Protokoll der Sitzung vom 28.08.2013

(Olaf Duge)

tät, und Sie müssen sich einmal überlegen, was wir dagegen tun können. Wir sind der Auffassung, dass dieser Prüfauftrag, das hat schon der Kollege Hamann gesagt, natürlich nur deshalb gestellt worden ist, weil die LINKEN wieder einmal ein Thema besetzt haben. Das macht die SPD sehr gern. Sie haben keine Antworten gegeben, aber der Senat möge prüfen. Ich finde, der Senat kann und sollte prüfen, und wenn er Wege findet, den sozialen Wohnungsbau auch durch solche Maßnahmen zu verbessern, dann ist es gut so. Ich denke aber, dass das sehr viel Geld kosten wird, und die Frage ist, ob der Senat das Geld hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Sudmann.

Wer sich in Hamburg den Wohnungs- und Mietenmarkt ansieht, kann eigentlich nur noch vor einer einzigen Frage stehen: Was können wir tun, damit sich dort etwas verbessert? Die Miete ist in ihrer Höhe mittlerweile zu einer Belastung geworden. Selbst die Bertelsmann Stiftung sagt, dass die Miete für viele mittlerweile ein Armutsrisiko sei. Günstige Wohnungen werden immer weniger. Ich glaube, wir sollten uns alle einig sein: Es muss gegengesteuert werden. Dafür haben wir schon sehr viele Vorschläge gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Wohnung zu haben, ist sicherlich nicht alles, aber ohne Wohnung ist fast alles nichts. Wenn Sie kein Dach über dem Kopf haben, haben Sie Schwierigkeiten, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen, Sie haben Schwierigkeiten, Ihre sozialen Kontakte zu halten, das heißt, Sie haben wenig Chancen auf ein normales Leben. Mit dem Antrag, den DIE LINKE vorgelegt hat, nämlich die Bindungsfristen für Sozialwohnungen auf mindestens 30 Jahre zu erhöhen, tun wir einen ersten Schritt, damit wir in Hamburg wieder wesentlich mehr günstige Wohnungen haben. Das ist richtig und gut so.

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen wir uns doch einmal die Tatsachen in Hamburg an. Der Mangel an Wohnungen wird auf zwischen 30 000 und 90 000 geschätzt; selbst der Senat spricht mittlerweile von mindestens 30 000 Wohnungen. Die bezahlbaren Wohnungen, also Wohnungen, für die die Menschen, ohne sich einschränken zu müssen, die Miete bezahlen können, werden immer weniger. Der Anteil der Wohnungen, die unter 6 Euro netto kalt kosten, ist innerhalb von zwei Jahren von 44 Prozent auf 33 Prozent gesunken. Es gibt im Entwurf des Armutsund Reichtumsbericht der Bundesregierung, der noch nicht gekürzt wurde, einen eindeutigen Hinweis. Dieser Hinweis besagt, dass im Jahr 2010 der Anteil des Einkommens, den reiche Haushalte

für Miete aufwenden müssen, bei 14 Prozent liegt. Gegenüber dem Jahr 2006 ist dieser Anteil noch einmal um 6 Prozent gesunken, das heißt, die zahlen immer weniger. Der Anteil, den armutsgefährdete Haushalte für Miete aufbringen müssen, ist in den letzten Jahren extrem gestiegen und liegt bei 44 Prozent. Wenn Sie mir da als CDU und FDP sagen wollen, wir müssten nicht handeln, dann können Sie Sozialpolitik noch nicht einmal schreiben und versagen völlig.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Hamann, Sie haben – ich kann Sie einmal loben – eine sehr launige Rede mit hohem Unterhaltungswert gehalten. Was Sie nicht gemacht haben, ist, Inhalte zu nennen, mit einer einzigen Ausnahme: Sie haben darauf hingewiesen, dass unter Ihrer Regierung in Hamburg die Bindungsfrist von 30 Jahren auf 15 Jahre gesenkt wurde. Im Gegenzug haben Sie aber nichts dafür getan, dass bei Neuvermietungen keine irren Mietpreissteigerungen von 30 oder 40 Prozent möglich sind. Sie haben nichts getan außer zu sagen, der Markt werde es schon richten.

(Jörg Hamann CDU: Wir haben doch den Antrag gestellt!)

Sie haben mit der FDP in Berlin dafür gesorgt, dass es gravierende Verschlechterungen im Mietrecht gibt. Das heißt, Sie tun nichts für die Mieter und Mieterinnen und bleiben jede Antwort schuldig, was Sie tun wollen, damit die Menschen sich Wohnen weiter leisten können. Das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte einmal aus unserer Sicht den Unterschied zur SPD in dieser Frage deutlich machen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Es gibt doch keinen Unterschied!)

Sie können nicht lesen, das tut mir echt leid für Sie.

Unser vorliegender Antrag sagt eindeutig, dass wir im Sozialwohnungsbau im ersten Förderweg verbindlich eine dreißigjährige Bindungsfrist wollen. Das, was die SPD vorlegt, ist so ähnlich wie ein weißer Schimmel, sie spricht von einem optionalen Angebot. Sie wollen, dass der Senat prüft. Er soll prüfen, ob man nicht optional den Investoren anbieten könne, ob diese nicht eventuell, vielleicht oder vielleicht auch nicht

(Dirk Kienscherf SPD: Die Zielrichtung ist schon gut!)

30 Jahre Bindung übernehmen wollen. Das ist doch keine klare Ansage. Insofern hat Herr Hamann sogar recht, am Ende kommt nichts dabei heraus. Sie hoffen doch auch auf den Markt. Wenn Sie wirklich wollen,

(Dr. Kurt Duwe)

(Dirk Kienscherf SPD: Wir wollen sozialen Wohnungsbau!)

dass wir in Hamburg in den nächsten Jahrzehnten mehr bezahlbare Wohnungen haben, dann müssen Sie sich festlegen. Sie müssen sich entscheiden und konsequent sein. Ihr Antrag ist nur widersprüchlich.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Ist er nicht!)

Überlegen Sie einmal, Herr Kienscherf, dass 41 Prozent der Hamburger Haushalte, also insgesamt 400 000, heute einen Anspruch auf einen Pargraf-5-Schein haben. Glauben Sie, dass die diesen Anspruch in 15 Jahren nicht mehr haben? Selbst die Bundesregierung hat in ihrem Armutsund Reichtumsbericht gesagt, dass die Tendenz hin zu Niedrigeinkommen weiter steigen wird. Das heißt, Sie brauchen länger günstige Wohnungen; noch ein Grund mehr, warum wir etwas für die Bindungsfrist über 30 Jahre tun müssen und warum Sie zustimmen sollten.

Ich will Ihnen sagen, was außerdem getan werden kann. Sie haben natürlich die Möglichkeit, hier in Hamburg über die SAGA GWG etwas zu machen. Da kann man wesentlich mehr tun, Sie können dort noch stärker für den sozialen Wohnungsbau werben. Auch die Genossenschaften sind in der Regel gute Partner und Partnerinnen. Aber schauen Sie doch einmal nach Österreich, wir haben das Beispiel gerade schon gehabt. Der Herr Bürgermeister, der gerade nicht da ist, hat schon einen Austausch mit den Wiener Kollegen gehabt, die seit Jahrzehnten, fast seit einem Jahrhundert, eine ganz andere Wohnungsbaupolitik verfolgen.

(Finn-Ole Ritter FDP: In Wien!)

In Wien, das ist in Österreich, Herr Ritter.

In Wien leben 60 Prozent der Bewohner und Bewohnerinnen in gefördertem Wohnungsbau. In Wien haben wir andere Bedingungen. Wenn Sie jetzt sagen, das sei alles schon asbachuralt, dann nenne ich Ihnen ein anderes Beispiel: In Salzburg ist die Stadt in der Lage, geförderten Wohnungsbau für 4,78 Euro den Quadratmeter zu machen, weil dort nämlich die Grundstückspekulation und die Bankenfinanzierung völlig raus sind. Das sind Modelle, für die wir Linken eintreten, denn wir wollen etwas für die Mieterinnen und Mieter erreichen und hier nicht nur Wahlfängerei betreiben.

(Beifall bei der LINKEN – Finn-Ole Ritter FDP: Systemwechsel? Sehr gut!)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann können wir zur Abstimmung kommen. Der Abgeordnete de Vries hat mir mitgeteilt, dass er sich an der Abstimmung nicht beteiligen wird.

Wir stimmen zunächst über die Überweisung der Drucksache 20/8958 an den Stadtentwicklungsausschuss ab.

Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist damit abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen.

Wer dem Antrag der SPD-Fraktion aus der Drucksache 20/8958 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit angenommen.

Wir kommen nun zum Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 20/8941.

Wer diese Drucksache an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren angenommen.

Wir kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung, Drucksache 20/8827, Unterrichtung durch die Präsidentin: Bürgerschaftliches Ersuchen vom 16. Mai 2013: "Signal aus Hamburg: Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft".

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Bürgerschaftliches Ersuchen vom 16. Mai 2013: "Signal aus Hamburg: Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft", Drs. 20/3014 und 20/ 7654 – Drs 20/8827 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Abaci, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Über Jahrzehnte hinweg sind in Deutschland erbitterte Debatten über Zuwanderung und Einwanderung geführt worden. Zwei Generationen von Einwandererkindern wuchsen hierzulande mit dem Standardsatz auf, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Die hier geborenen Kinder nichtdeutscher Herkunft wurden bis vor wenigen Jahren als Ausländer wahrgenommen. Woher kommst du? Diese Frage wurde in Deutschland viel zu lange an die Frage gekoppelt: Wann gehst du wieder? Auch wenn sich der offizielle Sprachgebrauch inzwischen geändert hat und man sich bemüht, Deutschland als Einwanderungsland zu definieren, besteht zwischen der offiziellen Definition und dem praktischen Handeln der Konservativen eine große Kluft; das zeigt auch die Diskussion über das Staatsangehörigkeitsrecht.

(Heike Sudmann)

Eine kurze Erinnerung: Die rot-grüne Bundesregierung wollte ein modernes Staatsangehörigkeitsgesetz einführen, das auch eine doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen sollte. Das scheiterte an der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat. Im Jahr 1999 führte der spätere Ministerpräsident von Hessen, Roland Koch, einen unsäglichen, ausländerfeindlichen Wahlkampf, der die Stimmung gegen Menschen anderer Herkunft aufheizte. Das Optionsmodell war eine liberale Kröte, die damals geschluckt werden musste, und dieses Optionsmodell wollen wir jetzt abschaffen.

(Beifall bei der SPD und bei Phyliss Demirel GRÜNE)

Das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz ist ein undurchsichtiges Gestrüpp, es schafft Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Es unterscheidet nach Herkunftsländern bei der Hinnahme von Mehrstaatigkeit und schafft Ermessensspielräume für die Verwaltung, die zu Ungleichbehandlungen je nach Bundesland führen. Diese Systemwidersprüche sind nicht verfassungswidrig, aber sie schaffen eine Gerechtigkeitslücke.

(Beifall bei der SPD)

Bei nahezu 60 Prozent der Einbürgerungen wird die zweite Staatsbürgerschaft beibehalten, bei den verbleibenden 40 Prozent wird sie aber konsequent verweigert.

Meine Damen und Herren! Die Realität von 4,5 Millionen Doppelstaatlern spricht ihre eigene Sprache, nicht aber für die Konservativen. Bei den öffentlichen Diskussionen konnte ich mich bisher des Eindrucks nicht erwehren, dass es beim Optionsmodell in erster Linie um die Verhinderung deutschtürkischer Doppelstaatler geht. Entweder – oder lautet die konservative Devise. Doppelidentitäten werden nach wie vor als Loyalitätskonflikt gesehen. Man könne nicht zwei Herren gleichzeitig dienen, ist das Argument. Der Staat ist also der Herr, der Bürger der Knecht. Müsste es nicht gerade umgekehrt sein und der Staat im Dienste des Bürgers stehen?

Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen sind dagegen der Auffassung, dass doppelte Staatsbürgerschaften zu den sozialen Identitäten vieler Menschen gehören und ein wichtiger Baustein in einer Willkommens- und Anerkennungskultur in dieser Gesellschaft sind.

(Beifall bei der SPD)