Protokoll der Sitzung vom 23.05.2012

bezogen, sehr weit im Sinne prekärer Beschäftigungsverhältnisse ausgenutzt werden.

Ich werde deshalb in Kürze einen Auftrag an ein externes Institut vergeben, das eine solche Analyse für Hamburg vornehmen und Lösungsvorschläge unterbreiten wird. Die Studie soll im zweiten Halbjahr 2012 erstellt werden, und Anfang 2013 sollen die Ergebnisse vorliegen. Dabei soll unter anderem geklärt werden, wie viele Befristungen es tatsächlich an den einzelnen Hochschulen gibt, welche Beschäftigungsvolumina diese beinhalten und ob und wie vertraglich festgelegtes Beschäftigungsvolumen und reale Arbeitslast auseinanderklaffen. Was ist zum Beispiel davon zu halten, wenn zuweilen vorgetragen wird, Promovierende und Habilitierende erhielten Arbeitsverträge für halbe Stellen, aber tatsächlich würde von ihnen erheblich mehr Arbeitsleistung erwartet, sodass wissenschaftliches Arbeiten für sie kaum noch möglich ist?

(Dora Heyenn DIE LINKE: So ist es aber!)

Sind dies eher Einzelfälle oder ist das eine möglicherweise weit verbreitete Situation?

Meine Damen und Herren! Ich halte es für sinnvoll, zunächst zu ermitteln, wie die Lage an den Hochschulen ist, und dann auf dieser Grundlage – außerhalb der zweiten Ebene des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes – konkrete Handlungsnotwendigkeiten zu definieren. Auf der Basis dieser Bestandsaufnahme werde ich dann eine Kommission einrichten, in der Vertreter und Vertreterinnen der Hochschulen und beispielsweise auch die Gewerkschaften vertreten sein sollen. Ziel ist es, konkrete Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Diese werden wir dann im Laufe des nächsten Jahres diskutieren können.

Der Senat hat sich in seinem Arbeitsprogramm vorgenommen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse in den Hochschulen einzuschränken. Daran werden wir arbeiten, entschlossen und auf der Basis von Fakten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tode.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin doch sehr froh, welche Bedeutung diese Diskussion nun hat. Herr Kleibauer, ich trage gern zu Ihrer Aufklärung bei, welche Bedeutung dieses Wissenschaftszeitvertragsgesetz aufgrund des Bologna-Prozesses nun doch dafür hat, dass wir eineinhalbjährige oder halbjährige Befristungen haben. Wir haben nämlich dreijährige Bachelor-Studiengänge, da müssen die Studierenden ein halbes Jahr warten, das sind schon dreieinhalb Jahre. Dann haben sie noch weitere zwei Jahre für einen Master, dann

sind es fünfeinhalb Jahre. Und wenn sie nur sechs Jahre insgesamt haben dürfen, stellt sich die Frage, wie man wohl auf die halbjährige Befristung kommt. Erschließt sich das Ihnen vielleicht doch, dass genau dieses halbe Jahr möglicherweise genau diese Befristung ist, die nämlich das Zeitarbeitsgesetz zulässt, und nicht mehr? Und deswegen hat der Bologna-Prozess dafür gesorgt, dass wir mehr kurzzeitige Befristungen haben in der Wissenschaft. Das ist schlecht und das muss geändert werden.

(Beifall bei der SPD)

Frau Dr. Gümbel, Sie sagen, es gehe nicht um Geld. Sie fordern in Ihrem Antrag Tenure-Tracks. Was bedeutet denn das?

(Zuruf von Dr. Eva Gümbel GAL)

Bedeutet das, dass die Tenure-Tracks und Juniorprofessoren dann auf Stellen sind, die eigentlich für den wissenschaftlichen Nachwuchs vorgesehen sind? Oder bedeutet es, dass Sie neue Stellen schaffen wollen? Oder wollen Sie es wie in den Siebzigerjahren mit einer "Aktion Sonnenschein" machen? Was ist damals passiert? Alle Assistenten wurden zu Professoren und was der Erfolg davon? 30 Jahre lang gab es keine Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Wollen Sie das?

(Beifall bei der SPD)

Sie können das natürlich fordern, aber dann, Frau Dr. Gümbel, sind Sie wieder beim Geld, denn dann müssen Sie nämlich mehr Stellen fordern. Und wenn Sie sich den Haushaltsplan anschauen und sehen, wie die Haushaltslage in Hamburg ist, dann müssen Sie auch einmal die Realitäten der Schuldenbremse und der Haushaltsvoraussagen zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Welche Bedeutung dieses Wissenschaftszeitarbeitsgesetz hat – speziell für Frauen, die dadurch besonders benachteiligt werden –, ist zu sehen im Bundestag im ersten gemeinsamen Antrag, den SPD, Grüne und LINKE gestellt haben. Das können Sie alles nachlesen. Dort sehen Sie, wie schwierig und wie aktuell das ist. Herr Kleibauer, wenn dies alles gar kein Problem ist, dann frage ich mich, warum Sie es dann nicht ändern, denn Sie haben doch die Mehrheit im Bundestag.

Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg, wenn wir einen Antrag haben, wenn wir eine Expertenanhörung haben und wenn wir von Hamburg aus einen Impuls geben, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Zukunft in dieser Stadt haben und auch in ganz Deutschland. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

(Zweite Bürgermeisterin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

Das Wort bekommt Frau Dr. Gümbel.

Meine Damen und Herren! Liebe Frau Senatorin, ich finde es nach wie vor gut, dass wir uns einig sind, dass wir etwas tun wollen gegen die prekäre Beschäftigungssituation, aber Sie müssen sich auch einmal entscheiden. Entweder wollen Sie einen Antrag einbringen und ihn jetzt abstimmen oder Sie wollen Fakten schaffen, basierend auf Ihrem Gutachten, das Sie in Auftrag geben wollen, und der Expertenanhörung, die wir machen wollen, und dann auf Grundlage dieses erweiterten Wissens einen fundierten Antrag formulieren. Das, was im SPD-Antrag steht, sind fromme Wünsche. Er ist wirklich bar jeden Inhalts.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Was denn? Fromme Wünsche oder bar jeden Inhalts?)

Es mag sein, dass dies einen Konflikt vielleicht auch innerhalb des Regierungslagers offenbart, denn die Rede von Herrn Tode war ein bisschen fundierter als das, was im Antrag steht. Aber wir beschließen ja keine Reden, sondern Petita, und was Sie gefordert haben, ist nicht richtig.

Wir brauchen einen Code of Conduct, weil Sie hier regieren, Sie regieren in Hamburg. Natürlich können Sie die Bundesregierung auffordern, an das Wissenschaftszeitvertragsgesetz heranzugehen; hierbei haben Sie unsere volle Unterstützung. Aber nehmen Sie Ihre Verantwortung hier wahr. Dazu gehört auch, dass Sie uns endlich das Hamburger Hochschulgesetz, das in zwei Paragrafen verfassungswidrig ist, vorlegen. Wir warten schon lange darauf.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Ja, wer hat denn das verfassungswidrige Gesetz be- schlossen?)

Herr Kühn, Sie regieren schon ein paar Tage, und?

Wir warten auf die Novellierung des Hochschulgesetzes, weil Sie nur dort die Tenure-Track-Regelungen manifestieren und festschreiben können.

(Beifall bei der GAL)

Solange das nicht geschehen ist, können Sie mir tausend Fragen stellen, wie wir es wollen und ob wir zurück in die Siebzigerjahre wollen; fangen wir jetzt nicht damit an. Offensichtlich haben Sie keine klare Haltung zu diesem Thema, sonst hätten wir das Hochschulgesetz schon längst. Dann hätten wir auch diese Tenure-Track-Regelungen und wüssten, worüber wir reden, anstatt hier nebulöse Fragen zu stellen, die uns überhaupt nicht weiterführen.

Wir sind uns einig in der Sache, der wissenschaftliche Nachwuchs muss gestärkt werden und dazu

braucht er verlässliche Rahmenbedingungen. Und Sie sind an der Regierung, Sie haben das zu bewerkstelligen.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, wir machen das ja auch!)

Aber Sie ducken sich weg und verbrauchen nur Papier; das ist viel zu wenig, meine Kollegen.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt Herr Kleibauer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, kurz auf die Punkte einzugehen, die Frau Stapelfeldt und Herr Tode erwähnten. Herr Tode, ich finde es sehr gut, dass Sie eine zweite Runde machen und noch einmal auf diverse Punkte eingehen. Aber auf den Kritikpunkt, der von fast allen vorgetragen wurde, sind Sie überhaupt nicht eingegangen. Warum wollen Sie erst einen Antrag beschließen und dann die Expertenanhörung machen?

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

An dieser Stelle müssen Sie sich ein wenig lernfähig zeigen, denn ansonsten leidet Ihre Glaubwürdigkeit bei diesem Thema ziemlich.

(Beifall bei der CDU und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Frau Stapelfeldt sagte, diese ganzen Stellen an den Hochschulen hätten gar nichts mit den finanziellen Rahmenbedingungen und den Hochschulvereinbarungen zu tun. Das finde ich etwas merkwürdig. Herr Tode hat zumindest in seiner Rede gesagt, es müsse auch ausreichend unbefristete Stellen geben, und da kommt es schon auf den finanziellen Rahmen an.

Ich kann Ihnen vorhalten, dass Sie jetzt Kommissionen einsetzen, Untersuchungen in Auftrag geben und den Ball in der eigenen Hälfte ein wenig hin und her spielen und schauen, ob keiner angreift, und Ihre Bundestagsfraktion legt 25 Einzelpunkte vor, die die Bundesländer Geld kosten. Ich finde es sehr merkwürdig, wenn die SPD in der Opposition in Berlin sagt, wir bräuchten 2500 Professoren und 1000 Juniorprofessoren. Wenn Hamburg ungefähr 3 Prozent davon stellen müsste, dann wären das über 100 Professorenstellen für Hamburg. Da sind Sie locker bei 10 Millionen Euro im Jahr. Aber wo Sie in konkreter Verantwortung sind, sagen Sie nur, der Bund solle alles bezahlen, was Ihre eigene Fraktion in Berlin mache, sei Ihnen völlig egal; das ist völlig unglaubwürdig.

(Beifall bei der CDU)

Ein letzter Punkt ist das Thema Tenure-Tracks. Darüber haben wir schon vor längerer Zeit in diesem Haus debattiert und da sind wir uns auch in

vielen Punkten durchaus einig. Die Evaluation des Hochschulgesetzes liegt seit längerer Zeit vor. Ich billige durchaus einer neuen Regierung zu, noch einmal gründlicher darauf zu schauen und vielleicht noch mehr in die politischen Inhalte einzusteigen. Aber das Thema Tenure-Tracks hätte man sehr gut ausklammern können. Als Frau Dr. Stapelfeldt die Behörde als Senatorin betreten hat, lag der Vorschlag aus dem Haus vor, dies auszuklammern, wenn man meint, man bräuchte für den Gesetzentwurf noch viel mehr Zeit. Dies zeigt, dass Sie hier relativ wenig tun; das hätten Sie jedoch aus dem Hochschulgesetz wirklich ausklammern können.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Ich würde auch gern auf Sie eingehen, Frau Senatorin. Sie haben irgendwie deutlich gemacht, dass Sie durchaus Handlungsbedarf sehen, dass man für die prekären und unterbezahlten Jobs in der Wissenschaft etwas tun muss. Aber wenn ich höre, dass Sie im zweiten Halbjahr 2012 eine Bestandsaufnahme in Auftrag geben wollen an ein Institut, und das angesichts der Fragen, die Sie vorgelegt haben. Dafür brauchen Sie doch wirklich kein Gutachten in Auftrag zu geben, das Geld können Sie sich sparen. Hier brauchen Sie nur ein zweistündiges Gespräch mit dem Personalrat, und dann werden die Ihnen alles sagen, was los ist. Wenn man einmal durch die Institute geht, weiß man doch, dass die Promovierenden für halbtags bezahlt werden und mindestens Vollzeit arbeiten müssen. Das Geld können Sie sich sparen, es braucht nur ein Gespräch mit dem Personalrat und dann ist das gegessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn ich dann höre, dass Sie in 2013 die Studie vorlegen wollen und danach wieder ein Handlungskonzept in Auftrag geben wollen, dann heißt das ganz klar, dass ein richtiger Handlungsbedarf erst 2015 vorliegt. Das heißt, in dieser Legislaturperiode müssten Sie gar nichts mehr machen, und dann geht es in eine neue Bürgerschaftswahl. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Sie zwar ein Lippenbekenntnis abgeben, aber wirklich etwas ändern an den Hochschulen wollen Sie offenkundig nicht.