Protocol of the Session on November 20, 2019

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finden ich darüber hinaus wirklich geschmacklos. Sie bedienen Vorurteile und Sie zündeln – gegen Ärzte, gegen Privatpatienten. Das ist einfach ein schlechter Stil, und es ist wirklich armselig, dass eine Regierungsabgeordnete hier so auftritt.

(Beifall bei der FDP und bei Birgit Stöver CDU – Zurufe von der SPD)

Für die AfD-Fraktion erhält nun Herr Lorkowski das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz mannigfaltiger gesundpolitischer Fehler und Versäumnisse des Hamburger Senats ist die ambulante ärztliche Versorgung in der Hansestadt noch immer recht gut.

(Sylvia Wowretzko SPD: An welcher Stelle gibt's denn Fehler?)

Dennoch gibt es Stadtteile, in denen es schwierig ist, kurzfristige Termine bei Haus- beziehungsweise bei Fachärzten zu erhalten.

(Sylvia Wowretzko SPD: Dafür ist die Kas- senärztliche Vereinigung zuständig!)

Unbestritten ist auch, dass Krankheit und Armut eng zusammenhängen – bei Ihnen natürlich nicht, gnädige Frau.

Völlig verfehlt ist allerdings der Ansatz der LINKEN, parallele Versorgungsstrukturen in Form von Stadtteilgesundheitszentren aufzubauen und derart brachial in die ärztliche Selbstverwaltungskompetenz einzugreifen,

(Sylvia Wowretzko SPD: Sie haben nichts verstanden; das ist freiwillig!)

wie in dem Antrag vorgesehen. Die Sicherstellung und Bedarfsplanung der ambulanten Versorgung obliegt weder den Ländern noch den Kommunen, sondern den Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Kassenverbänden.

DIE LINKE übersieht in ihrem Antrag zudem, dass das System der Bedarfsplanung durch die Kassenärztliche Vereinigung bereits heute mit den sogenannten Sonderbedarfszulassungen über ein wirksames Instrument verfügt, mit dem Ärzte und Krankenkassen lokale Versorgungsengpässe beheben können. Abgesehen davon, dass DIE LINKE wie gewohnt drauf verzichtet, die Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit ihrer Anträge zumindest in Umris

(Jennyfer Dutschke)

sen zu skizzieren, möchten wir darauf hinweisen, dass am 30. Juni dieses Jahres auf Bundesebene eine geänderte Bedarfsplanungsrichtlinie in Kraft getreten ist, die unter anderem neue Maßstäbe für zusätzliche lokale Sonderbedarfsfeststellungen als Voraussetzung für Ausnahmen bei Zulassungsbeschränkung festlegt. Stattdessen schlägt DIE LINKE in völliger Verkennung der Kompetenzverhältnisse vor, der Senat möge unter anderem im Rahmen der Landeskonferenz Versorgung darauf hinwirken, dass Hamburg in kleinräumigere Versorgungsgebiete aufgeteilt und die Bedarfsplanung durch die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg entsprechend angepasst wird. Thema verfehlt, kann man da nur sagen.

(Sylvia Wowretzko SPD: Stimmt!)

Oder handelt es sich bereits um einen Schaufensterantrag zum Wahlkampfauftakt? – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort erhält nun Frau Senatorin Prüfer-Storcks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde eigentlich nicht, dass das Thema verfehlt ist, denn das, was hier gesagt worden ist, ist ja alles richtig: Soziale Lage und Gesundheit hängen eng zusammen. Menschen mit geringerem Einkommen, auch geringerer Bildung sind öfter krank, haben eine geringere Lebenserwartung. Sie haben größere Probleme, mit ihren Krankheiten umzugehen. Sie leben häufig in den Stadtteilen, in denen weniger Ärztinnen und Ärzte arbeiten, und das, obwohl dort eigentlich mehr Arbeit für Ärztinnen und Ärzte wäre. Und weil wir gleiche Gesundheitschancen für alle Hamburgerinnen und Hamburger wollen, unabhängig vom Wohnort und vom Einkommen, und dafür eine gute medizinische Versorgung allein manchmal nicht ausreicht, sondern man dafür auch noch eine soziale Unterstützung braucht und auch Unterstützung beim Umgang mit der Krankheit, haben wir unser neues Landesprogramm für lokale Gesundheitszentren auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Celik, für die Gelegenheit, es hier vorstellen zu können. Ich will sagen: Wir arbeiten schon eine Weile daran;

(Heike Sudmann DIE LINKE: Wir auch!)

so schnell ist so etwas nicht aus dem Boden gestampft. Und wir haben dabei auch im Unterschied zu Ihnen ein wenig mehr die Regeln der ärztlichen Zulassung beachtet. Denn man muss wissen: Wir können uns als Stadt keine Arztsitze selbst genehmigen, und auch ein vorhandener Arztsitz ist noch nicht gleichbedeutend mit einem Arzt oder einer

Ärztin, die irgendwo arbeitet. Deshalb haben wir versucht, unser Konzept so aufzustellen, dass es auch wirklich erfolgreich umgesetzt werden kann. Wir setzen dabei auf die vielen engagierten Ärztinnen und Ärzte vor Ort – die warten auf eine solche Unterstützung und Begleitung durch soziale Komponenten und durch eine neue, moderne Form der Gemeindeschwester.

(Beifall bei der SPD und bei Mareike Engels GRÜNE)

In Stadtteilen mit schwierigerer sozialer Lage – und die stehen fest durch unser Sozialmonitoring, deshalb überlassen wir das nicht dem Zufall – sollen sieben solcher Zentren möglichst gleichmäßig verteilt in der Stadt entstehen. Die Auswahlentscheidung trifft natürlich die Gesundheitsbehörde. Kern ist die Zusammenarbeit von hausärztlicher Praxis und – am liebsten und, wenigstens aber oder – kinderärztlicher Praxis mit dieser Gemeindeschwester, es kann auch gern ein Mann sein, und einer Sozialberatung. Hier sollen medizinische Behandlung und soziale Unterstützung Hand in Hand gehen. Dazu gehört eine verbindliche Kooperation mit anderen gesundheitlichen und sozialen Angeboten im Stadtteil, zum Beispiel Pflegediensten, den Pflegestützpunkten, aber auch anderen Beratungs- und Unterstützungsangeboten.

Wir investieren hier 2,1 Millionen Euro über die Laufzeit des Modellprojekts zunächst einmal, die Sozialbehörde finanziert dazu noch eine halbe Stelle Sozialberatung pro Zentrum, und wir hätten gern gemeinnützige Träger als Träger eines solchen Gesundheitszentrums. Damit wollen wir Medizinerinnen und Mediziner unterstützen, die sich vor Ort gern stärker auch für die sozialen Probleme ihrer Patientinnen und Patienten einsetzen würden, denen aber einfach die Zeit dafür fehlt. Wir wollen jetzt ermöglichen, dass man medizinische Versorgung mit Angeboten von Prävention und Gesundheitsförderung, aber auch mit sozialer Hilfe verknüpfen kann.

(Beifall bei der SPD und bei Martin Bill und Christiane Blömeke, beide GRÜNE)

Das kann dann sowohl die Patientin sein, die sehr stark belastet ist durch die Pflege ihrer Eltern, die Asthma hat, was dann, wie man feststellt, durch Schimmel in der Wohnung verursacht wurde. Hier gibt es mehrere soziale Unterstützungsmöglichkeiten, von der Pflegeversicherung bis zur Abhilfe bei der Wohnungssituation. Das kann aber auch der Diabetiker sein, der unterstützt wird beim Umgang mit seiner Erkrankung. Oder es kann das adipöse Kind sein, das durch Ernährungsumstellung, Prävention und Gesundheitsförderung vor Diabetes bewahrt wird. Die Beispiele zeigen, glaube ich, dass wir uns eine räumliche Zusammenführung von medizinischen, sozialen und begleitenden Angeboten auf die Fahne geschrieben haben. Das ist der Kern, das ist das Qualitätsmerkmal.

(Peter Lorkowski)

Wir sind sehr dankbar, dass uns die Robert Bosch Stiftung, die in der Bundesrepublik schon einige Projekte in ähnlicher Art fördert, hierbei unterstützen wird und eine kostenlose Evaluation vornimmt.

Zum Thema Bedarfsplanung haben wir in Hamburg durchaus Handlungsbedarf. Wir haben aber inzwischen auch mehrere Instrumente zur Verfügung. Das eine ist das Maßnahmenpaket, das die Landeskonferenz Versorgung verabschiedet hat und die KV auch anwendet: im Umkreis von 3 Kilometern bei Hausärzten und 4 Kilometern bei Kinderärzten die konkrete Versorgungslage zu prüfen und dann auch über Sonderbedarfszulassungen, Zweitpraxen und anderes Abhilfe zu schaffen. Auf diese Art und Weise hat es schon eine Reihe von Sonderbedarfszulassungen gegeben: bei Hausärzten, bei Kinderärzten, aber auch bei Rheumatologen.

Dann bringt uns auch die neue Bedarfsplanungsrichtlinie einen Fortschritt für Hamburg. Wir werden 16,5 neue Sitze für Kinderärzte und 11,5 für Gynäkologinnen und Gynäkologen haben. Hier wirken sich Demografie und Morbidität positiv aus. Wir haben sehr viele Schwangerschaften und Geburten, und deshalb ergibt das in der Bedarfsplanung einen höheren Bedarf an Gynäkologen und einen höheren Bedarf an Kinderärzten; leider nicht an Hausärzten. Deshalb bleibt die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass mehr Hausärzte gerade in sozial belastete strukturschwache Gebiete kommen.

Wir haben uns hier bei den Koalitionsverhandlungen eine neue Möglichkeit geschaffen, die jetzt auch Teil eines Gesetzes ist und die wir ausüben wollen. Die Länder können für bestimmte Arztgruppen in strukturschwachen oder ländlichen Gebieten Ausnahmen von Zulassungssperren festsetzen. Leider hat der Gesetzgeber noch nicht abschließend festgelegt, was strukturschwach ist. Darüber müssen wir uns jetzt mit Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung einheitlich verständigen, darauf müssen wir uns einigen. In diesem Prozess sind wir gerade. Ich hoffe sehr, dass wir das umsetzen können. Wir wollen von diesem Instrument dann auch Gebrauch machen, um das Ziel zu erfüllen, dass wir Ärztinnen und Ärzte gezielt dorthin bringen, wo sie am meisten gebraucht werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke GRÜNE)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, aus Sicht des Präsidiums folgt hier auf eine interessante Debatte die nächste; vielleicht darf ich noch einmal um mehr Aufmerksamkeit bitten. Und auch für diese Debatte gibt es möglicherweise noch eine weitere Wortmeldung, richtig?

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Frau Veit hat schon genickt!)

Ja, es reicht, wenn Frau Veit nickt. Trotzdem freue ich mich, dass ich mehr Aufmerksamkeit für den Redner schaffen konnte.

Herr Celik, Sie haben das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Ich möchte nur noch auf einige Punkte eingehen. Untätigkeit habe ich nicht vorgeworfen, Frau Wowretzko. Aber das Ziel, das in Ihrem Koalitionsvertrag steht … Wir sind noch sehr weit davon entfernt, dass wir eine gerechte Verteilung in der Stadt haben. Da müssen wir uns noch weitere Schritte überlegen. Das war mein Ansinnen.

(Vizepräsidentin Christiane Schneider über- nimmt den Vorsitz.)

Die sieben Gesundheitszentren sind ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die gesundheitliche Ungleichheit, das finde ich auch. Aber ich möchte mich dagegen verwehren, dass uns vorgeworfen wird, wir hätten auf die Senatsinitiative reagiert. Das stimmt nicht. Wir haben dieses Thema immer wieder im Ausschuss angesprochen, wir haben mehrere Große Anfragen dazu gestellt, was wir immer regelmäßig und auch öffentlich machen, auch gegenüber der Presse, und wir haben im Ausschuss immer wieder gesagt, dass wir Stadtteilgesundheitszentren wollen. Diesen Antrag haben wir ebenfalls länger vorbereitet, die Große Anfrage ist über zwei Monate alt. Von daher stimmt es nicht, dass wir jetzt kurzfristig so einen Antrag hier eingereicht hätten.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann sagen Sie, Frau Wowretzko, eine kleinräumige Planung gehe nicht.

(Sylvia Wowretzko SPD: Das andere habe ich nicht gesagt!)

Eine kleinräumige Planung gehe nicht, sagen Sie. In der Großen Anfrage, Drucksache 21/11112, antwortet aber der Senat, dass diese Möglichkeit schon besteht, eine kleinräumige Bedarfsplanung zu machen, und dass die Partner der Selbstverwaltung aber nicht davon Gebrauch gemacht haben. Das ist auch eine ältere Große Anfrage.

Ansonsten möchte ich mich noch einmal bei Frau Stöver bedanken, weil Sie die eine Forderung mit dem Morbiditätsplan, die ich in meiner Rede nicht unterbringen konnte … Ja, die Daten sind veraltet, und wir bräuchten jetzt einen neuen Morbiditätsatlas. Eigentlich hätten wir darüber im Ausschuss diskutieren können. Das wäre eine wichtige Beratung gewesen. Von daher finde ich es schade, dass dieser Antrag jetzt nicht an den Ausschuss überwiesen wird.

(Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks)

Und zu Frau Dutschke möchte ich noch einmal sagen: Ich weiß, Sie sind die eiserne Verfechterin der Zweiklassenmedizin,

(Beifall bei der LINKEN – André Trepoll CDU: Nur für die erste Klasse!)