Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

Wortprotokolle erhalten haben. Ich habe nicht gehört, dass dort ein Grund- oder Kernwortschatz mehrheitlich empfohlen wurde. Es wurde sogar nur von einem Kernwortschatz gesprochen, und damit ist etwas anderes gemeint als eine Liste von 800 Wörtern; dazu komme ich gleich noch. Es wurde auch nicht mehrheitlich gesagt, dass der Bildungsplan verändert werden solle, und es wurde nicht mehrheitlich dazu geraten, die Anlauttabelle zu verbieten, zu verändern oder zu vereinheitlichen.

Ich möchte noch einen kleinen Widerspruch aufführen, liebe CDU. Sie fordern in Ihrem Antrag eine Anlauttabelle und wollen damit Elemente der Reichen-Methode, die Sie so verteufeln, doch wieder in die Schulen bringen. Die Linie dahinter habe ich nicht verstanden. Die Konsequenzen aus der Anhörung scheinen jedenfalls aus unserer Sicht eindeutig ideologische und nicht sachverständige zu sein.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Insgesamt drängt sich mir die Frage auf, ob die CDU die heutige Realität an den Grundschulen überhaupt noch im Blick hat. Wir haben in den ersten Klassen nicht selten zehn und mehr verschiedene Nationen und bis zu drei oder mehr Jahre Lern- und Entwicklungsunterschiede. Wir haben Kinder mit und ohne Behinderungen in den Klassen und vieles mehr, also eine heterogene Schullandschaft und heterogene Klassen. Wir GRÜNE vertrauen den Lehrerinnen und Lehrern, dass sie den Kindern, die in der Schule sitzen, so begegnen, dass sie lesen und richtig schreiben lernen, und zwar mit dem Werkzeug, was ihnen zur Verfügung steht.

Leider ist dieses Vertrauen bei der SPD nur eingeschränkt vorhanden, da sie den Grundwortschatz vorgeschrieben hat. Das haben wir bereits in der Auswertung bemängelt. Wir befürchten, dass die Kinder in den Schulen vier Jahre lang auf diese 800 Wörter – oder 1200, wenn die Schule noch ergänzt – gedrillt werden, und zwar "Tanne" richtig schreiben können, weil sie es 85 000 Mal für den Test üben mussten, aber bei "Kanne" scheitern, da sie das Prinzip dahinter nicht verstanden haben. Insgesamt erscheint uns diese Maßnahme des Senators wie ein Feigenblatt oder wie Scheinsicherheit und Aktionismus und ist verbunden mit "teaching to the test". Wir glauben nicht, dass das erfolgreich sein wird, und kritisieren es scharf. Wir vertrauen den Lehrerinnen und Lehrern an den Schulen und hätten uns sehr viel mehr Freiheit vor Ort gewünscht. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau von Treuenfels.

(Matthias Czech)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich sagen, dass wohl alle hier unseren Lehrerinnen und Lehrern vertrauen. Das so hervorzuheben, würde bedeuten, dass wir das nicht tun, aber wir tun es alle. Wir wollen ihnen nur etwas an die Hand geben, was verbindlich und verpflichtend ist. Das ist vielleicht der Unterschied.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir sprechen so viel über den Bildungsplan, und ich möchte einige Beispiele aus dem Bildungsplan "Grundschule Deutsch" nennen, die Sie unbedingt kennen sollten. Ich zitiere:

"Rechtschreibfehler werden bei schriftlichen Lernerfolgskontrollen […] nicht bewertet."

Das befindet sich auf Seite 32. Auf Seite 23 steht, dass die Schüler

"[…] die überwiegende Anzahl der benötigten Buchstaben eines Wortes"

am Ende der Jahrgangsstufe 1 schreiben können sollen. Und ein Jahr später sollen sie dann nicht mehr so schreiben wie man spricht, sondern

"auch orthografische Elemente"

verwenden. Toll. Bei diesen Minimalanforderungen ist es kein Wunder, dass Bildungswissenschaftler davon sprechen, dass Grundschüler unterfordert sind

(Gerhard Lein SPD: Quatsch!)

und dass viele Schüler bis zum Abitur hin deswegen den Stellenwert der Rechtschreibung unterschätzen oder dass er ihnen gar nicht bewusst ist. Das ist die Realität, und das schreibt nicht nur der "Spiegel". Das sollten wir auch nicht verleugnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Weil das in dieser Stadt so ist und auch nicht nur hier, hat die FDP-Fraktion schon im August letzten Jahres einen Antrag vorgelegt, in dem wir gefordert haben, den Bildungsplan "Grundschule Deutsch" zu verändern. "Lesen durch Schreiben" und ähnliche Methoden sollten an Hamburger Grundschulen nicht weiter angewendet werden, und der Bildungsplan sollte durch Vorgaben zum Rechtschreibunterricht konkretisiert werden. Bisher konnten sich der Schulsenator und die SPD dazu nicht durchringen, obwohl sie immerhin bereits seit September 2013 davon sprechen, das Problem erkannt zu haben. Die FDP begrüßt es, dass sich die CDU, die ursprünglich nur einen Prüfauftrag auf den Weg bringen wollte, diesen Forderungen anschließt und diese, wie wir finden, in ihrem Antrag sehr gut konkretisiert hat.

Die Expertenanhörung im Schulausschuss, von der wir heute schon so Unterschiedliches gehört haben, hat an diversen Stellen gezeigt – und wir

verkennen nicht, dass einige das nicht gesagt haben, aber vier der Experten haben es sehr deutlich gemacht –, an welchen Stellen im Bildungsplan Nachbesserungsbedarf besteht. Umso unverständlicher ist aus unserer Sicht das Vorgehen des Senators. Eine Handreichung ist überhaupt nicht ausreichend, um dem Thema das gebührende Gewicht zu verleihen. Damit Rechtschreibung von Anfang an einen höheren Stellenwert hat, muss diese Anforderung im Bildungsplan verankert sein – das ist doch völlig klar. Der Bildungsplan ist verbindlich und verpflichtend. Herr Senator oder auch Herr Czech, warum machen Sie hieraus eine Entwederoder-Entscheidung? Sie können doch trotzdem Ihre Handreichung verteilen, wenn Sie meinen, dass das sinnvoll ist. Entweder wird der Bildungsplan geändert oder es gibt eine Handreichung – was soll das? Sowohl als auch müsste es doch heißen. Der Bildungsplan muss geändert werden, die Wertigkeit von Rechtschreibung muss dort festgeschrieben werden, die Anforderungen müssen erhöht und die Methoden konkretisiert werden. Dabei werden wir bleiben.

(Beifall bei der FDP)

Gleichzeitig kann natürlich eine Handreichung erstellt werden, die die kompetenzorientierten Vorgaben aus dem Bildungsplan weiter konkretisiert, sodass die Lehrkräfte eine Praxisanleitung an der Hand haben. Wir alle vertrauen darauf, dass sie das lesen, verstehen und umsetzen können. Sie, Herr Senator Rabe, bleiben mit Ihrem Vorgehen, das wir begrüßen, auf halber Strecke stehen. Ihr Verweis, dass auch nach dem bereits gültigen Bildungsplan – das haben Sie im Schulausschuss gesagt – munteres Drauflosschreiben ohne zeitnahe Fehlerkorrektur in Hamburg nicht erlaubt sei, ist eigentlich falsch. Wie sonst lässt es sich erklären, dass unzählige Eltern von den Lehrkräften ihrer Kinder dazu aufgefordert werden, bis zum Ende der zweiten Klasse Fehler nicht zu benennen? Vielleicht wissen manche Lehrkräfte gar nicht, welche Regelungen gelten, und damit wären sie dann nicht allein. Tatsache ist, dass der Bildungsplan zu unkonkret ist.

Herr Senator Rabe, ich appelliere nochmals an Sie – und ich hoffe, nicht vergeblich –: Bleiben Sie nicht auf halber Strecke stecken, gehen Sie den eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende. Und wenn wir die Anhörungen immer so unterschiedlich auslegen, möchte ich Sie darum bitten, dass Sie dazu kommen. Sie haben neulich gesagt, dass Sie Angst haben, mit der Opposition den Bildungsplan zu ändern, weil Sie denken, wir könnten auch andere Dinge anfassen. Vertrauen Sie uns doch einmal, es geht uns hier um Rechtschreibung.

(Heiterkeit bei der SPD)

Das Lachen beweist doch schon, wie Sie zu uns stehen.

Das war alles, was ich sagen möchte. Ändern Sie mit uns den Bildungsplan, versuchen Sie es einfach. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Wir haben in unseren Ausschüssen häufig Anhörungen, und wenn wir in die Geschäftsordnung schauen, dann stellen wir fest, dass sie einen Sinn haben. Manchmal denke ich, das sind eher Showveranstaltungen, aber eigentlich haben sie einen tiefen Sinn. Die Abgeordneten und die Regierung sollen durch Expertenanhörungen oder öffentliche Anhörungen mit Argumenten und Sichtweisen versorgt werden, sodass sie eventuell ihre eigene Position noch einmal überdenken und eine sachgerechte Entscheidung treffen. Wir haben fünf Jahre lang viel in dieser Bürgerschaft erlebt, aber ich habe noch nie erlebt, dass sich nach einer Ausschusssitzung vier von sieben Experten schriftlich zu Wort melden und dagegen verwahren, dass ihre Aussagen im Ausschuss völlig falsch wiedergegeben worden sind.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Das ist schon einmal deutlich gesagt worden. Ich will den Brief gern ansatzweise verlesen. Vier Experten schreiben:

"Sehr geehrte Mitglieder des Schulausschusses,

als erstes möchten wir uns für die sachliche Befragung im Ausschuss bedanken. Sie hat uns den Eindruck vermittelt, dass Ihnen ernsthaft an unseren fachlichen Einschätzungen gelegen war und dass es uns gelungen ist, einiges an Hintergrund zur aktuellen Diskussion zu vermitteln."

Das war auch ihre Aufgabe, und das wollten wir auch. Dann geht es weiter:

"Umso erstaunter waren wir über die Aussagen, die wir auf der Webseite WWL […], zum Teil auch im Bericht des '[Hamburger] Abendblatts' gelesen haben. Diese verzerrte Darstellung und [unsere] Inanspruchnahme für einseitige Positionen empört uns."

Und was war falsch?

"Es bestand Einigkeit, dass ein Grundwortschatz für den Rechtschreibunterricht NICHT von der Behörde vorgeschrieben werden solle."

Das ist genau das Gegenteil dessen, was Herr Scheuerl in seiner Mail behauptet hat.

"Es wurde mehrheitlich KEINE Veränderung des gegenwärtigen Bildungsplans gefordert".

Ganz im Gegenteil:

"Dessen Vorgaben wurden sogar explizit von mindestens vier der sieben Experten als fachlich fundiert und als gute Grundlage für die Unterrichtspraxis bewertet.

Die Arbeit mit einer Anlauttabelle wurde NICHT auf eine für alle Kinder gleich terminierte Phase beschränkt […].

Eine einheitliche Anlauttabelle für alle Schulen wurde [ebenfalls] NICHT vorgeschlagen. […]

Die Mehrheit hat NICHT für das Verbot einer Methode

gemeint ist "Lesen durch Schreiben" –

plädiert, sondern für deren Ergänzung".

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Was?)