Protokoll der Sitzung vom 29.03.2012

Zweiter Punkt: Es liegt nahe, dass die Kompetenz für Hochschulfragen bei den Hochschulen liegt und nicht bei der Behörde.

Dritter Punkt: Politik und damit auch letztlich ihr nachgeordnete Behörden denken maximal in Legislaturperioden. Wissenschaft und Forschung müssen auf Jahre, um nicht zu sagen auf Jahrzehnte ausgerichtet sein. Auch das können die Hochschulen besser als die Behörden.

(Beifall bei der FDP)

Vierter Punkt: Wir müssen Hamburgs Wissenschaftler von bürokratischem Ballast befreien. Sie sollen sich auf Forschung und Lehre konzentrieren können und nicht auf Schlachten mit der Behörde.

Fünfter Punkt: Ich bin der Meinung, dass durch die Beteiligung der Behörde Prozesse enorm verlangsamt werden. Auch das ist ein Standortnachteil für Hamburgs Hochschulen.

Sechster Punkt: Gerade Akademikern, und solche Leute sind an den Hochschulen, kann man doch wohl zutrauen, dass sie ein Mindestmaß an Selbstbestimmung ausüben können.

Und schließlich siebter Punkt: Wertung des Grundgesetzes. Es gibt im Grundgesetz Artikel 5 ausdrücklich die Wissenschaftsfreiheit, und es ist

höchste Zeit, dass das auch in der Praxis umgesetzt wird.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb wollen wir mehr Rechte für Hamburger Hochschulen. Die Behörde ist deshalb nicht ohne Aufgaben. Sie muss dafür sorgen, dass faire Spielregeln eingehalten werden.

Ich nenne vier Punkte: Es muss dafür gesorgt werden, dass alles rechtlich korrekt passiert. Da muss die Behörde in der Tat aufpassen. Sie sollte auch für einen fairen Diskussionsprozess innerhalb der Hochschulen sorgen, zum Beispiel müssen kleine Fächer geschützt werden, dass sie gegenüber großen Fächern nicht unter die Räder geraten. Sie muss darauf achten, dass die Steuergelder sorgsam verwendet werden, und sie muss für eine ausreichende Finanzierung sorgen. Das sind aus meiner Sicht vier Punkte, mit denen die Behörde ausreichend zu tun hat. Sie sollte die konkrete Arbeit vor Ort den Hochschulen überlassen.

Manches ist schon passiert. Wir haben an Hamburgs Hochschulen bereits Globalhaushalte, aber wir müssen noch einiges zusätzlich besser machen. Lassen Sie mich auch hierzu vier Punkte nennen.

Erstens: Wir sind der Meinung, die Behörde sollte nur noch eine Rechtsaufsicht und keine Fachaufsicht mehr ausüben. Das ist Punkt 1 b) unseres Antrags.

Zweitens: Die Hochschule sollte die Dienstherreneigenschaft haben und auch eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband, damit sie Tarifverträgen beitreten kann. Das sind die Punkte 1 c) bis 1 e) unseres Antrags.

Drittens: Die Hochschulen sollten befugt sein, eigene Grundstücke zu haben, und diese auch selbstständig bewirtschaften können, Nummern 1 f) bis 1 g). Um nicht missverstanden zu werden: Wir wollen natürlich keine Schattenhaushalte, wir wollen nur mehr Verantwortung bei den Hochschulen; das ist möglich.

(Beifall bei der FDP)

Viertens: Wir wollen den Hochschulen auch erlauben, selbst Kredite aufzunehmen, Punkt 1 h) unseres Antrags. Hier ist natürlich erforderlich, dass die Behörde eine Aufsicht ausübt, damit kein Missbrauch betrieben wird.

Das sind die wichtigsten Punkte, die Sie in unserem Antrag nachlesen sollten, und das ist nichts Neues, was wir hier fordern. Das Land NordrheinWestfalen hat das bereits mit dem dortigen Hochschulfreiheitsgesetz gemacht, und es gab hierzu am 16. Dezember 2011, also vor ungefähr drei Monaten, eine Anhörung im Landtag mit sehr guten Ergebnissen. Ich will das nicht im Einzelnen referieren, sondern nur als Beispiel aus der Stellung

nahme der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen – nicht der Universität – in NordrheinWestfalen zitieren:

"[…] nur durch die gewonnene Autonomie haben die Hochschulen die Flexibilität erhalten, die Herausforderungen durch Studierendenanstieg, durch Öffnung der Hochschulen für neue Zielgruppen sowie durch die damit verbundene zunehmende Heterogenität der Studierendenschaft erfolgreich zu bewältigen."

Ein Loblied auf mehr Freiheit für die Hochschulen in NRW, und was NRW kann, kann Hamburg auch.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Man kann über jeden unserer Punkte gerne diskutieren, dazu sind wir bereit und deshalb beantragen wir eine Überweisung an den Wissenschaftsausschuss. Wir werden diesen Antrag – zumindest ist die FDP dafür – zwar dorthin überweisen, seine Behandlung aber zurückstellen, bis Senat oder SPD ihrerseits einen Gesetzentwurf für eine Änderung des Hamburger Hochschulgesetzes vorlegen. Es wäre sinnvoll, das gemeinsam zu diskutieren und auch eine gemeinsame Anhörung zu starten. Wir wollen also nicht vorpreschen, sondern nur unseren Vorschlag machen, wie wir es uns vorstellen würden.

Nun bin ich an der Stelle, die ich vorhin vorsichtig andeutete. Hier ist jetzt in der Tat das erste Lob für die Wissenschaftspolitik des Senats und der SPD fällig. Wir haben gehört, dass Sie dieser Überweisung zustimmen wollen. Dafür danken wir außerordentlich und finden das eine sehr gute Entwicklung. Der eine oder andere denkt vielleicht, das könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen der FDP und Frau Senatorin Stapelfeldt von der SPD im Hochschulbereich sein. Ich bin da ein wenig skeptisch; was wunderbare Freundschaften und auch mehr angeht, bin ich ein bisschen altmodisch. Ich würde schon erwarten, dass die Braut eine gewisse Mitgift mitbringt, nicht für mich natürlich, da bin ich ganz selbstlos, aber für die Hamburger Hochschulen. Mit anderen Worten: Es kann dann eine wunderbare Freundschaft zwischen uns und der SPD im Hochschulbereich werden, wenn Sie nicht nur Anträge überweisen, sondern auch mehr Geld für die Hamburger Hochschulen haben.

(Beifall bei der FDP)

Oder um im Bild zu bleiben: Es muss nicht die große Liebe sein, ein ernsthaftes Gespräch im Ausschuss reicht auch. – Vielen Dank, wir bitten um Überweisung.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kühn, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will meinen Beitrag relativ kurz halten, weil wir den Antrag an den Ausschuss überweisen und ich der dortigen Diskussion auch nicht vorgreifen möchte. Ich will aber ein paar Punkte aufgreifen, Herr Schinnenburg, die Sie eben am Schluss Ihrer Rede angesprochen haben, und bei denen ich aus Sicht der Sozialdemokraten schon einmal ankündigen möchte, dass wir sicherlich Schwierigkeiten haben werden, uns da aufeinander zuzubewegen. Aber nichtsdestotrotz bin ich dankbar, dass Sie diesen Antrag eingebracht haben und damit ohne Frage einen Impuls setzen, die jetzt anstehende wichtige Diskussion, nämlich die Novellierung des Hamburger Hochschulgesetzes, zu starten.

Ich will aber zu ein paar Punkten kurz etwas sagen. Sie haben ausgeführt, Sie würden sich die Behörde im Verhältnis zu den Hochschulen als eine reine Rechtsaufsicht wünschen. Nun möchte ich an die Debatte von gestern erinnern, wo wir uns beispielsweise über die Konsolidierung des Haushalts unterhalten haben und wo meine Fraktion zusammen mit der Fraktion der FDP und der GAL hier quasi einen gemeinsamen Vorstoß unternommen hat. Gerade im Kontext der schwierigen Diskussion zum Thema Haushaltskonsolidierung, die wir sicherlich bis 2020 führen – und zur Ehrlichkeit gehört auch, dass die Diskussion über das Jahr 2020 hinaus weitergeführt werden muss –, wird eine Reduzierung der Rolle der BWF allein auf die Rechtsaufsicht gegenüber den Hochschulen mit uns Sozialdemokraten nicht machbar sein. Das ist ein Punkt, den wir gerade im Kontext auch der schwierigen Haushaltssituation so nicht nachvollziehen können.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte und den Sie eben auch angesprochen haben, ist die Fähigkeit der Hochschulen zur Übernahme der Dienstherrenfähigkeit. Ich möchte darauf verweisen, dass, wenn ich mich richtig erinnere, in der damaligen Anhörung zur Novellierung, also noch in der vorangegangenen Legislaturperiode, die Hochschulen explizit diese Übernahme der Dienstherrenaufsicht abgelehnt haben, und zwar aus einem ganz entscheidenden Grund – auch da sind wir wieder bei der Haushaltspolitik –, weil sie nämlich auch die Versorgungslasten für die Pensionäre tragen müssten, und das ist ein großes Problem. Ich glaube, dass Ihr Antrag an dieser Stelle noch nicht zu Ende gedacht ist. Ohne Frage sollen und wollen wir diesen Punkt diskutieren, aber auch hier sei aus Sicht der Sozialdemokratie schon einmal angemerkt, dass wir hinter diesen Punkt sehr große Fragezeichen setzen wollen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Zuletzt möchte ich auf den von Ihnen erwähnten Punkt eingehen, dass Hochschulen Kredite aufnehmen können sollten. Wir sollten im Ausschuss noch einmal sehr ernsthaft diskutieren, ob wir das wirklich wollen, denn – da komme ich schon wieder zu der Debatte von gestern – wenn wir das Thema Haushaltskonsolidierung ernst nehmen wollen, dann ist es nicht sinnvoll, dass die Hamburger Hochschulen jetzt selbst Schattenhaushalte aufstellen, sich verschulden und damit versuchen, irgendwelche Projekte zu finanzieren. Das kann keine sinnvolle und ernst gemeinte Haushaltskonsolidierung sein, das kann keine ernsthafte Finanzpolitik sein. Wir tun den Hochschulen damit keinen Gefallen, Herr Schinnenburg.

(Beifall bei der SPD)

Ohne Frage finde ich es schön und gut, dass Sie auch über den Hamburger Tellerrand hinausschauen. Das tut Hamburg meiner Meinung nach viel zu selten, und insofern finde ich es schön, dass Sie schauen, welche Diskussionen in anderen Bundesländern laufen; das ist vollkommen in Ordnung. Aber wenn wir uns über Hochschulpolitik für Hamburg unterhalten wollen, müssen wir uns schon explizit mit dem Hochschulstandort Hamburg und seinen Besonderheiten beschäftigen und auch mit den Besonderheiten des jetzigen Gesetzes. Sie haben in Ihrem Antrag beispielsweise relativ wenig zum Verhältnis der Hochschulräte zu den Akademischen Senaten gesagt. Ein wesentlicher Punkt in der Debatte wird sein, wie wir beispielsweise die Rolle der Hochschulräte und der Akademischen Senate neu definieren oder wie wir auch dieses Rollenverhältnis neu aufstellen. Alle diese Punkte werden wir im Ausschuss beratschlagen müssen. Insofern hat Ihr Antrag da in weiten Teilen keinen ernsten Bezug zu Hamburg; das finde ich etwas schade.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt nennen, der mir – das habe ich schon in einigen Reden versucht, deutlich zu machen – ganz wichtig ist, nämlich dass wir es in Hamburg mit ganz unterschiedlichen Hochschulen zu tun haben. Wir haben die Universität Hamburg mit über 30 000 Studierenden, wir haben die HAW mit 12 000 Studierenden, wir haben aber eben auch ganz kleine Hochschulen wie die HafenCity Universität mit 2000 Studierenden oder die beiden künstlerischen Hochschulen mit unter 2000 Studierenden. Mir wurde in vielen Gesprächen mit Hochschulpräsidenten, gerade auch bei den kleineren Hochschulen, immer wieder mit auf den Weg gegeben, dass wir bei dieser Novellierung zumindest versuchen sollten, in dem Gesetz stärker auf die Unterschiedlichkeit der Hochschulen einzugehen, denn gerade die kleineren Hochschulen haben mir immer davon berichtet, dass es für sie sehr schwer sei, in diesem Prozess diese Gesetze umzusetzen

und diese Vorgaben überhaupt einzuhalten. Darauf müssen wir reagieren, denn es ist doch ein Unterschied, ob ich demokratische Prozesse an einer Universität mit 30 000 Studierenden und dem dazugehörigen wissenschaftlichen und technischen Personal organisieren muss oder ob ich das für eine Hochschule mit 1500 Studierenden und dementsprechend weniger Personal machen muss.

Alle diese Punkte sollten wir auf jeden Fall beachten. Gerade nach den vielen Gesprächen mit der Senatorin kann ich sagen, dass Senat und SPDFraktion hier auf einem guten Weg sind. Wir sind in einem intensiven Dialog, nicht nur wir beide, sondern die Senatorin natürlich mit den Hochschulen, aber auch ich mit den Hochschulen und nicht nur ich alleine, sondern auch andere Mitglieder meiner Fraktion. Für uns ist das ein sehr ernstes und wichtiges Thema und wir wollen in einen intensiven Dialog mit der Stadt treten, damit diese Novellierung auch zu einem guten Abschluss findet. In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratung im Ausschuss und auch ich bitte um Überweisung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kleibauer, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im letzten Jahrzehnt ist in der Hochschullandschaft viel passiert. Wichtige Weichenstellungen wurden getroffen, nicht nur in Hamburg, sondern auch in anderen Bundesländern. Das Hochschulrecht wurde modernisiert und die Hochschulen wurden selbstständiger. Dieser Weg muss fortgesetzt werden, da gebe ich Herrn Schinnenburg recht, und der Antrag der FDP liefert hierzu interessante Anregungen. Ich würde allerdings nicht so weit gehen, Herr Schinnenburg, nur weil die SPD zum ersten Mal einen Antrag aus diesem Fachbereich an den Ausschuss überweist

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das erste Mal? Nee!)

das erste Mal zu diesem Fachbereich, Herr Dr. Dressel, Zuhören gehört auch dazu –, mich da überschwänglich zu bedanken. Sie haben im Endeffekt auch die Motivlage von Herrn Kühn entdeckt. Er wollte sich inhaltlich gar nicht zu den Punkten äußern, er hat ein oder zwei Punkte herausgepickt und zu den anderen wollte er nicht Stellung nehmen, denn die eigentlich entscheidende Frage ist doch, was die SPD und der Senat wollen. Da reicht es nicht aus, Herr Kühn, wenn Sie von erfreulichen, guten und erbaulichen Gesprächen mit der Senatorin berichten, sondern es ist doch die Frage, was Sie wann vorlegen. Ich erinnere mich noch sehr genau, dass die Senatorin schon im Juni letzten Jahres im Ausschuss gesagt

hat, sie sei in sehr guten Gesprächen, das Hochschulgesetz ginge voran und sie arbeiteten mit großem Einsatz. Das ist jetzt neun Monate her. In neun Monaten kann ganz viel passieren, aber Sie haben es immer noch nicht geschafft, Ihre Vorstellung, das, was Sie im Arbeitsprogramm angekündigt haben, zu konkretisieren. Das ist schade, denn wir warten auf Ihre Vorlage.

(Beifall bei der CDU)

Es geht um die Handlungsfähigkeit der Hochschulen, es geht um die Organisation und vieles ist schon gemacht worden. Der Antrag bezieht das auch ein oder schreibt im Vorwort, dass im Jahr 2010 schon eine umfassende Evaluation des Hochschulgesetzes stattgefunden habe. Die ist sicherlich nicht ausreichend und jede Fraktion möchte gewiss etwas, das über den damaligen Stand hinausgeht, aber sie ist eine gute Grundlage für die Arbeit, die wir vor uns haben.

Wenn man Ihren Beiträgen folgt, Herr Kühn, finde ich es schon bezeichnend, dass es Ihnen doch sehr um Strukturen und Gremien geht. Die Frage ist doch, ob man eine Hochschule wirklich nur über Gremiendiskussionen und gesetzliche Grundlagen steuert. Es gehört mehr dazu, es gehört Wertschätzung dazu, es gehören die Menschen dazu, es gehört das Umfeld dazu und es gehören die Signale dazu, die die Politik aussendet. Die Signale, die der Senat in seinem ersten Jahr ausgesendet hat – sei es, was den Finanzierungsrahmen angeht, sei es das Thema Wissenschaftsstiftung, aber auch viele andere Dinge –, waren nicht ausreichend, und das werden Sie auch mit einer Gesetzesänderung nicht ändern können.

(Beifall bei der CDU)

Das Hochschulgesetz ist wichtig, da muss einiges gemacht werden, das ist unstrittig. In manchen Punkten sind wir wahrscheinlich auch nah beieinander, in vielen Punkten werden wir das nicht sein. Aber die Frage ist doch, wie das Gesetz aussieht und wie die Wirklichkeit an den Hochschulen aussieht.