Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

(Glocke)

Vielleicht wäre es ganz hilfreich, dass all diejenigen, die das Zentralabitur nicht ablegen wollen und auch nicht zuhören wollen, hinausgehen, und diejenigen, die das irgendwie schon hinter sich gebracht haben, vielleicht hier drinnen bleiben und auch leiser sind. – Frau von Berg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator Rabe, vor eineinhalb Jahren haben Sie Schulfrieden versprochen, geradezu damit gedroht. Schulen sollten zur Ruhe kommen, damit sie ihre Unterrichtsentwicklung voranbringen und ihre Arbeit machen können. Nun frage ich Sie, Herr Senator, warum dann dieser Schritt zum Zentralabitur in allen Fächern? Warum dieser Schritt hin zu einer Zerstörung von fünf Jahren Entwicklungsarbeit in den Schulen? Warum verprellen Sie Unternehmen wie AIRBUS, Lufthansa oder auch die mit großem Erfolg arbeitende Initiative "Naturwissenschaft und Technik"? Warum diese völlig übertriebene Eile?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Robert Heinemann CDU)

Im Schulausschuss sind Sie uns Abgeordneten diese Erklärung schuldig geblieben, denn auch da haben wir natürlich gefragt. Sie haben uns dort zwar wortreich dargelegt, dass ein Zentralabitur in allen Fächern zu mehr Gerechtigkeit führen würde, zu einheitlichen Leistungsstandards und auch zu gleicher Qualität in Hamburgs Schulen. Das Hamburger Abitur, haben Sie auch gesagt, sei nicht überall anerkannt und es sei in Hamburg auch nicht in allen Schulen gleich schwierig. Herr Senator Rabe, dafür gibt es keinen einzigen Beleg. Ich habe extra in einer Schriftlichen Kleinen Anfrage danach gefragt, und auch dort mussten Sie beziehungsweise die Behörde zugeben, dass es keinen Beleg dafür gibt. Es war die Schriftliche Kleine Anfrage 20/3618, dort kann man es nachlesen. Das heißt, die Aussagen zu mehr Gerechtigkeit und dergleichen sind letztendlich Aussagen, die auf

(Cansu Özdemir)

Hörensagen und Gerüchten basieren, aber überhaupt nicht wissenschaftlich validiert sind.

Und zum Thema Qualität: Diese wird nicht durch Prüfungen verbessert, das geht leider nicht, sondern durch den Unterricht selbst.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Mit einem Satz: Ihre Erklärungen sind weder stichhaltig noch belegbar.

Und nun zum Zeitpunkt der Reform. Sie haben noch nicht einmal die Evaluation abgewartet, die Ende des Jahres vorliegen soll. Sie haben alle Beteiligten mit dieser Aktion total überrumpelt. Und Ihre Pressemitteilung vom 22. Mai, in der Sie schreiben, dass es sorgfältig vorbereitet sei, dass alle Zeit hätten, ist wirklich eine Farce. Gehen Sie in die Schulen, ich habe das getan. Sprechen Sie mit allen, alle sind komplett überrumpelt. Sie haben die Lehrerkammer ausgelassen, Sie haben die Elternkammer nicht mit einbezogen, Sie haben die Schüler/-innenkammer nicht mit einbezogen. Und vor allen Dingen haben Sie ganz entscheidende Menschen vergessen, nämlich die Schulleitungen. Gerade Letztere hätten umfänglich und vor allen Dingen rechtzeitiger einbezogen werden müssen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

es sei denn, Sie werten das Verkünden einer Entscheidung am Ende einer sehr langwierigen, langatmigen Dienstbesprechung als Beteiligung und Gespräch. Dann habe ich allerdings wirkliche Zweifel an Ihrer kommunikativen Kompetenz, Herr Senator.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte noch einmal deutlich machen, worum es hier überhaupt geht, denn nicht alle von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben Kinder, die derzeit in der Oberstufe sind. Die Profiloberstufe führt unterschiedliche Fächer zusammen. Was man dadurch erreichen kann und auch erreicht, ist vernetztes Denken. Man erreicht dadurch ein erhöhtes Maß an Teamfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern und auch bei den Lehrkräften. Man erreicht dadurch vertiefte Kenntnisse und dadurch wiederum ein höheres Kompetenzniveau, also eine Anhebung der Qualität. Man erreicht damit auch – und das ist volkswirtschaftlich ganz entscheidend – eine höhere Beteiligung beim Interesse an MINT-Fächern, das ist ganz wichtig für uns in Hamburg. Vor allen Dingen bereitet natürlich der Unterricht in der Profiloberstufe Menschen, junge Schülerinnen und Schüler, auf das Leben in der Zukunft vor. Das sind alles Dinge, die die Profiloberstufe erreichen und ermöglichen kann.

Insgesamt hat die Profiloberstufe in den letzten Jahren zur Unterrichtsentwicklung und damit zu einer Verbesserung der Unterrichtsqualität beigetragen. Und das, Herr Senator, ist doch gerade das,

was Sie immer in den Medien in den Vordergrund stellen. Sie wollen die Qualität verbessern, aber jetzt machen Sie die fünfjährige Arbeit mit einem Handstreich kaputt.

(Christiane Blömeke GRÜNE: Traurig, sehr traurig!)

Also erklären Sie uns, erklären Sie den Eltern, Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften, wie die Profiloberstufe mit dem Zentralabitur in allen Fächern vereinbart werden soll.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Ich sage Ihnen, es wird in vielen Fächern nicht möglich sein. Die Profile werden zerstört. Das ist ein enorm hoher Preis, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, für ein winzig kleines Ergebnis, denn nur 8 Prozent der Abiturnote resultieren aus diesen zentralen Prüfungen. Was für ein Preis, es ist wirklich ein Irrsinn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun werden Sie, Herr Senator, mir wahrscheinlich nachher, wenn Sie noch in die Bütt gehen, entgegenhalten, dass die Schulen das doch akzeptiert hätten und warum ich mich so aufregen würde, es hätten doch nur drei Schulen diesen Antrag auf die Gnadenfrist gestellt. Da interpretieren Sie aber die Zahlen falsch, Herr Senator. Diese Zahl der drei Schulen zeigt nämlich zwei Dinge: Erstens sind die Hürden für diesen Antrag sehr, sehr hoch und zweitens zeigt es ein Ausmaß an Resignation in den Schulen, und das ist fatal für die Unterrichtsund Schulentwicklung in Hamburg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meiner Ansicht nach, Herr Senator, hinterlassen Sie mit diesem Schritt einen Scherbenhaufen. Dann müssen wir uns auch nicht mehr wundern, wenn demnächst in den Kollegiumszimmern wieder der Spruch die Runde macht: Ich habe schon viele Reformen erlebt, aber noch keine mitgemacht.

Wir fordern Sie deswegen auf, Herr Senator, die Evaluation abzuwarten. Sprechen Sie mit den Beteiligten, erarbeiten Sie mit allen Beteiligten ein Konzept, wie Zentralabitur und Profiloberstufe zusammen funktionieren. Und bitte profilieren Sie sich nicht auf dem Rücken der betroffenen Schülerinnen und Schüler. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Frau Rugbarth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau von Berg, offensichtlich haben Sie den Schulfrieden falsch verstanden.

(Dr. Stefanie von Berg)

(Jens Kerstan GRÜNE: Ach nee!)

Schulfrieden heißt nicht Stillstand, Schulfrieden bedeutet, dass es trotzdem weitergeht. Ihnen ist durchaus bekannt, davon gehe ich einfach aus, dass die KMK schon 2008 beschlossen hatte, die Bildungsstandards für das Abitur zu vereinheitlichen, und zwar bis 2010/2011. Die logische Folge davon ist, wenn man die Bildungsstandards vereinheitlicht, damit sie vergleichbar sind, dass man anschließend eine vergleichbare Prüfung einführt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihrer Kollegin von Berg?

Ja, bitte, Frau von Berg.

Das ist sehr nett, Frau Rugbarth.

Ich würde Sie gern fragen, ob Sie der Meinung sind, dass das Erreichen der Bildungsstandards nicht möglich ist mit dem Abitur in den Profiloberstufen, so wie es jetzt im Moment sein soll? Sie meinen also, Bildungsstandards können nur erreicht werden, wenn man ein Zentralabitur hat und alles angleicht?

(Sören Schumacher SPD: Die Frage kann man ja gar nicht beantworten!)

– Ja, Sie haben recht.

Ich werde das im Laufe der Zeit versuchen zu beantworten, weil ich ein einfaches Ja oder Nein an der Stelle ein bisschen zu primitiv finde.

Es soll also vergleichbar sein. Es sind diese vergleichbaren Standards, die doch beim Abitur für uns alle wünschenswert sein sollten. Das ist auch das, was Eltern sich letzten Endes wünschen, dass sie nämlich sagen, sie möchten, dass das Abitur ihres Kindes, zum Beispiel am Christianeum, vergleichbar ist mit einer Stadtteilschule in Wilhelmsburg.

Ich habe auch etwas gestaunt, dass Sie von einer Überrumpelungstaktik sprechen, Frau von Berg. Es gab die Beratungen mit den Schulleitungen, die die gymnasialen Oberstufen führen. Es gab im November 2011, wenn ich richtig informiert bin, auch eine Abstimmung, die zu zwei Dritteln mit einer Befürwortung abgeschlossen wurde, nämlich dass zentrale Abituraufgaben in allen Fächern der richtige Weg sind. Und von Überrumpelung kann man auch dann nicht sprechen, wenn die Schüler, die 2011 in die Oberstufe eingetreten sind, gleichzeitig mit dem Eintritt in die Oberstufe genau wissen, welche Gebiete im Abitur 2014, im sogenannten Zentralabitur, abgefragt werden. Da kann man nicht von einer Überrumpelung sprechen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Andere Länder, Frau von Berg, haben schon längst Zentralabitur und gleichzeitig die Profiloberstufe; auch das ist Ihnen bekannt. Ich denke nur an Niedersachsen oder Hessen.

(Zuruf von Jens Kerstan GRÜNE)

Nein, die haben sie auch in anderen Fächern.

Und es gibt keine Probleme dort. Ich bin sehr erstaunt, dass Sie da ein Problem sehen und glauben, dass unsere Lehrkräfte nicht in der Lage seien, innerhalb der Profilfächer auch auf zentral gestellte Prüfungsaufgaben hinzuweisen oder darauf vorzubereiten.

Die Profiloberstufe – und das stört mich die ganze Zeit, das hat mich auch in unserer sehr ausführlichen Ausschussberatung gestört – bedeutet doch längst nicht, dass Fächer aufgelöst werden. Jedes Profil besteht aus ungefähr drei, manchmal auch vier Fächern, und für diese Fächer gelten natürlich fachbezogene Bildungsinhalte. Die sind vorgegeben und daran haben sich die Lehrkräfte zu halten. Es bedeutet doch nicht, dass man bei der Profiloberstufe irgendetwas unterrichten kann.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Wer hat denn das gesagt? Das hat doch niemand gesagt!)

Insofern wird auch nach den Inhalten, die vorgegeben sind, abgeprüft. Ein schwerpunktbezogener Unterricht muss stattfinden, auch in einer Profiloberstufe, der sich an Rahmenpläne und Bildungsstandards zu halten hat, und dann kann man das auch abprüfen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Vielleicht, Herr Heinemann, klatschen Sie, dann können Sie das ausgleichen.