Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie und eröffne die heutige Sitzung. Ich bitte auch den Senat, seine Plätze einzunehmen, damit wir beginnen können.
Bevor wir gleich zur Regierungserklärung kommen, teile ich Ihnen zunächst noch mit, dass die Fraktionen abweichend von der Empfehlung des Ältestenrats übereingekommen sind, die Wahlen zu verschiedenen Gremien, also unsere Tagesordnungspunkte 2 bis 6, zu vertagen. Die Aktuelle Stunde entfällt. Darüber hinaus hat die Fraktion DIE LINKE ihren Antrag aus Drucksache 21/19080 heute zurückgenommen. Damit entfällt auch die Debatte zu TOP 48.
Der Präsident des Senats hat mich gebeten, ihm gemäß Paragraf 12 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung die Gelegenheit zur Abgabe einer Regierungserklärung zum Thema "Hamburger Klimaplan" zu geben. Die Fraktionen haben einvernehmlich vereinbart, dass hierzu eine Beratung stattfinden soll. Dabei wird jeder Fraktion und dem Senat eine Redezeit von 40 Minuten, den fraktionslosen Abgeordneten eine Redezeit von 5 Minuten zur Verfügung stehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In den letzten 200 Jahren hat die Menschheit durch das Verbrennen von Kohle, Erdgas und Erdöl große Mengen Kohlenstoff freigesetzt, die zuvor über Millionen Jahre in Form dieser fossilen Energieträger im Erdboden angereichert und gespeichert wurden. Die Klimaforschung sagt uns, dass es damit zu einer höheren Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre und zu einer geringeren Abstrahlung von Wärme kommt, die uns jeden Tag über die Sonne erreicht, und dass dies wiederum zu einer langfristigen Änderung des weltweiten Klimas mit einem Anstieg der Durchschnittstemperaturen führt. Aus dieser Erkenntnis ergeben sich die dringende Empfehlung und Notwendigkeit, die fossilen Rohstoffe nicht weiter als Energiequellen einzusetzen und dadurch die weltweiten CO2-Emissionen so deutlich zu senken, dass der Anstieg der Erdtemperatur gestoppt wird. Kohle hat keine Zukunft, Erdgas hat keine Zukunft, Erdöl hat keine Zukunft.
les Klimaschutzabkommen geschlossen, das mittlerweile über 180 Staaten ratifiziert haben, darunter die gesamte Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland. Das Abkommen sieht vor, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf unter 2 Grad – möglichst auf unter 1,5 Grad – Celsius, zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden nationale Klimaschutzziele definiert, die für Deutschland bedeuten, dass wir gegenüber dem Bezugsjahr 1990 die Freisetzung von CO2 bis 2030 um 55 Prozent reduzieren müssen.
Seit dem Frühjahr dieses Jahres hat es, begleitet von den "Fridays for Future"-Demonstrationen, viele weitere Diskussionen über solche Ziele gegeben: Ob sie ambitioniert genug sind, ob es nicht schneller gehen muss, was passieren könnte, wenn die Ziele nicht erreicht werden. Ganze Serien von Talkshows werden damit verbracht, über solche Ziele zu reden. Was darüber in Vergessenheit gerät, ist das Handeln, sowohl im Hinblick auf das, was jetzt praktisch zu tun ist, als auch auf das, was schon erreicht wurde und funktioniert hat. Dieser handlungsbezogene Ansatz ist aber wichtig, wenn wir das Klima nicht nur auf dem Papier verbessern wollen, nicht nur in Plänen, Gesetzen und Talkshows, sondern im echten Leben. Ziele sind wichtig, das Handeln ist entscheidend.
Wenn ich in den vergangenen Monaten darauf hingewiesen habe, dass die CO2-Emissionen in Hamburg seit 2012 jedes Jahr rückläufig sind – das sind die offiziellen Zahlen –, dass sie im Durchschnitt um über 400 000 Tonnen CO2 pro Jahr gesunken sind, dann waren viele überrascht. Im Sektor Industrie laufen wir damit gegen den Bundestrend, denn deutschlandweit sind die Emissionen in der Industrie in diesem Zeitraum insgesamt gestiegen. Das heißt, wir sind der größte Industriestandort Deutschlands, das Zentrum einer Metropolregion mit 5 Millionen Menschen, wir sind eine wachsende Stadt – und haben sinkende CO2Emissionen.
Wenn ich jungen Leuten freitags auf dem Rathausmarkt berichte, dass unsere U- und S-Bahnen schon heute mit 100 Prozent grünem Strom fahren, dass wir in der Fernwärme aus der Kohle aussteigen, dass wir die Landstromversorgung im Hafen ausbauen und die energetische Sanierung der Schulen mit großem Erfolg vorangebracht haben, dann hören das viele zum ersten Mal, aber sie finden es gut.
Es ist deshalb wichtig, diese Fortschritte zu betonen, damit wir uns nicht in negativen Betrachtungen und Ängsten blockieren, sondern Maßnahmen zum Klimaschutz als etwas Positives erkennen, an dem sich alle beteiligen können. Mit Angst kann
Zwar waren die Erfolge in der Verminderung des CO2-Ausstoßes von 1990 bis 2011 in Hamburg nicht besonders groß, von 2008 bis 2010 sind die Emissionen sogar gestiegen. Im Durchschnitt konnte Hamburg die Emissionen in diesen über 20 Jahren nur um rund 100 000 Tonnen pro Jahr senken. Seit 2012 ist die Freisetzung dann aber pro Jahr im Durchschnitt um über 400 000 Tonnen zurückgegangen. Das ist das Ergebnis der Verbesserung des bundesweiten Strommixes, aber es liegt auch an den Projekten und Maßnahmen, die wir seit 2011 ergriffen haben. Das heißt, dieser Senat und der Vorgängersenat haben seit 2011 nicht nur Pläne gemacht, sondern sie auch umgesetzt. Wir haben gehandelt, und darauf kommt es an.
Das Ziel aus unserem Klimaschutzplan 2015, die jährlichen Pro-Kopf-Emissionen von 12,5 Tonnen CO2 im Jahr 1990 bis auf 9 Tonnen CO2 pro Kopf im Jahr 2020 zu verringern, haben wir bereits 2017, also drei Jahre früher, erreicht. Auch damit liegen wir besser als der Bundesdurchschnitt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wichtig ist doch folgende Botschaft: Maßnahmen zum Klimaschutz führen zu mehr Lebensqualität, zu saubererer Luft, zu weniger Lärm auf unseren Straßen. Und wenn wir es richtig anstellen, ist eine gute Klimaschutzstrategie zugleich eine erfolgreiche industriepolitische Strategie.
Denn die Klimawissenschaft sagt Folgendes: Jeden Tag erreicht uns auf der Erde über die Sonneneinstrahlung in kurzer Zeit so viel Energie, wie die gesamte Menschheit in einem ganzen Jahr benötigt. Mit anderen Worten: Wir haben enorme Mengen Energie, wir müssen sie nur nutzen.
Die zweite positive Erkenntnis der Wissenschaft lautet, dass wir sogar die technischen Möglichkeiten haben, dies zu tun, also Solarenergie, Wasserkraft, Windenergie mit hoher Effizienz zu gewinnen und einzusetzen.
Vor allem die Windenergie hat bei uns im Norden ein großes Potenzial, die regenerative Energiewende voranzubringen. Man muss sich nur einmal in Büsum auf den Deich stellen, um physisch zu spüren, welche Kraft uns die Natur hier mitgibt. Deswegen habe ich in der vergangenen Woche gemeinsam mit der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und den Ministerpräsidenten unserer Nachbarländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen die Kanzlerin aufgefordert, den Ausbau der Windenergie im Norden wieder zu beleben und endlich Blockaden zu lösen, die immer noch bestehen.
Denn wenn die Industrienation Deutschland aus der Kernenergie und zugleich aus der Nutzung fossiler Energien aussteigen will, wenn wir den regenerativen Strommix auf 65 Prozent erhöhen wollen, dann muss der Einstieg in die Nutzung großer Mengen klimaneutraler Energiequellen gelingen. Und dazu gehört im Norden der deutliche Ausbau der Windenergie an Land und auf dem Meer.
Und es kommt noch etwas Zweites hinzu, das wir uns in Hamburg gemeinsam mit den Nachbarländern vorgenommen haben, das ist die Sektorenkopplung. Das heißt, wir wollen nicht nur den heutigen Strombedarf in Zukunft zu 100 Prozent durch regenerative Energien decken, sondern wir brauchen weiteren Windstrom, um fossile Energieträger zu ersetzen, im Verkehr, im Gebäudesektor und in der Industrie. Das heißt, wir wollen die einmalige Chance für den Klimaschutz nutzen, dass wir aus dem CO2-freien Windstrom nicht nur Wärme und Wasserstoff herstellen, sondern dass wir daraus auch weitere grüne Kraftstoffe wie LNG für Schiffe und sogar grünes Kerosin für Flugzeuge produzieren können. Mit anderen Worten: Wir setzen den Windstrom und den Wasserstoff ein für die Energiewende und den Klimaschutz in allen Sektoren: bei den Gebäuden, in der Industrie und im Verkehr.
Für die Unternehmen in Hamburg und ganz Deutschland sind der technologische Fortschritt und die Investitionen in den Klimaschutz, in die Klimaschutztechnologien der entscheidende Faktor ihrer zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit. Dabei müssen der Staat und die Wissenschaft unsere Unternehmen unterstützen, so wie wir es in den norddeutschen Reallaborprojekten der NEW 4.0Initiative machen. Dabei geht es um die Wirtschaft, um gut bezahlte Jobs, um den Wohlstand in Deutschland, aber es geht eben auch um das Klima, denn schon heute wird in Hamburg zum Beispiel eine Tonne Kupfer mit deutlich weniger CO2 produziert als im weltweiten Durchschnitt. Es ist daher für das Klima keine sinnvolle Strategie, unsere Industrie ins Ausland zu verdrängen, sondern es ist sinnvoll, unsere Unternehmen zu stärken und die Produktionsverfahren noch weiter zu verbessern. Genau das ist nämlich das Ziel, das wir verfolgen, und deshalb haben wir auch eine Zukunftsstrategie, ein Zukunftsbündnis mit unserer Industrie geschlossen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, all dies haben wir bei der Fortschreibung des Hamburger Klimaplans einbezogen. Wir legen mit dem Plan die Maßnahmen fest, mit denen wir bis 2030 auf jeden Fall sicherstellen, dass die CO2-Emissionen in Hamburg gegenüber 1990 um mindestens
55 Prozent sinken. Ich sage mindestens, weil ich sicher bin, dass wir auf dem Weg dorthin noch viele weitere Ideen und Projekte haben werden, die wir zusätzlich umsetzen können, um noch schneller voranzukommen.
Die Maßnahmen beziehen sich auf die vier Sektoren Industrie, Gewerbe/Dienstleistungen/Handel, private Haushalte und Verkehr. Mit fachlicher Unterstützung des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie haben wir in Anlehnung an die Sektorenziele des Bundes ermittelt, welche CO2-Verminderungen sich für Hamburg durch die Maßnahmen des Bundes, insbesondere durch die Verbesserung des Energiemixes, ergeben und welche Hamburger Maßnahmen wir zusätzlich ergreifen müssen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Dazu gehören große Einzelprojekte wie der Umbau der Fernwärme mit dem damit verbundenen Ausstieg aus der Kohle, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs mit neuen S- und U-Bahnen und einem neuen Hamburg-Takt und die NEW 4.0-Innovationsprojekte in der Industrie. Dazu gehören viele weitere Maßnahmen und systematische Programme zur Verbesserung des energetischen Zustands der Gebäude, zur Förderung des Radverkehrs und zum Klimaschutz in den Unternehmen.
Das Besondere an unserer Klimaschutzstrategie in Hamburg besteht darin, dass wir eben nicht nur Ziele festlegen, sondern auch konkrete Maßnahmen, die wir in ihren Wirkungen auf die CO2-Minderung bewerten und in den Gesamtplan einrechnen. Mit 400 konkreten Maßnahmen ist der Hamburger Klimaplan ein großes Handbuch für praktischen Klimaschutz.
Der Plan besteht darin, dass wir bis 2030 neben den rund 3 Millionen Tonnen CO2-Verringerung aufgrund von Maßnahmen des Bundes weitere rund 4 Millionen Tonnen CO2-Minderung erreichen mit unseren eigenen Maßnahmen. Dabei nicht eingerechnet sind solche Projekte, die wir in ihrer CO2-Wirkung noch nicht seriös ermitteln können, für die wir zum Beispiel noch gutachterliche Einschätzungen benötigen. Aber diese kommen dann eben auch als weiteres Potenzial hinzu, oder sie können Vorhaben ersetzen, deren Wirkung möglicherweise nicht so eintritt, wie wir es aus heutiger Sicht annehmen.
Die Fachbehörden haben sich bei der Aufstellung des Klimaplans daran orientiert, welche Maßnahmen die größten Wirkungen entfalten und den besten Kosten-Nutzen-Effekt aufweisen. Das ist deshalb wichtig, weil eine Klimaschutzstrategie nur dann erfolgreich ist und funktionieren kann, wenn sie auch sozialverträglich ist, denn es müssen sich auch in Zukunft alle das Leben in Hamburg leisten können.
Ich bedanke mich bei allen Behörden, den Senatsmitgliedern, den Staatsrätinnen und Staatsräten, der Leitstelle Klimaschutz und allen anderen, die daran mitgewirkt haben, dass wir heute einen umfassenden, verlässlichen und sozialverträglichen Klimaschutzplan vorlegen können, mit dem wir einen wichtigen Beitrag für die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens leisten und den es in dieser Form bisher in keinem anderen Bundesland gibt. Herzlichen Dank an alle für diese großartige Leistung.
Meine sehr geehrten Abgeordneten, Mitte dieses Jahres hatte ich angekündigt, dass wir auch das Hamburger Klimaschutzgesetz den aktuellen Anforderungen der Zeit anpassen. Das Gesetz soll die Einhaltung der Klimaschutzziele des Senats absichern und rechtlich verbindlich festlegen, dass wir den Abbaupfad der CO2-Emissionen bis 2030 einhalten. Wir haben in Hamburg nämlich gute Erfahrungen damit gemacht, einen Plan zu haben – einen, der funktioniert, zum Beispiel zur Haushaltskonsolidierung – und ihn mit einem Gesetz, einem Finanzrahmengesetz zu verbinden, das die Eckpunkte dieses Plans rechtlich absichert.
Genau das leistet der Entwurf des neuen Klimaschutzgesetzes, den wir der Bürgerschaft heute zur Beratung vorlegen. Er ergänzt den Klimaschutzplan, regelt den von uns bei der Wärmeversorgung beschlossenen Ausstieg aus der Kohle und gibt einen verbindlichen Rahmen vor für den Einbau von klimafreundlichen Heizungen, Solarund Gründächern. Dabei wird im Gebäudesektor nur das verlangt, was nach dem Stand der Technik sinnvoll und machbar ist. Es gilt immer der Grundsatz, dass die damit einhergehenden Investitionen auch wirtschaftlich vertretbar sein müssen. Hamburg ist eine Stadt, in der das Leben für alle bezahlbar sein muss – diesen Grundsatz haben wir auch bei der Fortschreibung des Hamburger Klimaschutzgesetzes eingehalten.
Strengere Vorgaben macht das Gesetz für die Stadt selbst, für unsere Behörden, Landesbetriebe und städtischen Unternehmen, damit wir als öffentliche Hand eine Vorbildfunktion übernehmen.
Auch im Klimaschutzgesetz, das sei noch einmal ausdrücklich betont, gelten das Prinzip der Sozialverträglichkeit und das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Denn es ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor unserer Politik, dass wir vernünftige Lösungen finden, dabei niemanden überfordern und unsere Ressourcen so wirksam wie möglich einsetzen.
Meine Damen und Herren! Das entschlossene Handeln der großen Metropolen der Welt ist für den weltweiten Klimaschutz von größter Bedeutung. Wir dürfen uns dabei nicht auf die Nationalregierungen verlassen, wir müssen selbst handeln. Ich habe wenige Monate nach meinem Amtsantritt als Erster Bürgermeister nach einem Besuch in unserer Partnerstadt Chicago und einem Gespräch mit dem damaligen Bürgermeister Rahm Emanuel im Juli 2018 die Chicago Climate Charter unterzeichnet. Mit dieser gemeinsamen Erklärung verpflichten sich die Bürgermeister von weltweit über 70 großen Städten – darunter Los Angeles, Mexico City, Paris, Tokio, Toronto und Zürich – zur aktiven Mitwirkung an der Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens. Denn die großen Metropolen dieser Welt sind nicht nur die politischen und ökonomischen Zentren ihrer Nationalstaaten, sie haben auch die Kraft und die moralische Verpflichtung, auf die entscheidenden Fragen des 21. Jahrhunderts die richtigen Antworten zu geben.