Protokoll der Sitzung vom 29.05.2013

In der Gesamtheit atmet Ihr Antrag den Geist, aus der Stadtteilschule eine Berufsausbildungsvorbereitungsschule zu machen. Dem können wir nicht zustimmen. Wir stimmen den Punkten 7 bis 8 zu, dazu sage ich noch etwas, aber ansonsten lehnen wir das alles ab. Es ist klar, dass alle Eltern für ihr Kind das Beste wollen, das heißt, den höchstmöglichen Schulabschluss, also Abitur. Wenn man sich

die CDU-Vorschläge genau ansieht, dann wird eines klar: Der Sog zum Gymnasium wird sich verstärken, denn wenn deutlich wird, dass Stadtteilschulen die Berufsorientierung machen und Gymnasien mehr für das Wissenschaftliche da sind, sprich für das Abitur, dann wird sich dieser Trend verstärken. Schon jetzt landen nur 9 Prozent aller Kinder, die nach der vierten Klasse eine Gymnasialempfehlung haben, auf der Stadtteilschule. Das wird dann noch schlechter werden, und das bedeutet, dass die Vorschläge der CDU die falsche Überschrift tragen. Das ist keine Stärkung der Stadtteilschulen, es ist eine Schwächung.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Insbesondere betrifft das die Punkte 1 bis 3, wobei noch hinzukommt, dass diese Punkte bei genauerer Betrachtung Schulstrukturreformen bedeuten. Wenn ich mich dunkel erinnere, dann war es doch die CDU, die Schulfrieden wollte, oder irre ich mich?

(Hans-Detlef Roock CDU: Alle, alle!)

Punkt 6 ist natürlich aus pädagogischer Sicht sehr interessant. Es geht um die äußere Differenzierung; das ist ein Steckenpferd von Ihnen, und Sie zitieren immer die KMK. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Kultusministerkonferenz in ihren Bestimmungen sehr wohl erlaubt, auf äußere Differenzierung auch zu verzichten, und zwar – ich zitiere –:

"Aus demografischen und strukturellen Gründen kann auf Fachleistungskurse verzichtet werden."

(Robert Heinemann CDU: Aus demografi- schen Gründen in Hamburg? Das ist in Brandenburg der Fall!)

Und aus schulstrukturellen Gründen; Sie müssen immer beides hören.

Schauen wir doch einmal ins Schulgesetz, Herr Heinemann. In Paragraf 15 Hamburgisches Schulgesetz steht für die Stadtteilschulen und die Gymnasien – ich zitiere –:

"Die Schulen ermöglichen individuelles Lernen durch innere und äußere Differenzierung."

Ich wiederhole: Durch innere und äußere Differenzierung an Stadtteilschulen und Gymnasien. Bei der äußeren Differenzierung vergessen Sie die Gymnasien immer. Ich möchte daran erinnern, dass wir 2010 in sechs Sitzungen à fünf Stunden alle, bis auf die FDP, zusammengesessen und Änderungen des Schulgesetzes beraten haben. Damals haben wir genau diesen Satz, den ich eben zitiert habe, vorgeschlagen. Wir haben den alle beschlossen, und die CDU hat dem zugestimmt. Ich frage mich, warum Sie jetzt wieder alles zurückdre

(Anna-Elisabeth von Treuenfels)

hen wollen. Wollten Sie nicht den Schulfrieden? Sie wollten den Schulfrieden.

(Robert Heinemann CDU: Und äußere Diffe- renzierung!)

Man kann beides machen, aber Sie wollen auf jeden Fall, dass in den Stadtteilschulen äußere Differenzierung stattfindet, eine weitere Separierung.

(Hans-Detlef Roock CDU: Regen Sie sich doch nicht so auf!)

Wenn man sich nicht mehr aufregt, dann braucht man sich nicht mehr hier vorn hinzustellen.

Wenn Sie selbst einmal in den Unterricht gehen, dann werden Sie feststellen, dass es auch pädagogisch der falsche Weg ist.

(Beifall bei der LINKEN – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heinemann?

Aber natürlich.

Frau Heyenn, ich erinnere mich an die Diskussion sehr genau. Sie haben auf das Wort "und" großen Wert gelegt. Im Moment findet an vielen Stadtteilschulen gar keine äußere Differenzierung mehr statt, also nur eine innere Differenzierung. Genau das Wort "und" bedeutet Nichterfüllung. Genau um das Wort "und" geht es uns.

Ich glaube, Sie sind hier falsch informiert. Ich weiß von Stadtteilschulen, dass es in Englisch und in Mathematik auch äußere Differenzierung gibt. Auf dieses "und" lege ich auch sehr großen Wert, und das bedeutet nicht nur äußere Differenzierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Äußere Differenzierung ist schon häufig kritisiert worden. Erziehungswissenschaftler weisen darauf hin, dass sie desintegrierend wirkt. Die Fachleistungskurse haben gerade an den Gesamtschulen dazu geführt, dass sie von einer förderorientierten zu einer ausleseorientierten Schule gewandelt wurden. Das bestätigt auch eine Anfrage, die wir als LINKE gestellt haben. Wir haben natürlich gefragt, wie das mit den Fachleistungskursen in Englisch, Deutsch und Mathe zum Beispiel funktioniert. Es ist festgestellt und uns geantwortet worden: In dem Moment, wo ich die Hauptfächer äußerlich in Aund B- oder G- und E-Gruppen aufteile, sind die Jungen die Verlierer auf dieser Strecke und haben viel schlechtere Noten und viel schlechtere Leistungen und Kompetenzen.

Wenn die CDU Fachleistungskurse an Stadtteilschulen einführen will, dann zerstören Sie auch

viele Ansätze von gemeinsamem und individualisiertem Lernen. Gerade das macht doch für viele Eltern die Stadtteilschulen attraktiv. Warum sind denn die Max-Brauer-Schule und die Winterhuder Reformschule von den Eltern derart nachgefragt? Warum werden die denn so oft ausgezeichnet? Weil sie jahrgangsübergreifenden Unterricht machen, weil sie integrativen Unterricht machen, weil sie individualisierten Unterricht machen, deswegen haben sie diese großen Erfolge. Das würde mit Ihrem Antrag alles zerstört werden. Deshalb lehnen wir das ab.

(Beifall bei der LINKEN und bei Lars Holster SPD)

Auch zu diesem Punkt kann man nur sagen, dass Ihre Vorschläge die Stadtteilschulen schwächen würden.

Bei Punkt 7 gebe ich Ihnen Recht. Es hat mich als Naturwissenschaftlerin auch schon sehr aufgeregt, dass im Zeugnis unter Naturwissenschaften die Note 3 steht, wenn ein Schüler in Biologie eine eins hat und in Chemie und Physik eine vier. Das hat die gleiche Wertung wie Philosophie 3. Das geht nicht, da geben wir Ihnen vollkommen Recht. Wir appellieren hier auch an den Senat, und ich glaube, erste Schritte sind gemacht. Das muss auf jeden Fall wieder geändert werden. Das ist keine Wertschätzung der Naturwissenschaften und der Leistung der einzelnen Schüler in den einzelnen Fächern.

Was die Punkte 9 und 10 betrifft, ist festzustellen, dass auch hier die CDU das Schulgesetz wieder zurückdrehen will. Es ist zwar richtig, dass die Behörde pro Klasse nur vier Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf vorsieht. Doch ist dann wieder die Frage: Warum nur an Stadtteilschulen und nicht auch an Gymnasien? Wenn Sie dann noch fordern, dass von diesen vier Kindern maximal eines mit Förderbedarf bei sozialer und emotionaler Entwicklung, was Sie lax verhaltensgestört nennen, sein darf, dann kommen wir natürlich wieder in die Einzelfalldiagnose. Das ist in langen Diskussionen und bei Expertenanhörungen abgelehnt worden. Wenn man sich das genau ansieht, dann machen Sie davon die Ressourcenzuweisung abhängig. Das würde für die Stadtteilschulen, was Inklusion betrifft, nicht mehr, sondern weniger Ressourcen bedeuten. Auch deswegen lehnen wir das ab. Wir sind der Auffassung, dass es eine Schwächung der Stadtteilschulen ist.

Insgesamt legen Sie mit Ihrem 10-Punkte-Programm im Grunde einen Totalumbau der Stadtteilschulen vor, der für diese Schulen keine Stärkung, sondern eine Schwächung ist. Deshalb sind wir der Auffassung, dass man dem Antrag der CDU bis auf diesen einen Punkt auf keinen Fall folgen sollte.

(Beifall bei der LINKEN – Dietrich Wersich CDU: Manchmal hat auch die Minderheit recht!)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, können wir zur Abstimmung kommen.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache an den Schulausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Wir stimmen in der Sache ab. Vonseiten der Fraktionen der GRÜNEN, der FDP und der LINKEN ist eine ziffernweise Abstimmung beantragt worden. Wir beginnen mit den Ziffern 1, 2 und 3 des CDUAntrags.

Wer möchte diese annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind die Ziffern 1, 2 und 3 abgelehnt.

Wir kommen zu Ziffer 4.

Wer möchte sich dieser anschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch Ziffer 4 mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zu Ziffer 5.

Wer stimmt zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch Ziffer 5 abgelehnt.

Wer möchte Ziffer 6 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann hat auch Ziffer 6 keine Mehrheit gefunden.

Wir kommen zu Ziffer 7.

Wer möchte hier seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist auch Ziffer 7 abgelehnt.

Wer schließt sich Ziffer 8 an? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch Ziffer 8 ist abgelehnt.

Wer möchte Ziffer 9 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch Ziffer 9 ist abgelehnt.

Wer stimmt Ziffer 10 zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch Ziffer 10 ist abgelehnt.

Wer möchte dem Berichtsersuchen zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch das ist damit abgelehnt.

Wir kommen zu Punkt 38, Drucksache 20/8017, Antrag der GRÜNEN Fraktion: Kommunales Wahlrecht für Bürgerinnen und Bürger aus Nicht-EULändern.