburg-Mitte errichtete Zaun unter der Kersten-Miles-Brücke hat in der ganzen Stadt zu einer intensiven Diskussion über Obdachlosigkeit und über den Umgang mit ihr geführt. Diese Debatte ist ganz überwiegend mit einer großen Ernsthaftigkeit und einer erstaunlichen Differenziertheit geführt worden.
Das wundert mich nicht, denn es entspricht meinen Erfahrungen. Ich bin nun seit sechs Monaten im Amt und habe viele Gespräche mit verschiedenen Akteuren geführt. Ich rede ausführlich und regelmäßig mit Hinz&Kunzt, ich war beim Runden Tisch St. Jacobi, ich habe das CaFée mit Herz sowie die Krankenstube der Caritas im Gesundheitszentrum St. Pauli mehrfach besucht. Mein Eindruck war stets, dass wir eine sehr sachliche und lösungsorientierte Diskussion in der Frage des Umgangs mit Menschen, die ohne Obdach sind, in dieser Stadt pflegen und führen.
Lassen Sie mich etwas zur Vorgeschichte des Zauns sagen. Ich habe – denn man soll sich selbst informieren – die Polizei gebeten, mir aufzuschreiben, was an dieser Brücke vorgefallen ist. Wir haben festzustellen, dass es im letzten Jahr eine ge
fährliche Körperverletzung mit Todesfolge gegeben hat, eine Vergewaltigung und eine versuchte Vergewaltigung. Und die Opfer waren jeweils Obdachlose.
Wer davor die Augen verschließt und sagt, hier müsse nichts geschehen, der leugnet ein Problem, dem sich diese Stadt und ihre Politikerinnen und Politiker zuwenden müssen.
Allen Obdachlosen wurden Angebote gemacht, die von der Stadt vorgehaltenen Unterkünfte zu nutzen und nicht mehr unter der Brücke zu kampieren. Es ist nämlich nicht gerade würdig, unter einer Brücke schlafen zu müssen. Der von meiner Behörde angestellte Sozialarbeiter hat das Verfahren intensiv betreut, er war mindestens zweimal pro Woche an der Brücke. Die Bestrebungen, auf diese Weise das Obdachlosenlager unter der Kersten-Miles-Brücke aufzulösen, waren, wie wir feststellen müssen, leider erfolglos. Inzwischen soll ein Zaun dem unbestreitbaren Problem abhelfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Zaun wirft ein Licht auf diese Stadt, das sie nicht verdient.
Diskussionen um solche Symbole bringen selten Lösungen hervor, die den Betroffenen wirklich helfen. Die SPD-Fraktion hat nun den Präsidenten der Synode der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Hans-Peter Strenge, als Moderator für diesen Konflikt vorgeschlagen. Ich halte das für einen guten und zielführenden Vorschlag. Herr Strenge kennt als ehemaliger Staatsrat und Altonaer Bezirksamtsleiter das Anliegen der Stadt, gleichzeitig sind ihm als Präsidenten der Synode die Sorgen und Nöte betroffener Obdachloser ein Anliegen. Ich bin mir sicher, dass es ihm gelingen wird, in einem ergebnisoffenen Moderationsverfahren eine wirkliche Lösung der Probleme unter der Kersten-Miles-Brücke herbeizuführen.
Lassen Sie uns die Probleme unter der Brücke und die Bedürfnisse der Obdachlosen wieder in den Mittelpunkt stellen. Lassen Sie uns ohne Vorbehalte in das vorgeschlagene Verfahren eintreten und die verschiedensten Blickwinkel, die die verschiedenen Akteure mitbringen, auf die Zustände unter der Kersten-Miles-Brücke zusammenführen. Lassen Sie uns gemeinsam Lösungen entwickeln, Lösungen für die Obdachlosen, die Anwohnerinnen und Anwohner und auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt, die dort ihren Dienst tun. Ich bin überzeugt, wenn alle mitwirken – ich wün
Meine Damen und Herren! Der Senat tut alles, um Obdachlosigkeit zu vermeiden und obdachlos gewordene Menschen zurück in die Hilfesysteme zu holen. Deshalb möchte ich die Integration von obdachlosen Menschen in Hamburg auf eine breite Basis stellen. Das sind Prävention, Kooperation und Integration durch Wohnungsversorgung beziehungsweise durch eine vorübergehende öffentliche Unterbringung. Aber auch niedrigschwellige Hilfen für obdachlose Menschen sind die tragenden Eckpfeiler der Senatspolitik für obdachlose Menschen.
Zunächst zur Prävention. Durch die Arbeit der Fachstellen ist es gelungen, dass die Zahl der Räumungsklagen rückläufig ist und es zu einem sinkenden Bedarf an öffentlicher Unterbringung gekommen ist. Maßgeblich für die Vermeidung öffentlicher Unterbringung ist auch die Steuerung der Hilfen über eine Hilfeplanung sowie die Vermittlung der Klienten in weitergehende Hilfen wie Schuldner- und Suchtberatung und die Integration in Arbeit. Prävention ist für mich ein ganz wesentlicher Eckpfeiler meiner Politik für Wohnungslose und Obdachlose.
Ich habe einige unserer Fachstellen für Wohnungslose besucht. In den vergangenen acht Monaten erhielten die Fachstellen von 6745 Haushalten mit drohendem Wohnungsverlust Kenntnis. Für 82 Prozent der in diesem Zeitraum abgeschlossenen Fälle, das heißt, für 4863 Haushalte, konnte die Wohnung gesichert werden. Das ist gute Politik für Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind.
Prävention lässt sich nur durch eine verbesserte Kooperation mit allen Beteiligten, insbesondere den Wohnungsunternehmen, den Bezirken und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege erreichen.
In diesem Zusammenhang will ich auf das Projekt "Wege aus der Obdachlosigkeit" aufmerksam machen. In diesem Projekt werden mit Fachleuten und Multiplikatoren aus der Wohnungslosenhilfe Vorschläge zur Optimierung der Hilfesysteme erarbeitet. Insbesondere werden die Schwerpunkte auf die folgenden Zielgruppen gelegt: jungerwachsene Obdachlose, Langzeitobdachlose, nicht-deutsche Obdachlose und obdachlose Frauen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Thema Krankenversorgung obdachloser Menschen. Ich weiß, dass die Arbeitsgruppen intensiv an Vorschlägen arbeiten und in den Gremien die Vertreter von Behörden, Verbänden und Einrichtungen gut miteinander zusammenarbeiten.
Der zweite wichtige Eckpfeiler unserer Politik für Obdachlose ist eine verbesserte Wohnungsversorgung von Menschen ohne Wohnraum. Hierzu ist vor Kurzem ein Bündnis für das Wohnen in Hamburg mit den wohnungswirtschaftlichen Verbänden vereinbart worden mit dem Ziel, mehr Wohnungen für wohnungs- und obdachlose Haushalte zu bekommen. Das wird gelingen, und auch das ist ein Aspekt guter und präventiver Politik im Regelsystem.
Obdachlosigkeit hat viele Gesichter. Sie reicht von der verdeckt obdachlos lebenden Frau, die Zwangsgemeinschaft akzeptiert, um die drohende Obdachlosigkeit zu vermeiden, über wohnungslose Menschen, die in Wohnunterkünften öffentlich untergebracht sind, bis hin zu Menschen, die im Freien, in Hauseingängen oder unter Brücken schlafen, also buchstäblich ohne Obdach sind.
In der öffentlichen Unterbringung setze ich mich dafür ein, dass im Rahmen einer gemeinsam zu erarbeitenden Gesamtkonzeption Vorschläge für weitere Kapazitäten mit allen Bezirken erarbeitet und in den Bezirksversammlungen abgestimmt werden. In diesem Zusammenhang streben wir 500 zusätzliche Plätze an, die je nach Bedarf und Lage kurz-, mittel- oder langfristig erschlossen werden können. Derzeit werden in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung rund 7800 Zuwanderer und Wohnungslose in 52 Einrichtungen von fördern und wohnen untergebracht. Hinzu kommen noch 210 Personen in Übernachtungsstätten.
Der Bezirk Hamburg-Mitte ist im Hinblick auf die öffentliche Unterbringung von Wohnungslosen und Zuwanderern einer der drei besonders hoch beanspruchten Bezirke. Auf ihn entfallen allein 1891 Unterkunftsplätze und mit der Einrichtung Billstieg die größte Unterkunft in Hamburg. Darüber hinaus beherbergt der Bezirk die Übernachtungsstätte Pik As an der Neustädter Straße mit einer Kapazität von 190 Plätzen. Der Bezirk Hamburg-Mitte trägt insgesamt ein Viertel aller Plätze in der öffentlichen Unterbringung. Und ohne die aktive Unterstützung des Bezirks – ich will an dieser Stelle auch sagen, ohne die Mithilfe von Herrn Schreiber – wäre es der Sozialbehörde nicht möglich gewesen, das Haus in der Spaldingstraße für das Winternotprogramm rechtzeitig zu Beginn der Wintersaison zu erschließen.
Der wichtigste Punkt in der öffentlichen Unterbringung ist nicht immer die Kapazitätserweiterung, sondern vielmehr ist der Zu- und Abgang aus den Wohnunterkünften zielgruppenspezifisch zu organisieren. Es muss verhindert werden, dass Jungerwachsene und Familien mit Kindern zu lange in der öffentlichen Unterbringung verweilen. Diesen Menschen muss privatrechtlich organisierter Wohn
raum zugänglich gemacht werden. Deshalb hat der Senat ein Wohnungsbauprogramm beschlossen, damit der Druck aus dem Vermietungsmarkt genommen wird und wir Zug um Zug Menschen in ordentlichen und geregelten Wohnraum überführen können.
Der flankierende Teil der Obdach- und Wohnungslosenhilfe sind niedrigschwellige Hilfen. Wir halten ein umfassendes, bedarfsgerechtes und niedrigschwelliges Hilfeangebot in Hamburg vor. In sechs Tagesaufenthaltsstätten können obdachlose Menschen essen, duschen, Wäsche waschen, eine Postadresse einrichten, am PC arbeiten, sich beraten lassen und zum Teil auch ärztlich untersuchen lassen. Außerdem stehen ihnen zur Verfügung zahlreiche Essensausgabestellen, zehn Kleiderkammern, eine Krankenstube für Obdachlose mit 14 Betten, das Krankenmobil, das obdachlose Menschen auf der Straße medizinisch und pflegerisch versorgt und medizinische Sprechstunden in der Einrichtung der Wohnungslosenhilfe und der öffentlichen Unterbringung anbietet.
Seit 2005 sind zudem zehn Straßensozialarbeiter in der Innenstadt und sieben in den Bezirken eingesetzt, die obdachlose Menschen vor Ort auf der Straße beraten und betreuen. Neu hinzugekommen ist ein polnischer Sozialarbeiter, der osteuropäische Menschen auf der Straße betreut und so weit wie möglich die Rückkehr in die jeweiligen Heimatländer vorbereitet, sowie eine Psychiaterin, die im Rahmen des Projekts "Straßenvisite" psychisch kranke Obdachlose auf der Straße aufsucht.
Sie haben angemeldet, ob die Politik des Sozialsenators etwas mit dem Zaun zu tun hat. Ich rede über meine Sozialpolitik für Menschen ohne Obdach. Das werden Sie sich anhören müssen.