Protokoll der Sitzung vom 06.11.2013

(Beifall bei der FDP)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer zunächst einer Überweisung der Drucksache 20/9691 an den Europaausschuss zustimmt, den

(Christiane Schneider)

bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Ich würde es gut finden, wenn die Interessierten verstehen könnten, was ich sage. Deswegen wäre es nett, wenn es insbesondere dort hinten leiser wäre.

(Beifall bei Dr. Eva Gümbel, Dr. Anjes Tjarks, beide GRÜNE, und Tim Golke DIE LINKE)

Wer die Drucksache 20/9691 sodann an den Innenausschuss überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig passiert.

Bevor wir zu Punkt 28 kommen, bin ich Ihnen noch zwei Wahlergebnisse schuldig, einmal das Wahlergebnis der Nachwahl eines Mitglieds für das Datenschutzgremium der Bürgerschaft nach Paragraf 14 der Datenschutzordnung der Hamburgischen Bürgerschaft.

Kandidat war Herr Niedmers. Es wurden 116 Stimmzettel abgegeben. Auf Herrn Niedmers entfielen 92 Ja-Stimmen, 15 Nein-Stimmen, 9 Enthaltungen, und es gab null ungültige Stimmzettel. Damit ist Herr Niedmers gewählt.

Wir kommen zum zweiten Wahlergebnis, nämlich dem der Wahl eines Deputierten der Kulturbehörde.

Hier kandidierte Herr Klaus Lübke. Es gab 117 Stimmzettel, davon 101 Ja-Stimmen, 11 NeinStimmen, 5 Enthaltungen, und auch hier hat es keinen ungültigen Stimmzettel gegeben. Damit ist Herr Klaus Lübke für die Deputation gewählt.

Wir kommen zum Punkt 28, Drucksache 20/9684, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Recht auf freien Zugang zum Master sicherstellen.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Recht auf freien Zugang zum Master sicherstellen – Drs 20/9684 –]

Diese Drucksache möchte die Fraktion DIE LINKE an den Wissenschaftsausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Jahr 1999 unterzeichneten Regierungsvertreter aus 29 europäischen Nationen die sogenannte Bologna-Erklärung. Dieser Bologna-Prozess orientierte sich an der LissabonStrategie, die vorsah, die Europäische Union bis 2010 – ich zitiere –:

"… zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen."

Das hat wohl nicht geklappt. Bei der Umgestaltung der Hochschulen standen nicht etwa soziale Durchlässigkeit und Demokratisierung im Vordergrund, sondern Wettbewerbsfähigkeit und Standortlogik. In der Praxis hieß das vor allem Verkürzung der Studienzeit, Reduzierung der Studieninhalte und kurzfristige Arbeitsmarktbefähigung auf Kosten des wissenschaftlichen Anspruchs. Bei der Entrümpelung der Lehrinhalte landete die kritische Wissenschaft als Erstes auf dem Müll. Als Ziel wurde formuliert, dass die verschiedenen nationalen Bildungssysteme miteinander kompatibel werden sollten, die Studienzeiten verkürzt, die Abbrecherquoten gesenkt sowie die Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen gefördert werden sollte. Auch das hat nicht geklappt.

Erreichen wollte man dies damit, dass die Hochschulabschlüsse Diplom und Magister durch die neuen Abschlüsse Bachelor und Master ersetzt werden. Im Wintersemester 2012/2013 betrug der Anteil der Bachelor-/Masterstudiengänge in Deutschland circa 86,6 Prozent des Studienangebots. Es war aber nie die Rede davon, dass die Übergänge wie vom Vordiplom zum Diplom und vom ersten zum zweiten Staatsexamen erschwert oder sogar versagt werden sollten, sodass unterm Strich eine massive Verschlechterung der Studienbedingungen herauskam. In diesem System der gestuften Studienabschlüsse stellt sich der Bachelorabschluss als Regelabschluss dar. Das Studium als Bachelor soll wissenschaftliche Grundlagen, Methodenkompetenz, berufsfeldbezogene Qualifikationen vermitteln und, was immer wieder betont wird. Der Bachelor soll ein erster berufsqualifizierender Hochschulabschluss sein. Genau das ist für einen Bachelorabschluss die Ausnahme und nicht die Regel. Nicht nur, dass viele mit diesem Abschluss noch nicht einmal eine Qualifizierung vergleichbar einer Ausbildung im dualen oder staatlichen Berufsbildungssystem haben, sie haben gar keine Möglichkeit, ihren Beruf auszuüben. Das gilt nicht nur für Lehramtsstudierende und Bachelorabsolventen der Psychologie.

Auch das Ziel der Bologna-Reform, dass ein Wechsel von einem Studienort zum anderen, von einem europäischen Land ins andere erleichtert werden sollte, ist glatt verfehlt. Das klappt nicht einmal zwischen Bremen und Hamburg. Wenn jemand in Bremen seinen Bachelor in Chemie gemacht hat, dann kann er sich bewerben so viel er will, er wird in Hamburg nie für ein Masterstudium aufgenommen werden, auch wenn er die Note 1,0 hat, da Hamburg für Chemie ein Analysepraktikum voraussetzt, das es an der Universität in Bremen nicht gibt. Daher klappt der Übergang vom Bachelor zum Master nicht einmal zwischen Bremen und

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

Hamburg, geschweige denn im europäischen Raum.

Nach mehr als 13 Jahren treten die gravierenden Mängel des Bologna-Prozesses immer stärker hervor. Dabei ist vor allem der Übergang von einem Bachelor- in ein Masterstudium eine entscheidende und für die betroffenen Studierenden eine Existenzfrage. Sowohl die Kultusministerkonferenz als auch die Hochschulrektorenkonferenz haben sich explizit gegen eine politisch verordnete Quote für die Relation zwischen Bachelorabsolventen und Masterstudienanfängern ausgesprochen. Dennoch geben die KMK-Strukturvorgaben vor, dass nur ein Teil der Bachelorabsolventen ein Masterstudium aufnehmen kann. Die Länder können für den Zugang zum Masterstudium besondere Zulassungsvoraussetzungen festlegen. Der Bachelorabschluss berechtigt also nur rein formal zum Masterstudium.

In Hamburg gibt es kaum einen Studiengang ohne Numerus clausus, und die Anforderungen steigen jedes Jahr. So liegt die Zulassungsbeschränkung zum BWL-Studium an der Universität Hamburg in diesem Semester bei 1,6 – im Jahr 2007 war es noch 2,7. In VWL liegt der Numerus clausus bei 2,0. Allein in der Hansestadt gab es für dieses Semester 5800 Bewerber für gerade einmal 329 Bachelorplätze in BWL und 1000 Bewerber für 147 Bachelorplätze in VWL.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Hört, hört!)

Ein Blick auf die von den Hochschulen festgelegte Anzahl von rund 170 Masterstudienplätzen in BWL zeigt, dass künftig ein immer größerer Anteil der Bachelorabsolventen – wir reden davon, dass die Zahl der Erstsemesterstudierenden steigen soll – eine immer geringere Chance auf einen Masterstudienplatz haben wird. Das können wir so nicht hinnehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Angesichts der momentanen Zulassungsprobleme und des Kapazitätsmangels an den Hochschulen sollten wir uns noch einmal daran erinnern, dass es 1972 ein Bundesverfassungsgerichtsurteil gab, das berühmte Numerus-clausus-Urteil. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass sich aus dem Recht auf Berufswahlfreiheit in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem allgemeinen Gleichheitssatz das Recht auf Zulassung zu einem Hochschulstudium ergibt. Das scheint vollkommen in Vergessenheit zu geraten, und die tägliche Praxis widerspricht diesem Urteil. Der Numerus clausus wurde damals explizit als Notlösung für temporäre Engpässe betrachtet; inzwischen ist der NC Regelfall, auch in Hamburg. In einigen Fächern besteht selbst mit einem sehr guten Abitur – und das heißt heute: eins Komma x; ich bin schon froh, dass es nicht null Komma x heißt, aber da werden

wir auch noch hinkommen – kaum noch die Chance, ein Studium ohne Wartezeiten von zwei oder drei Jahren aufzunehmen.

Übergangsquoten beziehungsweise eingeschränkte Übergangsmöglichkeiten verstärken ganz klar die soziale Selektion beim Hochschulzugang. In diesem Zusammenhang ist es ein großes Problem, dass weiterbildende Masterstudiengänge keine Förderung nach dem BAföG ermöglichen. Zudem steht die bisherige Praxis der Etablierung des Bachelors als Regelabschluss im klaren Kontrast zu den Aussagen der Studierenden, dass ihr wichtigster Grund für die Wahl eines Bachelorstudiums die anschließende Aufnahme eines Masterstudiums sei. Da der Bachelorabschluss nur von wenigen als das Ende ihres Studiums und überwiegend als Vorstufe zum Master gesehen wird, müssen – und das ist explizit die Auffassung der LINKEN – beide Studienabschnitte als Einheit gesehen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Bachelorabschluss darf keine akademische Sackgasse für einen großen Teil der Absolventen sein, sondern muss für alle Studierenden die Möglichkeit des Übergangs in ein Masterstudium bieten. Insbesondere Studierende in Hamburg sind hierbei benachteiligt. So können Bachelorabsolventen auf Lehramt oder Psychologie sich vielfach nicht an anderen Universitäten für einen Masterstudienplatz bewerben, weil die örtlichen Zulassungskriterien so gestrickt sind, dass Hamburger Absolventen keine Chance haben beziehungsweise gar nicht erst zugelassen werden.

Die Studierenden der Psychologie haben einmal aufgezeigt, auf welche Universitäten das zutrifft, und sind dabei auf 17 Hochschulen gekommen. Die Universitäten in Aachen, Berlin, Dresden und Freiburg beispielsweise erwarten einfach mehr Credit Points in der für Psychologen sehr wichtigen Diagnostik, als in Hamburg überhaupt zu erreichen sind. Den Studierenden fehlt teilweise ein Credit Point, und dadurch haben sie keine Chance, sich woanders zu bewerben. Noch schlimmer ist es an den Universitäten in Konstanz, Bochum und Würzburg, in denen Credit Points in einem Fach gefordert werden, das in Hamburg gar nicht unterrichtet wird. An diesen Hochschulen brauchen sich die Hamburger Bachelorabsolventen also nicht bewerben, sie haben dort keine Chance.

Die Vielzahl an möglichen Zugangsvoraussetzungen bei den Masterstudiengängen führt in der Praxis also dazu, dass die angestrebte Flexibilität der Studiengänge sich in ihr Gegenteil verkehrt und viele Masterstudiengänge Hamburger Bachelorabsolventen verwehrt bleiben, weil sie die erforderlichen Zusatzleistungen in Hamburg nicht erbringen können.

Hamburg setzt meines Wissens bei allen Masterstudiengängen – mit Ausnahme von Chemie – ausschließlich auf die Durchschnittsnote als Qualitätsnachweis. Das machen aber nicht alle Universitäten. Eigentlich gibt es aus Prinzip keine Landeskinderklausel, aber natürlich sind die vielen besonderen Bedingungen der anderen Universitäten versteckte Landeskinderklauseln. Es ist sehr rühmlich, dass Hamburg das nicht macht. Das bedeutet aber, dass Hamburger Studierende doppelt benachteiligt sind. Während sie selber an anderen Hochschulen bestimmte Kriterien nicht erfüllen, haben in Hamburg fast alle Absolventen anderer Universitäten Zugang. Man könnte auch sagen, dass das eine negative Landeskinderregelung ist.

Zu wenig Masterplätze sind natürlich auch eine Frage der Finanzierung, und so haben denn auch in Hamburg – und das ist ziemlich einmalig – die Juso-Hochschulgruppe, die Hochschulgruppe der GRÜNEN und ein der FDP nahestehender Studierendenverband zusammen mit dem der Linkspartei nahestehenden Hochschulverband Die Linke.SDS im April 2011 eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der es heißt – ich zitiere –:

"Die Wahl zwischen einem Masterstudium und dem direkten Einstieg in den Beruf darf nicht von der Verfügbarkeit der Masterstudienplätze abhängen."

Dem stimmen wir zu und fordern deshalb einen Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik. Es muss erkannt werden, dass die Studienanfänger momentan vielfach in eine Sackgasse geschickt werden. Sie verlieren schlicht drei, vier Jahre für nichts. Sie haben nichts in der Hand und können kaum etwas machen. Hier gibt es in einigen Studienfächern bereits jetzt große Probleme. In zwei, drei Jahren wird sich, das habe ich eben schon einmal ausgeführt, die Zahl der jährlichen Bachelorabschlüsse erhöhen und damit auch die Nachfrage nach Masterstudienplätzen. Der Anteil der abgewiesenen Bachelorabsolventen wird dann immer größer werden, und dieses Problem baut sich kontinuierlich auf. Da können wir nicht einfach zuschauen und sagen, dass sich das schon irgendwie richten werde. Es ist sehr löblich, dass die Lehramtsstudierenden einen Masterstudienplatz bekommen haben, aber im nächsten Semester werden wir das gleiche Problem wieder haben, wahrscheinlich wesentlich stärker.

Eine Lösung kann unserer Meinung nach nur dann gerecht sein, wenn wir das Recht auf einen freien Zugang zum Masterstudium und eine bedarfsdeckende Hochschulfinanzierung ermöglichen. Da befinde ich mich auch im Einklang mit Professor Lenzen und Senatorin Stapelfeldt, denn als im Oktober 2011 die Hochschulvereinbarung für die Universität Hamburg unterzeichnet wurde, wurde im Detail eine Übergangsquote vom Bachelor zum Master von bis zu 100 Prozent vereinbart. Das wird

angestrebt und ich hoffe, dass das nun auch möglichst schnell umgesetzt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Kühn.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Heyenn, das Bild, das Sie von der gegenwärtigen Situation in der Bundesrepublik gezeichnet haben, ist sehr schräg,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist die Reali- tät!)

denn in weiten Teilen ist es eben nicht so, wie Sie es beschrieben haben. Man kann Ihren Antrag so verstehen – und das war ein Stück weit zu erwarten, ich zumindest habe es erwartet –, dass Sie ein Rollback postulieren. Ich will für die sozialdemokratische Fraktion in diesem Hause – die anderen Fraktionen werden sich gleich noch äußern – sehr deutlich sagen, dass wir einem solchen Rollback nicht folgen, sondern an dem Prinzip von Bachelor und Master festhalten werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Ohne Frage gibt es Schwierigkeiten im System, und die Bundesländer und Kulturminister haben sich darauf verständigt, das System der Bachelorund Masterstudiengänge kritisch zu überprüfen und dort, wo es Fehlentwicklungen gegeben hat – und die hat es ohne Zweifel gegeben –, für Änderungen zu sorgen.

Ihr Antrag basiert natürlich zum Teil auf den Diskussionen, die wir in Hamburg um die Lehramtsstudenten hatten. Ich habe schon in der Debatte um das Kapazitätsrecht, bei der Ihre Argumentation ebenfalls ziemlich schräg war, darauf hingewiesen, dass wir unterscheiden müssen zwischen Studiengängen, wo der Bachelor sehr wohl berufsqualifizierend ist, und solchen, wo er es nicht ist. Die Lehramtsstudenten bilden da eine besondere Gruppe, für die wir aber eine Lösung gefunden haben, was ich noch einmal ausdrücklich begrüßen will. Zugleich will ich an die letzte Sitzung des Wissenschaftsausschusses erinnern, auf der der Kollege Holster darauf hingewiesen hat, dass es nicht nur um die Frage der Masterplätze geht, sondern auch um die Referendariatsplätze. Auch deshalb greift Ihre Darstellung viel zu kurz und ist in der Argumentationslogik schräg.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Was ver- stehen Sie eigentlich unter schräg?)

Für die Lehramtsstudenten haben wir eine Lösung gefunden, und der Senat hat in der Sitzung des Wissenschaftsausschusses gesagt, dass er an diesem Problem weiter arbeiten werde. Ich finde es