Protokoll der Sitzung vom 18.06.2014

(Beifall bei der CDU)

Für uns hat die Selbstständigkeit der Hochschulen eine hohe Bedeutung. Unsere Hochschulen brauchen mehr Vertrauen aus der Politik statt Misstrauen und Detailsteuerung durch die Wissenschaftsbehörde. Deshalb sagen wir ganz klar: Diesen Gesetzentwurf lehnen wir ab. Er braucht mehr als ein paar kosmetische Korrekturen durch die Regierungsfraktion.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Dr. Gümbel von der GRÜNEN Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die vorge

(Thilo Kleibauer)

legte Novelle des Hamburger Hochschulgesetzes als notwendige Reaktion auf das Urteil des Verfassungsgerichts vom Sommer 2010 ist die wichtigste gesetzgeberische Aufgabe der Wissenschaftssenatorin in dieser Legislaturperiode. Wir GRÜNEN sind uns mit weiten Teilen der Hochschulöffentlichkeit einig, dass die Senatorin hier gescheitert ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was war die Aufgabe? Im Kern ging es darum, die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes wiederherzustellen; Herr Kühn hat es eben ausgeführt. Das Bundesverfassungsgericht kam 2010 zu dem Urteil, dass das Hamburger Hochschulgesetz den Professoren kollegial-repräsentative Mitbestimmungsbefugnisse – das ist leider so sperrig – vorenthalte und das in Artikel 5 der Verfassung garantierte Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verletze. Das, so lautete der Auftrag im Sommer 2010, sollte korrigiert werden. Hätte sich die Senatorin hieran gehalten, hätte sie die vielen, auch von Herrn Kühn schon angesprochenen konsensualen Punkte umgesetzt, hätte niemand Anstoß genommen. Sie hätte zum Wohle der Hochschulen handeln können.

Aber was macht die Senatorin? Durch das zeitgleiche Aufgleisen zweier sich widersprechender Vorgänge, nämlich der Durchsetzung der Hochschulverträge mit der hier festgeschriebenen finanziellen Knebelung und dem Gesetzesvorhaben unter dem Motto Demokratie, offenbarte Frau Stapelfeldt, wie grundlegend ihr Unverständnis in diesen Fragen war. Offensichtlich war ihr der Zusammenhang zwischen der Finanzierung und der Organisationsform der Hochschulen nicht klar. Mit einer schrumpfenden Grundfinanzierung von 0,88 Prozent zwang sie die Hochschulen in einen konfliktreichen Spar- und Streichkurs, der natürlich von der Leitungsebene durchgesetzt wurde und sich – siehe Lateinamerika-Studien – im Augenblick zeigt. Mit der Wirklichkeit an den Hochschulen ist sie derart in Konflikt geraten, dass das Gesetz zur Hochschulorganisation erst heute, also fast vier Jahre später, vorliegt und bemerkenswerte Wendungen genommen hat.

Ich möchte an dieser Stelle nur eine Spitze in der Auseinandersetzung herausheben, die der Antrag der SPD-Fraktion sehr euphemistisch als Beteiligung skizziert. Sie sorgte in der durch Meinungsvielfalt und Diskussionsfreude sich auszeichnenden Hochschulöffentlichkeit für auffallende Einheit. Es geht um die Stellung der Präsidenten. Gestartet mit dem Demokratieversprechen wollte Frau Senatorin Stapelfeldt nun autokratisch herrschende Präsidien. Offensichtlich war es in der Behörde aufgefallen, dass es irgendwen braucht, der die Sparauflagen anpasst. Es gab eigentlich niemanden – vielleicht die Betroffenen, aber auch da wissen wir von dem Präsidium der HAW, dass es sich ganz entschieden dagegen ausgesprochen hat –, der diese

Allmacht der Präsidenten gutgeheißen hätte. Ohne den Sturm der Entrüstung an den Hochschulen hätte die SPD überall kleine Könige inthronisiert.

Im Gesetz, und das hat die Expertenanhörung in aller Deutlichkeit gezeigt, herrscht auch weiterhin eine große Unausgewogenheit zwischen den Rechten der Professorenschaft und den Eingriffsrechten der Leitungsebene. Der Gesetzentwurf ist geprägt davon, Zielvorstellungen in einem Topdown-Prinzip von oben nach unten durchzusetzen, während von unten keine Initiativen nach oben entwickelt und dann mit dem Präsidium ausgehandelt werden können. Professor Zechlin, Jurist und von der SPD benannter Experte, hat im Wissenschaftsausschuss das fehlende Gegenstromverfahren in der Organisation der Hochschulen hart kritisiert. So wird bei dem nun anvisierten Verfahren zur Wahl der Dekaninnen und Dekane das Selbstorganisationsrecht der Fakultäten neutralisiert und die Wahl vom Präsidium beherrscht. Auch bei den Ziel- und Leistungsvereinbarungen dürfen die Fakultäten nur darüber reden. Sie haben aber keinen direkten Einfluss auf die Entscheidung.

Gleiches gilt für den Struktur- und Entwicklungsplan. Der Juraprofessor Dr. Hatje hat dazu in der Anhörung ausgeführt – Zitat –:

"Die Struktur- und Entwicklungsplanung […] arbeitet nach dem Top-down-Prinzip. Das ist nicht nur unzweckmäßig, sondern verfassungswidrig. Es bedeutet nämlich, dass die Fakultäten […] erst gefragt werden zur Struktur- und Entwicklungsplanung, wenn sie vorliegt. […] Es heißt: Friss oder stirb. Das ist […] mit Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes unvereinbar, weil in dieser Struktur- und Entwicklungsplanung die Eckdaten dessen gesetzt werden, was den Kern der Wissenschaftsfreiheit ausmacht."

Ich möchte an der Stelle nur noch einmal kurz daran erinnern, dass es die juristische Fakultät war, die 2010 das Dräger'sche Gesetz gekippt hat. Jetzt ist es dieselbe Fakultät, die einhellig davor warnt, hier verfassungswidrig zu handeln.

Ich möchte nicht wieder Herrn Professor Zechlin zitieren – wie gesagt, SPD-Experte –, der im Prinzip genau dasselbe sagt. Mit unserem vorgelegten Antrag tragen wir den im Rahmen der Expertenanhörung im Wissenschaftsausschuss vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung. Wir wollen die Träger der Wissenschaftsfreiheit, die Professorinnen und Professoren, an den grundlegenden Fragen der Organisation des Wissenschaftsbetriebs aktiv beteiligen, und das bedeutet wesentlich mehr, als ihnen nur die Anhörungsrechte zu gewähren. Wir wollen mit unserem Antrag auch die Versuche unterbinden – das hat auch Herr Kleibauer schon angesprochen –, den Einfluss der Behörde zu stärken und damit die Auto

nomie der Hochschulen zu untergraben. Wir halten das für den völlig falschen Weg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich würde mir von Ihnen, liebe SPD, sehr wünschen, dass Sie sich abkehren von dem eingeschlagenen Weg und mit uns eine verfassungskonforme Novellierung des Hamburger Hochschulrechts vornehmen. Ich fände es wirklich sehr peinlich, wenn dieses Hochschulgesetz ein zweites Mal vor dem Verfassungsgericht landen würde; das muss doch nicht sein.

Deshalb werden wir auch die Initiative der LINKEN mittragen, die zweite Lesung des Gesetzentwurfs zu verweigern. Wir hatten eine wirklich sehr gute und kenntnisreiche Expertenanhörung im Wissenschaftsausschuss, und Sie wissen, wie im Augenblick Expertenanhörungen besetzt sind: Natürlich waren das in der weit überwiegenden Zahl SPDExperten. Wenn Sie sich das durchlesen, dann werden Sie sehen, dass Ihre eigenen Experten diese Kritikpunkte vorgebracht haben. Herr Dressel, ich empfehle Ihnen die Lektüre.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, ich habe ihn dabei!)

Leider zeigen sich der Senat und die Mehrheitsfraktion unbeeindruckt von den zentralen Kritikpunkten,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wir haben so einen tollen Zusatzantrag vorgelegt!)

die im Rahmen der Expertenanhörung massiv vorgetragen wurden hinsichtlich der nicht ausreichenden kollegial-repräsentativen Mitbestimmungsbefugnisse sowie der verstärkten Einflussnahme der Behörde auf die Hochschulen. Sie haben jetzt 14 Tage Zeit. Mit der Verschiebung der abschließenden Beratung wollen wir Ihnen die Möglichkeit eröffnen, noch einmal gründlich nachzudenken, ob der vorliegende Gesetzentwurf nicht doch deutlich verbessert werden kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Sie die Drucksache lesen, die uns hier zur Abstimmung vorgelegt wird, könnte ein falscher Eindruck entstehen. Da steht:

"[…] am 12. Februar 2014 […] dem Wissenschaftsausschuss überwiesen."

Das stimmt, aber das klingt ein bisschen danach, als wäre das ganze Thema in wenigen Monaten erledigt gewesen und es gebe einen Gesetzentwurf. Die Realität ist eine völlig andere. Der Wissenschaftsausschuss hat sich in fast jeder Sitzung

zumindest unter Verschiedenes mit diesem Gesetz beschäftigt. Wir haben nämlich in fast jeder Sitzung die Senatorin gefragt, wann denn ihr tolles Gesetz fertig sei. Die erste Ansage war: Ende 2011, und dann war es immer am Ende des jeweils nächsten Quartals. Sie können einmal die Quartale nachzählen, es waren sehr viele Quartale, kurz gesagt dauerte es fast drei Jahre, bis dieses Gesetz vorgelegt wurde, und das Ergebnis ist dürftig. Um es einmal zusammenzufassen: Senatorin Stapelfeldt kreiste drei Jahre und gebar ein krankes Mäuschen.

(Beifall bei der FDP)

Einige Punkte wurden hier schon von meinen Vorrednern erwähnt. Ich will die wichtigsten noch einmal ansprechen und vertiefen. Zunächst einmal ist es für mich ein ganz wichtiger Punkt, dass es zusätzliche Pflichten für die Hochschulen gibt, von denen einige wirklich sinnvoll sind, aber es gibt nicht mehr Geld. Was wird das Ergebnis sein? Entweder werden andere Angebote gekürzt oder dieses wird einfach nicht passieren und die finanzielle Auszehrung der Hochschulen wird verschlimmert; ein sehr trauriges Ergebnis, den schon vorhandenen Sparkurs weiter zu verschärfen.

(Beifall bei der FDP)

Der zweite Punkt trifft uns als Liberale ganz besonders: Sie haben, es wurde teilweise schon erwähnt, die Einwirkungsmöglichkeiten der Behörde massiv ausgedehnt. Der Trend der Zeit, und zwar anerkannt von allen Fachleuten, auch in der Anhörung, geht aber in die Richtung, den Hochschulen mehr Autonomie zu geben. Man kann den Hochschulen vertrauen, sie können selbst entscheiden. Sie tun das Gegenteil und wollen sogar die Zahl der Vizepräsidenten bestimmen. Das ist ein grundsätzlich falscher Ansatz.

(Beifall bei der FDP)

Zum dritten Punkt: Da haben mich die Ausführungen von Herrn Kühn nun wirklich überrascht. Sie sprachen gerade von Wettbewerbsfähigkeit. Sie haben in Paragraf 77 Absatz 8 eine Klausel eingebaut, die die Wettbewerbsfähigkeit der Hamburger Hochschulen drastisch verschlechtert.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

In dieser Vorschrift ist nämlich vorgesehen, dass die Drittmittelgeber von Anfang an darlegen müssen beziehungsweise muss das Präsidium es für sie tun, was genau Gegenstand des Drittmittelprojekts ist. Das Ergebnis wird sein, dass viele Drittmittelgeber die Hamburger Hochschulen meiden werden wie der Teufel das Weihwasser, weil sie natürlich nicht wollen, dass bereits zu Beginn des Forschungsvorhabens solche Daten veröffentlicht und insbesondere ihren Konkurrenten bekannt werden. Herr Kühn, das Gegenteil von dem, was

(Dr. Eva Gümbel)

Sie gesagt haben, passiert: Die Wettbewerbsfähigkeit der Hamburger Hochschulen wird durch Ihren Gesetzentwurf drastisch eingeschränkt. Das finden wir schlecht.

(Beifall bei der FDP)

Der vierte Punkt ist die völlig kontraproduktive Geschlechterquote. Man kann darüber diskutieren, ob Quoten generell gut oder schlecht sind. Sie wissen, dass wir als FDP sie ablehnen, aber selbst wenn man dafür wäre, sind sie in diesem Fall mit Sicherheit unsinnig. Sie führen genau zum Gegenteil dessen, was wir brauchen. Zunächst ist es wieder ein Eingriff in die Hochschulautonomie. Sie werden vor allem aber – und das ist ein ganz wichtiger Punkt – die weiblichen Forscher, die Sie eigentlich fördern wollen, mit dieser Regel schädigen. Sie müssen, da sie in der Minderzahl sind, überdurchschnittlich viele Gremien bestücken und werden auf diese Weise von ihrer Forschungsarbeit abgehalten. Sie fördern nicht weibliche Forscher, Sie behindern sie in ihrer Arbeit, und das ist kontraproduktiv.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb gibt es insgesamt zehn Änderungsanträge der FDP. Ich erspare es mir, das im Einzelnen darzulegen; es ist schon recht spezifisch. Wir haben uns sehr intensiv hineingekniet und, anders als die Senatorin, schon seit langer Zeit daran gearbeitet. Die Drucksache 20/3551 haben wir Ihnen vor ungefähr zweieinhalb Jahren vorgelegt und dort genauer dargelegt, was eigentlich in so ein Gesetz hinein müsste, nämlich mehr Autonomie, mehr Vertrauen in die Hochschulen. Lassen Sie mich nur einige Punkte nennen: nur noch Rechtsaufsicht statt Fachaufsicht, Personalhoheit, ein besseres Immobilienmanagement. Dies alles hat die SPD offenbar nicht einmal reflektiert; sie hat es abgelehnt. Das Einzige, was die Hochschulen verbessern könnte, haben Sie abgelehnt, stattdessen haben Sie mehr Bürokratie gemacht. So geht es nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Zu den Änderungsanträgen der verschiedenen Fraktionen: Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich es mit Ausnahme der Fraktion DIE LINKEN ziemlich frech finde, was die drei anderen Fraktionen gemacht haben. Wir haben die letzte Beratung im Wissenschaftsausschuss am 15. Mai gehabt, über einen Monat ist das her, und vor gerade einmal 24 Stunden bekommen wir hochkomplexe, über viele Seiten gehende detaillierte Änderungsanträge herein. Es war mir mit Mühe und Not möglich, das alles mit einem Mitarbeiter zusammen durchzuarbeiten. Das ist kein guter parlamentarischer Umgang. Wenn man komplizierte Änderungsanträge stellen will, dann legt man sie etwas eher vor und nicht erst 24 Stunden vorher. So geht man nicht miteinander um.

(Beifall bei der FDP)

Zu den einzelnen Änderungsanträgen, zunächst zum Antrag der SPD, der bereits in der Ausschusssitzung vorgelegt wurde: Wir lehnen diesen Antrag ab, da wir es nicht für sinnvoll halten, ein entschlossenes Vorgehen gegen Langzeitstudierende noch weiter aufzuschieben.

Zu dem neuen Antrag, der vor 24 Stunden vorgelegt wurde: Im ersten Punkt geht es darum, dass der Kanzler nicht Dienstvorgesetzter des technischen Verwaltungspersonals werden soll; das lehnen wir ab. Wir halten es gerade für eine richtige Idee, die gesamte Verwaltung, auch die gesamte Technik unter einer Hand zu führen. Dafür ist der Kanzler da, das ist sein Amt. Wenn man jemanden in ein Amt setzt, dann muss man ihm auch die Möglichkeiten dazu geben. Diesen Punkt lehnen wir also ab. Den beiden anderen Punkten, der Zulassung von externen Prüfern und dem Ersuchen, das Sie dort hineingeschrieben haben, werden wir zustimmen. Mir wäre es lieber, wenn das Ersuchen nie zum Tragen käme, wir also keine Sonderregelung bräuchten, aber immerhin ist die Tendenz mit Sicherheit richtig.

Es wird Sie vielleicht überraschen, dass wir sämtlichen Punkten zustimmen werden – kein Wunder, die sind bei uns abgeschrieben worden.