Protocol of the Session on May 19, 2011

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Schlimmer noch, Ihre Äußerungen zeigen, dass dieser Antrag goldrichtig war.

(Dirk Kienscherf SPD: Jaaa!)

Er trifft ein Meinungsbiotop, das in dieser Bürgerschaft über längere Zeit bestanden hat und das wir in den Grundfesten hinterfragen.

(Beifall bei der FDP und Heiterkeit bei der SPD)

Sie lebten in Ihrer schönen Gemütlichkeit in der einfachen Welt, in der die Radfahrer immer die Opfer sind und die Autofahrer die Bösen, und deshalb müsse man die Autofahrer verfolgen. Das ist der Punkt, an dem ich einmal etwas aufgezeigt habe.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenbemerkung, Herr Schinnenburg?

Nein, keine Zwischenbemerkung. Frau Sudmann, Sie reden doch so gern, Sie können sich nachher noch einmal melden.

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vor- sitz.)

Einige Bemerkungen sind doch noch in der Sache zu korrigieren. Ernsthaft hat Herr Münster von guten Radwegen gesprochen. Herr Münster, fahren Sie einmal Fahrrad. Es gibt in Hamburg eine sehr überschaubare Zahl von guten Radwegen, es gibt eine Menge schlechter oder überhaupt keine. Das ist die Situation.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU – Arno Münster SPD: Das ist doch verkehrt, was Sie sagen!)

Herr Münster, Sie wollten mir erzählen, wo man im Internet Informationen findet. Die Homepage kannten Sie immerhin, aber offenbar haben Sie da nicht hineingeschaut. Was ich Ihnen vorgelesen habe, kommt von genau der Homepage, die Sie zitiert haben.

(Dirk Kienscherf SPD: Aber Sie hätten den Button "Aktualisierung" drücken müssen!)

Es war die Radfahrstrategie Hamburg, Fortschrittsbericht 2010, Stand November 2010 in der Fassung vom Januar 2011. Sie haben vielleicht ältere Versionen, das mag sein. Die anderen Zahlen, die ich Ihnen genannt habe, kommen aus einer Kleinen Anfrage an den Senat, Drucksache 20/236, beantwortet vom Senat am 26. April 2011, das ist weniger als einen Monat her. Sie wollen doch nicht dem von Ihnen gestützten Senat unterstellen, dass er mit alten Zahlen operiert? Herr Münster, das wollen Sie doch nicht.

(Beifall bei der FDP)

Offenbar hat Ihnen möglicherweise Ihr Senator den falschen Sprechzettel gegeben, das wäre mit Zahlen von vor einem Jahr noch ganz richtig gewesen, jetzt sind wir im Jahr 2011 und operieren mit Zahlen aus dem Jahr 2010.

(Heike Sudmann)

Nächster Punkt. Frau Sudmann, wenn Sie sich zwei Tage auf eine Debatte zu diesem Antrag freuen, dann würde ich Ihnen empfehlen, ihn auch zu lesen. Ich habe extra für Sie den Antrag kurz gehalten, Sie selbst schreiben meist wesentlich längere Texte. Ich habe ihn ganz kurz gehalten, das kann man schnell lesen und auch leicht verstehen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist häufig das Problem Ihrer Anträge!)

Sie haben gesagt, die Verkehrsüberwachung würde dazu führen, dass wir mehr Personal bräuchten. Dann lesen Sie doch einmal genau nach, da steht nichts von mehr Personal, da steht, die Verkehrsüberwachung solle gleichermaßen auf Radfahrer und Autofahrer erstreckt werden. Wir wollen kein zusätzliches Personal einstellen, wir wollen nur, dass sich das Meinungsbiotop nicht auch in der konkreten Politik umsetzt, sondern dass es eingeschränkt wird und Radfahrer und Autofahrer gleichermaßen und angemessen überwacht werden, also kein zusätzliches Personal, sondern ohne Scheuklappen an das Problem herangehen.

(Beifall bei der FDP)

Ein übles Foul kam natürlich, das ist nicht überraschend, von Herrn Steffen. Ich hätte gesagt, Kinder seien Rowdies. Herr Steffen, Sie haben wahrscheinlich nicht genau zugehört, das habe ich nicht gesagt. Ich habe ganz bewusst gesagt, dass Kinder Opfer sind, ich bin nur der Meinung, dass Verkehrsunterricht nur in den Klassen 3 bis 6 und nur bezogen auf Verkehrsregeln nicht ausreicht. Wir müssen auch die Altersgruppe danach erwischen und es geht auch – andere würden es so nennen – um einen sozialen Trainingskurs. Fahrradrowdies gibt es, es sind natürlich keine Kinder, sondern deutlich Ältere, und denen gilt unser Augenmerk.

Die Zeit, dass dieses Parlament ohne die FDP mit Scheuklappen agiert und nur einseitig auf die Autofahrer einschlägt, ist vorbei. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dr. Steffen, bitte.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das lässt er nicht auf sich sitzen!)

Das war ein schönes Beispiel dafür, wie man ein bestimmtes Thema meinen kann – wir sind jetzt bei der Frage Projektionen –, dann etwas anderes zur Debatte anmeldet, um von hinten durch die Brust ins Auge zum Thema zu kommen. Der Inhalt Ihres Antrags bedeutet eine Absenkung der Überwachung für den Autoverkehr und ein Weggehen von der Reglementierung für den Autoverkehr. Sie wollen weniger Überwachung, weniger Unfallprophylaxe beim Autoverkehr, indem Sie die Kapazitäten schlicht verlagern.

Wenn Sie das mit dem gleichen Personal schaffen wollen, dann werden an den Stellen, wo gegenwärtig die Schwerpunkte gesetzt werden, wo es wirklich Opfer von Verkehrsunfällen gibt, diejenigen im Regen stehen gelassen, die den Schutz durch die Verkehrsüberwachung brauchen. Genau das macht deutlich, warum Ihr Antrag unbedingt abgelehnt werden muss.

(Beifall bei der GAL, der SPD und der LIN- KEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte dem Antrag der FDP–Fraktion aus Drucksache 20/412 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zu Punkt 21 der Tagesordnung, Drucksache 20/408, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial gestalten.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial gestalten – Drs 20/408 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/526 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der SPD-Fraktion: Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vernünftig gestalten – Klare Regeln für gute Arbeit statt Lohn- und Sozialdumping – Drs 20/526 –]

Beide Drucksachen möchte die Fraktion DIE LINKE an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen. – Herr Hackbusch, Sie wünschen das Wort und Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach dieser etwas traumatischen Diskussion fällt es natürlich sehr schwer, nun zu diesem Thema überzuleiten. Ich werde mich dementsprechend sehr kurz halten. Ich hoffe, dass Sie die wesentlichen Sachen auch lesen konnten. Wir versuchen, es sehr markant zu diskutieren anhand der bestimmten Fragestellungen, die anliegen.

Seit dem 1. Mai 2011 können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den im Jahre 2004 der EU beigetretenen Mitgliedsstaaten, im Wesentlichen aus Mittel- und Osteuropa, ohne Beschränkungen in Deutschland eine Beschäftigung suchen und aufnehmen.

(Arno Münster SPD: Nicht alle!)

DIE LINKE begrüßt diesen Schritt ausdrücklich.

(Dr. Wieland Schinnenburg)

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind der festen Auffassung, dass es nicht nur eine Freiheit der Waren geben kann in dieser Welt, sondern dass auch die Menschen überall hingehen sollen und können. Wir halten dies für eine existenzielle Sache, die wir in dieser Welt dringend erreichen müssen, nicht nur an dieser Grenze.

(Beifall bei der LINKEN)

Dementsprechend ist es ein ganz wichtiger Schritt, um für wirkliche Freiheit für die Menschen zu sorgen. Allerdings ist uns aufgefallen, dass es für einen solchen Schritt nicht nur darum geht, im Allgemeinen über Freiheit zu reden, sondern dass es darum geht, dass wir uns als Gesellschaft Schutzmechanismen überlegen, die uns in die Lage versetzen, solche Entwicklungen und Schritte auch gut abzufedern.

Das ist eine gern übergangene Sache, auch in den Diskussionen der letzten Wochen. Es wurden mehr allgemeine Dinge vorgetragen. Wir finden es besonders wichtig – und das ist auch unsere vornehme Aufgabe als LINKE –, besonders darauf hinzuweisen, was für Mechanismen und Wege wir finden können, um dort keine sozialen Schieflagen entstehen zu lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte Ihnen ein Beispiel dafür nennen, warum dies so gern übergangen wird, was ich in meiner Lektüre des Sachverständigenrats der Bundesregierung entdeckt habe. Er sagte hierzu einen lapidaren, schönen Satz, der eigentlich richtig ist, aber wenn man ihn sich genau ansieht, bemerkt man die Schwierigkeiten. Er stellte fest, dass sicherlich die Gefahr bestehe, dass heimische Arbeitskräfte verdrängt oder auch bedrängt würden. Dem stünden aber auch Wohlfahrtsgewinne durch die Migration gegenüber. So weit, so schön, aber jeder merkt, dass dabei einige Sachen einzeln zu betrachten sind und man sich genau überlegen kann, wer profitiert, wer leidet und was das bedeutet. Dementsprechend ist ein allgemeiner Wohlfahrtsgewinn keine Möglichkeit für alle Menschen in dieser Stadt und darum haben wir uns um diese Frage zu kümmern, nämlich wer leidet und was das bedeutet.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum ist das so wichtig? Wir stellen gerade im schlecht bezahlten Segment des Arbeitsmarktes eine dramatische Entwicklung fest. Während im Jahre 1996 noch 100 000 Leiharbeiter existierten, haben wir mittlerweile 800 000 in dieser Republik. Während wir im Jahre 1996 noch 4 Prozent befristet Beschäftigte hatten, haben wir mittlerweile über 9 Prozent befristet Beschäftigte in dieser Gesellschaft. Es ist leider nicht so, dass diejenigen, die etwas prekärere Arbeitssituationen haben, aufgrund dessen besonders viel Geld verdienen, weil