Protocol of the Session on September 25, 2019

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Mit steigenden Einwohnerzahlen wächst der Bedarf an Lebensmitteln, parallel dazu aber auch der Bedarf an Lebensraum. Innerorts wird nachverdichtet und die Grenzen der Siedlungszentren weiten sich aus, sodass zunehmend Agrarflächen zu Bauland oder Straßen werden. Wachsende Städte müssen also neue Wege gehen, um trotz Flächenversiegelung auch künftig noch Lebensmittel standortnah zu produzieren und zumindest einen Teil des Bedarfs mit regionalem und saisonalem Obst und Gemüse zu decken.

In Paris wird aus diesem Grunde die riesige Dachfläche eines Messegeländes als Anbaufläche genutzt, um die Bevölkerung umliegender Stadtviertel zur Hochsaison täglich mit bis zu einer Tonne Obst und Gemüse in Bioqualität zu versorgen. Hamburg sollte diesem Beispiel folgen und prüfen, ob sich auch hier Dachflächen städtischer Immobilien für ein solches Projekt nutzen lassen, und die geeignete Fläche zur vergleichbaren Bewirtschaftung für Landwirte oder Anwohnerinitiativen als Gemeinschaftsgartenfläche anbieten. Für die Zukunft kann ich mir sogar den Schulgarten auf dem Dach vorstellen. So könnten auch Stadtkinder die Möhren wachsen sehen und ernten, und das nicht nur vor der Schule oder der Kita, sondern auf dem Dach. Das ist das klassische Gründach und das Urban Gardening einfach noch einen Schritt weitergedacht. Lassen wir die Erdbeeren nicht über unseren Dächern einfliegen, produzieren wir sie einfach auf dem Dach. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Kekstadt bekommt das Wort für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Heute liegt ein Antrag zum Thema "'Lebensmittelmeilen' reduzieren und Dachgärten stärken" von der Rechtsaußen-Fraktion vor.

(Sabine Boeddinghaus)

(Zuruf von der AfD: Was hat das mit rechts außen zu tun?)

Sie sitzen rechts außen.

(Beifall bei Stephan Jersch DIE LINKE – Zu- ruf von der AfD: Und was hat das damit zu tun?)

Den Antrag und die Überweisung werden wir ablehnen. Als agrarpolitischer Sprecher der SPDFraktion sehe ich es aktuell als nicht zielführend an, dass gewerblich genutzte Agrarflächen auf Hamburger Dächer verlagert werden sollen. Aus agrarpolitischer Sichtweise sind zuerst die bestehenden Flächen zu sichern – die beiden Senatoren sitzen heute auf der Senatsbank –, und dies unter dem Gesichtspunkt der Flächenkonkurrenz in unserer Stadt. Daher müssen die entsprechenden Regelungen im Agrarpolitischen Konzept umgesetzt werden. Aus diesem Grund ist eine weitere Flächendefinition zurzeit zu unterlassen. Auch dürfen wir gerade jetzt nicht vergessen, dass die bestehenden Dachflächen unter anderem im Rahmen der Energiewende für Fotovoltaikanlagen zur Verfügung stehen sollten. Daher warne ich dringend davor, hier eine neue Konkurrenzsituation zwischen der notwendigen Energiewende, Umweltund Naturschutz und der Agrarwirtschaft entstehen zu lassen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Stephan Jersch DIE LINKE)

Herr Gamm bekommt das Wort für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Tja, als ich diesen Antrag gelesen habe, kam mir als Erstes in den Sinn: Da hat wohl jemand den Referenten gefragt, du, ich brauche eine Idee, lass doch mal deine Kontakte bei Google spielen, und dann ist das dabei herausgekommen. Es gibt den Verweis auf zwei Großprojekte, die in Planung oder Umsetzung sind, Paris und Oberhausen. In Hamburg soll das Ganze jetzt auch noch auf Schulen und Kindergärten ausgeweitet werden, was ich für völlig untauglich halte, denn dafür wären dann wirklich nur überdurchschnittlich große Flächen geeignet. Das Potenzial kann ich in Hamburg beim besten Willen nicht erkennen. Insofern ist es auch sinnlos, ein großes Vorhaben anzustoßen, wo wir lokalisieren und katalogisieren und eine Analyse fahren und eine Auswertung und dann entscheiden. Ich halte das, gelinde gesagt, für nicht wirklich durchdacht. Insofern kann ich es kurz machen: Die CDU wird diesem Antrag nicht zustimmen. – Danke.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Meyer FDP)

Das Wort bekommt Frau Sparr für die GRÜNE Fraktion.

Tja, die schöne neue Welt der Dachgärten. Im ersten Moment fühlte ich mich an einen Roman von Margaret Atwood erinnert, "Das Jahr der Flut". In ihm sind diese Dachgärten die letzte Zuflucht vor einem totalitären Regime; schon komisch, dass der Antrag gerade von der AfD kommt. Aber Vergleiche hinken und wir haben nur zwei Minuten.

Die Idee an sich ist aus unserer Sicht nicht völlig abwegig und wir werden verfolgen, wie sich das weiterentwickelt. Aber wenn ich mir das für Hamburg anschaue, bin ich doch gleich sehr ernüchtert. Gerade wenn ich mir zum Beispiel unser Messedach oder auch die Dächer der Deichtorhallen mit ihren schön ondulierten Wellen ansehe – da bekommen Sie schon deshalb erst einmal keine Gärten unter. Wir brauchen zudem für richtige Dachgärten einen viel höheren Substrataufbau als für ein Gründach, bei dem 8 oder 10 Zentimeter genügen, und entsprechend multiplizieren sich auch die statischen Probleme. Hinzu kommt, dass wir, wenn wir schon an die Statik herangehen und wenn es möglich ist, eine Kombination von Gründach und Fotovoltaik hinbekommen müssen, weil die Energieproduktion im Moment wirklich vorgehen muss. Denn wir brauchen in den nächsten Jahren Unmengen an lokal erzeugtem erneuerbaren Strom, einmal um die Netze zu entlasten, weil der Abtransport nach Süden nicht immer funktioniert, und um möglichst viel Windstrom an der Küste für die Wasserstofferzeugung nutzen zu können.

Außerdem: Wir haben noch Bauern in Hamburg, die auf echtem Boden ackern.

(Detlef Ehlebracht AfD: Billwerder zum Bei- spiel!)

Die sollten wir animieren, die biologischen Kreisläufe noch besser zu schließen. Ein Großteil unseres Gemüses kommt doch aus Norddeutschland. Das soll so bleiben und das wollen wir stärken. Das Ziel ist die regionale Kreislaufwirtschaft.

(Beifall bei Phyliss Demirel GRÜNE und Dr. Mathias Petersen SPD)

Wer im privaten Rahmen ein passendes Dach hat und darauf gärtnern möchte: herzlich gern, kein Problem. Aber als Stadt müssen wir die Prioritäten anders setzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Herr Jersch bekommt das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

(Gert Kekstadt)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! AfD plus Landwirtschaft gleich Kurzdebatte. Die Betonung liegt auf kurz. Ich kann deswegen auch wirklich sagen, wir haben in Hamburg schon heute die kurzen Wege, wir produzieren in den Vier- und Marschlanden und im Alten Land ökologisch, bio, regional, und von daher sehe ich hier überhaupt kein Problem. Wenn es Ihnen wirklich um die Zukunft der Landwirtschaft ginge, dann wäre die Frage, wie sichern wir überhaupt den Absatz für die in der Metropole erzeugten landwirtschaftlichen Produkte – da haben wir eine Aufgabe – und wie sichern wir vor allen Dingen die Flächen, auf denen die Landwirtschaft schon heute in der Hansestadt arbeitet. Denn es ist kein wirkliches Ziel, Flächen zu haben, die nur Karlsson vom Dach sieht, die nur auf dem Luftbild zu sehen sind. Wir wollen Hamburg als grüne Stadt und wir kämpfen für die Agrarflächen als Nachbarinnen und Nachbarn, und zwar eindeutig ebenerdig und nicht auf irgendwelchen Dächern. Diesen Kampf geben wir nicht auf, weil Landwirtschaft für Hamburg wichtig ist.

Die Kolleginnen und Kollegen vorher haben es auch gesagt: Wir brauchen wieder ein verstärktes Programm für Solarflächen in der Freien und Hansestadt. Hier ist Hamburg weit zurückgefallen, und da haben wir Nachholbedarf, da brauchen wir wieder Flächen auf den Dächern. Deswegen sage ich auch gleich zu Ihren beiden Beispielen, dass ich sie für absolut nicht vergleichbar halte mit der Situation in Hamburg. Das ist wirklich wild aus Google recherchiert und ohne jeden Hintergrund auf die Situation zurechtgezimmert. Es ist völlig klar: Sie haben mit diesem Antrag das Thema, worum es bei Landwirtschaft in Hamburg geht, komplett verfehlt, und deswegen werden wir ihn auch ablehnen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Dr. Duwe hat das Wort für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mein Dachgarten und ich – ich könnte jetzt weiterreden.

Ich sehe a) momentan keine geeignete Fläche in Hamburg, die dafür zur Verfügung stehen würde, und b) sehe ich eine Möglichkeit, so etwas Exotisches zu machen, vielleicht irgendwann, wenn einmal eine sehr große, große, große Halle gebaut werden sollte, dass man oben noch etwas draufbaut. Dann sehe ich da aber keine landwirtschaftliche Fläche, sondern vielleicht einen Schulgarten et cetera, und nicht irgendwelche wirtschaftlichen Sonderlinge. Abgesehen davon wird, solange die Luftverschmutzung in Hamburg so ist, glaube ich, kein Ordnungsamt es genehmigen, dass Äpfel von diesen Flächen auf irgendeinem Markt erscheinen

werden. Wahrscheinlich werden sie schmecken, aber ich möchte nicht wissen, was die dann übers Jahr so alles annehmen werden.

Trotzdem finde ich, dass wir darüber im Ausschuss noch einmal reden sollten, und zwar ob es nicht doch irgendwo Möglichkeiten gibt, so etwas bei einigen Gebäuden, zum Beispiel bei Schulbauten, Turnhallen et cetera, einmal zu planen – nicht auf existierenden, weil die Gebäude, die jetzt irgendwo stehen, zusammenbrechen würden, wenn wir da irgendetwas draufpacken. Aber ich würde trotzdem dazu raten, diesen Antrag zu überweisen, weil ich mir nicht die Mühe machen wollte, mir noch weitere Argumente aus dem Kreuz zu leiern, um einen AfD-Antrag abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Dr. Flocken.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Es geht aus dem Antrag nicht eindeutig hervor, ob die AfD ernsthaft denkt, man könnte in nennenswertem Umfang Nahrungsmittel auf diesen Dächern zu produzieren. Es gibt dann auch noch einen anderen kleinen Fehler. Lebensmittelmeilen – da ist bekannt, dass das Entscheidende die sogenannte letzte Meile ist, also wie, wenn man das vom Energieaufwand betrachtet, die Nahrung vom Händler zum Kunden transportiert wird. Und ob jetzt ein Lastwagen mit Tomaten aus Vierlanden oder aus Rheinland-Pfalz oder aus Italien kommt, das ist relativ irrelevant demgegenüber, ob ich mit dem Fahrrad oder mit dem Auto nach Vierlanden reinfahre aus Hamburg und dort zum Landwirt fahre. Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, dass in Bezug auf das sogenannte Urban Farming die Musik ganz woanders spielt, nämlich bei dem sogenannten Vertical Farming. Daran wird intensiv geforscht in Paris, ebenfalls in New York, in Dresden und in vielen Städten Ostasiens. Da wird geguckt, ob man ohne Erde, allein mit Nährlösungen, mit enormem Energieaufwand und künstlichem Licht ungefähr 50- bis 100-mal so viel produzieren kann pro Fläche wie in der konventionellen Landwirtschaft. Wohin das Ganze geht, das kann jetzt noch keiner mit Sicherheit sagen, aber in Bezug auf das sogenannte Urban Farming spielt auf jeden Fall dort die Musik. – Vielen Dank.

Frau Oelschläger bekommt jetzt noch einmal das Wort für die AfDFraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Selbstverständlich wollen auch wir landwirtschaftliche Fläche sichern. Selbstverständlich. Aber Sie sehen am Beispiel Oberbillwerder, wie

viel in Hamburg weggeht. Insofern ist es nicht unbedingt ein Argument, dass man sagt, Hamburg habe ja so viel landwirtschaftliche Fläche. Das ist leider nicht der Fall.

An die CDU gerichtet: Es ist natürlich ein Prüfauftrag, und in dem Moment, wo man sowieso prüfen muss, ob die Statik für zum Beispiel eine Solaranlage ausreicht, kann man so etwas problemlos gleich mitprüfen. Es ist nicht so, dass ich gesagt habe, da richten wir das jetzt ein. Es ist ein Prüfauftrag, ob das überhaupt sinnvoll ist und ob es geht. Und natürlich ist mir bewusst, dass die Statik das nicht immer mitmacht. Insofern ist es relativ vorsichtig formuliert. Vielleicht denken Sie noch einmal darüber nach; vielleicht könnte man im Ausschuss noch einmal darüber reden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich jetzt nicht, dann kommen wir zur Abstimmung.

Ich frage Sie, wer die Drucksache an den Umweltausschuss überweisen möchte. – Wer möchte das nicht? – Und die Enthaltungen? – Dann ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Wir stimmen in der Sache ab.

Wer möchte dem Antrag seine Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Und Enthaltungen? – Dann ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen jetzt zu unserer letzten Debatte, Punkt 41, ebenfalls ein Antrag der AfD-Fraktion: Kapazitätserweiterungen des Hauptbahnhofs.

[Antrag der AfD-Fraktion: Kapazitätserweiterungen des Hauptbahnhofs – Drs 21/18336 –]

Die antragstellende Fraktion wünscht eine Überweisung der Drucksache an den Verkehrsausschuss.

Auch hier handelt es sich um eine Kurzdebatte, und das Wort bekommt Herr Ehlebracht für die AfD-Fraktion.