Protokoll der Sitzung vom 27.03.2013

(Beifall bei der CDU)

Viele Menschen leben hier das erste Mal in Freiheit. Sie leben hier in Würde und werden solidarisch unterstützt, wenn sie selbst kein ausreichendes Einkommen haben, und sie leisten einen Beitrag zum Gemeinwesen. Es gibt auch Diskriminierung, aber sie steht nicht im Vordergrund der Beziehung im Bereich der Integration in dieser Stadt.

Wenn Sie diejenigen Menschen fragen, die all diese Dinge erfolgreich tun, dann werden Sie hören, dass es eben auch auf die richtige Einstellung ankomme. Und wer sich selbst in eine Opferrolle hineindenkt, hat auch deutlich geringere Chancen, seine Träume zu verwirklichen. Das sagen Ihnen sehr viele erfolgreiche Migranten, unabhängig von dem Ort, von dem sie nach Deutschland gekommen sind.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben. Wie kann es sein, dass zwei Drittel aller vietnamesischen Schüler erfolgreich das Gymnasium besuchen? Ich fordere alle Anhänger der Ideologie von Opfer und Benachteiligung auf: Gehen Sie zu den Eltern dieser Kinder und sagen Sie ihnen, dass der Erfolg dieser Kinder nichts zu tun hat mit Werten und mit kulturellen Einstellungen, nichts zu tun hat mit der Wertschätzung von Bildung, die sie von ihren Eltern bekommen, sondern nur etwas zu tun hat mit struktureller Diskriminierung, die sie nicht trifft, aber andere schon. Sie sehen, wie absurd dieser Ansatz ist.

Wo Grundsätze weltfremd sind und wo Grundsätze realitätsfern sind, sind leider auch die Ziele und Maßnahmen ungeeignet. Häufig setzen Sie in Ihrem Konzept auf unwichtige Ziele wie Informationsveranstaltungen. Aber immens wichtige Ziele wie die Abiturientenquote, die Hochschulabschlussquote und die Arbeitslosenquote werden leider nicht ernsthaft bearbeitet.

Ich nehme als ein Beispiel die Arbeitslosenquote. Das ist für uns einer der wichtigsten Bereiche überhaupt. Diese wollen Sie von 25 Prozent im Jahr 2006 auf unter 12 Prozent im Jahr 2015 senken. Sie schreiben keinen Satz dazu, wie Sie das erreichen wollen. Anstatt über 60-mal von Diskriminierung und Benachteiligung zu sprechen, sollten Sie lieber darüber sprechen, wie wir Zuwanderer in Arbeit bringen, damit sie und besonders ihre Kinder nicht nur die finanziellen, sondern auch die nichtmateriellen Vorteile eines Lebens in Arbeit erfahren.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Dies war nur ein Beispiel von vielen. Unsere Fraktion ist darauf vorbereitet, mit Ihnen über jedes Teilgebiet und jede Zielkennzahl ausführlich im Ausschuss zu diskutieren. Wir hoffen, dass Sie bis dahin den Weg in die Realität gefunden haben, damit wir gemeinsam im Sinne der leistungsbereiten Zuwanderer in Hamburg alles bewegen und ermöglichen können, was den Weg der Migranten zum Erfolg in dieser Stadt leichter macht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Demirel, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Haufler, Ihre Aussage, dass wir uns in der inhaltlichen Wahrnehmung unterscheiden, was Integration bedeutet, betrachte ich als Kompliment.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Mit seinem Integrationskonzept kündigt der Senat nun eine neue Willkommenskultur und die uneingeschränkte Beteiligung in allen gesellschaftlichen Bereichen an. Wir begrüßen besonders die Aussage, dass Flüchtlinge in das Konzept integriert werden. Das war auch ein wesentlicher Punkt, den wir an dem Konzept der CDU damals kritisiert hatten. Dennoch finden Flüchtlinge, im Gegensatz zu der großen Ankündigung in der Umsetzung des Konzepts, leider wenig Erwähnung. In dem auf 80 Seiten dargestellten Konzept geht es überwiegend um die Weiterführung bisheriger Projekte, zum Teil sehr oberflächlich angetastete Bereiche und auch viele Sonntagsreden zur Willkommenskultur.

Bei den zentralen Punkten dieses Konzepts, die Sie besonders hervorheben, betreiben Sie leider in der Praxis eine Scheinpolitik. Dazu möchte ich einige Beispiele geben. Sprachförderung soll beispielsweise ein wesentlicher Schwerpunkt dieses Konzepts sein. Wenn ich mir aber Ihre Regierungsarbeit anschaue, dann stelle ich Folgendes fest: Sie haben im Haushalt 2013/2014 fast eine halbe Million Euro, Herr Senator, bei der Sprachförderung, der Erwachsenenbildung und den Sprachkursen für Flüchtlinge gekürzt. Nur dank einer grünen Bürgerschaftsinitiative können auch Flüchtlinge das Bildungs- und Teilhabepaket in Anspruch nehmen.

Der Senat kündigt in seinem Konzept zwei weitere Strategien an, interkulturelle Öffnung und Antidiskriminierung. Dennoch hat dieser Senat seine Regierungszeit mit der Abschaffung der "Arbeitsstelle Vielfalt" begonnen, und für Antidiskriminierungsarbeit stehen nur rund 20 000 Euro für die 2-Millionen-Metropole Hamburg zur Verfügung.

(Nikolaus Haufler)

Weiterhin versucht der Senat, die bestehenden Einrichtungen und Integrationszentren zusätzlich mit der Aufgabe Antidiskriminierungsberatung zu belasten, ohne die erforderlichen Ressourcen bereitzustellen. So kann es nicht klappen.

Ein Beispiel ist auch die Einbürgerung. Ich erwähne nicht die alten Projekte wie die Einbürgerungslotsen oder "Hamburg mein Hafen" und die Einbürgerungsfeiern, die seit einigen Jahren erfolgreich in Hamburg laufen. Hier geht es nur um das neue Konzept. Zu diesem Bereich fällt dem Senat nichts anderes ein als die Briefaktion des Bürgermeisters, die lediglich 1,7 Prozent Erfolg gebracht hat, aber jede Menge Verwaltungsaufwand und falsche Hoffnungen.

An dieser Stelle betone ich noch einmal: Wer die Einbürgerungszahlen erhöhen will, der muss die Einbürgerungshürden senken. Aber der Bürgermeister setzt lieber weiterhin auf das Polieren des eigenen Images in der Öffentlichkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es sind viele Bereiche in diesem Konzept, die ich im Einzelnen nicht aufzählen möchte. Aber das größte Manko dieses Konzepts ist, dass im Haushalt 2013/2014 keine zusätzlichen Mittel für dieses Konzept bereitgestellt worden sind, und es soll alles haushaltsneutral erfolgen. Das wird so nicht funktionieren.

Wir GRÜNEN haben ein großes Interesse daran, dass Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in Hamburg gleichberechtigt miteinander leben. Und wir wissen auch, dass das ohne den politischen und finanziellen Rahmen nicht realisiert werden kann. Wir freuen uns deshalb auf eine aufregende Diskussion im Ausschuss und auf die Vorschläge von allen Fraktionen, wie wir gemeinsam in Hamburg das Konzept lebhaft und gut auf die Beine stellen können. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kaesbach, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! 30 Prozent der Hamburger haben einen Migrationshintergrund, unter den Jüngeren sind es fast schon 50 Prozent. Sie sind Schüler, Auszubildende, Angestellte oder Unternehmer, Nachbarn, Kollegen oder Freunde. Und eigentlich sollte es gar keine Rolle mehr spielen, woher sie oder ihre Eltern einmal gekommen sind. Sie sind so vielfältig in ihrem kulturellen Hintergrund, ihren Sprachkenntnissen und ihren ganz persönlichen Geschichten, dass wir eines festhalten sollten: Den typischen Migranten gibt es nicht.

(Beifall bei der FDP)

Eines haben sie jedoch alle gemeinsam, sie sind Hamburger. Und genau deshalb brauchen wir eine differenzierte Betrachtung der Situation. Herr Haufler ist schon darauf eingegangen, obwohl ich mir auch gerade bei Ihnen, Herr Haufler, ein bisschen mehr Sensibilität für Begrifflichkeiten wünschen würde; ich gehe später noch darauf ein.

(Beifall bei Dr. Isabella Vértes-Schütter SPD, Phyliss Demirel GRÜNE und Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Wir dürfen Schwierigkeiten nicht ausblenden, aber nicht jedes Problem lässt sich auf den Migrationshintergrund zurückführen. Das ist einseitig und wird den vielen erfolgreichen Biografien und engagierten Mitbürgern nicht gerecht. Bildung und Sprachkenntnisse sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration. Umgekehrt sollten soziale Probleme und Bildungsferne nicht auf das Vorhandensein eines Migrationshintergrundes reduziert werden. Diese Klarstellung kann beim Thema Integration nicht oft genug vorgenommen werden, da ansonsten das Image unserer Mitbürger mit Migrationshintergrund keine Chance erhält, sich aus dieser Problemecke zu befreien.

(Beifall bei der FDP)

Nun zum Integrationskonzept selbst. Die FDP-Fraktion begrüßt, dass der Senat sich die Kritik des Rechnungshofs zu Herzen genommen und in seinem Integrationskonzept Ziele benannt und meistens auch konkrete Kennzahlen definiert hat. Dies würde im Übrigen anderen Konzepten des Senats auch gut zu Gesicht stehen. Das Konzept ist übersichtlich aufgebaut, umfasst alle wichtigen Bereiche und setzt sich zahlreiche messbare Teilziele. Das ist zu begrüßen. Was aber überwiegend fehlt, ist die Nennung der Maßnahmen, mithilfe derer man zu diesen Zielen gelangen möchte.

Ein Beispiel dafür ist das Teilziel auf Seite 37, die Vereinfachung des Verfahrens zur Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. Hier wird nicht einmal ein Zielwert genannt, sondern lediglich auf noch zu erarbeitende Statistiken verwiesen – von Maßnahmen, die zur Abhilfe der dünnen Nachfrage führen würden, die Medien berichteten jüngst darüber, ganz zu schweigen. Insofern sind gerade hier Maßnahmen gefordert, um das im Juni letzten Jahres beschlossene Gesetz mit Leben zu füllen.

(Phyliss Demirel GRÜNE: Eben!)

Meine Fraktion hat deshalb einen Antrag eingebracht, der den Senat auffordert, Maßnahmen zur Verbesserung und Ausweitung des Informationsangebots aufzunehmen.

(Beifall bei der FDP)

Zielwerte zu nennen ist unumgänglich, und das wird auch in vielen Fällen unternommen. Maßnahmen aufzulisten, mit denen man zu den Zielen

(Phyliss Demirel)

kommt, ist genauso wichtig, und daran mangelt es leider bei diesem Konzept.

(Beifall bei der FDP)

Was die Umsetzung des Integrationskonzepts angeht, bleiben einige Fragen offen. Richtig ist, über ein Controlling das Erreichen der Ziele beziehungsweise die Umsetzung der Maßnahmen, wenn sie denn benannt sind, zu verfolgen und im Bedarfsfall nachzusteuern.

Klar ist auch, dass die Bezirksämter an der Umsetzung beteiligt werden, denn wo soll Integration stattfinden, wenn nicht vor Ort.

(Beifall bei der FDP)

Doch besteht wieder einmal die Gefahr, dass die Bezirke zusätzliche Aufgaben wahrnehmen müssen, ohne die entsprechenden zusätzlichen Ressourcen zu erhalten. Die Umsetzung des Integrationskonzepts soll haushaltsneutral erfolgen. Haushaltsneutral findet in der Regel die Unterstützung meiner Fraktion, aber haushaltsneutral geht nicht, wenn immer neue Aufgaben hinzukommen.

(Beifall bei der FDP)

Dafür bedarf es der Aufgabenkritik an anderer Stelle.

Auch ist unklar, welche Anteile des Konzepts der Hamburger Integrationsbeirat eingebracht hat. Eigentlich zählt es zu den Aufgaben des Integrationsbeirats – man kann auch sagen, zu den Rechten –, jährlich der Bürgerschaft zu berichten. Bisher ging noch kein Bericht ein. Insofern ist es für uns schwer fassbar, an welchen Stellen der Beirat als Verfasser aufgetreten ist und wo nicht, was ich sehr bedauere.

Was die Seniorenpolitik betrifft, so hatte die FDP-Fraktion im November mit einem Ergänzungsantrag darauf hingewirkt, dass der Senat das Integrationskonzept auch auf die Senioren mit Migrationshintergrund ausdehnt. Hier wäre es zu begrüßen, wenn das Thema Senioren- und Pflegeheime sowie ambulante Pflegedienste mit interkultureller Kompetenz Eingang gefunden hätte. Wir sollten noch einmal detailliert über das Integrationskonzept sprechen. Insofern unterstützen wir den Antrag, das Konzept an den Sozialausschuss zu überweisen.

Ein Punkt noch. Sie, Herr Haufler, haben sich auf besondere Weise zum Integrationskonzept per Pressemitteilung geäußert. Sie erklärten in einer Pressemitteilung vom 26. Februar, dass die Verwendung des Begriffs Inklusion für die Integration von Zuwanderern fatal sei.

(Sylvia Wowretzko SPD: Das ist ein guter Hinweis!)

Sie wiesen darauf hin, dass Inklusion ein Begriff sei, der eigentlich für die Eingliederung von Men