[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Hochschulpakt: Bedarfsdeckendes Angebot an qualitativ hochwertigen Studienplätzen an Hamburger Hochschulen – Drs 20/3863 –]
[Antrag der CDU-Fraktion: Hochschulpakt weiterentwickeln und Engagement des Bundes im Hochschulbereich unterstützen – Drs 20/3864 –]
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zur Einführung in das doch etwas abstrakte Thema Hochschulpakt ein paar allgemeine Anmerkungen, um vielleicht dem gesamten Plenum noch einmal verdeutlichen zu können, warum diese Diskussion in den vergangenen Wochen noch einmal eine besondere Dynamik erhalten hat. Wir haben – entgegen fast allen Prognosen – bei den Studienanfängerzahlen für die kommenden Jahre erhebliche Steigerungen zu verzeichnen und diese Steigerungen muss man vielleicht kurz erklären. Eingängig sind vielleicht die beiden Erklärungen, dass wir eine Verkürzung des Abiturs von 13 auf zwölf Jahre in fast allen Bundesländern haben und selbstverständlich auch die Abschaffung der Wehrpflicht ihren Beitrag geleistet hat. Aber diese beiden Punkte erklären nicht, warum wir bis zum Jahre 2019 und darüber hinaus mit deutlich höheren Studienanfängerzahlen zu rechnen haben, als das in der Vergangenheit prognostiziert wurde.
Ich möchte zwei Punkte besonders herausheben, die aus meiner Sicht diese Entwicklung ein Stück weit besser erklären als die ersten beiden Punkte, die ich nannte. Wir haben es zum einen wirklich nachhaltig geschafft, in der Bundesrepublik Deutschland dafür Sorge zu tragen, dass mehr Menschen das Abitur machen. Damit werden trotz geburtenschwächerer Jahrgänge auch weiterhin
mehr Studierende pro Jahrgang ein Studium aufnehmen. Das ist ohne Frage eine positive Entwicklung, eine Entwicklung, die uns alle auch zu Recht stolz machen sollte, gerade wenn man sich noch einmal vor Augen führt, dass wir ein rohstoffarmes Land sind und Bildung eines der entscheidenden Schlüsselthemen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist.
Der zweite Punkt, auf den ich aber gerne eingehen möchte – da will ich Hamburg durchaus loben und auch ein Lob aus der vorangegangenen Legislaturperiode wiederholen –, ist die Frage der Zugangsberechtigung für beruflich Qualifizierte. Hier hat Hamburg in der vergangenen Legislaturperiode schon einiges getan und es ist wirklich nachhaltig gelungen, mehr Menschen, die eben nicht über die klassische Hochschulzugangsberechtigung verfügten, für ein Studium zu begeistern. Insofern sind das ein Stück weit die Erklärungen, die hoffentlich vielen hier im Plenum verdeutlichen, warum wir bis zum Jahr 2019 mit weit über 450 000 Studienanfängern pro Jahr rechnen müssen. Das ist eine gewaltige Zahl und diese Zahl stellt uns vor große Herausforderungen.
Die Herausforderung ist nämlich, diese zusätzlichen Studienplätze zu finanzieren, und daher will ich kurz auf dieses Verhältnis zwischen Verschuldungsverbot und Haushaltskonsolidierung eingehen, denn ich muss an dieser Stelle, und will das auch, gerade als Landespolitiker darauf verweisen, dass die Finanzsituation der Bundesländer eine grundsätzlich andere ist als die des Bundes. Ohne Frage stehen sowohl der Bund als auch die Länder und Kommunen vor der Herausforderung, ihre Haushalte zu konsolidieren, aber man muss an diesem Punkt schon einmal feststellen, dass die Situation des Bundes sich hier doch deutlich von der der meisten Bundesländer unterscheidet, und Hamburg ist hier leider keine Ausnahme.
Deshalb brauchen wir eine stärkere Planungssicherheit und diese Planungssicherheit soll eben ein Stück weit durch diesen "Hochschulpakt Plus" generiert werden. Ich möchte auch darauf verweisen, dass Hamburg sehr wohl versucht, in diesem Spannungsfeld zwischen Haushaltskonsolidierung und Planungssicherheit trotzdem wichtige Impulse zu setzen. Da gilt mein Dank ganz besonders der Wissenschaftssenatorin und ihrer Behörde, dass es in den vergangenen Wochen gelungen ist, mit weiteren Hochschulen Hochschulvereinbarungen zu treffen. Diese Hochschulvereinbarungen garantieren gerade den Hamburger Hochschulen bis zum Jahr 2020 eine gewisse Verlässlichkeit in ihrer Finanzierung, und das ist ein ganz wichtiger Punkt und eine große Leistung.
Gestatten Sie mir noch eine kurze inhaltliche Anmerkung. Diese wendet sich ein bisschen an die Systematik, die wir bislang in dem Hochschulpakt haben. Bislang ist es im Hochschulpakt so, dass jeder Studienplatz, der zusätzlich geschaffen wird, pauschal berechnet wird. Das führt nun dazu, zumindest gibt es einige klare Indizien für diese Entwicklung, dass manche Hochschulen diese Systematik etwas zweckentfremden, nämlich in die Richtung, dass sie Studienkapazitäten in günstigeren Studiengängen aufbauen und Kapazitäten abbauen in den teureren, den sogenannten Laborstudiengängen. Das ist eine Entwicklung, die wir alle zusammen im Blick behalten müssen, weil eine solche Entwicklung nicht eintreten darf. Auch die teureren Studiengänge müssen ausgebaut werden, und da ist es durchaus notwendig, eine Idee der SPD-Bundestagsfraktion aufzugreifen, nämlich an die Systematik der pauschalen Erstattung heranzugehen und vielleicht für unterschiedlich kostenintensive Studiengänge auch eine unterschiedlich pauschale Vergütung zu garantieren. Nichtsdestotrotz bleibt es eine wichtige Herausforderung und ich hoffe, dass bei den fünf hier im Parlament vertretenen Fraktionen Einigkeit darüber besteht und wir diesen Punkt im Auge behalten wollen.
Zum Schluss will ich noch kurz etwas zu den gestellten Zusatzanträgen sagen. Beim CDU-Antrag überrascht es hoffentlich die CDU-Fraktion nicht, dass wir ihm nicht zustimmen können, weil wir ihn inhaltlich so nicht teilen. Insofern wird die SPDFraktion Ihren Antrag auch ablehnen. Beim Antrag der LINKEN seien mir zwei Anmerkungen gestattet. Sie treffen leider in Ihrem Vorspann teilweise Falschaussagen, die mit den Zahlen, die mir zumindest und auch der Behörde zur Verfügung standen, so nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.
Außerdem haben Sie teilweise nicht zur Kenntnis genommen, dass Hamburg bereits jetzt schon seine Zusagen aus dem Hochschulpakt II übererfüllt hat; das wird beispielsweise in Ihrem Antrag auch nicht deutlich. Insofern möchte ich Sie bitten, die beiden Anträge abzulehnen und unserem Antrag zuzustimmen. – In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kühn, ich hatte immer noch gewartet, dass Sie etwas näher auf Ihren Antrag eingehen, aber der gibt auch nicht so viel her.
Wenn man ihn sich durchliest, dann ist es im Wesentlichen eine Formulierung: Der Senat wird aufgefordert, sich im Rahmen seiner Zuständigkeiten auf Bundesebene für die Weiterentwicklung des Hochschulpaktes einzusetzen. Das ist wahrscheinlich der kleinste gemeinsame Nenner, den Sie mit der Senatorin gefunden haben. Im Endeffekt besagt die Formulierung, die Senatorin wird aufgefordert, ihre Arbeit zu machen. Das ist für einen bürgerschaftlichen Antrag, der dann hier auch zur Debatte angemeldet wird, nicht so richtig viel.
Man muss sich nur die Verwaltungsvereinbarungen von Bund und Ländern in der gemeinsamen Wissenschaftsministerkonferenz zum Hochschulpakt durchlesen, in denen ganz klar steht, dass rechtzeitig Gespräche über die Fortführung des Hochschulpaktes nach 2015 geführt werden. Wir haben im Moment eine Planungssicherheit bis 2015, der Hochschulpakt heißt Hochschulpakt 2020. Er ist ganz klar darauf angelegt, auch den Zeitraum 2016 bis 2020 abzudecken, und dann müssen halt jetzt Gespräche geführt werden. Ich glaube, Sie sind am Freitag bei der GWK, und da steht auch das Thema Bericht zur Entwicklung des Hochschulpaktes auf der Tagesordnung. Das ist doch eine gute Gelegenheit, hier auch die Interessen der Hansestadt entsprechend zu vertreten und vielleicht mit Ergebnissen nach Hause zu kommen, Frau Stapelfeldt.
Herr Kühn ist etwas auf die Frage eingegangen, wie unsere Finanzen aussehen und wie die Finanzen des Bundes aussehen. Auch für den Bund gilt durchaus die Schuldenbremse, aber für ihn ist der Zukunftsbereich Bildung und Forschung ein Schwerpunktbereich und in dieser Legislaturperiode wird die Bundesregierung 12 Milliarden Euro mehr in diesen Bereich investieren. Das sind alles Dinge, von denen die Länder profitieren. Qualitätspakt Lehre: Hamburg profitiert, Exzellenzinitiative: Hamburg profitiert wenigstens in kleinen Teilen, Hochschulpakt: Die Hochschulen in Hamburg profitieren sehr deutlich. Auch vom Pakt für Forschung und Innovation profitieren die Einrichtungen in Hamburg und so indirekt durchaus auch der Hochschulstandort Hamburg. Das sollten Sie hier wenigstens einmal anerkennen, Herr Kühn, denn es ist schon eine Frage, wie man in Zeiten knapper Kassen die Schwerpunkte setzt.
Schön, dass ich mir diese Frage nicht allein stelle, sondern dass auch andere diese Frage stellen. Die SPD-Fraktion hat sie heute vor zwei Stunden ganz klar beantwortet. Sie investieren lieber 540 Euro in Stromleitungen in der Stadt,
543 Millionen Euro, Herr Quast, dann wollen wir auch genau sein –, und es sind nicht nur Stromleitungen, es sind auch andere Leitungen, das wissen wir. Und Sie geben sich zufrieden mit einer Garantiedividende von 4,2 bis 4,5 Prozent, die für fünf Jahre garantiert ist. Alle Investitionen in Hochschulausbildung – die diesbezügliche Untersuchung der OECD kennen Sie, Herr Kühn, und Sie kennen sie auch, Frau Dr. Stapelfeldt – erzielen zweistellige Renditen. Insofern ist doch ganz klar die Frage, wo man die Schwerpunkte setzt, und Sie setzen Sie etwas an der falschen Stelle.
Die Weiterentwicklung und Fortsetzung des Hochschulpaktes über 2015 hinaus ist definitiv sinnvoll und richtig. Da unterscheiden wir uns wenig, wir alle kennen die neuen Prognosen zum Thema Studienanfänger. Ich finde auch den Aspekt positiv, den Sie angesprochen haben, dass es gerade der Bereich der beruflich Qualifizierten ist, der die Prognosen etwas nach oben zieht.
Es gibt aber auch einige Dinge, die wir bedenken sollten, und ich picke mir da einmal einen Bereich heraus: Der Hochschulpakt führt im Endeffekt dazu, dass die Hochschulen befristete Projektmittel bekommen. Wir haben neulich im Wissenschaftsausschuss eine längere Debatte darüber geführt und wir waren alle der Meinung, dass die Hochschulen zu viel Personal haben, das mit befristeten Verträgen ausgestattet ist. Wenn die Hochschulen Mittel erhalten, die sie teilweise im Nachhinein für das letzte Jahr bekommen, und sie nicht wissen, wie viel sie fürs nächste Jahr erwarten können, oder wenn die Hochschulen Mittel bekommen, die ihnen für drei, vier Jahre Planungssicherheit geben, dann wird das nicht dazu führen, dass neue Studienplätze komplett ausfinanziert sind, sondern es wird eher dazu führen, dass weiterhin Personal befristet eingestellt wird oder dass man vielleicht in der Übergangsphase einer Professur rechtzeitig eine neue besetzt. Das ist keine hundertprozentig solide Ausfinanzierung von Studienplätzen.
Sie haben gesagt, dass Sie unseren Zusatzantrag ablehnen – näher begründet haben Sie es nicht, außer dass es die Meinung der SPD sei. Aber gerade vor diesem Hintergrund muss man doch schauen, und das ist doch der Ansatz von Frau Schavan aus Berlin, was man dazu beitragen kann, damit diese Mittel verlässlich bereitgestellt werden. Das betrifft nicht nur den Hochschulpakt, sondern das betrifft auch die Mittel aus dem Qualitätspakt Lehre, die die Hochschulen jetzt haben. In fünf Jahren ist das Programm zu Ende und dann stellt sich die Frage, was wir dann machen. Genau deshalb ist es doch wichtig, die Verstetigung der Mittel zu unterstützen. Das ist der Ansatz, der aus Berlin kommt und den wir mit unserem Zusatzantrag auch unterstützen wollen.
Vielleicht noch einen Punkt zum Thema Masterplätze. Darauf gehen Sie in der Überschrift Ihres Antrags und vielleicht auch in der Absichtserklärung des Antrags ein, aber Masterstudienplätze schafft man nun nicht durch Absichtserklärungen oder Überschriften. Wenn man diese Übergangsquoten vom Bachelor zum Master, die an jeder Hochschule ein bisschen anders und auch systematisch in den Studiengängen unterschiedlich sind, rechnerisch konsequent nach oben bringen will, dann ist das ein sehr teures Unterfangen. Auch da ist die Frage, wie man das solide ausfinanziert. Hier sind Sie die Antwort schuldig geblieben und hier bleiben auch die Hochschulvereinbarungen von Ihnen die Antwort schuldig, denn die Hochschulvereinbarung sagt im Endeffekt, dass Sie das Problem an die Hochschulen delegieren. Sie verpflichten die Hochschulen zu einer Leistung, geben ihnen aber nicht entsprechend mehr Mittel. Das ist eine Politik, die noch nicht einmal auf halbem Weg stehen bleibt, sondern die vielleicht die Kurve richtig kriegt, aber dann den Motor abwürgt, die also nicht weit vorangekommen ist. Da müssen Sie noch sehr viel nacharbeiten, da lässt Ihr Vorgehen viele Fragen offen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will meinen Redebeitrag mit zwei, drei technischen Dingen beginnen, bevor ich zum Inhaltlichen komme. Wir haben eine ziemlich vielstimmige Antragslage, die ich kurz darlegen möchte, damit Herr Kleibauer nicht sagt, ich hätte nicht begründet, warum unsere Fraktion sich enthält.
Zunächst einmal vorausgeschickt: Wir stimmen dem SPD-Antrag zu und wir stimmen auch dem Antrag der LINKEN zu, weil er das recht dünne Petitum der SPD an dieser Stelle etwas präziser fasst. Dem CDU-Antrag können wir nicht zustimmen, weil er in der Lockerung des Kooperationsverbots den großen Bereich Schule auf Bundesebene ausklammert. Wir fänden es sehr wichtig, dass die Schule auch mit hineinkommt; insoweit das Technische.
Jetzt komme ich aber zum Inhaltlichen: Herr Kühn, ich hatte eigentlich gedacht, dass wir hier eine gemeinschaftliche Debatte führen könnten. Dann habe ich Ihren Redebeitrag gehört und an Herrn Dr. Kluth denken müssen, der das immer so schön benennt: Sie haben die Tatsachen gewürdigt, aber die falschen politischen Schlüsse daraus gezogen. Ich teile in vielen Punkten Ihre Darstellung. Die Studienanfängerzahlen werden steigen, die Prognose der KMK hat sich korrigiert, aber, Herr Kühn, es ist auch kein Geheimnis, dass die KMK
das jedes Jahr tut. Weil Studierende natürlich Kosten auslösen, hoffen sie immer, dass deren Zahl irgendwie sinken wird, obwohl der gesellschaftliche Konsens dahingeht zu sagen, wir brauchen mehr Anfängerzahlen und mehr Studierende; das wissen wir alle.
Wenn das so ist, dann kann man natürlich – und wir unterstützen Ihren Antrag – zum Bund gehen und sagen, wir brauchen noch mehr. Das ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, deshalb Aufhebung des Kooperationsverbots. Aber was so traurig ist an Ihrer Art und Weise, Politik zu machen – das hat der Kollege Kleibauer schon ausgeführt –, ist, dass Sie Ihre eigenen Anstrengungen, die Sie in Hamburg unternehmen könnten, nicht in der Weise vorantreiben, wie das angesichts dieser steigenden Zahlen, die Sie selbst beschrieben haben, notwendig wäre.
Das ist doch einfach eine Frage der Prioritätensetzung. Wenn Sie sich mit der Schuldenbremse herausreden, dann finde ich das etwas dünn. Wollen Sie das in Zukunft immer so machen, dass Sie die falschen Prioritäten setzen und sagen, die Schuldenbremse sei schuld?
Wenn man jetzt schaut, wo Sie überall Geld haben, dann haben wir es vorhin bei Hapag-Lloyd gesehen. Allein die Zinsen, die wir jährlich für den Hapag-Lloyd-Deal bezahlen müssen, wären 2000 Studienplätze, dafür werden wir jetzt Reeder. Ich frage mich, wo die Prioritäten dieses SPD-Senats liegen.
Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich Ihnen das etwas freundlicher verpackt unter die Nase reibe. Frau Senatorin, Sie sind morgen bei der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz. Im Bericht über das Jahr 2009 stand zu lesen, dass Hamburg zusätzliche Mittel in Höhe von 9 Millionen Euro über den Hochschulpakt hinaus eingesetzt und damit mindestens 1400 Studienplätze geschaffen hatte. Im Sinne der jetzigen oder zukünftigen Abiturientinnen und Abiturienten würde ich mir so wünschen, dass im nächsten und übernächsten Bericht der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz etwas Ähnliches stehen würde. Das wäre mein Verständnis von gutem Regieren.