Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir haben in zwei Wochen Haushaltberatungen. Die Landeshaushaltsordnung verpflichtet uns auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Paragraph 7 LHO wiederum verpflichtet uns auf den Vorrang der privaten Leistungserbringung. Nach der Landeshaushaltsordnung ist immer zu prüfen, ob öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten nicht ebenso gut oder gar besser von privaten Anbietern erbracht werden können. Das ist in Wahrheit nichts anderes als der gesetzliche Auftrag an den Senat, den sofortigen Ausstieg aus HAMBURG ENERGIE vorzubereiten.

(Beifall bei der FDP)

Warum ist das so? Weil – und das ist kein Hirngespinst der FDP-Fraktion, sondern die Antwort des Senats auf eine von uns gestellte Schriftliche Kleine Anfrage – der Hamburger Stromkunde bereits heute aus einer Vielzahl von 900 Stromanbietern auswählen kann. Der Senat hat wörtlich ausgeführt – ich zitiere –:

"Die Wettbewerbsdichte ermöglicht den Kunden somit eine breite Auswahlmöglichkeit zwischen Lieferanten und Tarifen."

Wenn wir also bereits Wettbewerb haben, wozu brauchen wir dann HAMBURG ENERGIE als 901. städtischen Stromversorger? Dafür gibt es keinen plausiblen Grund.

(Beifall bei der FDP)

Es ist noch schlimmer. HAMBURG ENERGIE hat heute gerade 43 000 Stromkunden. Das ist knapp über dem Businessplan von 2009, und zwar trotz Fukushima-Schock, trotz Energiewende und trotz massiver Werbung der Stadt und HAMBURG WASSER, also alles andere als ein glänzendes Ergebnis. Es glaubt niemand, dass diejenigen Kunden, die sich aus ökologischen Gründen für HAMBURG ENERGIE entschieden haben, ansonsten Atomstrom beziehen würden. Diese Kunden wären mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einem der zahlreichen privaten Ökostromanbieter wie Greenpeace Energy oder LichtBlick. Es ist auch völlig unstreitig, bestätigt durch die Geschäftsführung von HAMBURG ENERGIE, dass ein Teil der Kunden von diesen privaten Ökostromanbietern herübergewechselt ist. Mit anderen Worten: HAMBURG ENERGIE stärkt eine umwelt- und klimaschonende Energieversorgung nicht, sondern schwächt die bereits am Markt tätigen Ökostromanbieter.

(Beifall bei der FDP)

Das ist ein weiterer Grund dafür, dass sich die Stadt aus dem Projekt zurückziehen sollte – je schneller, je besser.

(Beifall bei der FDP)

Dies alles geschieht mit erheblichen Verlusten zulasten von HAMBURG WASSER, also letztlich zulasten der Stadt. Im Geschäftsjahr 2009 erfolgte ein Verlust von 1,75 Millionen Euro, im Geschäftsjahr 2010 ein ansteigender Verlust von fast 4,9 Millionen Euro, und auch im Geschäftsjahr 2011 wird es aller Voraussicht nach wieder Verlust geben. Das Unternehmen wird seit mehreren Jahren nur durch erhebliche Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt vor der Insolvenz bewahrt. Die Kunden von HAMBURG WASSER und letztlich die Hamburger Steuerzahler dürfen dieses Desaster ausbaden. Nach langen Jahren der Preisstabilität erfolgte bei den Wasserkosten eine Preiserhöhung von 6 Prozent. Da muss man sich nicht darüber wundern, dass Wohnen immer teurer und die Nebenkosten immer höher werden.

(Präsidentin Carola Veit)

(Beifall bei der FDP)

Diese Verluste werden trotz massiver Quersubventionierung durch HAMBURG WASSER und andere städtische Unternehmen erwirtschaftet, trotz einer unter vergabe- und ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten höchst fragwürdigen Vorzugsbehandlung und trotz Rechtsbruch, denn der Vergabesenat des Oberlandesgerichts hat die ohne vorherige Ausschreibung erfolgte Übertragung des Abwicklungsmanagements für die Strombelieferung öffentlicher Gebäude als Rechtsbruch beurteilt und aufgehoben. Ich bin mir sicher, dass der Vergabesenat in gleicher Weise entschieden hätte, wenn es auch wegen der Direktvergabe bei der Gasversorgung öffentlicher Einrichtungen zu einem Verfahren gekommen wäre. Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts ist ein wesentlicher Eckpfeiler für das ursprüngliche Geschäftsmodell von HAMBURG ENERGIE entfallen, nämlich die Direktvergabe der Energieversorgung städtischer Unternehmen ohne vorherige Ausschreibung.

Frau Hajduk, Sie sind bis heute eine Antwort auf folgende Frage schuldig geblieben: Wenn Sie den Plan hatten, HAMBURG ENERGIE zum Kern für künftige Stadtwerke zu machen, warum dann so intransparent und so verschachtelt, warum nicht zum Beispiel als Eigenbetrieb der Stadt, sondern als Enkelunternehmen unterhalb erstens der HGV und zweitens HAMBURG WASSER mit intransparenten Urenkelgesellschaften wie HAMBURG ENERGIE SOLAR oder HAMBURG ENERGIE WÄRME, dem Haushalt und der parlamentarischen Kontrolle weitestgehend entzogen, den fast ausschließlich mit Beamten und öffentlich Bediensteten besetzten Aufsichts- und Kontrollgremien und der Verletzung der Offenlegungsverpflichtung nach dem Handelsgesetzbuch?

Transparenz sieht anders aus. Dies ist ein weiterer Grund dafür, dass die Stadt aus diesem Projekt aussteigen sollte – wie gesagt, je schneller, je besser.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! HAMBURG ENERGIE hat keinen Nutzwert für die Stadt. Da wird nur Geld der HAMBURG-WASSER-Kunden und der Stadt verbrannt. Beenden Sie direkte und indirekte Subventionen durch Bürgschaften, Darlehen und Vorzugsbehandlung, beenden Sie dieses gescheiterte grüne Experiment. Vermindern Sie das politische Unfug-Potenzial und stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Dr. Schaal.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPD wird keine öffentli

chen Unternehmen mehr verkaufen oder privatisieren, davon können Sie ausgehen. Die SPD hat die Gründung von HAMBURG ENERGIE von Anfang an unterstützt und konstruktiv begleitet. Im Arbeitsprogramm des Senats haben wir folgerichtig festgehalten, HAMBURG ENERGIE weiterzuentwickeln, die Produktion erneuerbarer Energien zu fördern und den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein Angebot zu machen, kurzfristig auf erneuerbare Energien umzusteigen.

(Katja Suding FDP: Das haben Sie doch schon!)

Dieses Angebot haben die Hamburgerinnen und Hamburger reichlich angenommen. HAMBURG ENERGIE hat in den ersten zwei Jahren seines Bestehens über 50 000 Kundinnen und Kunden geworben.

(Finn-Ole Ritter FDP: Wie hoch ist denn der Verlust?)

HAMBURG ENERGIE verkauft ihnen Strom und ein Teil der Kunden sind Gaskunden. Damit wurden die Erwartungen für 2011 bereits weit übertroffen. HAMBURG ENERGIE ist nicht nur im Privatkundenbereich erfolgreich, sondern beliefert inzwischen auch Hamburger Unternehmen wie die Haspa mit Strom.

(Zuruf von Robert Bläsing FDP)

Die Hansestadt Hamburg bezieht Strom und Gas bei HAMBURG ENERGIE und konnte damit viel Geld sparen, Herr Bläsing, das zählt für Sie offensichtlich gar nicht. HAMBURG ENERGIE hat sich verpflichtet, seine Erzeugungskapazitäten innerhalb von fünf Jahren so auszubauen, dass mindestens die Hälfte des verkauften Stroms aus eigenen Anlagen erzeugt wird. Die Solaranleihe des Unternehmens war ein großer Erfolg und gab den Hamburgerinnen und Hamburgern erstmals die Möglichkeit, sich am Ausbau der erneuerbaren Energien in Hamburg zu beteiligen. Die SPD hat sich mit ihrem Ersuchen zur Energiewende dafür eingesetzt,

(Robert Bläsing FDP: Falsche Rede!)

dass solche Angebote wie die Solaranleihe weitergeführt werden. Darüber hinaus hat HAMBURG ENERGIE SOLAR, eine Tochter von HAMBURG ENERGIE – darauf haben Sie hingewiesen –, endlich auch einen Solarkataster ins Netz gestellt. Auch das war eine Forderung, für die wir immer eingetreten sind.

Meine Damen und Herren! Im letzten Jahr ist HAMBURG ENERGIE als einziger Versorger eines städtischen Unternehmens mit Biogas-Angeboten ins Gasgeschäft eingestiegen. Es wird aus Faulgas im Klärwerk Köhlbrandhöft gewonnen. Die Anlage ist seit März in Betrieb, speist ins Netz und versorgt zugleich das Klärwerk mit Strom. Die Hanse

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

stadt verfügt damit über das weltweit einzige energieautarke Klärwerk.

(Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Hat die Mar- ketingabteilung Ihnen die Rede geschrie- ben?)

HAMBURG ENERGIE hat den Ausbau der erneuerbaren Energien in Hamburg vorangebracht.

(Glocke)

Entschuldigen Sie, Frau Schaal. Ich bin eigentlich stolz, dass die Abgeordneten so spät noch so viel und laut reden können, aber im Augenblick hat ausschließlich Frau Schaal hat das Wort. – Ich bitte Frau Schaal, fortzufahren.

HAMBURG ENERGIE hat die erneuerbaren Energien in der Hansestadt vorangebracht, das hat der Umweltund Windhauptstadt gut getan. Kein Wunder, dass HAMBURG ENERGIE auch beim Cluster Erneuerbare Energien mitmischt.

All dies veranlasst uns, den FDP-Antrag abzulehnen. Im Ausschuss Öffentliche Unternehmen werden wir uns mit HAMBURG ENERGIE beschäftigen, wir haben die Geschäftsberichte und brauchen dafür nicht Ihren Antrag.

Meine Damen und Herren! Jedes Unternehmen, das neu am Markt auftritt, muss zunächst eine Durststrecke überwinden; das ist auch bei HAMBURG ENERGIE so. Wenn die reale Entwicklung die Unternehmensplanung weiter in dem Tempo überholt, wie es bis jetzt der Fall war, können wir davon ausgehen, dass das Unternehmen in Kürze schwarze Zahlen schreibt. Das ist umso wahrscheinlicher, als HAMBURG ENERGIE eine sehr hohe Kosteneffizienz aufweist. Mit einem Personalbestand von 20 Mitarbeitern wird ein Jahresumsatz von 100 Millionen generiert; das macht so leicht keiner nach.

(Katja Suding FDP: Und die Verluste?)

Die FDP spricht in Ihrem Antrag das Thema Inhouse-Vergabe an. Beim Gasgeschäft wurde 2009 dagegen kein Einspruch erhoben; so ist also auch dieses Geschäft okay. Problematisch ist die Inhouse-Vergabe der Stromdienstleistungen, Sie haben das angesprochen. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts musste neu ausgeschrieben werden. Es handelt sich um die Dienstleistung, nicht um die Strombelieferung der Stadt, denn die sind für 600 000 Euro nicht zu haben. Ein öffentliches Unternehmen, das öffentliche Einrichtungen mit Strom versorgt, darf nämlich keine Privatkunden im nennenswerten Stil versorgen. Das Privatkundengeschäft ist in der kurzen Zeit des Bestehens von HAMBURG ENERGIE zu stark gewachsen. Darum hat die Bürgerschaft auf Antrag der

SPD-Fraktion vor Kurzem beschlossen, das Privatkundengeschäft vom kommunalen Geschäft bei HAMBURG ENERGIE zu trennen. Wir haben es im Antrag 20/1229 so festgelegt. Wir hoffen, dass bald eine kommunale Schwester von HAMBURG ENERGIE ausgegründet werden kann.

Meine Damen und Herren! Letztlich ist es so, dass die kommunalen Anbieter auf einem regionalen Strommarkt ein Hecht im Karpfenteich sind. Insofern hoffe ich, dass sich HAMBURG ENERGIE weiter so gut entwickelt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Kleibauer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im FDP-Antrag, Frau Dr. Schaal, stehen im Wesentlichen zwei Dinge. Erstens ist das ein Prüfantrag; der Senat möge bitte prüfen, ob es Dinge gibt, die private Dritte genauso gut wie HAMBURG ENERGIE leisten können oder sogar besser. Die FDP bezieht sich auf die Landeshaushaltsordnung. Es täte Ihrer Fraktion und dem Senat ganz gut, sich ab und zu an diese zu halten.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Wolf- gang Rose SPD: Die Rede war aber an- ders!)

Herr Rose, Sie müssen nur das Thema Privatisierung hören, dann halten Sie Ihre Standardrede.

(Wolfgang Rose SPD: Alles Erfahrungswer- te!)