Protokoll der Sitzung vom 04.12.2019

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erkläre Ihnen das noch einmal am Beispiel Busverkehr, wie eine Verkehrswende geht. Sie wollen den Busverkehr ausbauen, das unterstützen wir doch, denn das geht natürlich schneller als der Neubau von U-Bahnen und S-Bahnen. Damit aber der Busverkehr fließen kann und nicht im Stau der vielen, vielen Privat-Pkws steht, braucht er eben eigene Busspuren. Und diese Spuren müssen Sie dem Autoverkehr wegnehmen. Wo sollen die denn sonst herkommen? Doch genau davor schrecken Sie zurück. Sie schrecken genau vor diesem Schritt zurück, und deshalb wird das eben nichts mit der Verkehrswende. Und da Sie zu Recht betonen, dass der Klimaplan sozial ausgewogen sein soll, haben Sie beim ÖPNV doch jetzt die Chance, das Portemonnaie der Hamburgerinnen und Hamburger deutlich zu entlasten, und zwar mit einem 350-Euro-Ticket für alle Hamburgerinnen und Hamburger.

(Beifall bei der LINKEN)

2015 haben Sie im Klimaplan viel versprochen, so sollten zum Beispiel jährlich 3 600 Wohnungen modernisiert und damit ein relevanter Beitrag für das Klima erreicht werden. Doch statt der versprochenen über 14 000 Wohnungen innerhalb von vier Jahren sind es gerade einmal 8 000 Wohnungen geworden, wie Sie auf eine Kleine Anfrage meines Kollegen Stephan Jersch zugeben mussten. Wie sollen wir Ihnen denn jetzt glauben, dass Sie die Ziele des Klimaplans 2019 erreichen wollen oder diese Ziele überhaupt erreichen werden?

(Beifall bei der LINKEN)

Und noch etwas zum Thema Wohnungen. Erst einmal ein Lob. Wir, DIE LINKE, fordern doch seit Jahren im Bund und in Hamburg, dass die Modernisierung von Wohnungen nicht zu Mieterhöhungen bei Mieterinnen und Mietern führen darf, das haben Sie nun im Klimaplan aufgenommen und auch hier erwähnt, und das finden wir gut und richtig. Aber erklären Sie uns doch einmal, weshalb Sie acht Jahre nach der Gründung des von Ihnen so hoch gelobten Bündnisses mit der Wohnungswirtschaft erst jetzt auf die Idee kommen, den Klimaschutz weiter zu konkretisieren und das Ziel bezahlbarer Wohnungen nicht zu gefährden? Sie schreiben nämlich wörtlich im Klimaplan auf Seite 23:

"Auch deshalb ist als Auftakt eine umsetzungsorientierte Machbarkeitsstudie mit der Wohnungswirtschaft vereinbart."

Umsetzungsorientierte Machbarkeitsstudie. Das hört sich für mich an wie ein weißer Schimmel, eine Machbarkeitsstudie soll doch gerade die Machbarkeit klären oder, wie der Duden sagt, sie soll die Realisierbarkeit ermitteln. Und diese Wortklauberei zeigt einmal wieder krass auf, was Ihre Maßnahmen sind. Zu viele Versprechungen, zu wenig reale Maßnahmen, zu wenig reale Ziele.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben mit Wohlwollen gelesen, dass die soziale Ausgewogenheit dem Klimaplan vorangestellt ist. Seit Jahren kämpfen wir für die Menschen, die eben wenig Einkommen haben, wenig Geld in der Tasche haben. Was uns aber ziemlich irritiert und sich auch als ein seltsamer Punkt herausgestellt hat in diesem Klimaplan, ist, dass in der Drucksache insgesamt 68-mal das Wort Unternehmen vorkommt, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer Beratung, Zuschüsse und was noch alles erhalten, die Worte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder Gewerkschaft in der Drucksache aber gar nicht vorkommen. Selbst den harmlosen Begriff Sozialpartner sucht man wirklich völlig vergeblich in dieser Drucksache, denn diese Menschen, diese Gruppen werden aus der Gestaltung des industriellen Umbaus quasi ausgesperrt.

(Dr. Monika Schaal SPD: Da hätten Sie mal ins Gesetz gucken sollen!)

Sie und ihre Stimmen und die Gewerkschaften – Herr Rose ist jetzt gerade weg – haben unter diesem Senat eben nichts zu melden. Die Industrie …

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Populismus pur! – Zurufe)

Das tut ganz schön weh, oder? Die Wahrheit tut ganz schön weh.

(Zurufe)

Es muss gerade sehr schmerzhaft sein für die Herren der SPD, oder?

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, bei Ihnen haben schon lange die Gewerkschaften keinen exklusiven Platz mehr an Ihrem Tisch. Es ist nur noch die Industrie.

(Beifall bei der LINKEN)

Und da zeigt sich auch …

(Arno Münster SPD: Das ist doch Quatsch, was Sie da erzählen! – Zurufe)

Ich verstehe gar nicht, was Sie da hinten brüllen.

(Dirk Kienscherf SPD: Ich war in der IG-Me- tall, Sie bestimmt nicht! – Zurufe – Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Also ich bitte doch, der Rednerin zuzuhören, auch wenn sie bei Ihnen vielleicht einen wunden Punkt getroffen hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wir tauschen uns hier nacheinander in der Debatte aus.

(Zurufe)

Ja, und das ist gerade der Punkt, nämlich der Bürgermeister hat von dieser Mitmachaktion gesprochen. Mich würde noch einmal interessieren, was eigentlich hinter dieser Mitmachaktion steckt. Ich glaube, alle werden es noch einmal anders interpretieren. Aber ich denke, bei Ihrer Mitmachaktion haben eben bestimmte Kräfte eine komfortable Rolle, und andere, die wir einem anderen Sektor zuordnen würden, haben dort eben keine komfortable Rolle. So wie zum Beispiel die Opposition, da geben Sie den Takt vor und möchten, dass alle Ihnen folgen. So geht das aber nicht.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Sie könnten ja mitmachen, aber Sie sind immer so negativ drauf!)

Hamburg kann sich sicher sein, dass wir gerade unter dem sozialpolitischen Aspekt als LINKE genau ein Auge darauf haben werden. Wir werden kontrollieren, ob Sie die Versprechen auch wirklich einhalten werden. Die Klimaziele müssen erreicht werden, ich denke, das ist unstrittig, sie müssen aber auch sozial erreicht werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass so viele Jugendliche auf die Straße gehen, sich in dieser Phase politisiert haben bei dieser Thematik, müssen wir ziemlich stolz darauf sein und müssen sie ernst nehmen. Für mich heißt Mitmachaktion, diese Jugendlichen auch wirklich in einen Prozess einzubeziehen und nicht einen Tag einmal ihnen zuzuhören und dann ihre Forderung gar nicht einfließen zu lassen. Die Jugend, dieses Hamburg, hat eine bessere Klimapolitik verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Özdemir. – Als nächste Rednerin erhält das Wort Frau von Treuenfels-Frowein für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bürgermeister, das geht jetzt einmal direkt an Sie: Finden Sie es wirklich verantwortungsvoll, Sie und Herr Kerstan, eine Pressekonferenz zu machen, und wir können uns da am Rande irgendwie einfinden als Parlament und einmal aufschnappen, was denn da so

(Cansu Özdemir)

kommt? Wir sind hier nicht als Parlament, als Opposition irgendwie deswegen eingeschnappt, das ist gar nicht der Punkt. Wissen Sie, was mich daran stört? Wir sprechen als Abgeordnete immerhin für einen großen Teil der Bürger dieser Stadt und können uns dann wirklich im Eilverfahren auf solch eine komplexe Debatte vorbereiten. Das finde ich einfach verantwortungslos einem Parlament gegenüber, und das ist schon einmal der erste wirklich falsche Schritt.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos und An- drea Oelschläger AfD)

Es ist jedem klar in diesem Raum – und die, denen es vielleicht noch nicht so klar ist, die werden es wahrscheinlich auch heute nicht lernen –, dass der Klimaschutz eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist. Das wissen wir. Und genau deswegen, weil es so komplex ist, ist es auch wichtig, dass man sie ohne Ideologie und ohne überzogene Emotionen angeht. Wenn wir die Debatten der letzten Jahre anschauen, auch außerhalb dieses Parlamentes, dann waren sie eigentlich in erster Linie emotionsgetragen und fingen an mit Angstschürung. Und wenn Sie an den Ausschuss erinnern, ich glaube, Sie waren das, Frau Özdemir, ich weiß nicht mehr genau, einer von Ihnen hat es gesagt, wo die "Fridays for Future"-Jugendlichen eingeladen waren, dann war das schon so, dass die auch Sachargumente vorgetragen haben. Das habe ich so empfunden. Aber ich habe auch gesehen, dass die alle ängstlich waren.

Ich möchte einmal vorab einen Jungen zitieren, der gesagt hatte:

"Ich habe Angst vor meinem Leben. Ich habe auch Angst, wenn ich in die U-Bahn gehe …",

Das war, glaube ich, sein Beispiel:

"… und sehe da eine Mutter mit einem Baby und ich frage mich, was für eine Welt wird dieses Kind vorfinden."

Wissen sie das noch? Und darauf ist die Antwort natürlich, wir müssen diese Diskussion mit Verstand angehen und vor allen Dingen konkrete Lösungen finden, denn sonst ist Angst ein schlechter Berater und wir werden da nicht vorankommen.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen also echte und technisch gute Lösungen. International heißt das, und lassen Sie mich das noch einmal sagen, weil ich glaube, das ist wichtig: einen umfassenden Zertifikatehandel, der CO2 genau dort einspart, wo es mit den geringsten Kosten auch eingespart werden kann. Wir wollen ein klares CO2-Limit, einen Deckel für CO2, damit innerhalb dieser Vorgabe Effizienz und Innovation bestimmen, wo und in welchem Sektor bei

welchem Unternehmen wie viel eingespart wird. CO2 trägt ein Preisschild.

(Beifall bei der FDP)

Die Politik soll nichts anderes tun – und das ist auch unsere Aufgabe, die wir eigentlich nur wahrnehmen dürfen –, als als neutraler Schiedsrichter daneben stehen und die Rahmenbedingungen gestalten. Grundsätzlich gilt für uns Liberale in Hamburg und auch weltweit, dass Wirtschaft und Umweltschutz kein Gegensatz sind. Effizienter Klimaschutz gelingt durch Innovation und Marktwirtschaft. Und deshalb ist es auch grundverkehrt, dass gerade jetzt und gerade mit diesem Thema wieder Systemdebatten aufgemacht werden, die unsere soziale Marktwirtschaft infrage stellen. Das ist heute und jetzt grundverkehrt.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich können wir in Hamburg nicht das Weltklima retten. Ich glaube, das nimmt auch keiner an. Aber gerade Hamburg kann Vorreiter im innovativen Klimaschutz sein. Wir haben in Hamburg die allerbesten Voraussetzungen, um ein weltweit bedeutender Forschungs- und Entwicklungsstandort für klimaneutrale Technologien zu sein. Wir haben kurze Wege, wir sind ein Stadtstaat, flache Strukturen, exzellente Forschung. Das schafft Aufstiegschancen, Raum für innovative Unternehmen und Arbeitsplätze. Und genau das schafft dann doch auch den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung. Dann, und nur dann, kann die Transformation zur klimaneutralen Gesellschaft gelingen. Das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der FDP)

Wir Liberale finden es wichtig und richtig, als gutes Beispiel mit einer ambitionierten und gleichzeitig wirtschaftlich vernünftigen Klimapolitik vorzugehen. Und das schließt sich gar nicht aus, das rufe ich jetzt Ihnen von der LINKEN einmal zu. Wir begrüßen das Minderungsziel der Emissionen um 55 Prozent bis 2030, was übrigens auch das Ziel des Bundes ist. Aber die Hamburger Maßnahmen des Klimaplans erreichen dieses Minderungsziel nun nicht allein, denn nur durch kräftiges Zutun anderer Bundesländer und Nachbarländer können mehrere Millionen Tonnen CO2 im bundesweiten Energiemix überhaupt eingespart werden, und damit tragen sie massiv zum Reduktionsziel des Hamburger Klimaplans bei. Und so viel Ehrlichkeit muss sein. Das schafft Hamburg nämlich nicht allein.