Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Ich rufe zunächst das erste Thema auf. Wird das Wort gewünscht? – Frau Dr. Gümbel, Sie haben es.

(Finn-Ole Ritter FDP: Das Thema hatten wir schon lange nicht mehr!)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wie soll es weitergehen mit der Elbphilharmonie? Es ist eine schwere Entscheidung, und wir haben Verständnis für die schwierige Situation des Senats und insbesondere des Bürgermeisters.

(Zurufe aus dem Plenum)

Ich finde nicht, dass diese Art von Hohnbekundungen angemessen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Wenn wir aber auf den Vertrag blicken, dann bleiben viele Fragen offen. Zunächst einmal zu den nackten Zahlen: Es gibt einen Nachschlag für HOCHTIEF in Höhe von 200 Millionen Euro, wobei wir nicht wissen, wofür genau diese 200 Millionen Euro gezahlt werden. Die dokumentierten und detaillierten Forderungen der Stadt gegenüber HOCHTIEF in Höhe von 244 Millionen Euro hingegen hat sich dieser Senat entschlossen, fallen zu lassen. Davon haben wir – auch das ist eine Kritik – nicht aus der ansonsten sehr zahlenreichen Drucksache erfahren, sondern aus einer Veröffentlichung des "Spiegel". Dort war auch nachzulesen, dass zwei Gutachten die Summe, die aus dieser 244-Millionen-Euro-Forderung vor Gericht wahrscheinlich durchzusetzen ist, auf etwa 130 Millionen Euro beziffern. Es werden also 200 Millionen Euro an HOCHTIEF gezahlt, und auf 130 Millionen Euro verzichtet die Stadt. Es gibt für diese Abwägung des Senats keine schriftliche Darlegung.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was ist mit der Drucksache?)

Die Drucksache habe ich gelesen, lieber Herr Dressel.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dann lesen Sie mal!)

Meiner Ansicht nach ist das ein Verstoß gegen Paragraf 7 der Landeshaushaltsordnung. Aus Gründen, die nur der Bürgermeister kennt, scheut dieser Senat die gerichtliche Auseinandersetzung. Kein guter Grund dafür, lieber Herr Dressel, ist der Verweis auf eine lange Zeitdauer vor Gericht und den ungewissen Ausgang, denn das ist nun einmal bei Gerichtsverfahren so.

(Heiterkeit bei der SPD)

Dennoch ist die Auseinandersetzung vor Gericht das Mittel im Rechtsstaat, Forderungen durchzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dirk Kienscherf SPD: Das ist ja ein gutes Argument!)

Wenn man aber auf dieses Mittel verzichten will, dann bedarf es einer detaillierten und gesonderten Darlegung. Die ist in der Drucksache so nicht vorgenommen worden. Der zweite Punkt, der mich auch sehr verwundert, ist, dass Sie, lieber Herr

Bürgermeister, sich trauen, das Wort des Globalfestpreises in den Mund zu nehmen, denn das Lied vom Festpreis, bezogen auf ein detailliertes Bausoll, der dann aber doch kein Festpreis ist, weil es Lücken in der Planung gibt, kennt jedes Parlamentsmitglied der vergangenen Legislaturperiode aus dem Effeff. Lieber Herr Buschhüter, Sie schaue ich besonders an, aber auch Finanzsenator Tschentscher, der im Augenblick nicht hier ist. Sie verhehlen in Ihrer Drucksache noch nicht einmal, dass das Bausoll noch nicht feststeht, weil die Planung nicht abgeschlossen ist. Wir wissen, dass diese für die technische Gebäudeausstattung, also für das Thema, das im Augenblick von zentraler Bedeutung auf der Baustelle ist, nur zu einem Bruchteil vorliegt. Das heißt also, dass der Senat dieselbe Vertragsform erneut wählt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nee, nee! – Dirk Kienscherf SPD: Gerade nicht! – Arno Müns- ter SPD: Nee, gerade nicht!)

Doch, das ist dieselbe Vertragsform. Es ist das Konstrukt eines Globalfestpreises auf Basis eines definierten Bausolls. Wir wissen aus dem PUA, dass das bei einem solchen Bauwerk die völlig ungeeignete Art ist.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist doch die Risikoverteilung!)

Von anderen Senaten haben wir auch schon gehört, dass das Risiko gleich null sei.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Wollen Sie in diese Fußstapfen treten? Das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und bei Karin Prien CDU)

Mein lieber Herr Dressel, in der Drucksache steht doch auch:

"Eine weitere Erhöhung der Baukosten […] kann daher nicht ausgeschlossen werden."

Sie eröffnen doch diese Möglichkeit.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Entscheidend ist doch, wer das bezahlen muss!)

Sie schreiben weiter:

"Es ist plausibel anzunehmen, dass auf der Grundlage der bisher erreichten Planungstiefe eine abschließende Risikobewertung […] noch nicht möglich ist."

Was ist das denn anderes, als das Einfallstor für Kostensteigerungen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Aber die müssen wir nicht be- zahlen!)

Das genau hat Herr Wegener auch immer gesagt.

Ich melde mich gleich noch einmal, denn es ergibt sich hieraus eine Konsequenz.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt Frau Dr. Vértes-Schütter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage lautet nicht, warum der Senat auf Hunderte Millionen Euro verzichtet. Das tut er übrigens auch nach Darstellung von "Spiegel Online" nicht. Die Frage lautet: Können wir es uns als Bürgerschaft leisten, auf eine umfängliche Darstellung und transparente Abwägung der entscheidungsrelevanten Fakten zu verzichten? Ich meine, nein.

(Beifall bei der SPD)

Wer sich diesem Prozess verweigert, der wird am Ende allen schaden, die das Projekt Elbphilharmonie im demokratischen Prozess begleitet haben und weiter begleiten. Sehr geehrte Frau Dr. Gümbel, bisher fand ich, dass Sie sich zum Thema Elbphilharmonie in seinen vielfältigen Aspekten selbstverständlich kritisch, aber dabei sachlich positioniert haben, und dass das immer auch von Verantwortungsbewusstsein und Verantwortungsbereitschaft geprägt war.

(Anja Hajduk GRÜNE: Das bleibt auch so!)

Ich finde, das kam nun etwas zu kurz.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle haben eine gemeinsame Aufgabe, die darin besteht, den Hamburgerinnen und Hamburgern möglichst transparent zu machen, welche Erwägungen uns veranlassen, die eine oder andere Grundsatzentscheidung über den Fortgang des Projekts Elbphilharmonie zu treffen. Dazu gehört auch, Transparenz über die unterschiedlichen Vorstellungen und Risikoabwägungen herzustellen, und das bei allen Differenzen. Noch einmal: Die Frage lautet nicht, warum der Senat auf Hunderte Millionen Euro verzichtet. Die Frage lautet, ob in einer Gesamtbetrachtung ein Kündigungsszenario gegenüber der Neuordnungsvereinbarung die bessere Entscheidung wäre. Dass die Stadt ihrerseits im Zuge der Neuordnungsvereinbarung auf Schadensersatzforderungen verzichtet, war zu keinem Zeitpunkt ein Geheimnis.

(Jens Kerstan GRÜNE: In der Höhe schon!)

Im Gegenteil, dies wurde in den vergangenen Monaten immer wieder sehr deutlich gesagt. Lesen Sie das in Drucksache 20/7738, Seiten 7 und 8, gern nach.

(Dr. Eva Gümbel)

(Beifall bei der SPD – Zuruf von Antje Möller GRÜNE)

Den Blick lediglich auf Ansprüche der Stadt in Richtung HOCHTIEF zu richten, greift zu kurz. Es müssen immer auch mögliche Schadensersatzforderungen gegen Klagen von HOCHTIEF berücksichtigt werden. Das ist eine Gleichung mit vielen Unbekannten, und dieses Risiko wurde von Ihnen nicht annähernd beschrieben. Darüber haben Sie hinweggesehen,

(Beifall bei der SPD)

wohl auch deshalb, weil Sie nicht mehr anführen als eine Vorlage zu einer ReGe-Aufsichtsratssitzung aus dem Jahr 2012 respektive die Berichterstattung hierüber. Sie können sich doch den Feststellungen, die in der Senatsdrucksache zu einer möglichen Prozessdauer von zehn und mehr Jahren und den zweifelhaften Erfolgsaussichten getroffen wurden, nicht einfach entziehen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden diese Fragen in den anstehenden Beratungen mit ehemaligen und aktuellen Akteuren eingehend erörtern, seien Sie dessen gewiss. Nicht transparent machen Sie in diesem Zusammenhang auch Mehrkosten, die im Zuge einer Neuausschreibung von Gewerken und weiteren Verzögerungen durch eine Neuaufstellung der Organisation erforderlich werden. Ohne eine fundierte Erörterung auch dieser Punkte ist Ihre pauschale Behauptung, die Stadt würde einfach auf 244 Millionen Euro verzichten, nichts weiter als eine Luftbuchung.