Die Erfahrungen aus der Weimarer Republik lehren uns, welche Gefahren sonst drohen. Natürlich lässt sich der Ausgang eines Gerichtsverfahrens nicht mit aller Sicherheit voraussehen, allerdings wurden die Lehren aus dem damaligen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gezogen, und die von Bund und Ländern zusammengetragene ausgiebige Materialsammlung hat dazu geführt, dass sich sämtliche Innenminister und Ministerpräsidenten der Länder für ein NPD-Verbotsverfahren ausgesprochen haben, darunter auch Länder, in denen die FDP in der Verantwortung ist. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf die Bewertung der Erfolgsaussichten. Nicht zuletzt wurden damit auch vehemente Kritiker – man denke an den ehemaligen Innenminister von Niedersachsen – von den vorliegenden Fakten überzeugt. Bei einem solchen Verbotsverfahren darf es sich nicht um eine ShowVeranstaltung handeln, sondern ein solches Verfahren muss von der Überzeugung hinreichender Erfolgsaussichten geprägt sein. Das ist auf Länderseite offenkundig der Fall. Warum nicht aufseiten der Bundesregierung?
Eines muss klar sein: Ein NPD-Verbot beseitigt nicht den Rechtsextremismus in den Köpfen der Menschen. Hierüber besteht wohl Einigkeit, und alles andere wäre auch eine äußerst naive Vorstellung. Auch ersetzt ein solches Verfahren nicht das politische oder gesellschaftliche Engagement im Kampf gegen den Rechtsextremismus, aber ein solches Verbot ist ein sehr wichtiges Teilstück in einem Bündel mehrerer Maßnahmen.
Es wäre ein Akt der wehrhaften Demokratie und es würde verhindern, dass sich ausländerfeindliches und rassistisches Gedankengut durch den Steuerzahler finanzieren lässt. Ich hoffe, dass die FDP noch umdenkt. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mit einem Satz beginnen, den Herr Wysocki eben gebraucht hat und den ich so nicht stehen lassen möchte. Er sagte, ein Parteienverbot sei ein Symbol. Nein, Herr Wysocki, das ist kein Symbol.
Wir haben in unserer Demokratie im Grundgesetz die Möglichkeit eines Parteienverbots zu Recht, wie ich finde, mit einer sehr, sehr großen Hürde versehen. Wir haben von diesem Recht in den vergangenen 60 Jahren ausgesprochen zurückhaltend Gebrauch gemacht. Das finde ich auch gut so, denn es ist und bleibt die Ultima Ratio. Wir sollten uns niemals dazu verleiten lassen, aufgrund von Symbolkraft etwas verbieten zu wollen. Dann verlassen wir den Boden unseres Grundgesetzes, und dann verlassen wir auch argumentativ einen wesentlichen Bereich. Das geht so nicht.
Ich will das zu dieser Debatte sagen. Offensichtlich zielen Sie tendenziell auf die Kollegen der FDP ab; das möge dann auch die FDP beantworten. Ich möchte Ihnen aber sagen, was mir an dieser eigenartigen Debatte nicht gefällt. Wir haben in Deutschland ein Verfahren, das klar und deutlich regelt, wie ein potenzielles Parteienverbot initiiert werden kann. Das kann der Bundesrat machen, das kann der Bundestag machen, das kann die Bundesregierung machen. Alle gemeinsam können sozusagen ihre Verfahren vorher klären, und alle gemeinsam können darüber nachdenken. Wir haben in diesem Hause schon mehrfach über dieses Thema debattiert, und wenn uns eines hoffentlich geeint hat, dann war es die Grundauffassung, dass ein Parteienverbot nicht einmal so eben by the way ausgesprochen wird, sondern dass man sich darüber lange Gedanken machen muss. Es ist so, das hat auch der Bundesinnenminister in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass die Bundesregierung bei Weitem nicht denselben treuen Glauben in die Materialsammlung hat wie die Innenminister der Länder. Darüber kann man streiten, darüber kann man diskutieren. Aber daraus ein parteitaktisches Manöver abzuleiten und zu sagen, das sind jetzt die Bösen, die
finde ich schade. Damit besorgen Sie leider das Geschäft derer, die Extremismus in diesem Land vorantreiben.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. An- dreas Dressel SPD: Und was ist mit den CDU-Innenministern, warum sind die dafür?)
Ich sage Ihnen das ehrlich, Herr Dr. Dressel. Auch ich habe hier mehrfach deutlich gesagt, dass wir als Fraktion dazu stehen, aber ich bin nicht so einer, der voranrennt und fest davon überzeugt ist, dass das der einzige und richtige Weg ist. Ich habe heute noch meine Zweifel.
Im Gegensatz zum Kollegen, der eben gesprochen hat, kenne ich die Materialsammlung, die bis zum heutigen Tag Verschlusssache ist, also gar nicht öffentlich bekannt sein darf. Und ich habe immer noch meine Zweifel daran, ob dieser Weg erfolgreich sein wird. Ich hoffe, dass wir erfolgreich sein werden, aber wir werden akzeptieren müssen, dass uns ein Misserfolg in dieser Sache in eine schwierige Situation bringen wird. Ich möchte die NPD nicht noch einmal aufwerten. Diese Zweifel darf man haben.
Man darf diese Zweifel auch formulieren und zu dem Entschluss kommen, sich deshalb einem solchen Verfahren als Bundesregierung nicht anzuschließen, aber weiterhin das von einem anderen Verfassungsorgan betriebene Verfahren positiv und mit aktiver Hilfe zu begleiten. Ich möchte sehr deutlich dafür werben, dieses NPD-Verbotsverfahren miteinander zu diskutieren und darüber zu streiten, ob es richtig oder falsch ist, aber lassen Sie uns bitte nicht dahin kommen, dass die SPD uns als Parteien in einer Demokratie gegeneinander ausspielen kann. Es darf nicht sein, dass wir uns gegenseitig vorwerfen, für die NPD oder gar für Rechtsextremismus zu sein, weil jemand aus guten Gründen nicht für ein Verbotsverfahren ist. Das kann und darf nicht sein, und wer das tut, der sollte sich überlegen, ob er nicht das Geschäft der Falschen betreibt. Wir werden weiterhin dieses Verfahren wohlwollend begleiten. Ich hoffe, wir werden uns nicht geirrt haben. In den vergangenen Wochen habe ich mehrfach von leitenden Beamten in Hamburg den Satz gehört: Ganz sicher sind wir uns auch nicht, aber wir probieren es denn mal. Das kann es nicht sein.
Wir müssen überzeugt sein, und das sind wir in Hamburg zurzeit. Die CDU steht hier voll und ganz auf der Seite des Senats, aber man darf Zweifel
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde es relativ uninteressant, was CDU und FDP im Moment zum Thema NPDVerbot sagen. Genauso finde ich auch diesen FDP-Satz von der Dummheit jetzt oft genug wiederholt. Es hilft nichts, das ist Wahlkampfrhetorik und auch Ihre Anmeldung ist das zum Teil – nichts weiter als Wahlkampfrhetorik. Das finde ich bei diesem Thema schade.
Ich sehe es so, wie es teilweise hier schon angeklungen ist. Die gesamte Debatte um den Erfolg eines Verbotsverfahrens oder darüber, ob man sich daran beteiligt oder nicht, taugt schlicht und einfach nicht als Symbol dafür, wie heroisch der Kampf gegen Nazis und Rechtsextremismus in dieser Republik geführt wird. Das überzeugt überhaupt nicht. Das Problem ist, dass es sehr ernstzunehmende Risikoeinschätzungen von verschiedenen Stellen gibt. Herr van Vormizeele hat eben schon seine Zweifel gegenüber der Zusammenstellung der Innenministerien der Bundesländer deutlich werden lassen. Ich teile diese Zweifel. Sehr deutlich weist zum Beispiel der ehemalige Verfassungsrichter, Herr Papier, darauf hin, dass es sich um aggressives Vorgehen gegen die Verfassung handeln muss und nicht um einzelne Straftaten, um eine Partei verbieten zu können. Herr Hassemer sagt deutlich, es muss klar sein, dass die vorliegenden Daten quellenfrei sind, wie es so schön heißt. Andere Zitate könnte man folgen lassen. Dazu fehlt mir eine Debatte, auch bei der SPD. Herr Neumann wusste schon im November 2011, ohne jede inhaltliche Begründung, dass sofort ein NPD-Verbotsverfahren her muss. Wenn wir jetzt weiter streiten, wie sinnvoll und erfolgversprechend ein NPD-Verbotsverfahren ist, dann müssen wir uns mit der Kritik daran auseinandersetzen und Wahlkampfrhetorik an der Stelle bleiben lassen.
Wir sollten das Fazit aus dem Scheitern des ersten Verbotsverfahrens ernst nehmen. Es gibt dazu mehrere wissenschaftliche Ausführungen. Unter anderem wird darin deutlich, dass es damals die gleiche Stimmung und gleiche Debatten im politischen Raum gab, wie jetzt wieder, nämlich Aussa
gen wie: Wer nicht für ein NPD-Verbotsverfahren ist, der ist auch nicht wirklich gegen Nazis und gegen rechts, der tut nichts. Die V-Leute-Debatte gab es damals auch, und eine Niederlage im Verbotsverfahren wurde immer als ein Aufwerten der NPD gesehen. Wir sind keinen Schritt weiter.
Bei der vorgelegten Zusammenstellung muss man auch deutlich sagen, dass die CDU daran beteiligt war, denn es gab auch CDU-Innenminister. Eigentlich erwarte ich hier einen inhaltlichen Beitrag dazu, genauso wie ich ihn von der SPD erwarte, was es noch braucht, damit es vielleicht doch einen überparteilichen Konsens für das Verbotsverfahren geben könnte. Die Frage ist doch, was wir als Parteien und Fraktionen noch brauchen, um die Erfolgsaussichten solch eines Verfahrens wirklich besser bewerten und hoffentlich dann auch umsetzen zu können. Das Gericht wird sich nicht von politischen Aufgeregtheiten leiten lassen, sondern es wird nach konkreten Vorgaben aus dem alten Verbotsverfahren arbeiten, aber auch danach, was zum Beispiel vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu erwarten ist. Auch dort, das kann man beim ehemaligen Verfassungsrichter Hassemer nachlesen, gibt es die deutliche Einschätzung, dass es nicht um die Absicht, die verfassungsgemäße Ordnung zu stören oder zu zerstören, geht, sondern auch um die Erfolgswahrscheinlichkeit dieser Absicht. Dann sind wir bei den 6300 Mitgliedern der NPD in dieser Republik, 6300 zu viel, aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird die Erfolgswahrscheinlichkeit der NPD mit überprüfen. Mit dieser Frage muss man sich auseinandersetzen: Wie real ist es denn, dass eine Entscheidung aus Straßburg das Verfahren kippt?
Worum geht es also? Einen Verbotsantrag zu stellen ist dann richtig, aber wir brauchen den Erfolg und dazu muss nachgearbeitet werden.
Sonst haben wir die Situation, dass es möglicherweise ein nicht zustande gekommenes Verbot gibt und sowieso keinen einzigen NPDler mehr in dieser Republik, dafür aber lauter neue Institutionen, die die gleiche Politik machen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Etwas Grundsätzliches möchte ich vorwegschicken. Es darf in dieser Debatte nicht darum gehen, dass jenen, die sich
nach sorgfältiger Abwägung des Für und Wider gegen einen erneuten Verbotsantrag aussprechen, weniger Entschlossenheit im Kampf gegen Rechtsextremismus unterstellt wird. Es darf auch nicht darum gehen, dass ihnen eine Verharmlosung der NPD unterstellt wird oder sogar ein kleines bisschen Sympathie für diese widerliche Partei.
Auf diese Wiese dürfen sich die demokratischen Kräfte dieses Hauses nicht in dem ohnehin schon sehr schweren Kampf gegen den Rechtextremismus auseinanderdividieren lassen. Ich warne eindrücklich davor, diese Debatte für parteipolitisches Geplänkel zu instrumentalisieren.
Ich denke, wir sind uns hier einig, dass die NPD eine rechtsextremistische Partei ist, die verfassungsfeindliche und menschenverachtende Ziele verfolgt. So einig wir uns beim Ausgangspunkt dieses Problems sind, so einig sind wir uns im Grunde auch bei seiner Bekämpfung. Wir alle wollen die gesellschaftlichen Kräfte unterstützen und stärken, die sich dem falschen und ekelhaften rechten Gedankengut friedlich in den Weg stellen. Wir alle wollen die Präventionsarbeit stärken, wir wollen die Aufklärung über die Gräueltaten des NS-Regimes verbessern und das Gedenken an die vielen Millionen unschuldigen und unnötigen Opfer bewahren.
Aber, meine Damen und Herren, wir sind uns doch auch alle einig, dass das Verbot einer Partei das Problem der Fremdenfeindlichkeit und des Rechtsextremismus leider nicht an den Wurzeln bekämpfen wird. Worum geht es genau? Es geht den Ländern in erster Linie darum – dafür lassen sich zahlreiche Belege finden –, ein politisches Signal zu senden. An zweiter Stelle geht es darum, die NPD aus der staatlichen Parteienfinanzierung herauszuhalten. Das sind im Grunde zwei logische und richtige Anliegen. Nach einem sorgfältigen Abwägen des Für und Wider denke ich allerdings nicht, dass ein Verbotsverfahren dafür der richtige Weg ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verbotsverfahren erneut scheitert, ist leider sehr hoch. Ich habe selten einen Anlass, grüne Abgeordnete zu zitieren, heute habe ich aber einen solchen Anlass. Ich möchte aus einem Appell ostdeutscher grüner Landtagsabgeordneter an ihre Bundestagsfraktion zitieren:
"Es geht beim NPD-Verbot nicht um eine 'antifaschistische Mutprobe', das hilflose 'Setzen von Zeichen' oder moralische Erwägungen, sondern um die Kenntnisnahme und Beachtung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen eines Parteienverbots."
"Alle vorliegenden Erkenntnisse mahnen, von einem Verbotsantrag mangels Erfolgsaussichten abzusehen."