Protocol of the Session on November 20, 2019

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Zweitens: Zu wann ist die Festlegung eines genauen Standortes geplant? Ist bereits einer in Aussicht und zu welchen Kosten? Drittens: Wie genau sollen die Zuständigkeiten für die Übernahme von Fortbildungskosten geregelt werden für Fälle, in denen das UKE auch einen unabhängigen Nutzen zieht? Viertens: Gibt es hier klare Abgrenzungen?

All dies sind Fragen, die wir bereits vor dreieinhalb Jahren hätten besprechen können. Wir hatten damals die Überweisung des Antrags an den Ausschuss befürwortet, um gemeinsam über die genaue Ausgestaltung eines Traumazentrums zu beraten. Schon damals haben wir Freie Demokraten darauf hingewiesen, dass Sie kein Konzept forderten, sondern den Aufbau eines Zentrums. Der Senat ist dieser Aufgabe auch nachgekommen. Wie erwartet werden wir jedoch vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie haben uns die Möglichkeit verwehrt, effektiv von Beginn an mitzugestalten. Sie haben konstruktive Änderungs- und Verbesserungsvorschläge von vornherein verwehrt. Sie haben eine zielführende Debatte verwehrt. Die Finanzierung für das Projekt in Höhe von 1 Million Euro erscheint zunächst auch angemessen. Allerdings fehlt es weiterhin an jeder Transparenz, mit welchen Kosten in welcher Höhe in welchen Zeiträumen zu rechnen ist; hier besteht noch Handlungsbedarf.

(Beifall bei Ewald Aukes FDP)

Das vorgelegte Konzept hätte, wenn wir es denn gemeinsam besprochen und umfassend im Ausschuss beraten hätten, nicht nur viel besser sein können, sondern es wären höchstwahrscheinlich auch alle Fragen im Vorfeld geklärt worden. Dass es nun aber nicht so ist, haben Sie allein zu verantworten. Es ist daher mehr als nur bedauerlich, dass man nicht nur die Chance verpasst hat, einen gemeinsamen Konsens zu finden, sondern vor allem auch Zeit verloren hat. Denn das hier vorliegende Konzept geht ja in die richtige Richtung, bleibt aber hinter den Erwartungen weit zurück. Kleiner Tipp: Beziehen Sie uns doch alle beim nächsten Mal mit ein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Kazim Abaci SPD: Und dann wird alles gut!)

Für die AfD-Fraktion erhält nun Herr Dr. Wolf das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Natürlich sind

auch wir grundsätzlich für die Behandlung von Menschen, die im Krieg Folter erlebt haben und dadurch tiefsitzende Traumata davongetragen haben. Gleichwohl zeigt die Einrichtung eines speziellen Koordinierungszentrums für traumatisierte Flüchtlinge durchaus wieder einmal auch, wie ineffizient und selektiv Hamburg Flüchtlingen auf dieser Welt hilft. Millionenzuschuss aus dem Haushalt, ein Personalapparat aus Fachärzten, Psychologen, Betreuern und Pflegern. Was sich im ersten Moment wie ein Akt besonderer Fürsorge und Humanität anhört, verschleiert eher das eigentliche Problem. Denn die weitaus meisten und am schlimmsten betroffenen Opfer von Krieg und Vertreibung leben derzeit in den Gebieten des Nahen Ostens und in Afrika. Mit dem Geld, mit dem wir im wohlhabenden Hamburg Fachärzte, Psychologen und Betreuer anstellen, könnten vor Ort in sicheren Gebieten deutlich effektiver Strukturen aufgebaut werden, die mehr Menschen helfen einschließlich einer medizinischen Betreuung und der Behandlung von Kriegstraumata.

(Kazim Abaci SPD: In Syrien! Menschen ge- geneinander ausspielen!)

Die Hilfe könnte insbesondere Menschen zugutekommen, die noch viel stärker hilfsbedürftig sind als diejenigen, die nach Europa gekommen sind und meistens eine Menge Geld an die Schleusermafia gezahlt haben. Derzeit gibt es 60 Millionen Flüchtlinge auf der Welt. Als wohlhabende Europäer ist es deshalb gerade unter moralischen Gesichtspunkten selbstverständlich, zu helfen

(Kazim Abaci SPD: Aber? Aber? Aber?)

und zugleich sorgfältig abzuwägen, wie wir am effektivsten unsere begrenzten Mittel einsetzen und wie wir der größten Anzahl von Menschen effektiv helfen. Die Unterbringung und Versorgung von sogenannten "Schutzsuchenden" in Hamburg hat in den vergangenen Jahren jeweils hohe dreistellige Millionenbeträge gekostet. Mit dem Geld hätten nicht nur viel mehr Flüchtlinge als in Hamburg versorgt und ausgebildet werden können, auch Behandlungen für traumatisierte Kriegsopfer wären für eine weitaus größere Anzahl von Menschen möglich gewesen. Daher unser Appell: Ja, rechtskräftig anerkannte Asylbewerber, die aus politischen Gründen auf lange Zeit nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können, sollen in Hamburg bei Bedarf eine psychologische Traumabehandlung erhalten.

(Kazim Abaci SPD: Aber?)

Für diese kleine Gruppe reichen die vorhandenen Strukturen allerdings wohl auch ohne ein Koordinierungszentrum aus. Das Gleiche gilt natürlich auch für die subsidiär Schutzberechtigten. Alternativ aber sollte das Geld, welches nun für Eppendorfer Fachärzte und Psychologen bereitgestellt wird, in den Aufbau eines großen Behandlungs

zentrums in Nordafrika investiert werden. Dafür wäre auch die Akzeptanz in der Bevölkerung deutlich höher. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort erhält die fraktionslose Abgeordnete Nebahat Güçlü.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich ist das Wesentliche gesagt worden, aber ich möchte in Ihre Richtung sagen, Herr Dr. Wolf: Es ist schon sehr bezeichnend, wenn Sie hier nur mit Kostenfaktoren kommen, wenn Sie das Problem der Flüchtlinge und der Migration gern auslagern wollen nach Nordafrika. Wir haben eine Verantwortung hier in Hamburg für die Menschen, die in Hamburg sind, und es gilt erst einmal für ihre Bedarfe eine Grundversorgung anzubieten. Genau das passiert, und genau das ist auch richtig.

Auch ich schließe mich der Kritik an, dass es ein wenig spät kommt. Wenn wir 2016 die große Flüchtlingszuwanderung hatten aufgrund der politischen Lage in Syrien und in vielen anderen Ländern, dann ist natürlich so ein Traumazentrum, das ungefähr vier Jahre später kommt, sehr, sehr spät; da hat Herr Ploog total recht. Es sind viele Chancen in den vier Jahren vertan worden, und die Chancen können wir alle gar nicht ermessen. Ich hoffe, dass mit dem Angebot die Menschen dann wirklich erreicht werden können.

Vielleicht sei mir noch ein Satz einmal jenseits der Flüchtlingssituation gestattet. Wer in Hamburg als Mensch mit Migrationshintergrund adäquate und vernünftige psychologische Hilfe sucht, ist bereits heute trotz Kenntnis im System oftmals einem Dschungel ausgesetzt, und die Regelversorgung lässt da zum Teil auch noch zu wünschen übrig. Ich glaube, da gibt es noch viele Baustellen. – Danke.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Für die GRÜNE Fraktion erhält erneut Frau Blömeke das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte gern noch etwas zu einigen Punkten sagen. Erst einmal zu Dr. Wolf: Ihre Beiträge machen für mich deutlich, dass Sie das Hilfesystem in Hamburg nicht kennen, sich damit auch nicht auseinandergesetzt haben und dass Sie zum Zweiten auch nicht bereit sind, Verantwortung zu übernehmen für die Menschen, die bereits in Hamburg sind; da muss ich Frau Güçlü recht geben. Es geht um die, die hier zu uns gekommen sind, und zwar Geflüchtete vor Krieg und Terror, die hier sind. Ihren anderen Aspekt können Sie ja gern weiterverfolgen, was

Sie da machen möchten und auch vor Ort irgendwie stärken, aber wir nehmen unsere Verantwortung wahr und wollen diesen Menschen, die geflüchtet und zu uns nach Hamburg gekommen sind, helfen, und das tun wir unter anderem mit dem koordinierenden Zentrum.

Und da bin ich bei Herrn Celik und einem Punkt, den ich noch einmal deutlich klarstellen möchte und den auch Frau Bekeris noch einmal klargemacht hat. Herr Celik, wenn ich Sie habe reden hören, dann könnte ich den Eindruck gewinnen, es sei überhaupt nichts passiert. Es gab hier irgendwie ein leeres Blatt, die Geflüchteten kamen her, und man konnte ihnen nicht helfen. Ich habe in meiner ersten Rede schon deutlich gesagt: Wir haben in Hamburg ein gutes, kompetentes Netz an Organisationen. Ich will da nur Ankerland erwähnen oder haveno, das sind alles Träger und Einrichtungen, die diese Arbeit leisten, und die haben sie von Anfang an geleistet. Deswegen läuft Ihre Kritik ein bisschen ins Leere, wenn Sie sagen, hier sei nichts passiert, die seien unversorgt geblieben. Vor allen Dingen meine ich, dass Sie ein bisschen das koordinierende Zentrum überfrachten. Zwar wollen wir dort auch Beratungen und erste Behandlungen anbieten, aber es geht eben darum, diese guten, kompetenten Einrichtungen und Träger zusammenzufassen und zu koordinieren. Das ist vom Gedanken her etwas, wo ich mich wundere, dass DIE LINKE da sagt, da fehle ihnen irgendwie etwas.

Also von daher gibt es viele kompetente Fachstellen, die dort arbeiten werden, es gibt SEGEMI an der Seite, die auch mithelfen, dieses Netzwerk zu spinnen. Und wenn sich bereits 30 Einrichtungen – alle die, die eben in diese Richtung arbeiten – diesem Netzwerk angeschlossen haben, dann finde ich, ist das einfach ein gutes Zeichen, was Sie auch nicht abtun können, Herr Celik, dass wir in Hamburg natürlich Träger hatten, die bereits genau da gearbeitet haben, denn die Hilfe war ab 2016 notwendig, und sie wurde in Hamburg geleistet. Das wird jetzt mit dem koordinierenden Zentrum zusammengefasst, und das ist der richtige Weg, den wir jetzt endlich sehen können und den wir eingeschlagen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, und ich stelle damit fest, dass die Bürgerschaft von der Unterrichtung aus Drucksache 21/18860 Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 46, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Hamburg nur sozial: Gute Gesundheitsversorgung für alle mit Stadtteilgesundheitszentren.

(Dr. Alexander Wolf)

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Hamburg nur sozial: Gute Gesundheitsversorgung für alle mit Stadtteilgesundheitszentren – Drs 21/18952 –]

Die antragstellende Fraktion wünscht die Überweisung ihrer Drucksache an den Gesundheitsausschuss.

Wird dazu das Wort gewünscht? – Herr Celik, Sie bekommen es für DIE LINKE.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Die soziale Spaltung in unserer Stadt zeigt sich auch an der Ungleichheit der Gesundheitschancen. Der Morbiditätsatlas hat 2013 gezeigt, dass es einen engen Zusammenhang zwischen sozialem Status und dem Risiko zu Erkrankungen gibt. Es gibt eine enge Verbindung zwischen der Höhe des Einkommens, dem Auftreten von chronischen Krankheiten und den Gesundheitsrisiken. In Stadtteilen mit niedrigen Einkommen, wie zum Beispiel in Billstedt, treten Volkskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes und Herzinsuffizienz überdurchschnittlich häufig auf. Die Lebenserwartung ist bis zu zehn Jahre kürzer, und das liegt nicht daran, dass die Menschen im falschen Stadtteil leben, sondern daran, dass sie arm sind, denn Armut macht krank. Um die ungleichen Gesundheitschancen zu verringern, müssen wir vor allem die soziale Ungleichheit bekämpfen. Da ist auch der Senat gefragt, endlich eine Strategie zu entwickeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur nachhaltigen Bekämpfung der gesundheitlichen Ungleichheit sind für uns interdisziplinäre Stadtteilgesundheitszentren in kommunaler oder gemeinnütziger Trägerschaft wichtige Bausteine. Wir wollen den Aufbau insbesondere in Stadtteilen mit niedrigen Einkommen und hohen Krankheitsraten, und ich freue mich auch sehr, dass Rot-Grün unsere Idee aufgegriffen hat

(Zurufe von der SPD: Oh!)

und bereit ist, sie umzusetzen. Das zeigt, linke Opposition wirkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Unterschied zu den Arztpraxen soll der Fokus aber nicht allein auf der Behandlung von akuten Krankheiten liegen, sondern wir fordern als Lösung ein Umdenken in der Gesundheitsversorgung. Sie muss mehr auf Präventionsprojekte setzen, die auch stärker auf die sozialen Lebensverhältnisse ausgerichtet sind. Deshalb sollen neben ärztlicher Versorgung in einem multiprofessionellen Team auch Sozial- und Rechtsberatung, aufsuchende Beratung durch Gemeindeschwestern, aber auch psychosoziale Beratung angeboten werden. Wir finden jedoch, dass 100 000 Euro jährlich pro Zen

trum alles andere als eine auskömmliche Finanzierung sind, und wir fordern, dass auch eine kommunale Trägerschaft für den Fall, dass sich keine gemeinnützigen Träger finden lassen, infrage kommen muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Zudem sind Kinder- und Hausärzte keine Alternative zueinander. In den Zentren müssen mindestens diese beiden Facharztgruppen vertreten sein, wenn nicht mehr; das verstehen wir unter interdisziplinärer Versorgung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die ungleichen Gesundheitschancen werden durch eine Ungleichverteilung der Ärztinnen und Ärzte zusätzlich verschärft; das ist das Ergebnis unserer Großen Anfrage. Es kann nicht sein, dass zum Beispiel in Horn, einem Stadtteil mit niedrigem Einkommen, ein Kinderarzt im Schnitt über 4 800 Kinder betreut; in Blankenese sind es 840 Kinder. Das Betreuungsverhältnis ist hier fast sechsmal besser als im Stadtteil Horn. Das ist alles andere als eine gerechte Gesundheitsversorgung.

(Beifall bei der LINKEN)

Gleiches gilt bei der Versorgung mit Hausärztinnen und Hausärzten. In Steilshoop zum Beispiel, einem Stadtteil mit hoher Krankheitsrate, muss ein Hausarzt im Schnitt 2 800 Einwohnerinnen und Einwohner versorgen; in Uhlenhorst sind es 871 Einwohnerinnen und Einwohner. Es kann nicht sein, dass Ärztinnen und Ärzte sich am wenigsten dort niederlassen, wo der Bedarf am größten ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Das kann so nicht weitergehen. Und obwohl RotGrün im Koalitionsvertrag versprochen hat, sich für eine bessere Verteilung von Haus- und Kinderärzten einzusetzen,

(Sylvia Wowretzko SPD: Haben sie auch ge- macht!)