Protocol of the Session on February 12, 2020

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(Michael Kruse)

Aber vielleicht kriegen wir sie hin, und deshalb noch ein paar Worte zu der letzten Rede von Herrn Wolf. Also wissen Sie, dieser immer wieder gern gewählte Weg, es ist so einfach, Sie haben eine andere Meinung und deswegen würden Sie von einem großen Teil des Parlaments als Faschist bezeichnet, so einfach ist das nicht. Sie haben Leute in Ihrer Partei, die völkisches Denken öffentlich erklären. Sie haben Rassisten in Ihrer Partei, Sie haben deutliche Positionen in Richtung des Abschiebens oder sonst wie des Umgangs mit Migranten und Migrantinnen. Und Sie haben natürlich auch eine These, dass man nämlich bestimmte Organisationen, die diese Gesellschaft mittragen, Gewerkschaften, Initiativen jeder Art, politische Initiativen, Kulturbereich, alle einmal so ein bisschen verändern müsste, damit sie mehr so in Ihre Richtung gehen als in die Richtung der Mehrheit der Gesellschaft. Das alles führt uns dazu und ist auch gerichtlich inzwischen entschieden, dass man einzelne Personen bei Ihnen Faschisten nennen darf und dass man Sie insgesamt als eine rechtskonservative und in Teilen rechtsextreme Partei bezeichnen darf. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Als Nächste erhält das Wort Frau Sudmann für die Fraktion DIE LINKE für knapp zwei Minuten.

Sehr schön. Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich habe mich gemeldet, als Herr Trepoll anfing, uns dafür zu kritisieren, dass wir den demokratischen Sozialismus wollen.

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

Ich mache einmal ein bisschen Demokratielehre und ich zitiere:

"Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Die Grundforderungen der Französischen Revolution sind die Grundlage der europäischen Demokratie. Seit das Ziel der gleichen Freiheit in der Moderne zum Inbegriff der Gerechtigkeit wurde, waren und sind Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität die Grundwerte des freiheitlichen demokratischen Sozialismus. Sie bleiben unser Kriterium für die Beurteilung der politischen Wirklichkeit, Maßstab für eine bessere Ordnung der Gesellschaft, Orientierung für das Handeln der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten."

Ich zitiere gerade aus dem Grundsatzprogramm der SPD von 2007, der Partei, mit der Sie koalieren wollen. Kann ich jetzt Ihre Kritik bitte noch einmal wieder hören, was Sie daran schlecht finden?

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf)

Okay, das war das Erste.

Das Zweite: die Zusammenarbeit mit der AfD. Meine Kollegin Özdemir hat Sie gefragt, wie Sie es halten mit Zusammenarbeit. Der Vizechef der CDU-Fraktion in Thüringen hat gesagt, die Gemeinsamkeiten mit der AfD seien größer als die mit der LINKEN. Wir haben in Thüringen starke Bewegungen, auch in Sachsen. Dafür können Sie vielleicht nichts. Aber was Sie nicht gesagt haben: 2001 haben Ihre Partei und die FDP dafür gesorgt, dass der Rechtspopulist Schill an die Macht kam, und das haben hier viele noch im Gedächtnis und das darf nie wieder passieren. Davon müssen Sie sich abgrenzen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Gerhard Lein SPD)

Und ich weiß gar nicht, warum Sie immer auf uns rumhacken wegen einer SED-Vergangenheit. Der Politikforscher/Parteienforscher Michael Lühmann hat gerade festgestellt, dass es sehr viele CDUParteifreunde mit SED-Vergangenheit gibt.

(Dennis Gladiator CDU: DIE LINKE ist aber nicht die SPD!)

Er sagt sogar, ein Stück weit sei die CDU die Nachfolgepartei der SED. Also gucken Sie auch in Ihren eigenen Reihen, bevor Sie uns immer angreifen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von Dirk Kienscherf SPD und Michael Kruse FDP)

Also ich darf das hier nicht kommentieren, aber ich glaube, die rechtliche Lage ist geklärt in dem Punkt. Wir sind jetzt am Ende der Aktuellen Stunde angekommen,

(Zurufe)

und bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe …

(Zurufe)

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, begehrt der Abgeordnete Flocken gemäß Paragraf 45 unserer Geschäftsordnung das Wort zu einer persönlichen Bemerkung, um entweder Angriffe auf die eigene Person zurückzuweisen oder eigene Ausführungen zu berichtigen. Herr Dr. Flocken, für maximal drei Minuten haben Sie das Wort.

Dr. Ludwig Flocken fraktionslos (persönliche Bemerkung gemäß § 45 GO):* Sehr verehrter Herr Präsident! Zum wiederholten Male bin ich nach und auch während meiner Rede unflätig beschimpft worden mit Worten, die ich hier natürlich nicht wiedergeben werde. Ich habe oft dazu aufgefordert, sachlich fundierte Kritik an meinen Reden zu äußern, zum Beispiel darauf hinzuweisen, wenn Sie Falschinformationen vermuten, damit die Gele

(Antje Möller)

genheit besteht, dieses abzuklären oder darzulegen, warum Schlüsse, die ich ziehe, nicht zulässig sind. Nichts davon haben Sie getan. Mit Ihren Beschimpfungen zeigen Sie, dass Sie dazu nicht in der Lage sind.

Dafür kann es zwei Gründe geben. Der erste scheidet eigentlich aus, nämlich dass alles, was ich sage, immer und überall genau richtig ist, sprich dass ich unfehlbar bin. Das habe ich nie behauptet, und das stimmt natürlich auch nicht, obwohl ich die Dinge, die ich hier vortrage, immer gut zu recherchieren anstrebe.

Der zweite Grund ist, dass Sie sich zu sehr von Ihren Gefühlen leiten lassen, dass Sie also in Ihrem Bauch fühlen, dass das, was ich sage, zu weit von dem entfernt ist, was Sie als richtig und gut ansehen, und dass Sie dann auch in der Reaktion, die Sie darauf äußern, nicht bereit sind, Ihr Denken in der Weise einzuschalten, dass Sie es schaffen, so zu reagieren, wie ich es vorgeschlagen habe, nämlich sachlich. Deshalb der Vergleich, den ich am Ende meiner letzten Rede gezogen habe. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Damit sind wir auch am Ende dieses Tagesordnungspunktes angekommen.

Ich rufe jetzt unseren Tagesordnungspunkt 101 auf, den gemeinsamen Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, GRÜNEN, LINKEN und FDP: Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge.

[Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, GRÜNEN, LINKEN und FDP: Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge – Drs 21/19916 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Kienscherf erhält es für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schön, dass dieses Haus sich gemeinsam auf den Weg macht, bei diesem Thema eine gemeinsame Haltung zu entwickeln. Ich will das kurz erläutern und mich insbesondere bei Ihnen, Herr Trepoll, aber auch bei Frau von Treuenfels, Frau Schneider und Herrn Tjarks bedanken.

Bis zum 10. November 1938 stand im Grindelviertel die Hauptsynagoge des orthodoxen Synagogenverbandes, eine Synagoge, die im Rahmen der Pogromnacht geschändet wurde, in Brand gesteckt wurde und – das Perfide – ein Jahr später abgerissen werden musste, und zwar von der jüdischen Gemeinde selbst. Dieser Bau war damals

gedacht als Zeichen der Gleichberechtigung des jüdischen Glaubens. Man kam heraus aus Hinterhöfen oder Zweite-Reihe-Gebäuden und hat bewusst ein Grundstück gewählt, das deutlich machte, dass das jüdische Leben zu Hamburg gehört, und ich kann sagen, was damals galt und was damals das Ziel war, dazu stehen wir Demokraten auch heute noch: Das jüdische Leben gehört zu Hamburg.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der LINKEN und der FDP)

Es war damals die größte Synagoge Nordeuropas. 1938 wurde Oberrabbiner Joseph Carlebach in sein Amt eingeführt. Er wurde später, wie Millionen Menschen jüdischen Glaubens, deportiert und von den Nazis ermordet.

Lieber Landesrabbiner Shlomo Bistritzky, liebe jüdischen Gemeinden, das unvorstellbare Leid, was Ihnen damals zugefügt worden ist, können wir natürlich nicht heilen. Wir können auch nicht den Verlust von Angehörigen, Ihren Vorfahren, heilen. Aber das, was wir können, und das, was wir Demokraten in der Bürgerschaft wollen, ist, dass sich das, was die Nationalsozialisten damals geplant haben, nicht durchsetzt. Wir wollen dazu beitragen, dass es wieder eine neue Synagoge geben wird an diesem historischen Ort in der Mitte unserer Stadt.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und vereinzelt bei der AfD)

Ich glaube, es ist ein ganz, ganz wichtiges Signal, dass wir das gerade auch tun vor dem Hintergrund des Wahlkampfes. Und ich will auch sagen, dass ich die Diskussionen, die wir im November geführt haben anlässlich des schlimmen Attentats von Halle, als es darum ging, wie wir mit dem Thema Antisemitismus umgehen, wie wir damit umgehen, dass Menschen jüdischen Glaubens angefeindet werden, hier als Sternstunde unserer bürgerschaftlichen Debatten erlebt habe. Ich will mich noch einmal recht herzlich dafür bedanken, dass wir diese Debatten gemeinschaftlich fortgesetzt haben im Sozialausschuss und dort gemeinschaftlich darüber diskutiert haben, was in Hamburg schon alles geschehen ist, was man aber noch weiter verbessern muss, was dazu führen soll, dass wir das jüdische Leben stärken, und dass das eben keine parteipolitischen Auseinandersetzungen waren, sondern man im Sozialausschuss sehr sachlich darüber diskutiert hat und zu einem einvernehmlichen Ergebnis gekommen ist. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen für diese Hamburgische Bürgerschaft.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und vereinzelt bei der AfD)

(Dr. Ludwig Flocken)

Es war gut und ich bin ausdrücklich dankbar, dass die Initiative von der Jüdischen Gemeinde und von uns dann ja auch kam, dass es bei dem Thema Synagoge weitergehen muss. Weitergehen muss es damit, dass wir konkrete Schritte einleiten. Ich bin dem Ersten Bürgermeister sehr dankbar und den Hamburger Bundestagsabgeordneten aus den verschiedenen Parteien, die auf Berliner Ebene dafür gesorgt haben, dass der Bundestag beschlossen hat, 600 000 Euro für eine Machbarkeitsstudie zur Verfügung zu stellen. Das zeigt, dass wir in Hamburg, aber auch in Berlin gemeinsam an diesem Projekt arbeiten und es mit konkreten Schritten vorantreiben wollen. Das ist ein gutes Signal, gerade auch vor dem Hintergrund der heutigen Debatte, gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen in diesem Land. Es braucht diese starken Signale, und wir können diese heute geben. Dafür bin ich allen Beteiligten sehr dankbar. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und vereinzelt bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kienscherf. – Das Wort erhält jetzt Carsten Ovens für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben es gerade schon von Kollege Kienscherf gehört, wir debattieren heute einen interfraktionellen Antrag zum Wiederaufbau der Synagoge am Bornplatz, und diese Einigkeit ist, unabhängig ob Wahlkampf oder nicht, in einem Parlament immer etwas Besonderes, eben nicht Normalität. Wir ringen hier bisweilen sehr kontrovers um die besten Lösungen für unsere Stadt und unsere Gesellschaft. Aber bei diesem Thema stehen wir zusammen, stehen wir zusammen an der Seite der jüdischen Gemeinden in Hamburg, an der Seite des jüdischen Lebens, und ich glaube, das ist uns allen im Parlament wirklich ein Herzensanliegen und gemeinsam wichtig, dies auch deutlich zu machen mit diesem interfraktionellen Antrag.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und vereinzelt bei der AfD)

Es ist eben leider keine Selbstverständlichkeit. Das sehen wir in diesen Tagen, ob wir an das furchtbare Attentat in Halle denken oder an viele Einzelfälle, selbst hier in unserer Stadt, wo jüdisches Leben angegriffen wird, angefeindet wird, in Worten, teilweise auch in Taten. Dann ist es eben doch leider noch keine Selbstverständlichkeit, dass wir wieder blühendes jüdisches Leben mitten in unserer Gesellschaft haben, wie es einmal der Fall gewesen ist, bevor die nationalsozialistische Schreckensherrschaft mit vielerlei Unterstützung von allen Sei

ten, aus allen Teilen der Bevölkerung dieses fast vollständig zunichtegemacht hat.

Wir denken auch, wenn wir den Wiederaufbau der Synagoge diskutieren, an die über 6 Millionen Jüdinnen und Juden, die dem Holocaust zum Opfer gefallen sind, diesem brutalen, unmenschlichen und einfach schier unbegreiflichen industriellen Massenmord. Sie waren Freunde, sie waren Nachbarn, sie waren Kollegen; sie waren ein Teil von uns allen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns an die Inschrift erinnern, die auf dem Hochbunker, auf dem ehemaligen Standort der Synagoge im Grindelviertel, steht:

"Möge die Zukunft die Nachfahren vor Unrecht bewahren."