Protokoll der Sitzung vom 08.02.2012

(Senator Frank Horch)

Meine Damen und Herren! Dann kommen wir zum Tagesordnungspunkt 54, Drucksache 20/3013, Antrag der GAL-Fraktion: Quartiere und bürgerschaftliches Engagement stärken – Quartierszentren stadtweit aufbauen!

[Antrag der GAL-Fraktion: Quartiere und bürgerschaftliches Engagement stärken – Quartierszentren stadtweit aufbauen! – Drs 20/3013 –]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen. Herr Duge wünscht das Wort und bekommt es.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Nicht nur Seefahrt tut not, auch Quartiersentwicklung tut not, besonders in Hamburg. Denn Quartiersentwicklung heißt, Quartiere zu stärken, insbesondere dort, wo sie drohen, ins soziale Abseits zu geraten. Quartiere zu stärken heißt, ihre Attraktivität zu stärken und Stadtteile zu verbessern. Angesichts des Drucks auf dem Wohnungsmarkt, den wir in den attraktiven Quartieren haben, und der Mietpreisentwicklung dort ist dies umso nötiger, um hier Entlastung zu bringen und die Attraktivität und den Wohnungsbau auch in anderen Stadtteilen zu fördern.

Verschiedene Studien zeigen, dass die Wahl des Wohnortes fast immer eine sehr gut durchdachte Entscheidung von Menschen ist. Sie ist heute nicht mehr nur durch das angestammte Milieu geprägt. Neben Arbeitsplatz- und Infrastruktur wird der gesamte Bildungsbereich – und das ist für mich mehr als nur die Institution Schule – immer mehr zu einem erstrangigen Standortfaktor. Wer integrierte Stadtentwicklung will, darf nicht nur auf die innerstädtischen Quartiere schauen, sondern muss sich auch den grauen Mäusen, den weniger im Gespräch befindlichen Stadtteilen oder den benachteiligten Stadtteilen zuwenden. Dazu leisten Quartierszentren, wie wir sie zum Beispiel im "Feuervogel" in Harburg haben, im neuen Bürgerzentrum in Neugraben und mit dem im Bau befindlichen "Tor zur Welt" in Wilhelmsburg, einen wesentlichen Beitrag.

(Beifall bei der GAL)

Die Gestaltung der Zentren kann durchaus sehr unterschiedlich sein. Sie muss sich nach den Wünschen und Bedürfnissen des Quartiers ausrichten. Wichtige Voraussetzung ist allerdings die Vernetzung. Quartierszentren leisten hierzu einen ganz entscheidenden Beitrag, denn sie werden von professionellen Centermanagements geleitet. Schulen können, müssen aber nicht Bestandteil eines solchen Quartierszentrums sein. Es gibt auch Beispiele, wo Schulen nicht dabei sind. Die Entschei

dung über die Gestaltung und die Angebote eines Quartierszentrums sollte in erster Linie Angelegenheit der Nutzer vor Ort sein. Das sind zuallererst die Bürgerinnen und Bürger, aber auch Vereine, freie Träger, Initiativen, Künstler, Beratungsstellen und natürlich auch Schulen.

Nach Angaben der GWG Gewerbe, die für den Schulbau und die Instandhaltung der Schulen im Süden Hamburgs verantwortlich ist, lassen sich erhebliche Einsparpotenziale realisieren, wenn verschiedene Einrichtungen unter ein Dach kommen. Durch Multifunktionsräume, gemeinsame Nutzung von technischen Anlagen, Büroräumen und anderem mehr werden 60 bis 70 Prozent der Fläche und nur 75 Prozent des Raumvolumens benötigt, das erforderlich wäre, wenn jeder Nutzer seine eigenen Einrichtungen und Räumlichkeiten hätte. Das senkt nicht nur die investiven Ausgaben, sondern vor allem auch die laufenden Kosten, die im Verlauf des Gebäudelebens den Löwenanteil ausmachen. Zudem werden durch bessere Auslastung – durch kombinierte Nutzung und bedarfsgerechte Anpassung der Angebotsstruktur in multifunktionalen Räumen – erhebliche Effizienzsteigerungen erzielt.

Bibliotheken, Musikschulen, Theatergruppen, Lesezirkel, Sportvereine, Fitness-Einrichtungen, Beratungsstellen und viele andere Einrichtungen mehr können die Räume und deren Einrichtungen vielfach verwenden. Unverzichtbar in einem solchen Zentrum ist allerdings das professionelle Centermanagement, das die Nutzung an sieben Tagen in der Woche von 7 bis 22 Uhr aufrechterhalten soll. Der Hausmeister traditioneller Art kann all das nicht mehr leisten, denn dazu gehören Raumkoordination, Unterstützung der Nutzer bei der Herrichtung der Räume, Sicherung des Betriebsablaufs, Wahrnehmung der Schnittstellenfunktionen bis hin zu inhaltlichen Konzeptionen des Quartierszentrums, zur quartiersbezogenen Entwicklung, Rückkopplung der Angebote und vieles andere mehr.

Die Verknüpfung verschiedener Bildungs- und Betreuungsangebote an einem Ort ist ein echtes Qualitätsmerkmal. Die Qualität drückt sich vor allem in der Möglichkeit aus, sogenannte Betreuungsketten für die Kinder und Jugendlichen einzurichten, zum Beispiel von der Kita über die Schule und die Vereine. Das ist ein ganz wichtiges Thema, auch gerade im Zusammenhang der heute in der Aktuellen Stunde geführten Diskussion zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen und deren Weiterführung in einer Hand; dies wäre ein Schritt hin zu einer besseren Zusammenarbeit.

(Beifall bei der GAL)

Persönliche Defizite oder strukturelle Kommunikationsschwächen können in einem Quartierszentrum durch direkte Kontaktaufnahme der Beteiligten aus den verschiedenen Einrichtungen ausgeglichen

(Erster Vizepräsident Frank Schira)

oder abgebaut werden. Die vielfältigen Fähigkeiten der Menschen aus verschiedenen Berufen, die dort arbeiten, verbessern Erziehungs- und Bildungsleistungen, bauen Vorurteile ab, die zwischen den Einrichtungen bestehen, und erleichtern eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Vernetzung, aktive Beteiligung und Mitgestaltung durch die Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils erhöhen die Akzeptanz und werten den gesamten Stadtteil auf. Damit können wir aktive Stadtteilpolitik umsetzen und den Druck auf den Wohnungsmarkt auch in den anderen Stadtteilen mittelfristig abfangen.

(Beifall bei der GAL)

Damit das gelingt, ist es notwendig, jetzt Informationen einzuholen und die vorbereitenden Planungen anzugehen. Wir sollten mit den zukunftsweisenden Anfängen nicht auf halber Strecke stehenbleiben, sondern Nägel mit Köpfen machen. Deshalb müssen die nächsten Standorte für Quartierszentren ins Auge gefasst werden, besonders in den Gebieten des Rahmenprogramms integrierte Stadtteilentwicklung (RISE), aber auch in den neuen Stadtteilen Altona Mitte und HafenCity. Wir bieten Ihnen an, diese Thematik voranzubringen – gegebenenfalls auch im Rahmen einer Sachverständigenanhörung im Ausschuss – und eine nachhaltige Quartiersentwicklung in dieser Stadt anzustoßen.

Es ist sicherlich auch hilfreich, wenn wir uns vor Ort einmal ein Bild machen. Ich habe es bedauert, dass Herr Senator Rabe in der letzten Woche leider nicht an der Veranstaltung im Bürgerzentrum Neugraben teilnehmen konnte, hoffe aber, dass sich der Senat – und das ist nicht nur an Herrn Senator Rabe gerichtet, sondern auch an Frau Senatorin Blankau oder auch andere – selbst ein Bild macht. Diese Quartierszentren sind ein fachübergreifendes Projekt und hier ist nicht nur eine Fachzuständigkeit gefragt, sondern eine Kooperation verschiedener Behörden erforderlich.

Deshalb lassen Sie uns jetzt mit den Planungen beginnen, überweisen Sie den Antrag an den Ausschuss und debattieren Sie mit uns dieses Thema.

(Beifall bei der GAL)

Danke. – Frau Krischok hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beraten heute einen Antrag der GAL, der unterschiedliche Zielsetzungen zum Thema Quartierszentren enthält.

Erstens: Drei neue Quartierszentren für Hamburg, die sich der Senat in den RISE-Gebieten aussuchen soll. Die Frage ist: Warum eigentlich nur drei?

(Jens Kerstan GAL: Na, wenn Sie dafür mehr Geld haben, gerne mehr!)

Zweitens: Zwei weitere neue Quartierszentren in der Mitte Altona und in der HafenCity.

Drittens: Die GAL erkennt Probleme bei der Finanzierung der vorhandenen Quartierszentren und fordert, dass sie alle finanziell abgesichert werden, insbesondere und sofort das Bildungszentrum "Tor zur Welt".

Viertens: Der Senat soll ein QuartierszentrumsNetz für Hamburg entwickeln, das anschließend mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert und bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden soll.

(Jens Kerstan GAL: Genau! und Beifall)

Das Konzept dafür soll allerdings schon Ende dieses Jahres vorliegen.

Meine Damen und Herren! Das sind schon sehr bemerkenswerte Forderungen einer Fraktion, die jahrelang für die Stadtentwicklung in Hamburg politisch verantwortlich gewesen ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube übrigens nicht, dass die ehemalige Stadtentwicklungssenatorin, Frau Hajduk, so einen, sagen wir einmal, verspielten Antrag in ihrer Regierungszeit goutiert hätte.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der GAL: Oh, oh!)

Auf der einen Seite sehen Sie zwar selbst die Schwierigkeiten bei der Finanzierung der vorhandenen Quartierszentren, auf der anderen Seite machen Sie aber nicht einmal einen einzigen Vorschlag zur Finanzierung und somit zur Bestandssicherung. Stattdessen fordern Sie sogar noch fünf neue Quartierszentren. Die Frage ist: Soll das alles aus dem bestehenden Budget getragen werden?

So handelt man eigentlich nur, wenn man nicht wirklich an der Sache interessiert ist. Das ist – entschuldigen Sie, wenn ich das so sagen muss – populistisch. Das ist zwar legitim, doch müssen Sie sich dann die politische Kritik gefallen lassen, denn hier ist doch etwas mehr Ernsthaftigkeit gefragt. Wir von der SPD-Fraktion machen das jedenfalls so nicht mit.

(Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GAL: Aber wir können doch darüber reden!)

Was Ihnen offenbar wichtig und zentral in Ihrem Antrag ist, ist das Bildungszentrum "Tor zur Welt". Hier soll der Senat sofort handeln.

(Jens Kerstan GAL: Genau! und Beifall)

Die BSU erarbeitet gegenwärtig mit den zuständigen Fachbehörden und Bezirksämtern Betreiberkonzepte für die anstehende Verstetigungsphase bei verschiedenen Projekten, die, wie Sie sicherlich wissen, ohne Städtebauförderungsmittel des

(Olaf Duge)

Bundes auskommen müssen. Hier handelt der Senat bereits, ohne von Ihnen aufgefordert zu sein. Damit ist eine wichtige Forderung Ihres Antrags bereits erfüllt. Diesen Punkt können wir abhaken und zu Ihrem nächsten kommen.

Es sollen fünf neue Quartierszentren entstehen. Bis auf die Mitte Altona und die HafenCity ist es Ihnen anscheinend egal, wo genau sie entstehen sollen, Hauptsache, sie sind in irgendwelchen RISE-Gebieten.

Die Antragsteller machen es sich hier ein bisschen zu einfach.

(Dirk Kienscherf SPD: So sind sie! – Heike Sudmann DIE LINKE: Antragstellerinnen!)

Und die Antragstellerinnen selbstverständlich auch. Vielen Dank für den Hinweis, Frau Sudmann.

Sie lehnen sich zurück und warten darauf, welche Standorte der Senat wohl aussuchen wird. Sucht er die aus ihrer Sicht falschen Orte aus, können Sie das kritisieren, ohne in die Verantwortung genommen zu werden, weil Sie bewusst darauf verzichtet haben, eigene Vorschläge zu machen. Auch das ist ein sehr bemerkenswerter Vorgang.

Das RISE-Konzept ist mit einer grünen Handschrift von einer grünen Stadtentwicklungsbehörde entwickelt worden. Auch der schwarz-grüne Senat hatte bereits festgestellt, dass es keinerlei Anlässe für neue Quartierszentren gibt. Warum die Notwendigkeit nun plötzlich vorhanden sein soll, lassen Sie allerdings im Nebel. Wir jedenfalls sehen diese Notwendigkeit nicht und werden das von Ihnen begonnene RISE-Konzept solide weiterentwickeln und umsetzen.

Jetzt komme ich zu Ihren konkreten Vorschlägen für zwei neue Quartierszentren in der Mitte Altona und in der HafenCity: Hier wollen Sie die Schulen zu Quartierszentren ausbauen. Beide Gebiete sind ungeeignet.

Erstens: Die Flächenkapazität des vorhandenen Schulstandorts in der HafenCity ist nicht ausreichend.

Zweitens: Die Quartierszentren werden aus RISEMitteln bezahlt.