Protocol of the Session on September 24, 2014

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der SSW gehört auch dazu, ich bitte um Entschuldigung –, dass sie die unverantwortlichen Pläne der schwarz-gelben Vorgängerregierung zur Schließung von Frauenhäusern auf Eis gelegt hat und weiterhin den Schutz von Frauen in Schleswig-Holstein flächendeckend garantiert.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gewalt an Frauen und Kindern hört nicht an Ländergrenzen auf, unser Engagement dagegen auch nicht. Die Kooperation im Norden funktioniert solidarisch und zugunsten der betroffenen Frauen in beiden Bundesländern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt nun Frau Wolff von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gewalt kennt tatsächlich keine Landesgrenzen, wie es in der Präambel der Verwaltungsvereinbarung heißt, und deswegen begrüßen wir ebenfalls das vorliegende Verwaltungsabkommen zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg. Wir haben jetzt schon vieles von Frau Kammeyer gehört, was ich sehr unterstützen kann, daher will ich es kurz machen. Ich dachte eigentlich, dass sich alle Parteien in diesem Hause einig seien – DIE LINKE nicht, wie ich heute gelernt habe. Die Plätze für hilfesuchende Frauen, egal ob aus Schleswig-Holstein oder Hamburg, müssen auch in Zukunft in ausreichender Zahl in den Frauenhäusern vorhanden sein, und deswegen ersuchen wir den Senat, dieses Abkommen regelmäßig zu kontrollieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Nun erhält Dr. Stefanie von Berg von der GRÜNEN Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Grundsätzlich ist so ein

(Annkathrin Kammeyer)

Verwaltungsabkommen durchaus sinnvoll und auch zu begrüßen, aber in diesem konkreten Fall und in der derzeitigen Lage ist es aus Sicht der GRÜNEN Fraktion ein Trostpflaster, eine Nebelkerze und eine teure Bürokratisierung und Verwaltung des Themas Gewalt an Frauen, denn die eigentlichen Probleme, die die Frauenhäuser haben, sind zum Beispiel ein wirklich unverantwortlicher Betreuungsschlüssel von 1:8,25 in Hamburg und nicht von 1:4, wie es eigentlich sein sollte und wie alle Empfehlungen lauten. Es ist eine hohe Arbeitsbelastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – vor allem der Mitarbeiterinnen, es sind in der Regel nur Frauen – aufgrund dieses unzumutbaren Betreuungsschlüssels. Es sind zu wenige Frauenhausplätze in Hamburg in unserer wachsenden Metropole. Es sind zu wenige Wohnungen im Anschluss an den Frauenhausaufenthalt, sodass die Verweildauer tatsächlich viel zu lang ist. Es ist ein unzureichendes Notaufnahmeverfahren und auch eine unzureichende nachsorgende Betreuung. Es handelt sich hier immerhin um eine Kriseneinrichtung, und es müsste alles getan werden, um die wirklich drängenden Probleme dort zu beheben und nicht noch ein weiteres bürokratisiertes Verfahren einzuführen.

Ich möchte Ihnen gerne noch einmal die Stellungnahme der Autonomen Frauenhäuser vorlesen, und das sollte uns allen hier zu denken geben, bevor wir dieses Verwaltungsabkommen bejubeln. Die Frauenhäuser schreiben:

"Verbesserungsvorschläge wie die weitere Standardisierung des Aufnahmeverfahrens oder die Ausweitung von Gruppenangeboten erscheinen den Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser angesichts dieser Misere wie ein Hohn."

Mit diesen Worten möchte ich gerne schließen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort bekommt nun Frau Kaesbach von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bisher wurde die Belegung der Frauenhäuser durch Frauenhausmitarbeiter beziehungsweise die Notstelle selbst vorgenommen. Man kann konstatieren, dass die Frauenhausmitarbeiter die Hamburger Frauen bisher erfolgreich von Hamburg nach SchleswigHolstein und umgekehrt vermittelt haben. Dabei haben die Frauenhäuser immer auf die individuellen Bedürfnisse der Frauen geachtet. Es wurde dabei in erster Linie die Frage berücksichtigt, ob die jeweils betroffene Frau in der Stadt, an der Grenze zu den benachbarten Bundesländern oder in einem weit entfernten Haus Obdach erhält. Das war unbürokratisch und meistens sehr effektiv. Sicher

spielte das Ziel, eine möglichst große Auslastung der Frauenhäuser zu erwirken, dabei nicht die größte Rolle.

Der Senat zahlt nun 180 000 Euro an SchleswigHolstein als Kompensation für die hohe Belegungszahl der schleswig-holsteinischen Frauenhäuser durch Hamburger Frauen. Der Senat erklärt, Hamburgs Ziel sei es, das Aufnahmeverfahren in den Hamburger Frauenhäusern zu verbessern. Den Begriff Verbesserung kann man natürlich so und so auslegen. Verbesserung bedeutet hier für den Senat sicher mehr Kontrolle, mehr Steuerung und mehr Auslastung der Hamburger Frauenhäuser durch Hamburger Frauen. Dies ist so gesehen auch erst einmal nicht verwerflich, da es vor allem auf die Entlastung des Steuerzahlers abstellt. Wichtig ist nur, dass diese Steuerung nicht zulasten der betroffenen Frauen geht, das heißt, ihnen zukünftig nicht mehr der optimale Schutz gewährleistet wird. Der Senat sollte dafür Sorge tragen, dass durch die Koordinierungsstelle wie vorher durch die Notaufnahme der Frauenhäuser bei der Auswahl des Hauses weiterhin die individuellen Bedarfe der betroffenen Frauen intensive Berücksichtigung finden. Das heißt, die Frauen sollten im besten Falle mitentscheiden, ob sie in der Nähe der schulischen Einrichtung der Kinder oder der eigenen Arbeitsstelle bleiben oder sich ganz abkoppeln möchten – beziehungsweise müssen sie dies oftmals auch. Gleichzeitig muss verhindert werden, dass mit der Koordinierungsstelle mehr Bürokratie auf den Weg gebracht wird.

Meine Damen und Herren! Das Erfordernis der Schaffung der Koordinierungsstelle stellt sich für meine Fraktion noch nicht wirklich dar, denn die Kosten, die für die Belegung der schleswig-holsteinischen Frauenhäuser durch Hamburger Frauen entstehen, müssen ohnehin erstattet werden. Dafür gibt es einerseits mit Paragraf 36a SGB II eine gesetzliche Grundlage, auf die der Senat selbst verweist. Andererseits hätte für die Frauen, die keine Sozialleistungen beziehen, auch eine einfache Kostenerstattungsregelung, losgelöst von der Einrichtung einer Koordinierungsstelle, ausgereicht, denn das zentrale Problem der Frauen, die in Frauenhäusern Schutz suchen, ist nicht die Verteilung auf Hamburg und Schleswig-Holstein, sondern es ist die Rückkehr in selbstbestimmte Wohnund Lebensverhältnisse. Dieses scheitert häufig am Wohnungsmarkt. Das wird auch eine Koordinierungsstelle, die sich um das Übergangsmanagement kümmern möchte, nicht ändern. Hier liegt vielmehr das größere Versäumnis des Senats. Der soziale Wohnungsbau geht nur schleppend voran und befriedigt nicht die Bedürfnisse der Hamburgerinnen und Hamburger. Anstatt also eine redundante Koordinierungsstelle zu schaffen, sollten Sie, Herr Senator Scheele, lieber den Frauenhäusern in Hamburg unter die Arme greifen und

(Dr. Stefanie von Berg)

Sie, Frau Senatorin Blankau, den sozialen Wohnungsbau ankurbeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Nun bekommt Frau Artus von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Es klingt so schön: Eine Koordinationsstelle zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein soll künftig eine problemlosere Unterbringung von misshandelten Frauen und ihren Kindern in den Frauenhäusern beider Bundesländer ermöglichen. Dafür haben die Landesregierungen einen Geldtransfer vereinbart. 130 00 Euro zahlt Hamburg an Schleswig-Holstein und 30 000 Euro zahlt Schleswig-Holstein an Hamburg.

Schauen wir einmal genauer hin und über die Stadtgrenzen hinaus. Was sehen wir? Völlig überlastete Frauenhäuser in Kiel, Wedel, Neumünster, Elmshorn oder auch Lübeck. Jetzt hilft der scharfe Blick. Das Problem ist nicht, dass Hamburger Frauen und ihre Kinder dort Schutz suchen. Birgit Pfennig, Sprecherin der Autonomen Frauenhäuser in Schleswig-Holstein, sieht die Probleme ganz woanders. Sie sagte in der "Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung" im Juni dieses Jahres, dass sich die Lage in den letzten Jahren sehr verschärft habe, weil es einen massiven Rückgang an sozialem Wohnungsbau gegeben habe. Außerdem entspreche der von den Jobcentern gezahlte Mietsatz für Hartz-IV-Empfängerinnen nicht dem durchschnittlichen Mietenspiegel. Die Autonomen Frauenhäuser in Schleswig-Holstein könnten viel mehr Frauen aufnehmen und Frauen könnten schneller in eigene Wohnungen kommen, wenn es mehr bezahlbaren Wohnraum gäbe.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Die Lage verschärfe sich aber auch dadurch, dass viele Gewaltopfer zunächst keine Arbeit hätten und von Hartz IV abhängig seien. Das sei bei vielen Vermietern ein Ausschlusskriterium ebenso wie Schulden, Migrationshintergrund, ein ungeklärter Aufenthaltsstatus oder mehrere Kinder. Kein Wort, verehrte Abgeordnete, wird in Schleswig-Holstein über Hamburger Frauen verloren, die in den Frauenhäusern unseres Nachbarlandes Schutz suchen müssen.

Zurück nach Hamburg. Hier ist die Situation exakt die gleiche: Mangel an günstigem Wohnraum und überbelegte Frauenhäuser. Die SPD in Hamburg hat vier Jahre lang Zeit gehabt, ausreichend sozialen Wohnungsbau zu initiieren. Sie hat vier Jahre Zeit gehabt, sich über Lösungen für die chronische Überbelegung der Frauenhäuser Gedanken zu machen und geeignete Maßnahmen zu initiieren.

Sie hat diese Zeit nicht genutzt. Sie haben sogar den Vorschlag der Autonomen Frauenhäuser abgewiegelt, ein Kontingent von nur 55 Wohnungen jährlich zur Verfügung zu stellen, um Bewohnerinnen aus den Frauenhäusern, die von der Ausstattung her Noteinrichtungen und keine Daueraufenthaltseinrichtungen sind, schnell eigene schützende vier Wände zu vermitteln.

Ihre neue Koordinierungsstelle wird das auch nicht lösen, denn sie wurde außerdem aus zwei ganz anderen Gründen initiiert. Zum einen ist sie das Ergebnis einer Rechenakrobatik, die von den Experten des SGB II ausgetüftelt wurde. Es ist den Hartz-IV-Empfängerinnen geschuldet, die in Frauenhäusern Schutz suchen müssen. Es geht um Tagessätze, Ausgleichspauschalen, Kosten der Unterkunft und die Verringerung von Bürokratie, die durch Rückforderungen vom Bund entsteht. Der andere Grund ist, dass der Haushalt Schleswig-Holsteins durch diese 100 000 Euro ein bisschen gestopft wird. Die Frauenhäuser in Schleswig-Holstein haben nämlich gar nichts davon. Der frauenpolitische Sprecher der PiratenFraktion in Schleswig-Holstein, Wolfgang Dudda, so viel Fairness muss hier sein, sagte es ganz treffend in seiner Presseerklärung – ich zitiere –:

"Leider wird nicht die komplette Summe in eine Erhöhung der Platzpauschale investiert, sondern nur die Kürzungen aus schwarz-gelben Zeiten kompensiert. […] Dass nun ein Teil des Geldes in einem Topf für zukünftige Investitionen in diesen Bereich angespart werden soll, klingt zunächst vernünftig, geht aber zu Lasten des laufenden Betriebs der Einrichtungen."

Man kann diese Ziele wollen, aber man muss sich dann nicht damit brüsten, etwas für den Opferschutz getan zu haben. Die Verwaltungsstelle bewirkt diesbezüglich gar nichts, denn die Ursachen für die überfüllten Frauenhäuser liegen zum einen in den weiterhin hohen Gewaltvorkommen im sozialen Nahbereich und zum anderen im Mangel an sozialem Wohnraum, in rassistischen Ressentiments von Vermietern und in der Armutsfalle, die das Sozialgesetzbuch II diktiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich befürchte sogar, dass die Verwaltungsstelle Schaden anrichten könnte, weil sie den Autonomen Frauenhäusern ihren selbstverwaltenden Charakter nimmt. Was daran diffamierend sein soll, Kollegin Kammeyer, müssen Sie mir noch einmal erklären. Ich stehe damit nämlich nicht alleine, wie Sie selbst auch wissen. Ihre neue Stelle ist für einen wirkungsvollen Opferschutz nicht nötig, und wir lehnen sie daher ab.

(Beifall bei der LINKEN)

(Martina Kaesbach)

Das Wort bekommt nun Herr Senator Scheele.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Ich bitte um mehr Aufmerksamkeit. Das gilt auch für die Gespräche der Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen. Danke schön.

Herr Senator Scheele, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie werden mir nachsehen, dass ich das ein bisschen anders sehe. Es ist so: Hamburg hat fünf Frauenhäuser mit 194 Plätzen. Die Frauenhäuser sind voll, da will ich gar nicht drum herumreden. Mal ist auch eines überbelegt, aber dann ist an anderer Stelle Platz. Aus unserer Sicht ist es so, dass die Kapazitäten der Frauenhäuser ausreichen, auch wenn einige Frauen in Schleswig-Holstein Schutz suchen müssen. Aber das liegt nicht immer daran, dass hier kein Platz ist, sondern das kann auch daran liegen, dass man wegen des Bedrohungspotenzials des Herkunftssystems über die Landesgrenze weg muss. Es gibt vielerlei Gründe, das Bundesland Hamburg zu verlassen, und das ist wahrlich nicht immer die Enge der eigenen Unterkunft in einem Frauenhaus. Da bitte ich ein bisschen differenzierter hinzuschauen.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

(unterbrechend) : Einen Moment bitte, Herr Scheele, entschuldigen Sie.

Ich appelliere noch einmal an die diversen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, doch vielleicht draußen ihre Geschäfte zu klären.

Herr Senator Scheele, Sie haben das Wort.

Die Bürgerschaft hat zu viele Funktionäre.

Die durchschnittliche Verweildauer beträgt zurzeit 82 Tage. Das ist nicht wenig, aber die Dramatik ist, das wurde in der Schriftlichen Kleinen Anfrage beantwortet, auch nicht so groß, wie man denken könnte, wenn man die Lage am Wohnungsmarkt sieht. Es gelingt, Frauen aus den Frauenhäusern herauszubekommen und in Wohnraum zu integrieren, und es gelingt zunehmend besser, sie in Arbeit zu bringen. Die Hälfte aller Frauen verlässt die Frauenhäuser nach fünf Tagen. Das ist eine bemerkenswerte Zahl, die ich so nicht vermutet hätte. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, aber das ganze Tätigkeitsfeld ist nicht Gold, es ist nämlich ein ziemlich furchtbares. Insofern ist das, was wir da vorfinden, unter den gegebenen Bedingungen relativ ordentlich und gut.

Der Senat und die Bürgerschaftsfraktion stützen die Frauenhäuser. Wir als Behörde haben mit den Autonomen Frauenhäusern und dem diakonischen Frauenhaus hoch einvernehmlich gemeinsam mit der Universität einen Qualitätsentwicklungsprozess durchgeführt, weil die Autonomen Frauenhäuser – es sei dahingestellt, ob zu Recht oder nicht – sehr auf ihre Autonomie pochen und wir Verbesserungen im Management haben wollen, denn es ist nicht so, dass die Belegung besonders reibungslos zugunsten der hilfesuchenden Frauen verläuft. Manchmal muss man umbelegen, hat aber keinen Überblick, wo freie Plätze sind. Es ist legitim zu wünschen, dass man weiß, wo freie Plätze sind. Das hilft auch den Frauen, und darum geht es bei diesen Fragen.

Wir versuchen gemeinsam mit der Fraktion, ein Hamburger Frauenhaus so zu sanieren, dass es faktisch neu wird. Wir haben dazu 1,3 Millionen Euro hier beschlossen.