Protokoll der Sitzung vom 11.12.2012

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Andre- as Dressel SPD)

Aber man muss dazu auch sagen, dass Sinn und Zweck dieser Schuldenbremse nicht ist, der protestantischen Verzichtsethik das Wort zu reden. Es geht darum, zukünftigen Generationen Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Um diesen zukünftigen Generationen Handlungsmöglichkeiten zu erhalten, braucht es Handeln in der heutigen Zeit, eine Zukunftsorientierung und die Bereitschaft, zu gestalten, Prioritäten zu setzen und Verantwortung zu übernehmen.

Eine solche Zukunftsorientierung braucht diese Stadt in der jetzigen Lage mehr denn je, denn gerade im wirtschaftlichen und finanziellen Sektor stehen große Herausforderungen vor Hamburg.

(Dr. Andreas Dressel)

Wenn man sich das Paradepferd der SPD-Wirtschaftspolitik ansieht, dann muss man feststellen, dass auch fünf Jahre nach Beginn der Finanzkrise der Hamburger Hafen noch meilenweit von der Vorkrisensituation entfernt ist. Im Gegenteil, die maritime Wirtschaft steht nicht nur am Rande einer Krise, sondern sie befindet sich längst in der nächsten Krise.

(Olaf Ohlsen CDU: Da seid ihr doch froh drüber!)

Dennoch steht Hamburg in diesem Jahr wirtschaftlich hervorragend da, und das zeigt eines: Andere wirtschaftliche Bereiche haben diese Stadt vorangebracht. Es liegt auf der Hand, dass das, was in der Vergangenheit immer gegolten hat, nämlich Hamburg in der arbeitsteiligen Welt auf Containerumschlag zu reduzieren, als ausreichende Zukunftsperspektive nicht mehr möglich sein wird. Ein solcher Ansatz garantiert in der heutigen Zeit nicht mehr Sicherheit und Wachstum, sondern er sorgt im Gegenteil für Instabilität und Krisenanfälligkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und was haben Sie angesichts dieser Situation getan, Herr Bürgermeister? Haben Sie die Bereiche gestärkt, die Hamburg in den letzten Jahren wirtschaftlich vorangebracht haben? Nein, genau das Gegenteil ist passiert. Nicht nur, dass Sie die Investitionen, also die Vorsorge für eine gute Zukunft dieser Stadt, in Ihrem Haushalt dramatisch zusammengestrichen haben, von den übrig gebliebenen Investitionsmitteln konzentriert dieser Senat alles einzig und allein auf den Hafen. Dort wird das Geld für die Konzepte von gestern ausgegeben. Mit dieser rückwärtsgewandten Struktur- und Wirtschaftspolitik wird Hamburg seinen Weg in eine gute Zukunft nicht finden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sind davon überzeugt, dass sich die Zukunftsfähigkeit Hamburgs nicht nur im Hafen, der weiterhin wichtig bleiben wird und dem auch wir gutes Gelingen und Wachstum wünschen,

(Arno Münster SPD: Ach, das ist doch nicht wahr!)

sondern insbesondere in den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Kultur entscheiden wird. Und was sind die Entscheidungen des Senats in genau diesen Zukunftsbereichen? Weder die Universitäten noch die Kultureinrichtungen bekommen auch nur den Inflationsausgleich von diesem Senat; dieser Senat lässt Wissenschaft, Kultur und Bildung finanziell ausbluten. Das ist die traurige Realität.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU – Wolfgang Rose SPD: Sie müssen mal den Haushalt lesen! – Gabi Dobusch SPD: Der hat auch nicht den Haushalt gelesen!)

Ein weiteres Zukunftsthema ist der Schutz von Umwelt und Klima. Auch das ist ein Thema, mit dem dieser Senat überhaupt nicht zurande kommt. Was haben Sie in diesem Bereich vorgefunden? Hamburg war als europäische Umwelthauptstadt Vorreiterin in diesem Bereich und international für eine engagierte Klima- und Umweltpolitik anerkannt. Und was haben Sie daraus gemacht, Herr Bürgermeister? Unter Olaf Scholz und der angeblichen Umweltsenatorin Frau Blankau wurde dieser Bereich abgewickelt. Erst hat Frau Blankau verkündet, die ehrgeizigen Klimaschutzziele seien überhaupt nicht mehr zu erreichen. Daraufhin hat sie den Klimaschutzhaushalt um die Hälfte halbiert und alle Anstrengungen eingestellt, mit denen wir diese Ziele durchaus hätten erreichen können. So sieht es aus in der SPD-Umweltpolitik. Versprochen und gehalten, Herr Bürgermeister – das war nicht die Idee, die dahintersteckt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und die Energiewende, eine große Herausforderung nach dem Atomausstieg, hat Olaf Scholz privatisiert. Anstatt diesen so wichtigen Bereich mit den öffentlichen Unternehmen HAMBURG WASSER und HAMBURG ENERGIE voranzubringen und die Energiewende mit den Bürgern und für die Bürger zu gestalten, überlässt Olaf Scholz ihn einzig und allein den großen Atom- und Kohlekonzernen, und die machen das, was sie in den letzten Jahren immer getan haben: Sie zocken die Bürgerinnen und Bürger bei den Preisen ab, ungebremst von diesem Senat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu der beispiellosen Absenkung des Umwelt- und Stadtentwicklungsetats in Ihrem Haushalt um 20 Prozent kommt hinzu, dass Sie die BSU als Infrastrukturbehörde völlig demontieren. Die Kompetenz für eine stadtweite Stadtplanung wird in die Bezirke verlagert, Verkehr ist anscheinend nur noch ein Wirtschaftsthema und Lebensqualität und Gesundheitsvorsorge spielen in diesem Bereich überhaupt keine Rolle. Lärmminderung und Luftreinhaltung werden auf dem niedrigstmöglichen Niveau betrieben. Das traurige Bild der Umweltpolitik dieses Senats ist: Seit der Gründung der Umweltbehörde vor 30 Jahren hat diese Stadt keinen so umweltfeindlichen Senat erleben müssen wie den der SPD-Alleinregierung unter Olaf Scholz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber immerhin hat dieser Senat erkannt, dass Hamburg wächst, dass mehr Menschen in diese Stadt ziehen und dass es dafür mehr Wohnungen braucht.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das haben Sie nicht erkannt! – Zuruf von Klaus-Peter Hes- se CDU)

Dafür haben Sie auch unsere Unterstützung, Herr Dressel. Aber Bevölkerungswachstum bedeutet doch nicht nur mehr Menschen in der Stadt, es bedeutet auch mehr Einwanderung und mehr Vielfalt der Kulturen und unterschiedliche Lebensstile. Wir müssen uns vor diesem Hintergrund fragen, wie es uns gelingen kann, die Teilhabe all dieser Menschen an Bildung, Kultur und Wissen sicherzustellen, wie wir die Lebensqualität in allen Quartieren der Stadt voranbringen können – nicht nur in denen, die auf der Sonnenseite stehen –, wie wir diese Vielfalt für unsere Stadt produktiv machen können und wie wir Kultur und Bildung als zusammenführende Strukturen stärken können. Und von all diesen Gestaltungsaufgaben finden wir von diesem Senat, von diesem Bürgermeister praktisch gar nichts vor.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Besonders bemerkenswert ist dabei, dass der Sozialdemokratie anscheinend jegliche Wahrnehmung der besonderen sozialen Problemlagen und der wachsenden Ungleichheit und Ungerechtigkeit in dieser reichen Stadt fehlt. In diesem Haushaltsplan-Entwurf findet sich praktisch gar nichts, um der sozialen Spaltung entgegenzuwirken, im Gegenteil. Dieser Haushaltsplan-Entwurf wird die soziale Spaltung und Ungerechtigkeit in dieser Stadt weiter vergrößern.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Ebenso wie Umweltsenatorin Blankau scheint sich Sozialsenator Scheele vor allem als Haushälter zu verstehen, genauer: als Einsparer. Er tut praktisch so, als würden alle sozialen Ungerechtigkeiten in dieser Stadt aufhören zu existieren, wenn es ihm nur gelänge, die Vorgabe des Finanzsenators, seinen Haushalt maximal um 0,88 Prozent steigen zu lassen, zu erfüllen. Die Kürzungen in der Kinderund Jugendpolitik sind der unverkennbare Ausdruck einer hilflosen und verfehlten Sozialpolitik, die die Ungerechtigkeit in dieser Stadt vergrößert. Wir wollen diese unverantwortlichen Kürzungen zurücknehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Ich habe zu Beginn meiner Rede gesagt, dass die Schuldenbremse eine Aufforderung zur Gestaltung ist. Es reicht nicht, die Gegenwart einfach nur zu verwalten. Frühere Senate haben rechtzeitig Entscheidungen getroffen und große Projekte zum Wohle dieser Stadt angeschoben wie den "Sprung über die Elbe", die Internationale Bauausstellung, die "internationale gartenschau" oder die Umwelthauptstadt Europas. Und was hat die SPD getan? Im letzten Jahr hat sie die Umwelthauptstadt geräuschlos und völlig folgenlos abgewickelt, und leider steht sehr zu befürchten, dass die Internationale Bauausstellung und die "internationale garten

schau" dasselbe traurige Schicksal erleiden müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Jörg Ha- mann CDU – Dr. Monika Schaal SPD: Ach du grüne Neune!)

Dieser Haushaltsplan-Entwurf hätte auch eine Antwort darauf geben müssen, wie es in Wilhelmsburg und im Süden Hamburgs weitergehen soll, aber was finden wir dort unter dem Titel "Sprung über die Elbe" vor? Einen Leertitel, null Euro – ein starkes Symbol für die Ideen- und Perspektivlosigkeit dieses Senats bei der Weiterentwicklung unserer Stadt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch unter den Vorgaben einer Schuldenbremse ist es durchaus möglich, Hamburgs Potenziale zu fördern, soziale Ungleichheiten abzubauen, die Lebensqualität der Menschen in allen Stadtteilen dieser Stadt zu fördern und dabei nachhaltig zu sein. Dass das möglich ist, zeigen die von uns vorgelegten 38 Anträge, in denen wir insgesamt ein Volumen von 200 Millionen Euro für diese Ziele umschichten. Und alle Anträge sind gegenfinanziert und halten die Schuldenbremse ein.

Wir wollen, dass unseren Kinder in dieser Stadt gute Chancen eröffnet werden, und das bedeutet, neben der Beitragsbefreiung im Kita-Bereich auch eine Bildungsoffensive zu starten, um aus den Kitas endlich das zu machen, was sie schon längst hätten sein sollen, nämlich richtige Bildungsinstitutionen. Es bedeutet auch, den Bereich Kinder- und Jugendhilfe auskömmlich zu finanzieren und dort nicht einfach nur zu sparen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Wir geben 14 Prozent mehr aus in dem Bereich!)

Statt nur Genehmigungen für den Bau von Wohnungen und deren Fertigstellung zu zählen, wollen wir Stadtentwicklung mit einem Stadtentwicklungsfonds betreiben, der auch die Stadtteile attraktiver und lebenswerter macht, die bisher noch nicht so beliebt sind, um den großen Druck aus den beliebten innerstädtischen Stadtteilen zu nehmen und ein Beispiel zu geben, wie es gelingen kann, Mieten zu begrenzen. Das ist Ihnen bisher bei allen Anstrengungen noch nicht gelungen.

(Hansjörg Schmidt SPD: Indem Sie die Grundsteuer erhöhen und dann auf die Mie- ter umlegen! Das ist super kreativ!)

Wir wollen, dass Hamburg auch weiterhin seine Verantwortung für einen globalen Klimaschutz wahrnimmt.

Wir wollen, dass Hamburg sich als Wissenschaftsstandort entwickeln kann. Wir haben einen Antrag auf 1000 zusätzliche Studienplätze vorgelegt, damit Hamburg im Bereich Studium, Lehre, aber

auch exzellenter Forschung wieder ganz vorn mitspielen kann – ein wichtiger Zukunftsbereich.

Wir wollen, dass Hamburg im Bereich Kultur die Vielfalt dieser Stadt nutzt und dort stärker vorangeht.

Die einzelnen Vorschläge, die wir dazu vorgelegt haben, werden wir in den nächsten Tagen bei den Einzelplänen genauer diskutieren, aber schon an dieser Stelle stellt sich die Frage, warum es diesem Senat mit seiner absoluten Mehrheit nicht gelingt, auf die eben genannten, so wichtigen Zukunftsfragen Antworten zu geben. Wie kommt es, dass Sie diese Fragen zum Teil noch nicht einmal als Gestaltungsaufgabe wahrnehmen, wo sie doch mit den Händen zu greifen sind?

Die Antwort auf diese Frage hat ganz viel mit Ihrem Führungsstil zu tun, Herr Bürgermeister. Wichtige Entscheidungen sind von Ihnen schon vorab im Wahlkampf gefällt worden, ohne Beratung, zum Teil gegen die ausdrückliche Empfehlung der Experten, zum Teil sogar gegen die Empfehlung Ihrer eigenen Verwaltung.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wir haben die Wähler entscheiden lassen!)

Die Liste der Projekte, die Sie ohne jede Sachkunde entschieden haben, ist erschreckend lang: das Aus für die Stadtbahn, die Beteiligung an HapagLloyd, der Deal mit den Energiekonzernen bei den Hamburger Netzen und eine völlig wirkungslose Busbeschleunigung, für die sie Hunderte von Millionen Euro verschleudern. Solides Regieren wird bei Ihnen nur als Wahlversprechen verstanden, als Regieren nach dem Muster "versprochen und gehalten".

(Dr. Andreas Dressel SPD: Aber das ist schon mal ziemlich gut!)

Die Verwaltung darf keinerlei Beratung anbieten, darf keinerlei neue Aspekte oder Schwerpunktsetzungen einbringen. Aktuelle Probleme, die Sie im Wahlkampf nicht angesprochen haben, blendet die SPD in diesem Haushaltsplan-Entwurf vollklommen aus.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Das ist steuern nach einer Landkarte, die mit der Wirklichkeit immer weniger zu tun hat, und das zeigt sich nirgendwo so deutlich wie bei dem Umgang mit den großen Projekten dieser Stadt.

Als alle Experten schon die nächste Schifffahrtskrise am Horizont heraufziehen sahen, haben Sie, Herr Bürgermeister, entschieden, dass sich Hamburg mehrheitlich an Hapag-Lloyd, der größten Containerreederei, beteiligt.