Das werde ich nicht tun, obwohl ich heute natürlich auf die vielen falschen Versprechungen, falschen Entscheidungen und leider auch die Unwahrheiten des Schulsenators eingehen muss.
Nehmen wir als Beispiel den Schulbau, bei dem der Senator nur Luftschlösser und Container baut. Gerade erst am Montag habe ich wieder eine Antwort vom Senat bekommen. Bereits im Oktober
hatten wir von ihm die Antwort erhalten, dass 18 weitere Schulbauten noch in diesem Jahr in den Bau gehen würden. An diesem Montag kam dann die Antwort, dass es in diesem Jahr wohl doch nichts mehr werden würde. Offensichtlich baut der Senat nicht nur bei der Elbphilharmonie, sondern auch beim Schulbau nicht; dieser Senat baut nirgends mehr.
Wir können aber auch die Abschaffung der unabhängigen Zweitkorrektur beim Abitur nehmen, den jetzt schon überholten Schulentwicklungsplan, die völlig verfehlten Einsparungen bei der Lehrerausbildung und die riesigen Probleme bei der Anmelderunde, bei der Eltern erst kurz vor Ende der Sommerferien erfahren haben, wo ihr Kind nach den Ferien zur Schule gehen darf. Wir können die gestiegenen Klassengrößen nehmen und natürlich auch die Verstöße gegen das Schulgesetz und die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz. Das sind alles Themen, die man heute eigentlich thematisieren könnte. Das haben wir auch schon oft getan, und deshalb will ich mich heute zwei großen Problemen an Hamburgs Schulen widmen, die ganz schnell zu großen gesellschaftlichen Problemen werden können.
Über eines wurde diese Woche auch in den Zeitungen geschrieben, das Thema Inklusion. Seit zwei Jahren steigt an vielen Schulen der Druck im Kessel täglich an. Ich glaube, am Anfang wollten sich das viele Pädagogen selbst noch nicht eingestehen. Sie fanden die Inklusion behinderter Kinder richtig und wichtig, und sie wollten zeigen, dass man die Vision einer inklusiven Schule auch umsetzen kann und dass sie selbst diese Vision umsetzen können. Aber unter den geltenden Rahmenbedingungen kamen sie dann leider sehr schnell an ihre Grenzen. Trotzdem meldeten sich diese Pädagogen noch nicht, jedenfalls noch nicht öffentlich. Sie wollten nämlich ihrer Schule nicht schaden und sie wollten ein negatives Image vermeiden.
Man kennt das alles, und man weiß – Frau Goetsch kennt das auch –, dass gerade vor den Anmelderunden Schulleiter nicht gerade dazu neigen, ihre Schule in ein schlechtes Licht zu stellen. Gerade vor der Anmelderunde vermeidet man doch alles, was Eltern irritieren könnte. Wenn sich jetzt trotzdem vor der Anmelderunde 14 Schulleiterinnen und Schulleiter mit einem Brandbrief an den Senator wenden, dann kann man erahnen, wie groß der Druck vor Ort sein muss.
Das Gute ist, dass sich Punkt 6 unseres Antrags damit zumindest zur Hälfte erledigt hat. Wir müssen nämlich das Bestehen der von uns stets benannten und von Ihnen stets bezweifelten Probleme nicht mehr durch eine Evaluation beweisen, sondern sie liegen jetzt offen auf dem Tisch.
Wir wissen auch längst, dass es diese Probleme nicht nur auf der Elbinsel gibt. Herr Holster und ich waren neulich in einer Stadtteilschule in Hamburgs Westen. Dort sind die Probleme mindestens genauso groß. Die Schulleitung, eine sehr kundige, erfahrene und engagierte Persönlichkeit, auch mit viel Inklusionserfahrung, ist langsam am Ende ihrer Kräfte. Hier drohen nicht nur Schulen zu scheitern, sondern ganze Schülergenerationen und die Lehrer gleich mit. Es liegt nicht an den Pädagogen vor Ort. Die tun alles, was Ihnen möglich ist. Es liegt an den völlig falschen Rahmenbedingungen.
Wie kam es nun dazu? Zum einen kam die Inklusion zu schnell. Dafür tragen CDU und GRÜNE die Verantwortung, auch wenn SPD und Links-Partei damals zugestimmt haben, und auch, wenn es der Abgeordnete Rabe war, der es immer noch schneller und umfassender wollte. Aber die Verantwortung bleibt bei uns.
Es liegt zweitens daran, dass die SPD die Inklusion leider völlig falsch umgesetzt hat. Deshalb gab es in der öffentlichen Anhörung – Sie waren dabei, Herr Senator – massive Kritik, aber ohne jegliche Konsequenz. Die Verantwortung dafür, Herr Senator, tragen Sie. Schieben Sie die bitte nicht immer wieder von sich.
Es liegt drittens daran, dass man sich in Politik und Schulen manchmal ein falsches, vielleicht etwas idealistisches Bild von der Inklusion gemacht hat. Ich erinnere mich noch sehr genau an das Bild auf der "Neun macht klug"-Broschüre von den GRÜNEN, das ein Kind im Rollstuhl zeigte, das natürlich in die Klassengemeinschaft integriert war. Selbstverständlich ist jeder dafür, dass körperbehinderte Kinder Regelschulen besuchen. Was soll auch dagegen sprechen? Das Problem vor Ort sind aber nicht die Kinder im Rollstuhl, auch nicht die blinden Kinder und auch nicht die Kinder mit Sprachförderungsbedarf, sondern es geht um die Schüler, die nach den sehr vorsichtigen Worten der Schulleiter aus Wilhelmsburg Verhaltensoriginalitäten und soziale Auffälligkeiten zeigen.
Wir dürfen nicht mehr die Augen davor verschließen, dass es schwerstverhaltensauffällige Schüler gibt, die unkontrolliert durch die Klassen springen, schreien, gewalttätig werden oder Mitschüler sogar sexuell belästigen. Wie soll ein Lehrer seiner Klasse etwas beibringen, wenn er den Großteil seiner Aufmerksamkeit, 75 bis 80 Prozent, darauf ver
wenden muss, dass ein solcher Schüler einigermaßen unter Kontrolle ist und seine Mitschüler nicht belästigt oder gar gefährdet?
Das Problem wird zudem durch drei Dinge verschärft. Zum einen gibt es bei solchen Verhaltensauffälligkeiten nicht nur schwarz und weiß. Das bedeutet, neben den Kindern, die nun offiziell diagnostiziert sind – formal heißt es, dass sie einen Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung haben –, gibt es gerade an den Schulen in sozial schwierigen Stadtteilen viele, viele Kinder, die ebenfalls in einem unterschiedlichen Ausmaß entsprechende Probleme haben. Solche Kinder reagieren wiederum auf solche Mitschüler, und die Situation in der Klasse eskaliert.
Zum Zweiten hat der Schulsenator leider auf jegliche Möglichkeit verzichtet, die Verteilung dieser förderbedürftigen Kinder ein wenig zu steuern. Deshalb gibt es Schulen, die nicht nur einen, sondern zwei, drei oder vier derart massiv betreuungsbedürftige Kinder in einer Klasse haben. Das kann nicht funktionieren. Es funktioniert für die förderbedürftigen Kinder nicht, es funktioniert für die Lehrer nicht, und, wir dürfen nicht vergessen, es funktioniert auch für die vielen anderen Kinder nicht, die doch häufig auch aus schwierigen Familienverhältnissen kommen und die nun endlich in der Schule versuchen, die Lernumgebung zu finden, in der sie in Ruhe lernen können. Aber wiederum bekommen sie auch dort nicht die Atmosphäre und die Lernumgebung, die sie eigentlich zum Lernen brauchen.
Zum Dritten, das war dann die Krönung, hat die SPD mit der Abschaffung der schülerbezogenen Ressourcenverteilung dafür gesorgt, dass ausgerechnet die Schulen, die die größten Probleme haben, auch noch besonders wenig Mittel bekommen.
Wir müssen daher handeln, und zwar schnell. Herr Senator, ich erwarte schon, dass Sie das zur Chefsache machen, und nicht Herrn Rosenboom, der ein begnadeter Moderator ist, wieder vorschicken, damit er das irgendwie schön wegmoderiert für Sie.
Herr Senator, ein Unterstützungs-Expertenpool – was immer das sein soll –, den Sie in der "taz" vorgeschlagen haben, wird auch nicht die Lösung des Problems sein. Wir müssen schon ganz konkret das umsetzen, was wir bereits im Juni beantragt haben.
Erstens: Sie müssen endlich einsehen, dass die Dezentralisierung der sonderpädagogischen Förderung nicht zum Nulltarif zu haben ist. Bei Zentralisierung kann man sparen, bei Dezentralisierung braucht man mehr Ressourcen, so einfach ist das.
Zweitens: Sie müssen auch die Ressourcen wieder gerecht verteilen. Das heißt, jeder Schüler muss seinen Sonderpädagogen quasi gleich mitbringen.
Drittens: Sie müssen nach Bremer Vorbild – da sollen doch auch Sozialdemokraten regieren – endlich die Inklusion steuern. Es darf eben nicht die Inklusion nur dort stattfinden, wo ohnehin schon die größten Integrationsleistungen erbracht werden.
Viertens: Mehr als ein Schüler mit massiven Verhaltensauffälligkeiten ist für keine Klasse zumutbar. Inklusion muss auch dort ihre Grenzen haben, wo die Mitschülerinnen und Mitschüler darunter zu leiden haben.
Fünftens: Sobald ein entsprechend stark betreuungsbedürftiges Kind in einer Klasse beschult wird, brauchen wir zwingend eine Doppelbesetzung mit einem Sonderpädagogen. Das alles kostet Geld, viel Geld.
Sie, Herr Dr. Dressel, müssen entscheiden, was Ihnen wichtiger ist: eine erfolgreiche Umsetzung der Inklusion oder die vielen Maßnahmen, die zwar bildungspolitisch nichts bringen, aber populistisch sehr wirksam waren. Das sind zum Beispiel der Verzicht auf das Büchergeld, kleinere Klassen auch in den Walddörfern
oder eben auch der Verzicht auf die Studiengebühren. Wir müssen einmal überlegen, wo wir die Prioritäten setzen. Sie haben sie so gesetzt.
Das waren damals Ihr Verlangen und Ihr Druck bei den Schulfrieden-Gesprächen. Der heutige Bürgermeister hat gesagt, das und das seien Ihre Rahmenbedingungen, und dann würden Sie dem Schulfrieden zustimmen. Das waren Ihre Rahmenbedingungen, aber wir können es gemeinsam wieder anders machen.
Es gibt aber noch einen anderen Punkt, der nicht mehr Geld kostet. Wir müssen die Stadtteilschulen endlich zu dem machen, als was sie die Enquete-Kommission geplant hat. Und deshalb werden wir den Anträgen der FDP und der SPD auch zustimmen.
Aber es geht noch um einen weiteren Punkt. Unser Ziel war damals, dass die Stadtteilschulen ein wirklicher Anlaufpunkt im Stadtteil werden und hier auch die Jugendhilfe einbezogen wird. Die Schulen kennen doch ihre Schüler am besten und sie wissen auch am besten, was sie noch an ergänzender Unterstützung brauchen. Das muss endlich einmal aus einer Hand gesteuert werden. Die Wilhelmsburger Schulen fordern genau so etwas, wenn sie sagen, wir brauchen eine Bildungskonferenz mit Entscheidungskompetenzen, eine neue Form von Schule.
Herr Senator, ich glaube, es wird ein schwieriger Kompetenzkampf mit Herrn Scheele, mit den Bezirken, vielleicht auch mit den Jugendpolitikern in allen Fraktionen. Aber lassen Sie uns doch einmal in Wilhelmsburg einen Modellversuch starten, bei dem wir genau das ausprobieren. Das von uns angeschobene Bildungszentrum "Tor zur Welt" wäre genau der richtige Ort dafür.
Weil die Zeit langsam knapp wird, komme ich noch kurz zu meinem zweiten Punkt, der Schulqualität. Der CDU war die Schulqualität immer sehr wichtig, deshalb haben wir die Schulinspektion eingeführt, Herr Holster kennt die sehr gut. Wir haben die zentralen Prüfungen, die Ziel- und Leistungsvereinbarungen und die verpflichtende Lehrerfortbildung eingeführt und die Kernfächer im Abitur gestärkt. Die Ergebnisse und Erfolge, die die Studien auch in den letzten Monaten gezeigt haben, belegen, dass das Wirkung hatte. Es gab eine Halbierung der Abbrecher, und es erreichten mehr benachteiligte Kinder das Abitur.
Die Schulqualität erodiert aber seit einiger Zeit wieder. Wir haben Bildungspläne, die die Lehrer weitgehend im Unklaren lassen. Die Einführung schuleigener Curricula führt zu einer weiteren Zersplitterung und weniger Vergleichbarkeit. Diktate, Zweitkorrekturen, Abschlussprüfungen und Elterngespräche werden mal so eben halbiert und abgeschafft, und die Vermittlung von Kompetenzen wird leider manchmal als Gegensatz zur Vermittlung von Wissen verstanden.
Wir müssen hier einen neuen Weg gehen. Deshalb haben wir Ihnen ein Bündnis für Schulqualität vorgeschlagen, bei dem wir parteiübergreifend und langfristig das weiterdenken, was die Enquete-Kommission vorgedacht hat. Ich lade Sie herzlich ein: Lassen Sie es uns gemeinsam versuchen, unsere Unterstützung dabei hätten Sie. – Vielen Dank.