Protokoll der Sitzung vom 22.11.2011

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Über Ihre eigenen Vorgaben und Versprechungen mag man gar nicht mehr reden, das tut, ehrlich gesagt, schon weh: "pay as you go". Nicht nur wir, auch die Journalisten haben bis heute keine Antwort darauf bekommen, wo Ihre mehr als 200 Millionen Euro teuren Wohltaten an anderer Stelle eingespart werden. Personalabbau von 250 Stellen jährlich, bis heute ist das eine leere Ankündigung ohne Konzept, während tatsächlich der reguläre Stellenbestand Hamburgs von Tag zu Tag steigt. Und dann das fast schon heilige Versprechen, die Ausgaben würden pro Jahr nicht um mehr als 1 Prozent steigen. Im ersten Jahr sollen es jetzt über 4 Prozent sein, und für die Folgejahre hat der Senat die Steigerungsrate in der eigenen Finanzplanung auf 1,4 Prozent angehoben. Verehrte SPD, keine Ihrer Vorgaben und Ankündigungen haben Bestand. Das ist Wortbruch und Wählertäuschung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Doch damit nicht genug. Die finanzielle Geisterfahrt geht ungebremst weiter. Sie wollen Hamburgs gesetzlichen Schuldenstop ab 2013 kippen, Sie wollen die gesetzliche Tilgungspflicht der Krisenschulden ab 2015 beseitigen, und Sie wollen die strukturelle Entlastung des Hamburger Haushalts durch die Übernahme der Grundsicherung

durch den Bund für neue Ausgaben nutzen. Sie beschließen die Ausweitung der Ausgaben und plündern die Reserven. In dieser Stunde des Versagens erbitten Sie Vorschläge von der Opposition zur Bewältigung des verhängnisvollen Schuldenproblems.

Meine Damen und Herren, Herr Bürgermeister! Die SPD redet von der Zukunft, versagt in der Gegenwart und gibt die Schuld der Vergangenheit. Das ist die erschütternde Realität in der Finanzpolitik 2011.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Hamburg kann mehr und Hamburg braucht mehr. Um die verbleibenden 200 bis 400 Millionen Euro zu konsolidieren, braucht man kein Jahrzehnt. Der Sachverständigenrat nennt in seinem Jahresgutachten 2011/12 vier Bundesländer, die schon jetzt die Bedingungen für die Schuldenbremse einhalten könnten: Hamburg, Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen. Wie sieht es dort, unter denselben Rahmenbedingengen, aus? Sachsen erzielt schon in diesem Jahr Haushaltsüberschüsse, Baden-Württemberg und Bayern ab 2013, SachsenAnhalt schafft es 2012 und Thüringen 2013, warum also Hamburg erst 2020? Selbst in Berlin – wo übrigens der Senat mit zwei Senatoren weniger auskommt als in Hamburg – will man schon ab 2016 keine neuen Schulden machen. Ich habe es nie für möglich gehalten, meine Damen und Herren: Klaus Wowereit in Berlin zeigt mehr Verantwortung als der Hamburger Bürgermeister.

(Beifall bei der CDU)

Sie können sich vorstellen, dass mir das als Hamburger schwer über die Lippen geht.

Hamburg, pass auf. Es ist ein gefährliches Zeichen, wenn Hamburg in diesem Jahr erstmals vom Geber- zum Nehmerland im Länderfinanzausgleich wird. Wer jetzt in den guten Zeiten unter den Letzten sein will, der die Schuldenbremse erreicht, der wird bei einer Konjunkturverschlechterung der Allerletzte sein, und das kann nicht Hamburgs Anspruch sein.

Ihre Politik, Herr Bürgermeister Scholz, verpasst nicht nur die Chancen, die in jeder Krise liegen, sondern sie birgt möglicherweise auch eine historische Gefahr für Hamburgs Zukunft. Manche Bundesländer werden trotz Anstrengungen den Schuldenstopp vielleicht nicht aus eigener Kraft schaffen. Alle wissen, dass angesichts der europäischen Integration und der Verpflichtung zum Schuldenstopp eine Neugliederung der Bundesländer schon in wenigen Jahren unausweichlich werden könnte. Da muss es doch einen Hamburger Bürgermeister umtreiben, dass Hamburg aus einer Position der Stärke handeln kann. Mit Ihrer Finanzpolitik riskieren Sie nicht nur Hamburgs Stärke, Sie riskieren auch unsere Unabhängigkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann nur hoffen, dass wir nicht so, wie wir heute – offenbar parteiübergreifend – auf die schlimmen Fehler der alleinregierenden SPD unter Henning Voscherau im Boom der deutschen Einheit zurückblicken, in zehn oder 15 Jahren die katastrophalen Versäumnisse und Leichtfertigkeiten im Versprechen neuer Wohltaten der SPD von heute kritisieren müssen. Kehren Sie um, bevor es zu spät ist. Schluss mit den Tricksereien. Machen Sie endlich eine seriöse und ehrliche Haushaltspolitik.

(Beifall bei der CDU)

Die Generalaussprache bietet traditionell immer auch Gelegenheit, nicht nur etwas zu der Finanzpolitik zu sagen, sondern dem Senat auch in den anderen Bereichen auf die Finger zu schauen. Olaf Scholz preist seinen Senat gern als den besten aller Zeiten; der größte und teuerste ist er auf jeden Fall. Wir alle konnten in den letzten neun Monaten eine beachtliche Reihe von Unzulänglichkeiten und Ärgernissen beobachten: Bausenatorin Blankaus Black-out in Sachen Wohnungsnot

(Dirk Kienscherf SPD: Und Ihr zehnjähriger Black-out!)

und ihr unengagierter Umgang mit der Umwelthauptstadt, Verkehrssenator Horchs City-Maut-hinund-Her, Schulsenator Rabes Posse um die Abschaffung der Schulschreibschrift, Stapelfeldts Wissenschaftschaos, Schreibers und Scheeles Kersten-Miles-Brücke. Die Krönung war Innensenator Neumanns Vorschlag in der Tageszeitung "Die Welt", die afrikanische Küste von der deutschen Marine beschießen zu lassen, wenn dort Piraten vermutet werden.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei Erck Rickmers SPD)

Alles Glanzleistungen.

(Andy Grote SPD: Wenn das die größten Vorwürfe sind, kann es so schlimm ja nicht sein!)

Die großen Vorwürfe kommen noch, das waren eher die Arabesken.

Viel schlimmer wiegt aber der Mangel an Ideen und die Phantasielosigkeit, die wieder Einzug in unsere Stadt gehalten haben, allen voran der Bürgermeister. Sie tun sich bis heute schwer damit, die Erfolge der Metropole Hamburg als der wachsenden Stadt anzuerkennen. Stattdessen rufen Sie erst die moderne Stadt aus und als das nichts half, versuchten Sie es mit "Big City". Überhaupt haben es Ihnen Anglizismen angetan. Muss eine Hamburger U-Bahn-Station wirklich Chicago Square heißen?

(Andy Grote SPD: Fragen Sie mal Herrn Freytag! – Dr. Andreas Dressel SPD: Das war Freytags Idee!)

Das soll wohl Weltläufigkeit suggerieren und wirkt doch eher unhanseatisch.

(Zuruf von der SPD: Eigentor!)

Herr Freytag war nicht Bürgermeister.

(Zuruf von der SPD: Das Beispiel ist entlar- vend für Sie!)

Vielleicht kehrt der Bürgermeister heute in seinem Beitrag zu dem erfolgreichen Leitbild der Wachsenden Stadt zurück.

Wenn wir Hamburgs Optionen und Chancen gestalten wollen, dürfen wir unsere Metropolregion nicht vergessen. Hamburg ist eingebettet in seine Nachbarländer und braucht gute Nachbarschaft, damit wir gemeinsam in der Region wachsen können. Niedersachsen, Schleswig-Holstein und die norddeutsche Kooperation kamen schon in Ihrer Regierungserklärung nicht vor. Wie man hört, wird die norddeutsche Zusammenarbeit bis heute vom Bürgermeister eher mit Überheblichkeit statt Partnerschaft auf Augenhöhe betrieben. Auch das schwächt die Zukunftschancen Hamburgs und muss sich schleunigst ändern.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Till Steffen GAL)

Im Bereich Wissenschaft sieht es nicht besser aus. Gerade hier muss eine Stadt, die an Bedeutung wachsen will, mehr tun, insbesondere für die Qualität unserer Hochschulen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wie passt denn das jetzt zu Ihrer Rede eben? – Dirk Kien- scherf SPD: Ich denke, Sie wollen sparen?)

Stattdessen muss der Wissenschaftsetat globale Kürzungen von 30 Millionen Euro hinnehmen. 40 Millionen Euro sind dagegen für den Ersatz der Studiengebühren vorgesehen, ohne dass die Uni davon besser wird und bislang sogar ohne Gegenfinanzierung. Auch beim Uni-Neubau ist vieles unklar. Die Hamburger Wissenschaftsstiftung zur Exzellenzförderung will die SPD auflösen. Überhaupt scheint Exzellenz etwas zu sein, mit dem die SPD nichts anfangen kann, dafür geht es zurück in die Gremienuniversität der Achtzigerjahre.

Meine Damen und Herren! Wenn Professor Lenzen zu Recht warnt, dass die Hamburger Hochschulen mit dieser Politik zu besseren Berufsschulen werden,

(Dirk Kienscherf SPD: Neulich hat er was anderes gesagt!)

dann führt Ihre Politik statt zu Spitzenleistungen zurück ins Mittelmaß. Das kann nicht Hamburgs Ziel sein.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Nicht besser bestellt ist es in der immer wichtiger werdenden Verkehrspolitik. Die Stadtbahn wurde gestoppt

(Dirk Kienscherf SPD: Das war doch Ihr Bür- germeister!)

und zum Busbeschleunigungsprogramm liegt weder ein Konzept noch eine Finanzierung der von Experten geschätzten 250 Millionen Euro vor.

In der Wirtschaft ist Senator Horch stets bemüht und freundlich, doch Fortschritte sucht man bislang vergeblich. Verkehrsprojekte und Elbvertiefung sind nicht beschleunigt, der Hafenentwicklungsplan verschoben, die künftige Finanzierung des Hafenausbaus bleibt ungeklärt. Gleichzeitig steigt der kritische Fachkräftemangel und sogar die Arbeitslosigkeit entwickelte sich zuletzt nicht mehr so positiv wie im Bundestrend. Hamburgs Wirtschaft und der Hafen sind unsere aller Lebensader. Hier muss der Senat noch deutlich zulegen.

(Beifall bei der CDU – Andy Grote SPD: Ha- fen finanziert Hafen, von wem kam das?)

Herr Grote, Sie müssen das ertragen. Sie sind angetreten, besser zu regieren,

(Andy Grote SPD: Das machen wir auch!)

und wenn Sie das nicht können und sagen, Sie machen es so wie wir, dann ziehen Sie die Konsequenzen und geben Sie auch die Regierung zurück.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Dirk Kienscherf SPD: Den Regierungswechsel haben Sie immer noch nicht verkraftet!)

Meine Damen und Herren! Auch an den Schulen ist kein Frieden eingekehrt. Der Schulentwicklungsplan wurde erst einmal um ein halbes Jahr verschoben, um auch dann zu den Konflikten keine Entscheidungen zu treffen. Die Vorschule wird in eine ruinöse Konkurrenz zur Kita getrieben. Wir erleben Container-Chaos statt zügiger Bauentscheidungen. Konzepte zur Inklusion und zur Schulverpflegung sind überfällig. Statt Bereuungsangebote zu machen, will die SPD alle Kinder in die Ganztagsschule zwingen. Das ist falsch.

(Beifall bei der CDU)

In der Kultur wurde Frau Kisseler nach einem guten Start in Sachen Hamburger Museen von der eigenen Fraktion brüskiert und entmachtet. Bei der Elbphilharmonie ist die Situation verrannt wie nie, hoffentlich steht hier wenigstens bald ein Durchbruch bevor.