Ansonsten habe ich die Expertenanhörung mehr als eine gute politische Fachdebatte erlebt als eine Debatte über verfassungsrechtliche Fragen. Es bleibt Ihnen und auch der FDP und den GRÜNEN unbenommen, andere politische Ansichten zu diesem Thema zu äußern, aber wir sollten nicht jede politische Meinungsverschiedenheit gleich zu einer großen Verfassungsdebatte hochstilisieren.
(Beifall bei der SPD und bei Karin Prien und André Trepoll, beide CDU – Finn-Ole Ritter FDP: Viele Länder sehen das anders!)
Jedenfalls sehen wir der heute von Herrn Müller – ich habe das der "taz" entnommen – in Aussicht gestellten Verfassungsklage angesichts der bisherigen Erfolgsquote von grünen Verfassungsklagen in dieser Legislaturperiode – davon kann Herr Kerstan ein Lied singen – mit einiger Gelassenheit entgegen.
In jedem Fall haben Sie sich in der Kritik, wie ich finde, völlig in der Oktave vergriffen, zumal die meisten unserer Vorschläge in den Bundesländern, in denen GRÜNE, FDP und LINKE Regierungsverantwortung tragen, in der einen oder anderen Form ebenfalls so auftauchen. Das werde ich gleich noch näher beleuchten.
Allerdings sahen auch SPD und CDU nach der Expertenanhörung im Justizausschuss an einigen Stellen noch Optimierungsbedarf. Das betrifft zum Beispiel die Frage von Lockerungen bei Gefahr einer Straftat oder auch den Appell an Sicherungsverwahrte zu arbeiten. Im Übrigen beinhaltet der Zusatzantrag von SPD und CDU ein Mehr an Resozialisierung gegenüber dem Senatsentwurf. Von daher kann ich Ihre Kritik zum jetzigen Zeitpunkt schon gar nicht verstehen.
Uns war es wichtig, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts rechtskonform und im Interesse der Betroffenen umzusetzen. Im Vordergrund stehen für uns dabei gleichermaßen die Angleichung
der Lebensverhältnisse, aber auch die Sicherheitsaspekte. Wir haben dem Abstandsgebot daher an einigen Stellen noch stärker Rechnung getragen. Beispielsweise wurde der Wohngruppenvollzug genauer gesetzlich verankert, und zudem sollen Probleme im Vollzug – das haben Sie auch in Ihrem Zusatzantrag so formuliert – vorwiegend durch Konfliktgespräche gelöst werden, wenngleich wir auf die Möglichkeit von Disziplinarmaßnahmen nicht völlig verzichten wollen.
Wir ermöglichen an der Behandlung der Gefangenen mitwirkenden Personen außerhalb des Vollzugs die Einbeziehung in den Vollzugsplan, und auch Anregungen und Vorschläge der Untergebrachten werden in die Vollzugsplanung mit einbezogen.
Zukünftige Bewährungshelfer werden bereits ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt an Konferenzen zur Vollzugsplanung beteiligt. Aber auch auf die Situation potenzieller, das heißt späterer Sicherungsverwahrter in der Strafhaft, die der Sicherungsverwahrung vorausgeht, haben wir als Ergebnis der Expertenanhörung in unserem gemeinsamen Zusatzantrag Bezug genommen. So haben wir die Mindestdauer des monatlichen Besuchs von einer Stunde auf fünf Stunden erhöht, denn es nützt unter Resozialisierungsgesichtspunkten zugegebenermaßen einem späteren Sicherungsverwahrten nicht viel, wenn er erst nach langer Strafhaft in den Genuss längerer Besuchszeiten kommt.
Was Vollzugslockerungen betrifft, so sollen diese – sollen, also nicht nur können – nun aus wichtigem Anlass gewährt werden, wobei wir in der Tat etwas strenger sind als die meisten anderen Bundesländer, wenn Straftaten zu befürchten sind. Das lässt sich aber meiner Meinung nach im Hinblick auf den Schutz der Bevölkerung gut rechtfertigen. Sollen FDP, GRÜNE und LINKE doch einmal der Bevölkerung erklären, dass sie Vollzugslockerungen von Sicherungsverwahrten befürworten, auch wenn die Begehung von Straftaten zu befürchten ist.
Welche Rolle dabei die Frage der Erheblichkeit der Straftat spielt, ist meines Erachtens eher eine akademische Frage. Und DIE LINKE – Frau Schneider, hören Sie gut zu –, die in Brandenburg den Justizminister stellt, möge dann einmal sagen, warum sie in Brandenburg das auch so sieht wie wir in Hamburg, in der Hamburger Opposition aber offenbar eine andere Haltung einnimmt.
Hier bestimmt offenbar das Sein das Bewusstsein, aber dazu brauche ich Ihnen, Frau Schneider, nichts zu erzählen.
Laut Herrn Müller besteht schlicht gar kein Risiko für die Bevölkerung; das konnte man heute dem "Hamburger Abendblatt" entnehmen. Ich selbst bin wirklich der Letzte, der Risiken herbeireden will, aber, Herr Müller, durch Gesundbeten ist nach meiner Erkenntnis noch kein einziges politisches Problem gelöst worden.
Bei Zimmereinrichtungen und beim Einkauf schlagen wir nun nach den Erkenntnissen aus der Expertenanhörung vor, Beschränkungen weitgehend entfallen zu lassen, ausgenommen natürlich bei Sicherheitsbedenken. Dass in unserem Gesetzentwurf dabei auch Ordnungsaspekte weiterhin eine Rolle spielen, mag Teile der Opposition stören. Praktiker halten das jedoch für durchaus hilfreich. Daraus verfassungsrechtliche Zweifel abzuleiten, halte ich jedoch für völlig überzogen. Ordnungsgesichtspunkte spielen zum Beispiel auch in Schulgesetzen oder in anderen Regelungen für öffentliche Einrichtungen eine Rolle. Und dass ausgerechnet Einrichtungen für Sicherungsverwahrte darauf nicht ganz verzichten können, versteht sich fast von selbst.
Im Übrigen verweise ich besonders die GRÜNEN, die sich offenbar an diesem Begriff der Ordnung stören, darauf, dass auch der Mustergesetzentwurf, bei dem übrigens auch GRÜN-regierte Bundesländer mitgewirkt haben, nicht ohne diesen Ordnungsbegriff auskommt.
Schließlich hat uns die Expertenanhörung dazu gebracht, kein Extra-Taschengeld, wie das ursprünglich vorgesehen war, für die Teilnahme an psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen mehr vorzusehen, weil das nur schwer vermittelbar wäre und der Effekt zweifelhaft ist. Jedoch sind wir, auch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken, Frau von Treuenfels, nicht so weit gegangen wie Ihr Kollege in Hessen. Dort soll es nämlich sogar finanzielle Sanktionen bei Therapieverweigerung geben. Therapieangebote müssen und werden auch mehr als bisher gemacht werden, aber Therapie mit der Brechstange kann unserer Ansicht nach nicht funktionieren.
Sie sehen, das Thema Sicherungsverwahrung ist und bleibt eine schwierige Materie, und man wird womöglich nie zu idealen oder zumindest politisch völlig unstreitigen Regelungen gelangen. Das muss man wohl realistischerweise so sehen. Umso wichtiger finde ich aber, dass man versucht, die richtige Balance zwischen Resozialisierungs- und Sicherheitsaspekten zu finden, und dass man einen möglichst breiten politischen Konsens bei einem solchen Thema herstellt. Ich bin deswegen ausdrücklich der CDU-Fraktion und besonders dem Kollegen Trepoll dankbar, dass sie sich mit
uns gemeinsam auf die Reise gemacht haben, im Gegensatz zu den anderen Oppositionsparteien an dieser Balance zu arbeiten.
Ich wäre der restlichen Opposition im Übrigen sehr verbunden, wenn sie sich bei schwierigen Themen wie diesem in Zukunft frühzeitiger an diesem Verfahren beteiligen würde, anstatt Politik über Pressekonferenzen zu inszenieren.
Ich hoffe dennoch, dass wir das Gesetz heute gemeinsam verabschieden können, denn ich erinnere noch einmal an diese Frist, die wir zum Monatsende einzuhalten haben. Das sollte uns bei allen verbleibenden politischen Differenzen wichtiger sein, denn – das hat die Expertenanhörung eindeutig ergeben – wenn wir heute das Gesetz nicht verabschieden beziehungsweise wenn es im Mai 2013 nicht in Kraft tritt, dann wäre die Sicherungsverwahrung in Hamburg in jedem Fall verfassungswidrig. Daran kann in diesem Hause doch hoffentlich niemand Interesse haben. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Jahre ist es her, dass das Bundesverfassungsgericht die bis dahin praktizierte Unterbringung von Sicherungsverwahrten mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt hat. Es hat gleichzeitig Bund und Länder aufgefordert, Regelungen zur Wahrung des Abstandsgebots zu schaffen und die Rechtsnormen für die Unterbringung der Sicherungsverwahrten entsprechend zu überarbeiten.
Die Unterbringung der Sicherungsverwahrten wurde bei uns bereits geregelt. Hamburg hat sich für eine Unterbringung in Fuhlsbüttel entschieden und einen Trakt dem Abstandsgebot entsprechend umgebaut. Offen blieb bisher die Frage, wie die Unterbringung der Sicherungsverwahrten in Hamburg zukünftig rechtlich geregelt werden soll.
Spät, aber noch nicht zu spät, liegt nun ein entsprechender Gesetzentwurf vor, der den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird und dem wir als CDU-Fraktion nach intensiven Diskussionen und einer Expertenanhörung im Justizausschuss mit entsprechenden Ergänzungen und Anpassungen auch unserer Fraktion zustimmen werden.
Meine Damen und Herren! Zu den wichtigsten Aufgaben des Staates gehört es, seine Bevölkerung vor gefährlichen Gewalt- und Sexualstraftätern zu schützen. Wir haben uns deshalb dafür eingesetzt, dass beispielsweise unbeaufsichtigte Freigänge verhindert werden können, wenn zu befürchten ist, dass der Sicherungsverwahrte diese Lockerung zur Begehung irgendeiner Straftat nutzt, und nicht nur bei erheblichen Straftaten, wie es im Ursprungsentwurf stand. Bei einem Sicherungsverwahrten muss von vornherein ausgeschlossen sein, dass von ihm eine erneute Gefährdung für die Gesellschaft und unsere Rechtsordnung ausgehen kann. Dass außerdem die Belange der Opfer bei möglichen Lockerungen berücksichtigt werden, ist ein wirklicher Meilenstein und meiner Meinung nach in diesem Gesetzentwurf positiv herauszuheben.
Aber auch die Ansprüche der Untergebrachten im Sinne des Bundesverfassungsgerichts auf einen verbindlichen Anspruch für Therapie und Behandlungen sind positiv zu erwähnen.
Dass auch Sicherungsverwahrte zum Arbeiten angehalten werden und ihnen Arbeit nicht nur angeboten wird, ist unbedingt erforderlich. Hier müssen wir den Vollzug an die allgemeinen Lebensbedingungen angleichen. Ähnliches gilt auch für die im Ursprungsentwurf noch vorgesehene Erhöhung des Taschengeldes im Falle, dass ein Sicherungsverwahrter an einer Behandlungsmaßnahme teilnimmt. Die Expertenanhörung hat deutlich gezeigt, dass dieses auch mit Blick auf die Opfer unzumutbar erscheint. Die Opfer müssen erheblich für ihre Rechte, beispielsweise für Therapien, Schadensersatz oder Ähnliches kämpfen. Da erscheint eine Taschengelderhöhung für sogenannte willige Sicherungsverwahrte geradezu zynisch. Die Therapieteilnahme machen sie für sich, und sie wollen und sollen schließlich auch resozialisiert werden. Sie dafür auch noch finanziell zu belohnen, kommt überhaupt nicht infrage, und daher wurde dieser Passus aus der nun vorliegenden Fassung auch gestrichen.
Herr Tabbert hat es angedeutet, diese Taschengeldregelung findet sich gleichlautend auch beispielsweise in den Entwürfen aus Brandenburg, Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz. Also dort, liebe Abgeordnete der LINKEN und der GRÜNEN, wo Sie an der realen Regierungspolitik beteiligt sind und teilweise sogar selbst den Justizminister stellen, werden solche vernünftigen Regelungen mitgetragen. In der Bürgerschaft jedoch betreiben Sie einen nicht nachzuvollziehenden Popanz darum. Das kann ich nicht ganz verstehen.
Ihre vagen Andeutungen zur Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes führen uns klar vor Augen, dass Sie hier nur Opposition um ihrer selbst willen betreiben und überhaupt keinen Nachweis aufzeigen können, dass wir uns nicht an das Abstandsgebot des Bundesverfassungsgerichts halten.
Ich will noch einen Punkt zu Herrn Müller sagen. Natürlich ist der Begriff der Ordnung ein unbestimmter Rechtsbegriff. Aber er hat eine lange Tradition im Strafvollzug, und selbstverständlich können sich auch Sicherungsverwahrte über die Strafvollstreckungskammern gegen Maßnahmen wehren. Da gleich die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes infrage zu stellen, scheint mir doch arg konstruiert. Ich finde es auch nicht ganz fair, wenn Sie von Scheinresozialisierung sprechen. Ich rede doch auch nicht von Therapiewahn oder Ähnlichem, auch wenn jeder weiß, dass die Therapien für diese Klientel nicht in jedem Fall anschlagen und umsetzbar sind. Das gehört zur Wahrheit auch dazu, deshalb sollten wir da ein bisschen verbal abrüsten.
Meine Damen und Herren! Wir begrüßen ausdrücklich, dass aufseiten der SPD, bei Frau Schiedek und Herrn Tabbert, die Bereitschaft bestanden hat, mit uns gemeinsam über Änderungen und Ergänzungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs zu beraten. Wir sind zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen. Wir werden dem vorliegenden Entwurf mit den von uns beantragten Änderungen daher zustimmen. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir erleben heute eine sehr ungewöhnliche große Koalition aus SPD und CDU in Sachen Sicherungsverwahrung; das finde ich toll. Das Konzept allerdings, welches diese große Koalition heute vorlegt, entspricht so gar nicht dem Geist der Resozialisierung, sondern eher dem Geist des Wegsperrens.
(Beifall bei der FDP und bei Christiane Schneider DIE LINKE – Urs Tabbert SPD: Was wollen Sie denn machen?)
Dazu komme ich noch, das kann ich sehr genau erklären, und eigentlich müssten Sie das auch verstehen, Herr Tabbert.
Es erhöht nicht die Sicherheit der Bürger vor schweren Straftaten Rückfallgefährdeter, sondern es schafft neue Risiken. Und es achtet nicht die freiheitsorientierte Grundausrichtung des Bundesverfassungsgerichtsurteils, sondern es richtet sich immer noch viel zu sehr nach den Bedingungen