Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und selbst, wenn all dies nie gewesen wäre, müssten wir uns doch fragen, wer da eigentlich zu uns kommt. Sind es Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge, Balkanflüchtlinge oder politisch Verfolgte? Nein, in erster Linie kommen Menschen zu uns.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben deswegen die moralische Verpflichtung, diesen Menschen ein Obdach zu gewähren, auch, wenn wir unsere eigene Vergangenheit nicht berücksichtigen. Andere Gesellschaften fangen an sich abzuschotten, weil mit Flüchtlingsströmen natürlich auch Schwierigkeiten verbunden sind. Ich bin sehr froh, dass unser Land anders tickt, und muss feststellen, dass gerade die USA als das Einwanderungsland per definitionem bei allen Schwierigkeiten auch gerade wegen dieser Einwanderungsgeschichte das erfolgreichste Land der Welt ist. Das ist das, was ich mir wünsche, dass wir neben den Herausforderungen und Schwierigkeiten auch die Chancen sehen, die sich aus dieser Situation ergeben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Richard Seelmaecker CDU)

Letztlich muss man die Debatte in zwei grundsätzliche Stränge aufteilen: Zum einen geht es um die Bewältigung der aktuellen Situation und zum anderen um die langfristige Perspektive, die erfolgreiche Integration derjenigen, die schlussendlich bei uns bleiben. Ich muss sagen, beide Debattenstränge eint, dass Rot-Grün einen Plan hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Karin Prien CDU: Die Kanzlerin!)

Kommen wir zum ersten Punkt der Debatte, der täglichen Aufnahme von Geflüchteten. Hier stellt sich die Frage, worüber wir eigentlich sprechen. Im Zweimonatstakt korrigiert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge inzwischen seine Prognosen über die neuen Flüchtlingszahlen, zuletzt auf 800 000 für dieses Jahr. Die Medienberichte und die Zahlen der täglich Ankommenden lassen ahnen, was eigentlich schon Gewissheit ist: Diese Zahl wird weiter nach oben gehen, und zwar deut

lich. Die Bundesregierung bemüht sich schon gar nicht mehr um eine neue Prognose, aber man muss wissen, dass wir die Millionengrenze deutlich überschreiten.

(Dr. Ludwig Flocken AfD: Zahlen sind egal!)

Was bedeutet das für Hamburg konkret? In diesem Jahr haben bereits über 35 000 Flüchtlinge die Stadt erreicht. Allein im September waren es 10 100 Menschen, das sind fünfmal so viele wie noch vor vier Monaten, so viele wie nie zuvor. Dieser Trend setzt sich fort. In den ersten Oktoberwochen sind täglich 400 bis 500 Flüchtlinge nach Hamburg gekommen, und dementsprechend entwickelt sich auch die Zahl der Personen mit Unterbringungsbedarf. Sie lag im Mai noch unter 1 000, im Juli bei 1 500 und im September bei 2 800 Personen. Deswegen, Herr Trepoll, ist es nicht richtig, wenn Sie behaupten, es seien aufs Jahr hochgerechnet nur 44 Flüchtlinge pro Tag. Für September sind wir bei 93 Flüchtlingen pro Tag, und das ist eine ganz andere Zahl. 93 Menschen, die Sie jeden Tag in Hamburg unterbringen müssen, das zeigt die Dimension der Herausforderung. Alle, die behaupten, diese Entwicklung sei absehbar gewesen, reden schlicht Unfug.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das ist die Größenordnung, von der wir heute sprechen und von der wir auch denken müssen, dass sie eher so bleiben wird, als dass sie in näherer Zukunft abnehmen wird. Das ist die Herausforderung, der sich jede vernünftige und gewissenhafte Regierung stellen muss. Die Wahrheit hinter diesen Zahlen ist sehr schlicht und auch ganz konkret: Die Menschen sind jetzt hier und brauchen eine Unterkunft.

Ich sage es ganz ehrlich: Angesichts der großen Herausforderungen, vor denen wir gemeinsam quer durch alle Parteien in Deutschland und quer durch alle Bundesländer stehen, ob diese von der SPD, der CDU oder gar von den GRÜNEN oder der LINKEN regiert werden, sollten wir uns alle als demokratische Parteien auf ein gemeinsames Handeln besinnen. Das würde uns insgesamt in der Debatte weiterhelfen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Was wir brauchen, sind gute und schnelle Lösungen. Wir stellen uns den Herausforderungen bei der Unterbringung. Ja, man muss auch sagen, dass es an dieser Stelle manchmal hakt. In Bergedorf und in Eidelstedt ist nicht alles optimal gelaufen, aber genau deswegen arbeiten wir an Verbesserungen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Immer noch keine Dusche!)

Wir werden die logistische Unterstützung weiter ausbauen. Wir haben das Landeskommando mit 50 Funktionen aktiviert, um neue Aufnahmestellen

besser vorzubereiten und einen reibungsloseren Ablauf beim Bezug der Unterkünfte zu ermöglichen. Auch wenn wir GRÜNE nicht immer für den Bundeswehreinsatz im Inneren streiten, Hamburg hat damit schon einmal gute Erfahrungen gemacht, und deswegen bin ich froh, dass wir darauf zurückgreifen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Philipp Heißner CDU)

Wir haben den Ausbau der Kapazitäten massiv vorangetrieben. Für die öffentlich-rechtliche Unterbringung haben wir in diesem Jahr bereits 12 575 Plätze an 34 Standorten geschaffen. Das ist eine gewaltige Leistung, und ich möchte an dieser Stelle mit dem Märchen aufräumen, dass das nur in sozial benachteiligten Stadtteilen geschieht. Herr Thering wird gleich wieder zetern. Aber es werden in Alstertal und in den Walddörfern 8 000 Personen untergebracht werden,

(Dennis Thering CDU: In Hummelsbüttel!)

da können Sie nicht sagen, Herr Trepoll, das geschehe nur in sozial benachteiligten Stadtteilen. Das ist schlicht falsch und ein Märchen, das Sie immer wieder verbreiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch f & w fördern und wohnen hat bei aller Kritik im Detail einen sehr guten Job gemacht. Das Unternehmen ist wahrscheinlich schneller gewachsen als Facebook, allein die Flüchtlingszahl wächst noch schneller. Wir haben mit dem Deutschen Roten Kreuz, dem Arbeiter-Samariter-Bund und den Johannitern neue Träger für die Flüchtlingsunterkünfte gewonnen,

(André Trepoll CDU: Als es nicht mehr an- ders ging!)

um das System auf breitere Füße zu stellen, und das ist auch gut so, Herr Trepoll.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dennoch muss man feststellen, die Lage bleibt nicht einfach. Deswegen haben wir ein Gesetz verabschiedet, das die Sicherstellung, nicht die Enteignung, von großen leerstehenden Hallen gegen eine ortsübliche Vergleichsmiete ermöglicht, und mit diesem Gesetz sind wir bundesweit Vorreiter. Andere Länder kopieren das jetzt, weil sie merken, dass es sinnvoll ist, so vorzugehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Zu- rufe von der CDU)

Und dann stellt Katja Suding eine Schriftliche Kleine Anfrage, Drucksache 21/1719. Viele Fragen werden gestellt und es wird eine lange Antwort gegeben. Dort steht, es gebe ein Funktionspostfach "Angebote für die öffentliche Unterbringung", und 3 300 E-Mails seien dort eingegangen.

(Dennis Thering CDU: Unbeantwortet!)

Sie, Frau Suding, sagen zwar nicht, dass das 3 300 Immobilienangebote sind, Sie suggerieren das nur, aber Herr Stüven tut das, und Sie, Herr Trepoll, haben das eben auch getan. Ich muss Ihnen sagen, dass das in der Sache vollkommen unredlich ist.

(Zurufe von André Trepoll CDU und Katja Suding FDP)

Sie kennen doch die Mails, die jeden Tag eingehen, und glauben sicher nicht im Ernst, dass Sie 3 000 Immobilien-Angebote erhalten, wenn 3 000 E-Mails eingehen. Der Anteil der halbwegs seriösen Mails liegt doch bei unter 30 Prozent, und zwar deutlich. Dann muss man noch die Mails mit unbrauchbaren Angeboten abziehen, weil die Mieterwartungen viel zu hoch sind, Dienstleistungen wie Essen kochen von den Flüchtlingen verlangt werden oder die Immobilien einen Herrichtungsaufwand haben, der schlicht nicht realisierbar ist. Daraus können Sie doch nicht ableiten, dass es 3 000 Immobilienangebote gibt, die an die Stadt herangetragen werden. Das ist schlicht falsch, hanebüchen und unredlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Dennis Gladiator CDU: Es gibt 1 000 Bei- spiele!)

Bei der Koordination der Unterbringung ist Hamburg anderen Bundesländern voraus.

(Katja Suding FDP: Das kann echt nicht wahr sein!)

Hören Sie doch einmal zu.

Die Flächenbundesländer sind nämlich so organisiert, dass sich das Land um die Erstaufnahme und die Kommunen um die Folgeunterbringung kümmern. Das führt dazu, dass die Länder ihrer Verantwortung nicht immer gerecht geworden sind und die Kommunen allein gelassen haben. Wir sind im Gegensatz zu den Flächenbundesländern auch Kommune und stehen daher in der Gesamtverantwortung. Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen, noch im Mai befanden sich ein Viertel von bundesweit 11 000 Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Hamburg, weil die Länder nämlich an dieser Stelle nicht geliefert haben. Genau das haben wir getan, weil wir unserer Verantwortung gerecht werden. Das ist eine große Leistung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und richtig, wir wollen die Koordination noch weiter verbessern, haben deshalb seit Ende August einen Koordinierungsstab zwischen der Innen- und Sozialbehörde in der Steinstraße eingerichtet und diesen jetzt mit Anselm Sprandel als zentralem Koordinator mit weitgehenden Durchgriffsrechten besetzt. Schnellere Entscheidungen im Flächenmanagement und eine engere Zusammenarbeit in den Behörden sind damit möglich, und auch die effizientere Koordinierung der Unterbringung der eh

renamtlichen Arbeit nimmt Fahrt auf. Wir bündeln Kompetenzen, handeln entschlossen und haben einen guten Vorschlag mit einer vernünftigen Person gemacht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Dennis Gladiator CDU: Jetzt schon?)

Eines möchte ich aber unterstreichen: Die Aufnahme und Unterbringung von vielen Tausenden Geflüchteten in Hamburg schafft die Stadt nur mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das ist vielleicht umgekehrt!)

Zahlreiche Initiativen haben sich in Hamburg gebildet, die Flüchtlinge bei der Ankunft unterstützen und Sprachkurse, Sportkurse, Beschäftigungsangebote, Begegnungsmöglichkeiten und Kleiderspenden in einer außergewöhnlichen und beeindruckenden Professionalität organisieren. Ihr Engagement, ihre Herzlichkeit und ihre Hilfsbereitschaft machen uns alle stolz und berühren uns zutiefst. Ich möchte ihnen an dieser Stelle danken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben hier, glaube ich, einmütig beschlossen, diese Initiativen mit einem Forum Flüchtlingshilfe zu unterstützen, einem Gremium, um das Hauptund das Ehrenamt stärker zu vernetzen. Wenn wir das haben – es soll noch in diesem Jahr kommen –, um dann vernünftig handlungsorientiert zu arbeiten, wird sich zeigen, dass ein weiterer Flüchtlingsgipfel nicht gebraucht wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)