Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Wir lassen die Empörung einmal zu Wort kommen. Zum Beispiel hat die Spanische Jugendinitiative einen offenen Brief an den Bürgermeister geschrieben und diesen überschrieben mit – Zitat –:

"Inkompetenz und Arroganz der Hamburger Jugendbehörde vernichten 30 Jahre ehrenamtliche Jugendarbeit."

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wo wird was vernichtet?)

So wird etwas vernichtet. Und da sprechen Sie von Zufriedenheit? Sie haben eine seltsame Art der Wahrnehmung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erklären Sie doch bitte einmal einem Jugendlichen, was er davon hat, wenn die Kita-Gebühren für fünf Stunden abgeschafft werden, aber gleichzeitig sein Jugendklub um die Ecke geschlossen wird oder nur stundenweise geöffnet hat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Welcher wird ge- schlossen? Sagen Sie mal einen! – Karin Timmermann SPD: Sagen Sie, welcher!)

Das können Sie nicht erklären.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Welcher wird ge- schlossen?)

Unser Haushaltsantrag sieht eine Rücknahme der Kürzungen vor, und nur das kann der einzige Ausweg sein.

Frau Timmermann und Herr Dressel, wir können gerne noch einmal in einem ruhigen Gespräch erörtern, welche Einrichtungen betroffen sind, aber ich lasse mich jetzt nicht darauf ein. Ich habe Ihnen drei Einrichtungen genannt. Auf Ihre Taktik, meine Redezeit hier zu verbrauchen, lasse ich mich nicht ein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben im Fall Jeremie viel über die Kosten und die Hilfeplanung der Jugendhilfe geredet, und es kommen neue Aspekte dazu. Die "taz" hat gerade einen kritischen Bericht veröffentlicht über die geschlossene Unterbringung Haasenburg in Brandenburg, wo auch Hamburger Kinder untergebracht sind.

(Karin Timmermann SPD: Wie lange denn schon? Zwei Jahre?)

Ein Platz kostet durchschnittlich 14 000 Euro monatlich, und gleichzeitig erheben die Jugendlichen schwere Vorwürfe, wie sie dort behandelt wurden und wie sie untergebracht worden sind. Das Ganze erinnert an die geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße,

(Dr. Andreas Dressel SPD: In welcher Zeit wurde das abgeschlossen?)

und ich sage Ihnen, welchen Zusammenhang ich herstellen möchte. Wo war und wo ist die erforderliche Kontrolle durch unsere Jugendämter, sowohl in Bezug auf die Kosten als auch in Bezug auf die Unterbringung? Die Verantwortung für Hamburger Kinder hört an der Landesgrenze nicht auf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass unsere Jugendämter in die Lage versetzt werden, dass sie überhaupt hingucken können. Da bin ich ganz bei Frau Leonhard und habe das auch gerne gehört, aber unsere Große Anfrage hat gerade wieder das Gegenteil hervorgebracht: Personalmangel, Fluktuation, hoher Krankenstand und sogar der Einsatz von Hilfskräften wie Master-Studenten, die die Arbeit von Sozialpädagogen machen. Das ist der falsche Weg. Wir müssen hier investieren, und deswegen haben wir GRÜNEN einen Antrag in den Haushalt eingebracht, der 30 neue Vollzeitstellen für den ASD vorsieht. Das ist ein wichtiger Beitrag, um dieser anspruchsvollen Arbeit auch gerecht zu werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann haben wir noch die Kindertagesbetreuung, wovon wir nun schon viel gehört haben. Die SPD lässt sich für den Ausbau feiern, den eigentlich die Vorgängersenate in Gang gesetzt haben.

(Beifall bei Dennis Gladiator CDU – Lars Holster SPD: Nichts haben Sie in Gang ge- bracht!)

Sie lässt sich feiern für fünf Stunden Gebührenbefreiung und für Kita-Plus. Aber Sie wissen auch, dass ausgiebiges Feiern mit einem Kater quittiert wird.

(Beifall bei den GRÜNEN – Karin Timmer- mann SPD: Das ist immer noch Ihr Verlust- schmerz!)

Es kann möglich sein, dass dieser Kita-Kater der Grund ist, warum Sie auf halber Strecke stehen bleiben, denn den aktuellen Herausforderungen wie Qualitätsentwicklung oder Fachkräftemangel, die so wichtig sind in der Kita, stellen Sie sich nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das aber tun wir. Wir fordern eine Qualitätsoffensive für die Kita, denn es ist natürlich wichtig, dass Kitas nicht nur günstiger, sondern vor allen Dingen auch besser werden müssen. Die Betreuung der Kinder hängt ganz stark davon ab, wie groß eine Gruppe ist und wie viele Erzieher und Erzieherinnen wir haben. Die Zufriedenheit ist in den Kitas längst nicht mehr so groß, wie Sie glauben. Wir brauchen kleinere Gruppen mit mehr Erzieherinnen und Fachkräfte mit Hochschulabschluss. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag für die Verbesserung der Qualität. Und im Fokus unseres politischen Handelns liegt auch die Inklusion.

(Karin Timmermann SPD: Das hätten Sie al- les machen können!)

Wenn Sie es mit dem Rechtsanspruch ab zwei Jahren wirklich ernst meinen – und wir haben ihn ja –, dann müssen wir die Kinder mit Behinderung mitnehmen. Das geht nur, wenn wir die Eingliederungshilfe ebenfalls auf zwei Jahre herabsenken, und das kostet Geld. Dieses Geld stellen wir bereit in unserer Qualitätsoffensive.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Insgesamt zeigen wir, dass es geht, die Entlastung der Eltern auf der einen Seite mit mehr Qualität und besserer Betreuung auf der anderen Seite zu verbinden, wenn ein politischer Wille da ist. Wir investieren dafür 45 Millionen Euro, und das wäre der Weg, den wir in der Kita gehen müssen. Es ist alles solide gegenfinanziert, lesen Sie unseren Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Insgesamt wird deutlich, dass im Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik größere Anstrengungen erforderlich sind als das sture Abarbeiten und das sture Erfüllen der Wahlversprechen, vor allen Dingen, wenn sie auf dem Rücken von Kindern, Jugendlichen und Familien dieser Stadt erfüllt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Ritter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick steigen die Ausgaben für Kinder und Jugendliche im vorliegenden Haushalt insgesamt um 14 Prozent. Dafür klopfen sich die Genossinnen und Genossen von der SPD auch immer wieder öffentlichkeitswirksam selbst auf die Schultern, aber so richtig macht da sonst niemand mit. Es bleibt die Frage, ob die Mehrausgaben nicht hauptsächlich aus höheren Fallzahlen und unnötigen SPD-Wahlgeschenken resultieren und ob dabei die richtigen Prioritäten gesetzt werden.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, werden sie!)

(Christiane Blömeke)

Daran haben wir Liberale erhebliche Zweifel.

(Beifall bei der FDP)

Kita und Ganztagsangebote an Schulen wollen Sie zwar ausbauen, gleichzeitig aber bei der offenen Kinder- und Jugendarbeit kürzen. Es geht hier aber nicht entweder um Regelangebote oder um offene Angebote, Herr Scheele, sondern um deren Verknüpfung, denn diese Angebote ergänzen sich. Und wenn hier alle Fraktionen Anträge einreichen, um die voreiligen Kürzungen in der offenen Kinderund Jugendarbeit zurückzunehmen, sollten Sie, liebe SPD, noch einmal gründlich darüber nachdenken.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Haben wir schon!)

Ihre Argumente werden durch stetiges Wiederholen nämlich nicht besser oder richtiger. Wir Liberale sind nach wie vor der Meinung, dass Sie, Herr Scheele, den zweiten vor dem ersten Schritt gemacht haben. Sie bauen erst die Ganztagsangebote an Schulen aus, und dann wird es Auswirkungen auf die offene Kinder- und Jugendarbeit haben. Machen Sie im Sommer 2014 mit den Jugendhilfeausschüssen der Bezirke eine Bestandsaufnahme, bei welchen Angeboten es weniger Teilnehmer gibt als zuvor, wo sich Öffnungs- und Angebotszeiten verändert haben und wo welche Kooperationen mit Schulen überhaupt erst entstanden sind. Erst wenn Sie das wissen, können Sie seriös umsteuern.

(Beifall bei der FDP und bei Dennis Gladia- tor CDU)

Senator Scheele, die Frage, wie Sie eigentlich auf die 10 Prozent kommen, bleibt immer noch offen. Das können Sie mir auch nicht beantworten, weil Sie es wahrscheinlich nicht wissen, und es gibt auch schlichtweg keine Erklärung dafür. Stattdessen werden Pi mal Daumen 500 000 Euro in dem bereits erwähnten ominösen Umsteuerungsfonds zur Verfügung gestellt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal aus der Antwort auf eine meiner Schriftlichen Kleinen Anfragen zitieren:

"[Die] Bezirksverwaltung Harburg hat sich vor allem an der Hypothese orientiert, dass durch die ganztägige Betreuung an den Schulen insbesondere Angebote der offenen Kinderarbeit nicht mehr im vollen Umfang benötigt werden."

Ihre Kürzungspläne bei der offenen Kinder- und Jugendarbeit beruhen also überwiegend auf Hoffnung; deswegen lehnen wir die Kürzungen ab.

(Beifall bei der FDP)

Unser Alternativvorschlag für eine Zwischenfinanzierung liegt auf dem Tisch; verwenden Sie die

Restmittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Diese Mittel sind für sozial benachteiligte Kinder eingeplant gewesen, und gerade diese Gruppe profitiert besonders von den Angeboten der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Dann würden diese Bundesmittel doch noch ihren Zweck erfüllen und nicht zur Finanzierung unnötiger SPD-Wahlgeschenke herhalten müssen.