Protocol of the Session on November 6, 2019

Login to download PDF

Wie erklären wir in einer Welt, in der man innerhalb von sehr kurzer Zeit, innerhalb von Sekunden eine Antwort auf eine Mail bekommt, in der man online einkaufen kann, schnell beliefert wird, in der mit Lichtgeschwindigkeit kommuniziert wird, der jungen Generation, dass wir 17 Jahre brauchen, um die Elbe zu vertiefen? Wie erklären wir, dass wir für den Bau der Hamburger U-Bahn vor über 100 Jahren neun Jahre gebraucht haben und jetzt doppelt so lange brauchen, um die Haltestellen barrierefrei auszubauen?

(Dirk Kienscherf SPD: Das müssen Sie ge- rade sagen, Sie haben es doch verhindert!)

Und wie erklären Sie, dass Sie für die Köhlbrandbrücke immer noch in den Planungen sind? Was den Bau angeht, wollen wir gar nicht wissen, wie lange das alles dauern wird.

(Beifall bei der CDU)

Das ist unsere Antwort: Wir müssen das Planungsrecht beschleunigen, insbesondere bei solchen Infrastrukturaufgaben. Das ist absolut wichtig.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Gestatten Sie, Herr Trepoll, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kienscherf?

Ja, na gern, klar.

Ich wollte nur einmal nach dem barrierefreien Ausbau nachfragen. Ist Ihnen bekannt, dass wir nach Ihren Plänen 2050 damit immer noch nicht fertig gewesen wären?

(André Trepoll)

Herr Kienscherf, Sie verstehen meinen Ansatz gar nicht, das ist doch das Problem. Das hat doch damit gar nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und Heiterkeit)

Es geht darum, dass solche Planungen mittlerweile viel schneller umsetzbar sind. Wir behindern uns in unserem Land gegenseitig, und Sie stehen an der Spitze dieser Bewegung. Das ist wirklich das Dramatische.

(Beifall bei der CDU)

Wir stärken die Teilhabe am besten durch Infrastruktur. Infrastrukturpolitik ist die Sozialpolitik des 21. Jahrhunderts. Gesellschaftlicher Zusammenhalt bedeutet Teilhabe, bedeutet auch Zugang zu Netzen, zu Straßen, zu Autobahnen, zu Radwegen, zu öffentlichem Nahverkehr, zu Glasfaser, zu schnellem Internet. Hamburgs Wirtschaft braucht jetzt Impulse, sie braucht insbesondere Haltung, und sie braucht Geschwindigkeit und Zusammenhalt. All das können Sie tatsächlich bei uns im Wahlprogramm nachlesen. Und jedem, der dazu bereit ist, reichen wir nach der Wahl die Hand, um auf dieser Basis Hamburg gerade auch aus wirtschaftlicher Sicht in eine gute Zukunft zu führen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Daniel Oetzel FDP)

Das Wort bekommt Herr Lorenzen für die GRÜNE Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Trepoll, es beunruhigt ein bisschen: Wir haben eine Debattenanmeldung, Sie ignorieren sie einfach, Sie reihen die üblichen Kritikpunkte mehr oder weniger sinnlos aneinander. Eines wird augenscheinlich: Sie haben nicht für eines der Probleme, die Sie ansprechen – und Sie haben recht mit vielen Problemen, die Sie ansprechen – und die wir lösen wollen, eine einzige Idee, wie man diese lösen kann, nirgendwo.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich bin seit 20 Jahren Unternehmer und Arbeitgeber. Ich weiß daher, dass es vornehmliche Aufgabe der Wirtschaft ist, gute und faire Arbeitsplätze bereitzustellen. Aber es ist unsere Aufgabe in der Politik, dafür die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Wo stehen wir hier? Es gibt über 1 Million sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und, das möchte ich betonen, nicht zu vergessen eine große Zahl von erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmern, Selbstständigen und Freiberuflern. Und, mindestens genauso wichtig, wenn man einer jüngeren Studie eines namhaften Briefzustel

lers glauben darf: Unsere Hamburger sind im bundesweiten Vergleich im Glücksatlas auf dem dritten Platz und, noch viel wichtiger in Bezug auf unsere Debatte heute, im Hinblick auf die Zufriedenheit mit den Einkommen auf dem ersten Platz gelandet.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es geht nicht nur darum, Arbeitsplätze zu zählen, es geht darum, was für Arbeit wir hier anbieten und was für Arbeit wir haben. Man kann also mit gutem Gewissen sagen, dass das mit den richtigen Rahmenbedingungen in unserer Stadt in der Vergangenheit und heute sehr gut geklappt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Allerdings, und das ist mir wieder einmal unangenehm aufgefallen, ist ein Wirtschaftszweig leider statistisch noch gar nicht richtig erfasst: die gemeinwohlorientierte Wirtschaft. Das sind die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer in unserer Stadt, die soziale und ökologische Verantwortung als zentralen Bestandteil ihrer Unternehmens-DNA verstehen. Es sind Hunderte von Unternehmen, die faire Kleidung, soziale Limonaden, faire Abfallvermeidungskonzepte fahren. Wir wissen, dass diese Dienstleistungen den Löwenanteil der Jobs in Hamburg ausmachen. Aber diese neue nachhaltige Wirtschaft steht mit ihren Dienstleistungen noch in einem Schatten, obwohl sie gerade auch als Jobmotor ein Schlaglicht verdient hätte.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Noch einen Aspekt möchte ich ergänzen. Auf eine wichtige Triebkraft des Wachstums haben wir hier maßgeblichen Einfluss: auf die Berufe im Erziehungs-, Lehr-, Pflege- und Gesundheitsbereich, also auf die primär aus öffentlichen Geldern finanzierten Arbeitsplätze. Hier hat Hamburg in den letzten Jahren massiv investiert und damit auch unseren Arbeitsmarkt kräftig angekurbelt. Man sieht, dass ein solidarisches Gemeinwesen auch Arbeitsplätze schafft.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir sehen also, dass Hamburg als Arbeitsplatzstandort an Attraktivität gewinnt. Und ich bin davon überzeugt, dass das mit der Attraktivität der Stadt zu hat, einer Stadt, die sich auf den Weg gemacht hat, zur Fahrradstadt zu werden, die ihren öffentlichen Nahverkehr mit voller machbarer Kraft ausbaut, die sich verpflichtet, ihr Grünvolumen zu erhalten und auszubauen. Wir sind dabei, die schönste Stadt der Welt noch lebenswerter zu machen. Und das zieht gerade auch hochqualifizierte Arbeitskräfte an.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Noch ein anderes Hamburger Thema: Ein Drittel der hier Arbeitenden wohnt gar nicht in Hamburg. Für sie halten wir Verkehrsflächen und Infrastruktur

vor. Ihre Steuern zahlen sie aber in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass dieser Senat beim Wohnungsbau so richtig auf die Tube drückt. Wir geben mehr Menschen, die in Hamburg arbeiten, die Möglichkeit, auch hier zu leben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte noch ein Wort zur viel beklagten Teilzeit verlieren. Es ist richtig, dass man von seiner Arbeit leben können muss und dass zwangsweise Teilzeit eine Belastung darstellen kann. Hungerlöhne sind auch und gerade in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen in jeder Hinsicht zu bekämpfen. Aber wir sollten doch die vielen Menschen nicht verunglimpfen, die bewusst sagen: Ich halte 40 Stunden in der Woche schlicht für zu viel, ich verzichte lieber auf etwas Einkommen, um mehr Zeit für Familie, Ehrenamt und meine persönliche Weiterentwicklung zu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann Ihnen aus meiner konkreten Erfahrung als Arbeitgeber sagen, dass wir teilweise große Probleme haben, überhaupt noch Vollzeitstellen zu besetzen. Der Erfolg eines Unternehmens liegt auch darin, einen guten Mix an verschiedenen Stellenangeboten mit verschiedenen Stundenkontingenten für qualifizierte Arbeitskräfte bereitzuhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Man kann natürlich die Konjunktur und den Arbeitsmarkt nicht besprechen, ohne auch über unseren schönen Hafen zu reden. Da kamen gerade sehr kritische Töne aus dem UVHH. Ich finde, die aktuellen Zahlen zeigen eines: Diese Kritik ist unberechtigt. Der Hafen ist auf einem gesunden Wachstumskurs,

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

im Übrigen mit genau der Hafenquerung, die wir im Moment haben, über den Köhlbrand, trotz der ökologischen, gestaffelten Hafengelder, obwohl noch nicht ein Stück Elbe vertieft wurde und obwohl wir den Vollhöfner Wald – sehr zu meiner Freude – bisher überhaupt noch nicht angefasst haben. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Nun bekommt Herr Celik das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Verehrte Präsidentin, sehr geehrte Frau Karger, meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen sparen selten mit Eigenlob und feiern sich für Zahlen, die sich nicht wesentlich von der Entwicklung anderer Bundes

länder unterscheiden. Aber eine "Stadt der Guten Arbeit" ist Hamburg noch lange nicht, denn was gern von der Regierungsseite verschwiegen wird, sind die unschönen Seiten der Beschäftigungsentwicklung. Zwar nahm die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Hamburg seit 2003 zu, aber eine besonders alarmierende Entwicklung ist, dass 40 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse atypisch sind. Das bedeutet Leiharbeit, Zeitarbeit, Befristungen, Teilzeit oder geringfügige Beschäftigungen. Das bedeutet für die Betroffenen unsichere Arbeitszeiten und Lebensperspektiven. Auf diese Entwicklung, liebe SPD, kann man doch nicht stolz sein. Das ist doch ein Armutszeugnis für die Politik dieses Senats.

(Beifall bei der LINKEN)

Teilzeitstellen sind in dieser Zeit mit einer Zunahme von fast 100 Prozent förmlich explodiert. Der DGB schätzt, dass circa 15 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten unfreiwillig eine Teilzeitstelle annehmen. Besonders oft trifft das Frauen nach einer Reduzierung der Arbeitszeit nach der Geburt eines Kindes. Auch aus Sicht der Geschlechtergerechtigkeit ist das für uns inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Alarmzeichen ist ebenso die hohe Zahl der befristeten Neueinstellungen. Rund jede zweite Stelle wird nur noch befristet besetzt, und in den letzten zehn Jahren ist der Anteil von Leiharbeit um 22 Prozent gestiegen. Das, finden wir, ist ein Skandal.

Es ist ein Gipfel der Ironie, Herr Trepoll, dass diese Probleme, die Sie benennen, eigentlich auch das Ergebnis Ihrer Politik auf der Bundesebene sind. Es ist bemerkenswert, dass Sie als CDU das ansprechen.

(Beifall bei Cansu Özdemir und Heike Sud- mann, beide DIE LINKE)