Protokoll der Sitzung vom 28.08.2014

Das Wort bekommt Herr Dr. Kluth von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich den Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, allen voran Herrn Schmidt, für diese Große Anfrage danken. Ich denke, das Thema Film oder Filmwirtschaft in Hamburg ist es in der Tat wert, dass wir uns intensiver mit ihm be

(Christa Goetsch)

schäftigen und das öffentliche Interesse auf diesen kreativen und auch wirtschaftlich immer wichtiger werdenden Bereich lenken. Der Senat hat sich rechtschaffen und redlich bemüht, uns alles zum Thema Filmwirtschaft aufzuschreiben. Ich zumindest weiß jetzt mehr über die maßgeblichen Akteure in der Filmförderung, das Fördervolumen, die Beschäftigungswirkung, die Wertschöpfung oder auch vorhandene Ausbildungsgänge. Dafür herzlichen Dank, das war der Mühe wert. Das ist in der Antwort auf die Große Anfrage zwar alles etwas statistisch, aber ganz interessant.

Was ich der Antwort des Senats hingegen nicht entnehmen konnte – und da hat Frau Goetsch völlig recht –, ist, mit welcher Zielrichtung und welcher Strategie er seine Filmförderung betreibt. Wo will der Senat zukünftig Schwerpunkte setzen? Wo will der Senat vielleicht auch umsteuern? Was will er zukünftig mehr fördern, was will er weniger fördern? Wie will er die Kooperation mit anderen Partnern im Bereich der Filmförderung, beispielsweise mit Schleswig-Holstein, den Bundesakteuren der Filmförderung, dem NDR und anderen, verändern und weiterentwickeln? Man hat den Eindruck, dass er sich, wenn man die Große Anfrage liest, an der von ihm im Großen und Ganzen als gut empfundenen Situation erfreut. Aber ein eigenes Konzept, eigene Vorstellungen sind nicht vorhanden, von einer Strategie ganz zu schweigen. Eine solche hat der Senat im Bereich der Filmförderung augenscheinlich nicht.

(Beifall bei der FDP)

Das ist für einen Bereich, der in einem so hohen Maße von öffentlicher Förderung abhängig ist, schlicht zu wenig.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte daher vier Punkte etwas vertiefen.

Erstens: Die Filmförderung Hamburg SchleswigHolstein wird zurzeit zu etwa 60 Prozent aus Mitteln der Stadt Hamburg finanziert. Jeweils rund 8 Prozent steuern der NDR und das ZDF bei. Schleswig-Holstein beteiligt sich hingegen nur minimal an der gemeinsamen Filmförderung. Während der Haushaltsansatz für die Förderung durch Hamburg in den Jahren 2012 und 2013 bei 7,1 Millionen Euro lag, belief sich der Ansatz in Schleswig-Holstein gerade einmal auf 180 000 Euro. Das sind pro Einwohner 4,09 Euro in Hamburg und 6 Cent pro Einwohner in Schleswig-Holstein. Ich frage mich: Warum ist das eigentlich so? Mir leuchtet schon ein, dass die Wertschöpfung der Filmwirtschaft überwiegend in Hamburg generiert wird, da ist es auch gerecht, dass Hamburg mehr in den Topf einzahlt. Aber 4,09 Euro zu 6 Cent? Machen die positiven wirtschaftlichen Effekte der Filmwirtschaft tatsächlich an der Landesgrenze halt? Stimmen da die Proportionen? Hierzu finde ich in der

Drucksache nichts, nicht einmal eine Plausibilisierung.

Zweitens: Kommen wir zu den Besucherzahlen. Es wäre in der Tat interessant gewesen, etwas zu den Besucherzahlen im Verhältnis zu den bereitgestellten Fördermitteln zu hören,

(Hansjörg Schmidt SPD: Steht doch da drin!)

zur Spieldauer, zu geförderten Filmen in Kinos oder der Anzahl der Kinos, die diese Filme zeigen. Wenn unter den besonders erfolgreichen Filmproduktionen im Jahr 2013 ein Film mit 122 000 Besuchern aufgeführt wird, frage ich mich schon, wie viele Besucher dann in einem mäßig erfolgreichen Film gewesen sind.

Drittens: Es fällt auf, dass die Besucherzahlen insbesondere der großen geförderten Filmfestivals zurückgegangen sind. Das betrifft sowohl das Filmfest Hamburg, das "KurzFilmFestival" als auch das Freiluftkino auf dem Rathausmarkt. Insbesondere das Freiluftkino verzeichnete einen drastischen Rückgang von 15 000 auf 12 000 Besucher, und das "Internationale KurzFilmFestival" verlor rund 2000 Besucher, und zwar trotz eines deutlichen Anstiegs der Fördersumme von 140 000 auf 200 000 Euro. Wie begründet sich dieser Rückgang der Besucherzahlen trotz gestiegener Fördersummen? Der Senat bemüht sich in seiner Antwort auf die Große Anfrage noch nicht einmal um eine Erklärung für diesen Umstand.

Viertens: Nicht unerwähnt lassen möchte ich die große Offenheit des Senats in einer Frage, die der Kollege Wankum schon erwähnt hat. Der Senat ist bekanntlich ein Befürworter des gesetzlichen Mindestlohns – die FDP ist das nicht –, und da ist es schon bemerkenswert und verdient es, noch einmal ausdrücklich zitiert zu werden, was die Kultursenatorin auf die Frage nach den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf die Filmwirtschaft in Hamburg antwortet. Ich zitiere aus der Antwort des Senats auf die Große Anfrage:

"Anders als zum Beispiel in klassischen Wirtschaftsbereichen ist die Ausbildungssituation für zahlreiche filmwirtschaftliche Berufsbilder nicht einheitlich geregelt, durch 'Learning-by-Doing' und durch Quer- oder Seiteneinsteiger geprägt. Gar nicht oder nur gering entlohnte Praktika bilden häufig den Einstieg ins Berufsleben im Austausch für die notwendige Praxiserfahrung. Mit der Einführung des Mindestlohnes wird dieser Praxis ein Teil ihrer Grundlage entzogen, und es ist nicht absehbar, wie sich zukünftig unter den neuen Rahmenbedingungen der Berufseinstieg junger Menschen in die Filmwirtschaft gestalten wird."

Ende des Zitats.

Wohlgemerkt, das ist keine Aussage des wirtschaftspolitischen Sprechers der FDP-Fraktion, das ist eine Feststellung des SPD-Senats und seiner Kultursenatorin. Sie machen den jungen Menschen den Berufseinstieg im Bereich der Filmwirtschaft durch den gesetzlichen Mindestlohn unmöglich, Sie nehmen ihnen Chancen. Danke für diese Ehrlichkeit bei der Beantwortung der Großen Anfrage. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Hackbusch von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir alle einvernehmlich die sehr gute Arbeit bilanzieren, die die Filmförderung Hamburg SchleswigHolstein und insbesondere Eva Hubert geleistet hat. Es ist schön, wenn man das gemeinsam als Parlament feststellen kann.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Eva Gümbel GRÜNE)

Ich teile die Kritikpunkte, die im Zusammenhang mit der noch nicht begonnenen Diskussion um die Perspektiven stehen. Das will ich nicht wiederholen, das haben meine Vorredner schon ausgeführt, was soll ich es zum zweiten Mal sagen. Es gibt aber einige Punkte, die noch nicht ausreichend besprochen worden sind, und auf die will ich mich schwerpunktmäßig beziehen.

Der erste Punkt steht im Zusammenhang mit der sozialen Situation in der Filmwirtschaft. Im Gegensatz zu Herrn Kluth fand ich die Antwort da erst einmal sehr mager, denn wir müssen doch feststellen, dass die Bedingungen für die meisten Menschen, die in der Filmwirtschaft gegenwärtig arbeiten, dramatisch und katastrophal sind. Da werden zum Teil Löhne gezahlt, von denen kein Mensch existieren kann. Teilweise gilt sogar das Motto, dass erst gearbeitet wird und erst dann, wenn der Film vielleicht irgendwann einmal Geld einspielt, gezahlt wird. Das ist die Situation. Das sind soziale Verhältnisse, die doch wohl keiner in diesem Parlament akzeptieren kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Da müssen wir uns doch überlegen, wenn das eine Schwierigkeit ist, wie wir unter Einhaltung von gewissen sozialen Mindeststandards neue Wege eröffnen. Dazu gibt es bisher keine Antwort, meine Damen und Herren vom Senat. Wie ist denn die Situation im Hinblick auf die Künstlersozialkasse? Viele von denen, die in diesem Bereich arbeiten, kommen da gar nicht rein, weil man sagt, ihre Tätigkeit habe mit Künstler sein nichts zu tun, oder weil sie so wenig verdienen, dass sie noch nicht einmal die Mindeststandards für die Aufnahme er

füllen. Das ist ein großes soziales Problem, aber hier wird so getan, als ob das den Senat in gewisser Weise nicht interessiere.

Oder die große Fragestellung, wie das eigentlich mit dem Arbeitslosengeld ist. Die bekommen immer nur diese Vierzehn-Tage-Aufträge, und diese Stückelung führt dazu, dass die meisten kein Arbeitslosengeld bekommen und auch aufgrund dessen die soziale Situation dort sehr dramatisch ist. Dort muss man etwas ändern, da liegen die wahren Voraussetzungen für eine Verbesserung, das ist die Aufgabe des Senats. Danach ist der Senat in der Großen Anfrage zwar gefragt worden, aber das ist von ihm doch sehr mangelhaft beantwortet worden, denn die eigentliche Fragestellung ist größer als die nach den Auswirkungen des Mindestlohns. Dementsprechend hat der Senat – ich glaube, es war Herr Senator Horch – eine schlechte Antwort gegeben. Mich würde einmal interessieren, was er dazu sagt und was sozial eigentlich notwendig gewesen wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Den zweiten und dritten Punkt streiche ich, ich komme zum vierten Punkt. Nach dem Punkt, den die Filmwirtschaft in dieser Republik gegenwärtig am meisten interessiert und diskutiert, ist gar nicht gefragt worden, Herr Schmidt. Wie kann das sein? Ich rede von TTIP.

(Hansjörg Schmidt SPD: Das ist kein Ham- burger Thema!)

Das ist kein Hamburger Thema? Dann fragen Sie einmal Herrn Horch. Er sagt, das sei eines der wichtigsten Instrumente für Hamburg, er läuft damit herum und macht Werbung.

(Hansjörg Schmidt SPD: Aber die Marsch- richtung der SPD bei dieser Frage ist doch klar!)

Ich werde Ihnen das darstellen und Sie können gleich darauf antworten; ich würde mich freuen, wenn Sie Stellung dazu nehmen würden.

Die Interessenvertretung der Filmwirtschaft, die sich aus allen Bereichen der Filmwirtschaft in Deutschland zusammensetzt, sagt in ihrer kritischen Stellungnahme zu diesem Freihandelsabkommen – ich zitiere –:

"Dieses Novum in der Geschichte der internationalen Handelsverträge der Europäiischen Union – bislang hat sich die EU auf Grundlage ihres Mottos 'United in Diversity' stets für eine kulturelle Ausnahme in Handelsverträgen eingesetzt – markiert einen riskanten Politikwechsel für die deutsche Kulturlandschaft und gefährdet insbesondere die deutsche Filmwirtschaft sowohl in ihrer kulturellen als auch in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung erheblich. Die SPIO spricht sich deshalb entschieden gegen die Mitver

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

handlung des kulturellen Sektors aus und bittet das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, sich im Rat der EU-Handelsminister für eine Herausnahme des kulturellen Sektors aus dem Verhandlungsmandat stark zu machen und diese durchzusetzen."

Das ist die Aufforderung, und die Frage ist, was geschieht. Es hört sich immer sehr gut an, wenn Herr Gabriel betont, der kulturelle Sektor werde herausgenommen. Dementsprechend, so sagt er dann, müsse man sich keine Gedanken machen. Ich habe mir extra noch einmal durchgelesen, was Herr Gabriel dazu gesagt hat. Er hat sich sehr deutlich ausgedrückt in seinem Beitrag im "vorwärts" von vor drei Tagen:

(Hansjörg Schmidt SPD: Ich finde das gut, dass Sie den "vorwärts" lesen!)

"Keine Abschaffung der Subventionen für Theater und Museen, Beibehaltung der Buchpreisbindung, kein Rütteln am öffentlich-rechtlichen Rundfunk."

Diese Punkte sollen herausgenommen werden, und das heißt ausdrücklich, Herr Gabriel ist dafür, dass die Filmwirtschaft dort weiterhin verhandelt wird. Er hat das Mandat dafür aufgemacht und deutlich gesagt, dass die Filmwirtschaft weiterhin bedroht ist. Und wenn das die Äußerung der Filmwirtschaft dazu ist, diese Frage noch nicht einmal zu stellen: SPD, wo seid ihr gelandet? – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Schmidt von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Herr Hackbusch, weil Sie mich direkt angesprochen haben: Wir haben TTIP hier lang und breit diskutiert, und ich glaube, in dieser Diskussion wurde auch das Thema Kultur berührt. Die Position der SPD und die Position der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament ist an dieser Stelle glasklar, dass das Thema Kultur und Medien aus den Verhandlungen ausgeklammert werden soll, weil wir nicht wollen, dass zum Beispiel auf einmal amerikanische Fonds hier Filmförderung abgreifen können. Das ist immer wieder Aussage der SPD gewesen, das ist Beschlusslage auf diversen Ebenen. Insofern gibt es an dem Punkt überhaupt gar keine Diskussion. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Norbert Hackbusch DIE LINKE: Was sagt Herr Horch dazu?)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Großen Anfrage aus

der Drucksache 20/11895 Kenntnis genommen hat.

Punkt 98 unserer Tagesordnung, Drucksache 20/12435, Antrag der CDU-Fraktion: Chancen der Industrie 4.0 in Hamburg nutzen.

[Antrag der CDU-Fraktion: Chancen der Industrie 4.0 in Hamburg nutzen – Drs 20/12435 –]