Protokoll der Sitzung vom 08.06.2011

Ich möchte nur einen Hinweis geben, Herr Hamann, und damit höre ich auch schon auf, da ich die Position des Senats vertreten habe, dass er es trägt.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und bei Ro- land Heintze CDU)

Herr Hamann, der Wohnungsbaukoordinator, das haben Sie zu Recht gesagt, war im Januar nur

Wohnungsbaukoordinator. Er war noch nicht Staatsrat und Wohnungsbaukoordinator und er diente einer anderen Regierung, nämlich einer schwarzen. Deswegen hat er nur das gesagt, was Sie auch immer sagen: Unfug. Er hat Ihre Sprachwahl übernommen und insoweit hat sich das alles geändert. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen nun zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/616 an den Stadtentwicklungsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Die FDP-Fraktion hat hierzu eine ziffernweise Abstimmung beantragt. Wer möchte nun Ziffer 1 des SPD-Antrags aus der Drucksache 20/616 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Ziffer 1 angenommen.

Wer möchte sich der Ziffer 2 anschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch die Ziffer 2 angenommen.

Wer möchte der Ziffer 3 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch die Ziffer 3 angenommen.

Wer möchte Ziffer 4 beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der gesamte Antrag angenommen.

Ich rufe die Punkte 23 und 38 der Tagesordnung auf, die Drucksachen 20/615 und 20/630, Antrag der SPD-Fraktion: Frühkindliche Bildung für Kinder ohne Aufenthaltsstatus ermöglichen – aber keine Besserstellung gegenüber Eltern und Kindern mit legalem Aufenthalt oder mit deutscher Staatsangehörigkeit sowie Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ausgrenzung von Kindern ohne Aufenthaltsstatus beenden.

[Antrag der SPD-Fraktion: Frühkindliche Bildung für Kinder ohne Aufenthaltsstatus ermöglichen – aber keine Besserstellung gegenüber Eltern und Kindern mit legalem Aufenthalt oder mit deutscher Staatsangehörigkeit – Drs 20/615 –]

Zur Drucksache 20/615 liegen Ihnen als Drucksachen 20/704 und 20/716 Anträge der GAL- sowie der FDP-Fraktion vor.

[Antrag der GAL-Fraktion: Frühkindliche Bildung für Kinder ohne Aufenthaltsstatus ermöglichen – Drs 20/704 –]

(Dr. Joachim Bischoff)

[Antrag der FDP-Fraktion: Frühkindliche Bildung für Kinder ohne Aufenthaltsstatus – Drs 20/716 –]

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ausgrenzung von Kindern ohne Aufenthaltsstatus beenden – Drs 20/630 –]

Die Fraktion DIE LINKE möchte die Drucksache 20/630 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Eisold bekommt es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sprechen über Kinder ohne Aufenthaltsstatus, ohne Papiere, wie man auch sagt. In Hamburg können sie mittlerweile eine Schule besuchen, dort lernen und ihre Freunde treffen. Das war nicht immer selbstverständlich, aber heute ist es für uns zum Glück undenkbar, dass wir Kindern den Schulbesuch verbieten, weil irgendetwas mit ihrem Aufenthaltsstatus nicht stimmt. Ich bin mir sicher, dass alle Fraktionen mittlerweile in dieser Grundhaltung übereinstimmen. Das steht zwar ohnehin in unserem Schulgesetz, aber wichtiger ist doch unsere sittliche und ethisch begründete Überzeugung, dass die allgemeine Schulpflicht für alle Kinder einem richtigen Handeln entspricht.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke, Olaf Duge und Katharina Fegebank, alle GAL)

Der Blick auf die allgemeine Schulpflicht macht deutlich, warum wir heute mit unserem Antrag den Senat auffordern, Kindern ohne Aufenthaltsstatus den Zugang zu frühkindlicher Bildung zu ermöglichen, denn dieser ist heute leider nicht so selbstverständlich wie ein Schulbesuch. Dies hat zum einen damit zu tun, dass nach einer der Gesetzesvorschriften des Sozialgesetzbuchs VIII Kinder ohne Aufenthaltsstatus keine Leistungen nach der Kinder- und Jugendhilfe beanspruchen können, und es hat auch damit zu tun, dass es auf frühkindliche Bildung und Betreuung nur teilweise einen Anspruch gibt und zum Beispiel für längere Betreuungszeiten bestimmte Voraussetzungen vorliegen müssen.

Diese müssen nachgewiesen werden und für Eltern ohne Aufenthaltsstatus ist damit der Schritt verbunden, sich dem Jugendamt zu offenbaren und zu sagen: Hier bin ich und ich arbeite hier und deshalb brauche ich einen Betreuungsplatz für mein Kind. Wir wollen aus gutem Grund, dass diese Eltern – meist sind es übrigens die Mütter – diesen Schritt künftig häufiger machen als bisher. Denn in der Regel arbeiten die Eltern beziehungsweise die Mütter und die Kinder bleiben sich selbst

überlassen oder werden zur Arbeitsstelle mitgenommen.

Im Familienausschuss haben uns Expertinnen mit Beispielen zum Teil drastisch dargestellt, wie das in der Praxis abläuft und dass es nicht kindgerecht ist, was dort passiert, und Kinder teilweise schlicht und ergreifend von den Eltern zu Hause eingesperrt werden. Solche Bedingungen wollen wir nicht, wir wollen, dass diese Kinder, die für ihren Aufenthaltsstatus nichts können, künftig den Zugang zu frühkindlicher Bildung bekommen, wie er für alle Kinder in unserer Stadt gilt. Wir reden nach Schätzungen der Experten übrigens über eine sehr kleine Anzahl von Kindern, was aber kein Argument gegen eine Gleichbehandlung sein kann.

Wir glauben übrigens auch, dass ein Sich-offenbaren dieser Menschen gegenüber dem Jugendamt oder der Kita kein Problem darstellen muss und darf. Wie auch für die Schulen kann es keinen Anlass geben, diese persönlichen Daten weiterzugeben. Für das Jugendamt gilt wahrscheinlich sogar ohnehin die Schweigepflicht. Dies sollte der Senat in seiner Darstellung klarstellen. Wir meinen auch, dass der Senat das Verbot von Jugendhilfeleistungen aus Paragraf 6 im SGB VIII kritisch prüfen muss. In einigen Bereichen der Jugendhilfe kommt dieses Verbot ohnehin nicht zur Anwendung, und nachdem Deutschland im vergangenen Jahr die UN-Kinderrechtskonvention ohne Vorbehalt ratifiziert hat, dürfte auch dieses Verbot umso zweifelhafter geworden sein. Um es einmal vorsichtig auszudrücken, wahrscheinlich steht es im Gesetz, aber es wäre wohl in der Anwendung auch gar nicht mehr zulässig.

Zu den Anträgen: Unser Ziel als SPD ist es, eine Sonderregelung für diese Personengruppe möglichst zu vermeiden. Deshalb werden wir dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auch nicht folgen, die eine ganz konkrete gesetzliche Regelung für diese Personengruppe vorsieht. Die GAL hat erneut das vorgelegt, was wir schon am 20. Januar in der Bürgerschaftssitzung hatten. Wir finden, das geht nicht weit genug, hier geht es um konkrete Regelungen, die der Senat vorschlagen muss. Deshalb werden wir dem GAL-Antrag auch nicht folgen. Die FDP hat sich bis auf das Wörtchen "ob" unsere Intention zu eigen gemacht. Das reicht uns nicht aus, wir wollen, dass es besser wird, und deshalb können wir Ihren Antrag auch nicht übernehmen.

Wir möchten auch diesen parlamentarischen Schritt nach anderthalb Jahren – und da gebührt es eines kleinen Dankes an die Fraktion DIE LINKE, die uns damals mit ihrer Initiative auf das Thema aufmerksam gemacht hat – zum Abschluss bringen. Wir sind der Meinung, der Senat soll jetzt die Gelegenheit zum Arbeiten haben, um uns in der Bürgerschaft über das zu berichten, was er dann an konkreten Vorschlägen hat. Wir würden

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

uns freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen könnten. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Das Wort hat der Abgeordnete Haufler.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nur die CDU hat keinen Antrag vorgelegt! Dann stimmen Sie unserem ja zu!)

– Es muss ja nicht jeder immer zu allem einen Antrag vorlegen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns sicherlich einig, dass die Lebenssituation derer, die ohne Aufenthaltsstatus in Hamburg leben, natürlich nicht ganz einfach ist. Diese Menschen haben keine Ansprüche an unser Sozialsystem, sie sind nicht abgesichert gegen Arbeitslosigkeit, nicht einmal gegen Krankheit. Insofern ist es auch richtig, dass man sich mit diesem Thema befasst. Andererseits muss man auch die Erstursache dieser Situation deutlich benennen, wenn man schon diese Debatte führt. Ganz klar ist doch, dass die Eltern unerlaubt nach Deutschland eingereist sind. Sie haben bei der Einreise gegen unsere Gesetze verstoßen und erst dadurch sind die Probleme, die damit einhergehen, zustande gekommen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Wie bitte? – Antje Möller GAL: Das ist aber eine These von Ih- nen!)

Insofern darf man die Verantwortung nicht ganz allein und einseitig anderen zuschieben. Nun ist dieses Gesetz, welches diese unerlaubte Einreise regelt, nicht in jeder Fraktion gleich gesehen und generell findet nicht jeder im Parlament jedes Gesetz gleich gut.

(Antje Möller GAL: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Aber wir sollten uns erst einmal einig sein, dass unser Rechtsstaat gerade davon lebt, dass wir Gesetze, die gelten, auch anwenden und durchsetzen. Das ist ganz wichtig.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Im Übrigen kann man sagen, dass für viele Menschen, die aus der ganzen Welt nach Deutschland kommen, eben das keine Selbstverständlichkeit, sondern etwas ganz Besonderes ist, dass Gesetze geachtet werden und sie nicht nur auf dem Papier stehen.

(Antje Möller GAL: Es geht vor allem um Grundrechte!)

Es geht um Grundrechte, deshalb nennt man das auch frühkindliche Bildung.

Aber erst einmal geht es auch um die Frage der Kosten. Jeder Kindergartenplatz kostet Geld und bereits heute können wir nicht jedem, der sein Kind in den Kindergarten bringen möchte, jeden Wunsch erfüllen. Wir müssen vielen, die legal in Hamburg leben, ob sie nun die deutsche Staatsangehörigkeit haben oder eine andere, sagen, dass wir nicht alles erfüllen können. Diese Wünsche müssen auch berücksichtigt werden.

Aber ich möchte nicht verschweigen, dass es auch eine ganz wichtige andere Seite der Lebensrealität dieser Menschen gibt, über die wir sprechen. Man muss ganz klar sagen, dass die meisten keine Sozialleistungen beziehen, sondern täglich zur Arbeit gehen. Sie gehen häufig sehr harter Arbeit nach, sie arbeiten in den Restaurants oder auf den Baustellen unserer Stadt und das häufig für einen Lohn zwischen 3 und 5 Euro die Stunde, weil sie keine andere Wahl haben.

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Wenn jemand sich so anstrengt und so stark versucht, für sich und für seine Kinder das Beste in unserer Gesellschaft herauszuholen, dann können wir nicht zulassen, dass Menschen, die so hart arbeiten, schlechter dastehen als diejenigen, die nicht arbeiten. Diesen Grundsatz dürfen wir auch nicht vergessen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von Antje Möller GAL)

Insofern bewegen wir uns auf einem ganz schwierigen politischen Feld. Nicht umsonst haben Sie einen Prüfantrag formuliert, auch wenn das auch sonst Ihrer Gewohnheit entspricht. Aber wie soll das in der Praxis aussehen, dass wir keine Besserstellung hinbekommen, wenn jemand keinerlei Nachweise über sein Einkommen vorlegen kann? Es kann auch Menschen treffen, die ein durchaus sehr hohes Einkommen haben und dann trotzdem weniger bezahlen müssen als derjenige, der mit diesem Einkommen legal sein Kind anmeldet. Diese vielen verschiedenen Fragen sind zu beantworten. Wir finden es gut, dass Sie sich dieser Aufgabe annehmen und wir werden die Antwort wirklich sehr kritisch beäugen. Wir besprechen die Sache dann, sobald sie konkret vorliegt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Die Abgeordnete Blömeke hat das Wort.