Keine Gefälligkeitsgutachten mehr, sondern Rückkauf der Netze und Einstieg in eine Rekommunalisierung
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, Ihr Umgang mit dem Parlament in Sachen Elbphilharmonie ist inakzeptabel.
Ihr dramatischer Kurswechsel, die mangelnde Transparenz, eine nicht begründete Kostenexplosion und jetzt der Zeitdruck müssen uns Abgeordnete kritisch und misstrauisch machen.
Das ist auch gut so, denn wenn wir diese kritische Haltung nicht hätten, dann würde die Demokratie nicht funktionieren.
Und den Zeitdruck hat allein Olaf Scholz zu verantworten. Sie selbst haben sich immer mehr Zeit als angekündigt genommen und immer neue Fristen gesetzt, weil die Sache so schwierig sei. Sie haben von Anfang an gesagt, das Parlament hätte bis 30. Juni Zeit – übrigens ohne mit uns Rücksprache zu halten –, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Verträge am 28. Februar fertig werden würden. Das wäre vielleicht auch gegangen. Tatsächlich hat sich aber Ihr eigener Zeitplan um über 40 Tage bei den Verträgen verzögert.
Die Aktenvorlage ist 70 Tage später erfolgt als von uns gefordert, alles auf Kosten der parlamentarischen Kontrolle. Und jetzt soll unsere Beratungszeit von 120 auf nur noch 60 Tage halbiert werden. Meine Damen und Herren, das geht nicht. Hier reicht es nicht, wenn Olaf Scholz sagt, der Herr gibt und der Herr nimmt. Sie glauben offenbar, das Parlament brauche Ihre weise Entscheidung nur noch abzunicken. Das funktioniert nicht, und das ist auch keine demokratische Kontrolle.
Angesichts der massiven Fehlleistung von HOCHTIEF, angesichts der dort offenbar mangelnden Kompetenz und angesichts der wiederholt gezeigten Unzuverlässigkeit hätte jeder private Unternehmer HOCHTIEF längst rausgeschmissen und Schadensersatz gefordert.
(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Hätten Sie ja machen können! Sie haben ja gar nichts hingekriegt! – Zurufe aus dem Plenum)
Er hat das eineinhalb Jahre lang angedroht, hat dann aber plötzlich vor Weihnachten diesen 180-Grad-Kurswechsel gemacht.
Dies ist ein Kursschwenk, den er uns bis heute nicht erklären konnte, ohne jede Eigenkritik an seinem Zickzack-Kurs und ohne Bekenntnis zur eigenen Verantwortung der Misswirtschaft in den vergangenen eineinhalb Jahren.
Und dann ist die SPD auch noch stolz auf Transparenz. In der Scholz-Presseerklärung heißt es, Sie sorgten gleichzeitig für Klarheit bei der tatsächlich erfolgten Kostenentwicklung. Es ist für uns eine politische und moralische Verpflichtung, für diese Klarheit zu sorgen. Doch was ist die Realität? Die Kosten werden aufgeführt, aber es fehlt jede Begründung, warum diese Kosten so gestiegen sind. Ich nenne nur ein Beispiel.
Der Planer bekommt, wie wir jetzt wissen, nicht nur 35 Millionen Euro mehr, sondern er soll für die Zeit, in der der Bau stillstand, weitere 17,5 Millionen Euro bekommen. Allein der Architekt soll mit über 100 Millionen Euro vergütet werden. Was ist die Ursache? Welcher Schaden ist durch wessen Fehler entstanden? Der Bürgermeister muss das erklären, er hat doch die politische und moralische Verantwortung. Er muss seine Entscheidung begründen, warum die Stadt jetzt auf allen Kosten sitzen bleibt und warum HOCHTIEF und der Planer ihre vollen Kosten aus Steuergeld erstattet bekommen. Das muss doch erklärt werden.
Es ist aber auch inakzeptabel, dass der Senat die Alternativen zu dieser Entscheidung verschweigt. Er unterdrückt sogar die Informationen. Ich habe in einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zwei einfache Fragen gestellt.
"Wie hoch sind nach Auffassung der städtischen ReGe die gerechtfertigten Mehrkosten von HOCHTIEF gegenüber der Vereinbarung aus dem Nachtrag 4?"
"Wie hoch sind nach Auffassung der städtischen ReGe die Ansprüche der Stadt gegenüber HOCHTIEF jeweils aus Vertragsstrafen und Schadensersatz?"
"Die maßgeblichen Einschätzungen stellen Betriebsund Geschäftsgeheimnisse der ReGe dar, deren Vertraulichkeit unabhängig von einer gegebenenfalls erfolgenden Zustimmung der Bürgerschaft zur Neuordnung gewährleistet werden muss."
Meine Damen und Herren! Der Senat will diese wichtigen Fakten nicht nur jetzt, nicht nur uns, sondern auf Ewigkeit der Öffentlichkeit vorenthalten, und das ist Unterdrückung von wichtigen Informa
tionen. Wie wollen Sie denn da entscheiden können, ob diese Alternative die richtige ist und ob es nicht besser gewesen wäre, man beendete das mit HOCHTIEF.
Der gesamte Akteninhalt ist unter absoluten Datenschutz gestellt worden. Ich kann nur für mich sagen, dass ich dieses Maulkorb-Papier nicht unterschreibe. Aufgrund unseres heutigen Wissensstandes bin ich zusammen mit meiner Fraktion nicht sicher, ob nicht das Scheitern dieser Verträge am Ende für Hamburg die billigere und bessere Lösung wäre.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass sich mit dem Senatsbeschluss von gestern die Gewichte in der heutigen Debatte verschieben würden, ist klar. Ich will zunächst von ersten Einschätzungen zu der Drucksache, die uns gestern zugeleitet wurde, absehen, und auf eine Befürchtung unseres Ersten Bürgermeisters eingehen, die mal mehr und mal weniger selbstkritisch auch von verschiedenen Mitgliedern dieses Hauses in Diskussionen zum Thema Elbphilharmonie geäußert wurde.
Es geht um einen möglichen Akzeptanzverlust der in demokratischer Verantwortung stehenden Politik vor dem Hintergrund negativer Erfahrungen mit großen Bauprojekten. Damit geht es auch um unsere gemeinsame Verantwortung, der wir vor allem dadurch gerecht werden können – und ich hoffe, Sie teilen diese Einschätzung –, dass wir das Projekt Elbphilharmonie zu einem Erfolg führen und weiteren Schaden begrenzen.
Das heißt keinesfalls, dass ich oder ein anderes Mitglied unserer Fraktion Sie um unkritische Zustimmung zur Neuordnungsvereinbarung bitten, wie im Vorfeld unterstellt wurde. Ihnen als Opposition nicht das Recht zuzugestehen, den Zeitplan als zu eng zu kritisieren, wäre anmaßend und sachlich falsch, denn es ist Ihre Pflicht, dies zu tun. Und tatsächlich ist der Zeitplan für uns alle eine große Herausforderung. Aber niemand will die parlamentarische Kontrolle aushebeln, und selbst "die tageszeitung" kommt zu dem Schluss, dass der Termin 30. Juni angemessen und keineswegs erpresserisch sei, da der Bürgermeister vorab über die Vertragsinhalte informiert habe.
Sie haben sicherlich wahrgenommen, dass auch wir es als Ärgernis empfunden haben, dass es zu Verzögerungen bei der Information des Parlaments gekommen ist. Bis heute, das ist schon im Vorfeld deutlich geworden, bleibt es bei grundlegenden Unterschieden in Fragen der politischen Zuschreibung von Mehrkosten, der Beurteilung von Mehrkostenrisiken oder der in der Senatsmitteilung vorgenommenen Bewertung möglicher Handlungsalternativen.
Aber mit dem vorliegenden Vertragswerk und der Mitteilung des Senats haben wir nun endlich die Möglichkeit, zu einer mit Fakten unterfütterten Diskussion und Prüfung dieser Fragen zu kommen. Damit ist auch die Grundlage geschaffen, die weitere Diskussion nicht mehr nur in der Aktuellen Stunde zu führen, sondern dort, wo sie zunächst hingehört, nämlich im Fachausschuss und im Haushaltsausschuss mit der Anhörung von Sachverständigen, einer umfänglichen Befragung von Senatsvertretern und detaillierter Prüfung der Verträge und gegebenenfalls auch mit einem begleitenden Gutachterverfahren.
Es ist meine Hoffnung, weg von den bisherigen Reflexen hin zu einer lösungsorientierten Diskussion zu kommen. Dazu gehört auch anzuerkennen, dass der Vorschlag des Senats wenigstens eine Chance ist, die Hängepartie des Projekts Elbphilharmonie endlich zu beenden.
Auch wenn wir in der abschließenden Beurteilung des Vertragswerks am Ende nicht übereinkommen sollten, möchte ich doch dafür werben, dass wir uns in nächster Zeit auf einen Beratungsfahrplan einigen. Das wäre ein politisches Signal – und das ist wirklich meine feste Überzeugung –, das keiner der hier vertretenden Fraktionen zum Schaden gereicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.