Protocol of the Session on June 5, 2019

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(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Kraftwerk Wedel muss jetzt teuer ertüchtigt werden. Das heißt, Ihr Konzept sorgt dafür, dass das dreckigste Kohlekraftwerk dieser Republik nochmals ertüchtigt werden muss. Es werden Millionen Euro reingesteckt, damit es länger laufen kann. Ob das ökonomisch oder ökologisch sinnvoll ist, kann niemand erklären. Deswegen sind Sie darauf auch nicht eingegangen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Detlef Ehlebracht AfD)

Wir sagen: Gehen Sie mit uns unseren Weg. Das ist ökonomisch und ökologisch geboten. Stimmen Sie unserem Antrag zu. Wir werden Ihrem Kompromiss mit der Volksinitiative nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kruse. – Als Nächste erhält das Wort Frau Oelschläger für die AfD-Fraktion.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland ist für etwa 2,4 Prozent des weltweiten menschlichen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Hamburg hat an dieser globalen CO2-Emission einen Anteil von etwa 0,07 Prozent. Ich erlaube mir, Hans von Storch, Professor am Institut für Meteorologie an der Universität Hamburg, zu zitieren:

"Eine Einsparung Hamburgs hat praktisch keinen Einfluss auf den globalen Wert, egal, wie viel Prozent es sind."

Wir reden also allenfalls von einer moralischen Botschaft. Diese moralische Vorreiterrolle wird teuer erkauft, und zwar nicht nur von gut verdienenden Familien, die wegen des reinen Gewissens Grün wählen, sondern leider auch von den Geringverdienern, die schon jetzt nicht mehr wissen, wie sie jeden Monat ihre Rechnungen begleichen sollen, also Hamburgern, die einmal SPD gewählt haben, als sie noch glaubten, das "S" stünde für sozial.

Ein Ausstieg Hamburgs aus der Kohle bis zum Jahre 2030 ist ein symbolischer Akt, aber weiter auch nichts. Bis zum Jahre 2030 werden in 62 Ländern dieser Welt 1 600 weitere Kohlekraftwerke gebaut, übrigens auch von deutschen Firmen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch; auch meine Fraktion möchte selbstverständlich, dass Wedel so schnell wie möglich vom Netz geht. Ein so altes Kohlekraftwerk ist technisch überholt, ineffizient und eine Dreckschleuder trotz mehrfacher Ertüchtigung. Es ist selbstverständlich auch sinnvoll, kein neues Kohlekraftwerk als Ersatz zu bauen. Die Kohlekommission und die Bundesregierung planen einen Kohleausstieg bis zum Jahr

(Michael Kruse)

2038. Unter Inanspruchnahme der KWK-Förderung des Bundes kann ein Gaskraftwerk sinnvoll sein.

Liebe FDP, was macht Sie so sicher, dass Moorburg über das Jahr 2038 hinaus betrieben werden darf? Davon gehen Sie in Ihrem ansonsten charmanten Zusatzantrag aus. Müssen wir nicht aus Vorsicht lieber auf Gas setzen? Aber auch das will die Volksinitiative eigentlich nicht. So betonen deren Sprecher im Ausschuss, dass man nicht die einfache und vielleicht sogar durch Bundesmittel geförderte Gaslösung anstrebe und schlicht die Kohle durch Gaskessel ersetze. Ausschließlich erneuerbare Energien sind technisch aber noch unmöglich. Alles auf einmal zu tun ist fehlgeleiteter Aktionismus. Das Heizkraftwerk Tiefstack bis 2030 zu ersetzen, ist Geld verbrennen, und zwar auf mehrfache Weise. Zunächst muss ein Neubau her, und dann wird die verhältnismäßig billige Steinkohle für die Grundlast durch voraussichtlich teures Gas ersetzt. Die Spitzenlastversorgung wird ohnehin bereits mit Erdgas und leichtem Heizöl betrieben. Bezahlen wird dies am Ende der Verbraucher und/oder der Steuerzahler, falls das Versprechen des Bürgermeisters, keine Erhöhung für die Fernwärmekunden zu generieren, eingehalten wird.

Eine Energiewende, deren Kosten den Rentnern und Arbeitslosen aufgebürdet wird, die viel zu Hause sind und so hohe Heizkosten haben, kann keiner wollen. Gleiches gilt für Fahrverbote und Umweltauflagen für Gebäude. Reiche Bürger finden das toll, und die ärmere Bevölkerung wird getroffen.

Ich frage mich tatsächlich, wie naiv die evangelische Kirche – einer der Hauptakteure der Hamburger Initiative "Tschüss Kohle!" – sein kann. Es war einmal ihre Aufgabe, sich um Arme und Bedürftige zu kümmern. Jetzt scheint es eher eine politische Organisation zu sein. Nur so lässt sich die eine oder andere Aussage von "Tschüss Kohle!"-Aktivistinnen im Umweltausschuss erklären. Für diese Aktivisten wird nun ein neuer Beirat errichtet, nach Wünschen der Fraktion DIE LINKE auch noch mit einem Sekretariat.

Im Konsensantrag ist gesetzlich garantiert, dass Hamburg keine aus Kohle gewonnene Wärme zukauft – etwas, das Hamburg bisher sowieso nicht getan hat. Wie viel Nützliches könnte man mit dem Geld, nicht nur für den Beirat, sondern auch für vorzeitiges Abschalten, tun: Deiche erhöhen, Flächen entsiegeln, Bahnfahren billiger machen, Forschung und Entwicklung stärken, was auch immer. Mit der Hinterzimmerpolitik der Regierungsfraktionen in dem hier vorgelegten Antrag war leider einmal wieder keine Bürgerbeteiligung möglich.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das ist genau Bürgerbeteiligung!)

Mich würde es sehr interessieren, was die Hamburger davon halten, sinnlos viel Geld auszugeben, um ein leuchtendes Beispiel zu sein, damit aber global keinen Effekt zu erzielen.

Sie ahnen es schon: Wir werden den Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Senator Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wirksamer Klimaschutz ist das zentrale und wichtigste Projekt dieser Generation und wird die Grundlage dafür legen, ob zukünftige Generationen und junge Menschen in unserem Lande in Zukunft ein lebenswertes Leben leben können. Um den Klimaschutz voranzutreiben und den Klimawandel wirksam auf ein halbwegs erträgliches Maß zu begrenzen, haben wir maximal noch eine Dekade Zeit. Wenn man sich das vor Augen führt, hat die Politik in den letzten zehn Jahren in Deutschland die Aufgabe, die sie hätte erfüllen müssen, nicht erfüllt, egal wer regiert hat, weil wir in den letzten zehn Jahren keine wirksamen Maßnahmen ergriffen haben, um CO2 zu begrenzen. Deshalb ist heute auch nicht der Tag, an dem es darum geht, Bekenntnisse abzugeben, tolle Ziele auf Papier zu schreiben, sondern heute ist die Aufgabe von Politik, zu handeln, Maßnahmen zu ergreifen und jetzt das zu tun, was man jetzt tun kann. Genau das passiert heute mit dem Antrag der beiden Regierungsfraktionen – nicht ein vages Bekenntnis, irgendwann einmal aus der Kohle auszusteigen, sondern das erste deutsche Kohleausstiegsgesetz in einem Bundesland.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Obwohl es das erste Gesetz ist, das heute wohl verabschiedet werden wird, ist es auch noch ein Gesetz, das weit über die Ziele hinausgeht, das in anderen Bundesländern diskutiert wird. Dort wird über einen Kohleausstieg im Jahr 2038 debattiert und überlegt, ob das gelingt. Dieses Parlament wird beschließen und der Senat wird sich dann auch verpflichten, spätestens bis zum Jahr 2030 aus der Kohle in der Wärme in Hamburg auszusteigen, und zwar nicht nur als ein vages Bekenntnis, das in einem Gesetz steht, sondern mit klaren Maßnahmen, mit Investitionsprojekten, mit öffentlichen Unternehmen, die an diesen Projekten bereits arbeiten. Einen solchen entscheidenden Schritt für wirksamen Klimaschutz gibt es nirgendwo in dieser Republik. Hamburg ist dort Vorreiter und setzt Maßstäbe. Ich kann nur hoffen, dass viele in diesem Land dem Hamburger Beispiel folgen werden.

(Andrea Oelschläger)

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Dieses Gesetz ist ehrlich – das möchte ich gern in Richtung der Partei DIE LINKE sagen –, denn dieses Gesetz verspricht nichts, was der Hamburger Senat nicht auch halten kann. Natürlich gibt es neben den zwei Kohlekraftwerken, die die Wärmeversorgung in unserer Stadt sicherstellen, noch ein drittes, das für die Stromproduktion zuständig ist. Dieses Kraftwerk musste aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen genehmigt werden, und dieses Kraftwerk wird abgeschaltet, wenn der Bund gesetzliche Regelungen dafür trifft, dass es abgeschaltet werden muss. Es wäre unredlich und unehrlich, wenn der Hamburger Senat in ein Gesetz schreiben würde, er werde dafür sorgen, dass Moorburg schnellstmöglich abgeschaltet wird, weil der Hamburger Senat dafür keine Regelungen hat. Insofern ist auch das ein Beispiel dafür, dass das ein ehrliches Gesetz ist, das sich darauf beschränkt, was wir wirklich selbst ändern können. Dort gehen wir sehr weit, weiter als alle anderen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Jetzt möchte ich auf ein paar Argumente eingehen, die hier von der Opposition, wie ich finde, mit sehr viel Inbrunst vorgetragen werden, die aber trotz der großen Inbrunst nicht richtiger werden, auch wenn falsche Behauptungen immer öfter, immer lauter und mit immer mehr Eifer vorgetragen werden.

Zum Beispiel wäre es jetzt für den Kohleausstieg notwendig, ein Kohlekraftwerk durch ein anderes Kohlekraftwerk zu ersetzen. Die Logik muss man mir jetzt erst einmal erklären, dass man aus der Kohle aussteigen und ein altes Kohlekraftwerk abschalten will und sagt, ein Konzept mit erneuerbaren Wärmequellen aus vorhandener Abwärme und Gas, das dieser Senat verfolgt, solle zur Seite geschoben werden, um es durch ein modernes Kohlekraftwerk zu ersetzen. Das ist doch schizophren und wird in keiner Weise der Aufgabe gerecht, die wir leisten können.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Würden wir Ihrem Beispiel folgen und jetzt wirklich das Kohlekraftwerk Moorburg an die Wärmeversorgung anschließen, dann würden wir den Kohleausstieg in der Wärme in Hamburg um acht Jahre von 2030 auf 2038 verschieben. Das kann doch nicht ernsthaft Ihr Vorschlag sein. Das ist doch eine Verhöhnung aller, die sich für Klimaschutz in dieser Stadt einsetzen. Das wird nicht besser dadurch, dass Sie es jedes Mal wiederholen. Was Sie vorschlagen, ist falsch, unehrlich und unverantwortlich.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos – Michael Kruse FDP: Ich weiß nicht, was Sie sagen, Herr Senator!)

Wenn es im Bund zu dem Kohleausstiegsgesetz bis zum Jahr 2038 kommen sollte, dann wissen wir alle, dass das ein zu langsamer Zeitpfad ist. Er wird nicht sicherstellen, dass wir unsere Klimaziele, zu denen wir uns im Pariser Abkommen verpflichtet haben, einhalten können. Auch wenn wir jetzt mit der Zielzahl 2038 anfangen, ist es relativ logisch, dass zukünftige Regierungen das Tempo wahrscheinlich verschärfen und Kohlekraftwerke deutlich vor 2038 vom Netz nehmen würden. Alles andere wäre unverantwortlich.

Würden wir aber trotzdem Ihrem Beispiel folgen und das Kohlekraftwerk Moorburg an die Wärmeversorgung anschließen, bekäme dieses Kraftwerk eine Laufzeitverlängerung und eine vorzeitige Abschaltung dieses Kraftwerks wäre unmöglich. Auch deshalb ist das ein falscher, unverantwortlicher Vorschlag, und darum werden wir ihm auch nicht folgen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wenn ich dann höre, unsere Südleitung sei jetzt das große Risiko und man könne das Kohlekraftwerk Wedel nur spät vom Netz nehmen, weil unter Umständen dagegen geklagt werde und sich das dann verzögere – das ist ein Argument, das die Partei DIE LINKE gern vorträgt –, bin ich doch wirklich bass erstaunt, wie fahrlässig dort argumentiert wird. Denn die Partei DIE LINKE mit ihren Anhängern sammelt gerade Gelder, um gegen die Leitung für den Ersatz des Kohlekraftwerks Wedel zu klagen und damit dieses Projekt zu verzögern. Gleichzeitig sagen Sie, dieses Projekt sei schlecht, denn dagegen könne geklagt werden. Das ist in höchstem Maße politische Heuchelei, und auch das ist unverantwortlich.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Denn jeder, der gegen unser Konzept klagt, egal was er sagt, wird dafür sorgen, dass das Kohlekraftwerk Wedel länger läuft. Das wäre für den Klimaschutz in unserer Stadt fatal. Darum kann ich wirklich nur alle dazu auffordern, parteipolitische Gründe beiseite zu lassen und nicht gegen unser Konzept zu klagen, denn dadurch wird Klimaschutz in unserer Stadt fast unmöglich gemacht und verzögert. Das kann in niemandes Interesse sein.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Jetzt wird von Ihnen gesagt, die Leitung dauere so lange, darum werde Wedel so spät abgeschaltet, darum sollten wir doch jetzt das Kohlekraftwerk Moorburg nehmen. Ich weiß nicht, ob Ihnen entgangen ist, dass das Kohlekraftwerk Moorburg südlich der Elbe liegt und

(Senator Jens Kerstan)

diese Leitung auch zur Anbindung für Moorburg benutzt werden müsste. Wenn Sie jetzt sagen, das Konzept verzögere diese Leitung und man könne Wedel später abschalten, dann kann man das Kohlekraftwerk Moorburg auch erst später anschließen.

(Michael Kruse FDP: Und Sie haben seit zehn Jahren keine Genehmigung auf dem Tisch!)

Insofern wäre nichts gewonnen, außer dass man den Kohleausstieg in dieser Stadt um acht Jahre verschiebt. Sie wissen überhaupt nicht, was Sie da sagen. Was Sie sagen, passt vorn und hinten nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos – Michael Kruse FDP: Das ist billig, Herr Kerstan!)

Deshalb bleibt mir nur, den Regierungsfraktionen und der Initiative zu danken, dass sie jetzt in den Verhandlungen den gangbaren realistischen Weg gefunden haben. Angesichts des Glaubwürdigkeitsverlusts der Politik in Gänze, der bei der Europawahl deutlich geworden ist, kann ich die Parteien in diesem Parlament nur dazu auffordern, weder in Anträgen noch in Ihren Redebeiträgen gegenüber engagierten Bürgerinnen und Bürgern eine solche Hochnäsigkeit an den Tag zu legen und Verhandlungsergebnisse von Bürgerinnen und Bürgern, die sich für den Klimaschutz einsetzen, geringzuschätzen, wie es im Antrag der LINKEN und auch in Ihren Reden passiert. Ich glaube, Politik sollte sich an die eigene Nase fassen und handeln. Dieser Senat, diese Regierungskoalition tut das zum Wohle des Klimaschutzes, und wir werden alles tun, um unser Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort bekommt Frau Sparr von der GRÜNEN Fraktion.