Protokoll der Sitzung vom 29.08.2012

(Finn-Ole Ritter FDP: Bürgermeister!)

Bei mir war es noch nicht so. Ich wollte gern Manni Kaltz werden, also Fußballer. Ballerina oder Schauspielerin kam mir nicht in den Sinn. Heute sitze ich in der Finanzbehörde und darf nette Abende in der Bürgerschaft verbringen; aber das tut nichts zur Sache.

Aber es sagt im Grunde eines aus: Kinder orientieren sich an Vorbildern, und dafür brauchen Mädchen und Jungen sowohl weibliche als auch männ

(Senatorin Barbara Kisseler)

liche Vorbilder. Natürlich suchen sich Mädchen in der Regel weibliche Vorbilder, zumindest, bis sie in der Pubertät sind, und Jungen eher männliche Vorbilder.

(Martina Kaesbach FDP: Stimmt ja gar nicht! – Glocke)

Herr de Vries, ich will es noch einmal versuchen, vielleicht sind einfach alle Vorbilder in diesem Raum jetzt so still, dass sie Herrn de Vries lauschen können. Das wäre nett.

– Vielen Dank.

Die Lebenspraxis ist aber heute so, dass diese männlichen Vorbilder den Jungen im frühkindlichen Alter immer mehr in ihrem Lebensalltag fehlen. Wir haben die Situation in vielen Großstädten, dass jedes vierte Kind inzwischen bei Alleinerziehenden aufwächst, und das sind in der Regel die Mütter. Das heißt, dort ist die Entwicklung auch durch einen Mangel an männlichen Bezugspersonen geprägt. Nicht großartig anders sieht es in den Kitas aus, ich habe diesbezüglich gerade eine Anfrage gestellt. Der Anteil der männlichen Erzieher in Hamburg ist mit 10 Prozent immer noch verschwindend gering. Und wenn wir dann weitergehen über die frühkindliche Bildung in die Grundschule, sieht es dort im Wesentlichen auch nicht viel anders aus. Kurzum: Im Ergebnis fehlen vielen Jungen im frühkindlichen Alter männliche Bezugspersonen, die adäquat auf die speziellen Bedürfnisse auch von Jungen eingehen können und für eine geschlechtergerechte Erziehung und Betreuung sorgen können. Daher sorgen sich zu Recht nicht nur internationale Wissenschaftler, Politiker und Kita-Träger, sondern eigentlich auch immer mehr Eltern darum und wünschen sich ganz explizit mehr männliches pädagogisches Fachpersonal in den Kitas.

Wenn es auch komisch klingen mag, aber Männer werden überwiegend als Bereicherung für diese Einrichtungen und in diesen Einrichtungen wahrgenommen. Es gibt viele gute Gründe, den Anteil der Männer in den pädagogischen Berufen zu steigern. Zum einen können sie diesen eben erwähnten Mangel an männlichen Bezugspersonen abfedern, der in den Familien herrscht. Dann ist auch laut Studien erwiesen, dass sich ein Fehlen männlicher Bezugspersonen nachhaltig auf Bildungs-, Aggressions- und Gewaltverhalten auswirkt und die Bildungschancen von Jungen schmälert. Nicht ohne Grund ist kürzlich wieder von den Jungen als Bildungsverlierer im Bildungsbericht die Rede gewesen.

Durch männliche Erzieher kann in den Kitas auch das Spiel- und Beziehungsangebot erweitert werden. Es ist völlig klar, dass weibliche Fachkräfte

andere Angebote anbieten, als es männliche Erzieher und Fachkräfte tun.

Last but not least eine ganz aktuelle, wichtige Entwicklung, die wir auch gestern im Familienausschuss diskutierten. Wir müssen allein mit Blick auf den steigenden Fachkräftebedarf, den wir durch die Ausweitung des bundesweiten Rechtsanspruchs haben, einfach mehr männliche Erzieher gewinnen. Das kann ein wichtiger Baustein sein, wenn es gelingt, diesen Bedarf zu decken und den Fachkräftemangel zu lindern.

(Beifall bei der CDU)

Nun stehen wir nicht ganz am Anfang. Das Bundesfamilienministerium hat bereits im letzten Jahr das Modellprojekt "MEHR Männer in Kitas" gestartet. Hamburg hat sich daran beteiligt und es wird auch von der Europäischen Union gefördert. Allerdings bezieht sich das Projekt nur auf 59 unserer insgesamt über 1100 Kitas. Was es aber gezeigt hat, ist sehr erfreulich. In diesen Modell-Kitas ist der Anteil der männlichen Erzieher im letzten Jahr um 26 Prozent gestiegen. Wir haben auch eine positive Entwicklung bei Umschulungen für Berufsund Quereinsteiger, und auch die Fachschulen verzeichnen eine höhere Nachfrage von Männern an der Erzieherausbildung. Mit unserem Antrag wollen wir diese Entwicklung beschleunigen. Wir wollen nicht nur im Kita-Bereich, sondern auch in anderen pädagogischen Berufen – bei den Kindertagespflegekräften, bei den Sozialpädagogen und Lehrern – einen höheren Anteil an Männern, damit möglichst viele Kinder von männlichen und weiblichen Personen in ihrer Entwicklung unterstützt und gefördert werden.

(Beifall bei der CDU)

Zurzeit läuft die Aktion "Vielfalt, MANN!", mit der gezielt versucht wird, Männer in der Öffentlichkeit anzusprechen. Vielleicht haben Sie die Plakate schon gesehen. Darauf steht, Männer haben viele Berufe – es werden Boxer, DJs und andere genannt –, und dies sind im Grunde alles Talente, die Erzieher in ihrer Arbeit brauchen. Das ist eine sehr gute Kampagne, die auch fortgesetzt wird; sie allein wird aber nicht reichen. Wir wollen, dass das Modellprojekt flächendeckend, das heißt, auf alle 1100 Kitas in Hamburg ausgeweitet wird und gezielt Männer für die Berufe in den Kitas geworben werden. Und wir wollen eine feste politische Zielvorgabe von 20 bis 25 Prozent männlichen Fachpersonals in allen Hamburger Kitas.

(Beifall bei der CDU)

Das ist durchaus ambitioniert. Wie ich schon sagte, haben wir im Moment nur 10 Prozent. Aber das ist ein Prozess, in den man einsteigen muss, und dafür braucht man manchmal feste Zielvorgaben. Wir wollen das kontinuierlich machen, aber auch spürbar. Ich denke, dafür ist dieser Antrag ein guter erster Schritt. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Nitruch.

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr de Vries, als ich mir Ihren Antrag anschaute, habe ich im ersten Moment gedacht: Einesteils spricht man hier fast von einer Männerquote, auf der anderen Seite ist das eigentlich ein Gleichstellungsthema, das in den Gleichstellungsausschuss gehört. Insgesamt ist es ein wichtiges Thema. Als ehemalige Kita-Leiterin möchte ich auf jeden Fall – auch im Namen meiner Fraktion natürlich – sagen, dass wir das Thema vertiefend im Ausschuss behandeln müssen. Denn wie Sie schon richtig sagten, werden die Kinder, besonders im Elementarbereich, natürlich sehr stark von Frauen geprägt.

Wir denken, dass dieser Antrag auf jeden Fall überwiesen werden sollte. Wir unterstützen die von Ihnen ebenfalls angesprochenen Bestrebungen, die vor allem auch in Hamburg umgesetzt werden mit diesem Landesprogramm, an dem alle Träger beteiligt sind. Der Anteil männlicher Erzieher und Pädagogen muss auch im Grundschulbereich auf jeden Fall erhöht werden. Es ist uns ein Anliegen, dass Männer und Frauen in den unterschiedlichsten Berufsfeldern unabhängig von ihrem Geschlecht und ohne Diskriminierung arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Tradierte Rollenunterschiede lassen sich jedoch nicht auf Knopfdruck ändern; das sind langfristige und nachhaltige Prozesse. Diese Prozesse muss man mit Fortbildungen und mit Studientagen unterstützen; man muss Rahmenbedingungen in Kitas dafür schaffen, damit diese auch implementiert werden können.

Es braucht sehr viele kreative Handlungsansätze. Zum Beispiel kennen wir alle den Girls' Day und den Boys' Day. Es gibt viele verschiedene Dinge, die ausgeweitet werden müssen. Warum soll es nicht mehrwöchige Praktika geben, die sich auch gezielt speziell an ausländische Jugendliche wenden. Das kommt überhaupt nicht vor. Es geht um Vielfalt in diesem Berufsfeld. Erzieherinnen und Erzieher sollten vor allem auch aus unterschiedlichen Kulturen kommen und sie sollten die Umgebung ihrer Kita auch repräsentieren. Der Anteil an ausländischen Kindern muss sich auch in der Mitarbeiterschaft widerspiegeln. Das alles gilt es zu berücksichtigen.

(Beifall bei der SPD)

Die im Petitum von der CDU genannten Vorschläge halten wir für wenig sinnvoll, da sie doch etwas

realitätsfremd sind, wie zum Beispiel der Vorschlag, die 250 jährlich aus dem öffentlichen Dienst ausscheidenden Kolleginnen und Kollegen dafür umzuschulen. Das ähnelt der Ansage, die aus verschiedenen Ministerien gekommen ist, man könne freigestellte Mitarbeiter von Schlecker oder aus anderen Berufsfeldern einfach zu Erziehern umschulen. Das wird diesem anspruchsvollen Beruf nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Till Steffen GRÜNE und Martina Kaesbach FDP)

Zur Erreichung dieses Ziels setzen wir vielmehr auf Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und Stärkung bei den einzelnen Trägern und in den einzelnen Kita-Teams. Kitas brauchen gute Arbeitsbedingungen. Und die Kampagne ist ein guter Ansatz, um Multiplikatoren-Wirkung zu erzielen, damit andere Kitas davon lernen, sich diese Dinge weiter ausbreiten und somit auch männliche Kita-Mitarbeiter gewonnen werden können. Letztendlich geht es aber auch um eine höhere Wertschätzung des Berufes Erzieher und Erzieherin, die sich auch in der Bezahlung niederschlägt. Und wenn wir das erreichen, dann werden sich mehr Männer für diesen Beruf entscheiden.

(Beifall bei der SPD und bei Christoph de Vries CDU)

Abschließende Bemerkung: Ich möchte hier nicht in die Debatte um das unsägliche Betreuungsgeld einsteigen, aber es hat doch schon einen gewissen Charme, wenn das heute veröffentlichte Rechtsgutachten unter anderem darauf hinweist, dass mit dem Betreuungsgeld das traditionelle Rollenbild von Frauen in der Gesellschaft gefestigt wird. Da gibt es also für die CDU noch viel zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Ich freue mich auf eine interessante Weiterführung und Vertiefung der Debatte im Familienausschuss und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Frau Blömeke, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verehrte Kollegen und Kolleginnen der CDU-Fraktion, der Antrag ist okay, weil er im Kern die richtigen Forderungen stellt. Aber er hat leider kleine Schönheitsfehler. Frau Nitruch hat gerade den Punkt 2 erwähnt, der liegt mir auch am Herzen. Man kann nicht einfach 250 Kräfte irgendwoher nehmen, schnell umschulen und in die Kitas stecken. Aber das ist nur ein kleiner Teilpunkt dieses Antrags. Im Großen und Ganzen ist er richtig und ich habe mich auch gefreut, dass im Betreff von Kindern und Jugendlichen gesprochen wird, obwohl Sie, Herr de Vries, dann in Ihrer Rede

(Christoph de Vries)

explizit meistens nur auf die Jungen eingegangen sind. Ich denke, wir sind uns einig, dass auch Mädchen männliche Vorbilder brauchen.

(Beifall bei Dr. Till Steffen GRÜNE)

Mädchen und Jungen brauchen, das haben Sie auch in Ihrer Rede gesagt, männliche Vorbilder. Im Sinne einer geschlechtsspezifischen Erziehung gilt dies vielleicht für Jungen ganz besonders. Ich will auch noch einmal darauf verweisen, dass die Idee nicht ganz neu ist. Wir GRÜNE hatten dieses Thema in der letzten Legislaturperiode schon aufgegriffen und dazu zwei Anträge gestellt. Wir haben damals ebenfalls mit einer Zielvorgabe von 25 Prozent gearbeitet. Auch ich denke, dass man sich eine Zielmarke setzen muss, sonst wird es schwierig, das überhaupt zu erreichen.

Wichtig ist mir allerdings auch – und das kommt in dem Antrag in der Tat etwas zu kurz, Frau Nitruch erwähnte es schon – das Thema der Migranten. Es geht nicht nur darum, Männer für die Kitas zu rekrutieren, sondern es geht in der Tat um die Vielfalt. Wir brauchen auch mehr Migranten in pädagogischen Berufen und das gilt auch für die Kitas.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Mela- nie Leonhard und Barbara Nitruch, beide SPD)

Grundsätzlich ist dieser Antrag deswegen richtig und er ist auch notwendig. Wie wir eben gehört haben, gibt es ein sehr erfolgreiches Programm, das aus Bundes- und EU-Mitteln finanziert wird: "Vielfalt, MANN!". Leider ist nicht nur zu kritisieren, dass es nur 59 Kitas umfasst, sondern auch, dass es im Jahr 2013 ausläuft. Darum ist dieser Antrag notwendig und muss auch zur weiteren Besprechung an den Fachausschuss gehen, damit wir prüfen können, wie wir das, was jetzt durch die Bundesmittel so gut vorgelegt wurde, weiterbewegen können.

Aber lassen Sie mich noch einen Punkt nennen: Alle Anstrengungen werden nichts nützen, wenn wir nicht grundsätzlich etwas am Erzieherberuf verbessern. Es ist richtig, dass eine höhere Wertschätzung und Anerkennung in diesem Beruf sehr wichtig ist. Ich war eben ein bisschen erstaunt, Frau Nitruch, als Sie sagten, die höhere Wertschätzung spiegele sich dann auch in der Bezahlung wider. Da stimme ich Ihnen völlig zu. Übrigens ist es wichtig, dass die bessere Bezahlung nicht nur mehr Männer anlockt, sondern auch mehr Frauen; es sollen nicht nur die Männer davon profitieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Barbara Nitruch SPD)

Aber es ist gerade Ihre Partei, Frau Nitruch – das haben wir gestern im Ausschuss wieder gehört –, die sich weigert, die Refinanzierung der Tariferhöhungen zu übernehmen. Und da frage ich mich

jetzt, was ist denn das für ein Zeichen der Anerkennung?