(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN, vereinzelt bei der CDU, der FDP und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)
Ich möchte für einen zweiten Gedanken erneut Richard C. Schneider zitieren, und zwar ausführlich, weil ich der Meinung bin, dass wir nicht zuletzt ei
"… schmerzhaft einsehen, dass mein Heimatland immer noch nicht begriffen hat, dass 'deutsch zu sein' nichts mehr mit ethnischen Zugehörigkeiten zu tun hat. Und wie kann Deutschland meine Heimat sein, wenn es 'seine' Juden plötzlich als Minderheit gegen eine andere Minderheit missbraucht? Wenn selbst seriöse Politiker von einer 'judäo-christlichen' Kultur schwafeln, die es so nie gegeben hat? Es gab eine christliche Kultur, die uns Juden Tausende von Jahren verfolgt, verbrannt, ermordet, vergast hat. Sonst nichts. 'Judäo-christlich', das bedeutet nicht, dass Juden nun dazugehören, es heißt vielmehr: Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Mit dieser scheinbaren Verbrüderung wird uns Juden sehr deutlich gemacht, dass eben auch wir nicht wirklich dazugehören. Eine Minderheit wird gegen eine andere ausgespielt."
Im CDU-Antrag heißt es, dass sich der Terroranschlag von Halle gegen die freiheitliche Gesellschaft und die freiheitlich-demokratische Grundordnung richtet. Das ist nicht falsch, aber es ist nicht vollständig. Der Terror richtet sich gegen die Vielfalt in unserer Gesellschaft. Nicht zufällig hat der extrem rechte Täter geschwankt, ob er eine Synagoge oder eben auch eine Moschee angreifen soll.
(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der SPD, den GRÜNEN, der FDP und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)
Nach mir wird die AfD reden, die das Ausspielen der jüdischen gegen die muslimische Minderheit auf die Spitze treibt, die die jüdische Minderheit in Deutschland instrumentalisieren will, um ihre eigene Verantwortung für die bedrohliche Entwicklung zu verschleiern, die in Bezug auf Angehörige der muslimischen Minderheit den Begriff "Entsorgung" in ihr Vokabular aufgenommen hat. Es wäre angemessen, dass diese Partei in dieser Debatte einfach einmal den Mund hält.
Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Ein rechtsextremer Terrorist hat in Halle ein antisemitisches Verbrechen verübt. Zwei unschuldige Menschen fielen dem zum Opfer, nur eine massive Tür verhinderte, dass der Täter in die Synagoge eindringen konnte und ein noch viel größeres Blutbad anrichtete. Wir als AfD-Fraktion trauern um die Opfer von Halle und möchten den Angehörigen hier nochmals unser tief empfundenes Beileid ausrichten. Wir verurteilen den Anschlag und das dahinterstehende antisemitische Motiv auf das Schärfste. Und wir sagen unseren jüdischen Mitbürgern an dieser Stelle, dass wir entschlossen an ihrer Seite sowie an der Seite des Staates Israel stehen.
Die Jüdische Gemeinde Halle verfasste einen offenen Brief, in dem sie sich gegen jegliche politische Instrumentalisierung des Anschlags stellte. Weil genau dies in den letzten Tagen und auch heute leider passiert, lohnt es sich, aus diesem Brief zu zitieren:
"Leider gibt es bereits Versuche einiger politischer Kräfte, die traurigen Ereignisse des Anschlags für die eigenen politischen Ziele zu missbrauchen. Hier kann nur das wiederholt werden, was wir bereits zuvor betont haben: Der wahre Feind ist der Hass. Egal gegen wen, sei es gegen Juden, Christen oder Muslime – Sunniten oder Schiiten – oder auch gegen Atheisten oder Agnostiker, gegen Frauen oder Männer, gegen Menschen mit oder ohne Behinderung, gegen Kranke oder Gesunde, gegen Menschen, die angeblich zu intelligent oder zu wenig intelligent sind, gegen Reiche oder Arme. Aber auch gegen diejenigen, die bestimmte Berufe ausüben, zum Beispiel in der Kohlenbranche, bei der Bundeswehr oder bei der Polizei, gegen SUV-Fahrer oder gegen Fahrradfahrer."
"Das Wort Toleranz sollte über die eigenen Ansichten und vor allem über die eigenen Taten gestellt werden. Der politische Missbrauch der Opfer des Terroranschlags in Halle macht uns noch trauriger."
Ich wiederhole nochmals den letzten Satz: Der politische Missbrauch der Opfer des Terroranschlags in Halle macht uns noch trauriger. Gerade vor diesem Hintergrund ist es unerträglich, was sich teil
weise in den Tagen nach Halle abspielte. Während wir noch um die Opfer trauerten, das auch mit mehreren Pressemitteilungen zum Ausdruck brachten, scheute sich Innensenator Andy Grote nicht, auf unerträgliche Weise das antisemitische Verbrechen zu instrumentalisieren, um gegen die AfD zu hetzen. Eine Schlagzeile im "Hamburger Abendblatt" war es ihm wert, politisches Kapital aus einem antisemitischen Verbrechen zu schlagen. Herr Senator, das war nicht nur billig, das war zutiefst unanständig.
Es hat sich wohl kaum eine andere Fraktion so wie wir, die AfD-Fraktion, stets für die Belange der Juden und für Israel eingesetzt.
Wir haben allein in den letzten 24 Monaten mit mehr als 20 Anfragen jüdische Belange und Sorgen aufgegriffen. Wir haben uns wiederholt um die Sicherung jüdischer Einrichtungen in Hamburg gekümmert, nicht erst nach Halle. Wir haben vier Anfragen zu dem Thema gestellt
und reichen noch heute einen Antrag ein, um die Stadt Hamburg hier noch mehr in die Pflicht zu nehmen.
Wir haben schon vor Jahresfrist mit einem Antrag die Berufung eines Beauftragten der Stadt Hamburg für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus gefordert. Abgelehnt von allen anderen Fraktionen,
Wir haben ebenfalls hier mit einem Antrag die Gründung einer Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Hamburg gefordert. Abgelehnt ebenfalls von allen anderen Fraktionen.
und SCHURA gefordert, um damit gerade auch den Antisemiten des IZH entgegenzutreten, statt sie als Vertragspartner aufzuwerten. Und wir ha
ben die Partnerschaft mit einer israelischen Hafenstadt gefordert. Alle diese Forderungen wurden abgelehnt.
Vor diesem Hintergrund nochmals der eindringliche Appell, gerade an die Regierungsfraktionen und an Herrn Senator Grote: Hören Sie auf, die Opfer des Terroranschlags zu instrumentalisieren.
Das ist zutiefst unanständig. Wir stehen stets an der Seite Israels und der jüdischen Gemeinden hier in Hamburg. – Vielen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Volksvertreter! Über Antisemitismus lässt sich trefflich streiten, ist man sich doch selten einig, was damit überhaupt gemeint ist. Folgt man dem Antisemitismusbeauftragten von Baden-Württemberg, Dr. Michael Blume, in seinem Bericht 2019, wäre Antisemit, wer DNS als Dora, Nordpol, Siegfried buchstabiert oder wer von einer semitischen Sprachfamilie redet. Unerwähnt und auch unbestraft in diesem Land bleiben dagegen gebrüllte Straßenparolen wie "Juden ins Gas!" oder wenn ein Landesparlament beschließt, einen Mann mit einem Feiertag zu ehren – nächste Woche ist er wieder dran –, der brennende Synagogen gefordert hat und selbst im Maßstab seiner Zeit als extremer Judenhasser galt.
Judenhass oder Judenfeindschaft, dieses Wort versteht jeder. Judenhass ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, weil er Teil der christlichen, fast noch mehr als der mohammedanischen, Kultur ist. Der Erfinder des Christentums, Paulus, hat die These verbreitet, die Juden hätten Jesus ermordet. Ein für die Römer völlig normaler Vorgang, Aufrührer zu kreuzigen, ob in Palästina oder Germania, wurde zum Sühneopfer stilisiert, für das wiederum die Juden sühnen müssen.
Die Kirchenväter und die Potentaten des christlichen Mittelalters schlugen in dieselbe Kerbe. Mit dem Satz aus dem Matthäus-Evangelium, sein Blut komme über uns und unsere Kinder, ließ sich jedes Pogrom rechtfertigen. Im 19. Jahrhundert gesellte sich der rassistische Judenhass zum religiösen, im 20. Jahrhundert die Idee der jüdischen Weltverschwörung. Wer nur irgendetwas aus unserer 1 200-jährigen Geschichte Deutschlands gelernt hat, versteht, dass Judenhass in der europäischen wie in der arabischen Kultur fest verwurzelt ist. Er kommt deshalb in allen Parteien vor in dem Maße, wie einige Protagonisten sich nicht verstellen oder meinen, so fest im Sattel zu sitzen, dass