Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

Wir wollen das, weil das Recht auf Asyl für diejenigen, die aus politischen Gründen verfolgt werden, ein hohes Gut ist. Wir dürfen es nicht einschränken. Obergrenzen für Asylsuchende kann und darf es daher nicht geben.

(Beifall bei der FDP)

Die personelle Aufstockung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist aber deshalb notwendig und gleichzeitig überfällig, um die Verfahren endlich zu beschleunigen. Wir können nur hoffen, dass jetzt auch schnell genügend Personal gefunden wird. Der Bund schiebt seit Monaten einen Stau von inzwischen weit mehr als 250 000 Asylanträgen vor sich her. Die Asylanträge aus Irak, Syrien und Eritrea werden zu 99,5 Prozent positiv beschieden, aber die Leute warten monatelang in den Aufnahmeeinrichtungen, bis das auch geschieht. Deshalb ist unser pragmatischer Vorschlag eine pauschale Anerkennung der bisherigen Anträge von Menschen aus diesen Ländern. Nach einer Sicherheits- und Identitätsüberprüfung muss der Stempel auf den Antrag. Dann können die Leute, von denen durchaus eine beachtliche Zahl qualifiziert ist, endlich arbeiten – sie warten nur darauf.

Die größte Aufgabe aber liegt noch vor uns. Sie besteht nicht darin, den Menschen eine Unterkunft in einer Erstaufnahmeeinrichtung oder einer Folgeunterbringung zu schaffen. Sie besteht darin, die Menschen, die bei uns bleiben, in unsere Gesellschaft zu integrieren. Wir müssen sie meistern, damit aus der Flüchtlingskrise keine Integrationskrise wird. Dazu gehört zuallererst, dass wir den neu zu uns kommenden Menschen unsere freiheitlichen Werte vermitteln. In Deutschland sind Männer und Frauen gleichberechtigt, muslimische Mädchen und Frauen entscheiden selbst, ob sie ein Kopftuch tragen und ob und wen sie heiraten wollen. Hier ist es erlaubt, sich über die Religionen, auch über den Propheten Mohammed, lustig zu machen. Es ist auch normal, dass homosexuelle Paare in der Öffentlichkeit Händchen halten. Das alles soll auch genau so bleiben.

(Beifall bei der FDP und bei Jörg Hamann und Karin Prien, beide CDU, und Farid Mül- ler GRÜNE)

Der eine oder andere, der zu uns kommt, wird das alles aus seiner Heimat so nicht kennen. Es wird dem einen oder anderen schwerfallen, das zu akzeptieren. Aber einen Rabatt auf unsere liberalen Grundwerte darf es nicht geben, für niemanden.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Karin Prien CDU: Jawohl!)

Um die neu angekommenen Menschen bei uns zu integrieren, braucht es Bildung. Doch woher kommen die vielen Hunderte Lehrer und Erzieher, die in Zukunft zusätzlich gebraucht werden? Und wie sollen sie bezahlt werden? Ist es jetzt nicht an der Zeit, das Kooperationsverbot zu lockern? Auf all diese Fragen brauchen wir dringend Antworten. Diese haben Sie uns heute aber leider nicht gegeben, Herr Bürgermeister.

Ein letzter Punkt: In den neuen Großsiedlungen, die der Senat plant und die bis Ende des nächsten Jahres fertiggestellt sein sollen, dürfen keine Parallelgesellschaften entstehen – sie dürfen nicht zu Gettos werden. Je größer und entlegener die Siedlungen aber sind, desto größer ist die Gefahr, umso schwieriger wird Integration und die Verhinderung von Gettobildung. Wir fordern Senatorin Stapelfeldt daher auf, auch die Möglichkeit für mehr kleinere statt weniger großer Flüchtlingsquartiere ausreichend zu prüfen. Angesichts des offensichtlichen Versagens von Rot-Grün bei der Koordinierung privater Unterbringungsangebote bin ich mir keinesfalls sicher, ob das wirklich schon erfolgt ist.

Herr Bürgermeister, Sie hatten heute die Chance, Ihren Plan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise in Hamburg und Ihre Einflussmaßnahmen auf die Entscheidungen im Bund darzustellen. Sie haben die Chance nicht genutzt. Zu viele Fragen sind offengeblieben. Ich muss Ihnen leider sagen: Wir als FDP-Fraktion sind in großer Sorge, dass wir es so nicht schaffen können.

(Beifall bei der FDP und bei André Trepoll CDU)

Wenn man Ihnen zuhörte, dann konnte man schon den Eindruck bekommen, dass in Hamburg alles in bester Ordnung sei. Das grenzt wirklich an Realitätsverweigerung. Deshalb: Handeln Sie jetzt, bevor es zu spät ist. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Gehen Sie auch auf die Opposition zu. Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt für falsche Eitelkeiten. Diesen Satz sollte sich Rot-Grün zu Herzen nehmen und niemand sonst. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das Wort bekommt Professor Dr. Kruse von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in Hamburg ebenso wie in vielen anderen Städten und Gemeinden Deutschlands eine Herausforderung gewaltigen Ausmaßes zu bewältigen. Hamburg stellt sich dieser Herausforderung und tut sein Bestes. Damit meine ich sowohl die Politiker als auch die vielen Mitarbeiter der Behörden und der Hilfsorganisationen und vor allem die vielen freiwilligen Helfer aus der Bevölkerung. Sie machen

(Katja Suding)

einen tollen Job, und ich möchte mich explizit bei ihnen allen dafür bedanken.

(Beifall bei der AfD)

Ökonomisch bezeichnet man das, was hier abläuft, als einen Stau, nämlich das Umschlagen von Quantität in schlechtere Qualität der Infrastruktur beziehungsweise der Kapazitäten, und zwar personell wie materiell. Ebenso wie zu viele Autos den Nutzen der betroffenen Straßen mindern und zu viele Nutzer pro Zeiteinheit die Internetqualität reduzieren, sind auch bei den Migranten die Mengen das Problem. Die Migranten haben sich nicht angemeldet und sie haben nicht reserviert. Sie waren einfach da und es kommen täglich neue. Sie schaffen täglich neue und verschärfte Herausforderungen für uns.

(Jörg Hamann CDU: Was meinen Sie denn mit nicht reservieren?)

Ich bin gern bereit, Ihnen das privatissime zu erläutern.

Es soll niemand sagen, er habe das vorhergesehen; das wäre unseriös. Niemand konnte mit diesen Mengen rechnen, und selbst wenn: Viele Infrastrukturen, zum Beispiel die Unterkünfte oder das geeignete Personal, hätte man dennoch nicht kurzfristig vervielfachen können. Der Einzelfall ist theoretisch simpel. Wir würden gern jeder Flüchtlingsfamilie aus Aleppo direkt eine Wohnung zuweisen. Aber jeder weiß, dass die Kapazitäten nicht da sind und wir mindestens temporär mit Containern, Zelten und Baumärkten improvisieren müssen, ganz abgesehen von dem erforderlichen Betreuungspersonal, das schon jetzt personell überlastet ist. Improvisieren heißt häufig und in der Regel auch, mit second best zufrieden sein zu müssen. Das sollten wir auch bei aller Kritik im Blick behalten. Das sage ich jetzt einmal mit Blick auf einige Redner der Opposition, die heute schon gesprochen haben. Auch da sollten wir realistische Kritik üben, und das ist heute nicht bei allen meinen Vorrednern der Fall gewesen.

Es ist sicher nicht schön, wenn Flüchtlinge in einem Ex-Baumarkt ankommen, der nicht ausgefegt ist. Aber es wäre erstaunlich, wenn im Flüchtlingsstress alles auf Anhieb optimal klappen würde. Wie gesagt, die Zuwanderer haben sich nicht vor Wochen angemeldet und können dementsprechend auch keinen Hotelstandard erwarten. Was die Schlepperbanden ihnen über das Paradies Deutschland erzählt haben, kann nicht der Maßstab für uns sein. Die schiere Menge erzwingt, dass sie mit Best Effort zufrieden sein müssen. Dieser Best Effort ist, was Hamburg kann und tut. Best Effort heißt das beste Bemühen. Und das macht Hamburg und das wird es auch tun, um im Winter geeignete Unterkünfte für alle Flüchtlinge in Hamburg zu schaffen.

Aber nicht alle, die kommen, sind echte Flüchtlinge, die Mitgefühl und Hilfe verdienen. Viele sind ganz banal Wirtschaftsmigranten, die eine gute Gelegenheit nutzen wollen, um ins reiche Deutschland zu kommen, und dabei oft sehr illusionäre Vorstellungen haben.

(Beifall bei der AfD)

Diese nehmen den echten Flüchtlingen die Plätze weg und die Infrastrukturen und die menschliche Hilfe, die diese wirklich bräuchten, und erschaffen das zuvor genannte Stau-Problem.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das ist doch unglaublich, was Sie da erzählen!)

Es ist deshalb überhaupt nicht zu akzeptieren, dass die abgelehnten Asylbewerber nicht sofort abgeschoben werden.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Entsetz- lich!)

Außerdem ist nicht zu akzeptieren, dass die Asylverfahren so lange dauern. Auch das ist ein Problem überlasteter Infrastrukturen, in diesem Fall die Kapazität der Entscheider. Dieser Mengendruck sollte erzwingen, dass wir diese für Zweifelsfälle einsetzen und nicht für Fälle, die klar sind. Das gilt insbesondere für Migranten aus Albanien und anderen sicheren Drittstaaten. Warum belasten wir unsere Kapazitäten mit solchen Leuten? Solange das der Fall ist, gibt es auch keine Rechtfertigung für Eingriffe, die an die Substanz gehen. Das Gesetz, das die Bürgerschaft vor 14 Tagen beschlossen hat, ist ein schwerwiegender Eingriff in ein fundamentales Grundrecht unserer Gesellschaft, nämlich in das Eigentumsrecht. Ich habe mich gefragt, ob die Kollegen von Rot und Grün eigentlich wissen, was sie tun, oder ob sie durch den Stress der Migrantenmengen den Überblick verloren haben.

(Beifall bei der AfD)

Mich persönlich hat das an den 10. Mai 2010 erinnert, als Frau Merkel mit einem Federstrich die NoBailout-Klausel außer Kraft gesetzt hat – wohlgemerkt eine der wichtigsten Bedingungen dafür, dass Deutschland überhaupt den Euro-Beitritt und die Abschaffung der D-Mark akzeptiert hat. Das war illegal und unvernünftig und unter einem subjektiven Druck, unter dem Frau Merkel stand, aber es war falsch, weil es einen fundamentalen Baustein der europäischen Währungspolitik beseitigt hat. Das ist auch hier so.

(Wolfgang Rose SPD: Das ist ja ein doller Vergleich!)

Es war also in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht illegal und unvernünftig, und die Kosten dafür werden wir noch sehr lange tragen müssen. Ich habe mich damals auch gefragt, ob sie weiß, was

sie tut. Heute, nach fünf Jahren, glaube ich, dass sie nicht wusste, was sie tat.

Damit komme ich zum eigentlichen Hauptproblem der gegenwärtigen Zuwanderungsströme. Anders als bei einem verheerenden Erdbeben, vielleicht mit Tsunami, sind die Zuwanderungsströme nicht gänzlich exogen, und sie sind auch nicht irgendwann von selbst vorbei. Quantitativ gesehen ist die Zuwanderung für Deutschland zu einem Teil exogen als Folge insbesondere des syrischen Bürgerkriegs und der barbarischen Verbrechen des radikal-islamistischen IS. Einige sprechen hier von einem Push-Effekt für Europas Außengrenzen. Ein anderer Teil ist endogen als Teil unserer eigenen Politik. Wir erzeugen Anreize für Hunderttausende Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten und aus Afrika, die dann zu uns kommen. Kriminelle Schlepperbanden verstärken diese Anreize durch Lügen über die Bedingungen in Deutschland. Ich würde sagen, wir produzieren aus Mitleid, Naivität und häufig auch aus Dummheit Fehlanreize für diese Menschen, ihre Heimat zu verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland zu machen.

(Beifall bei der AfD)

Wir locken sie geradezu an. Der bisherige Höhepunkt dieser Lockrufe war die Einladung der Kanzlerin Angela Merkel an alle Flüchtlinge, zu uns zu kommen, nach dem Motto: Wir schaffen das. Wer ist wir? Etwa die Kanzlerin? Nein, Frau Merkel inszeniert sich als Mutter Teresa, lädt die Probleme bei den Kommunen und auf Dauer insgesamt bei der Bevölkerung ab und isoliert sich in Europa, das ihr angeblich so am Herzen liegt. Nicht nur die Polen und die Ungarn, sondern auch die Engländer und Franzosen fragen sich seit einiger Zeit, ob Frau Merkel weiß, was sie tut.

(Beifall bei der AfD)

Ich persönlich glaube nicht, dass ihr bewusst ist, was sie mit ihrer Politik anrichtet, denn die Probleme kommen erst noch. Viele Zuwanderer sind fremder, als die Menschen hier glauben, und vor allem sind es zu viele von ihnen. Ihre Integration in unsere Gesellschaft oder zumindest – ich will einmal ganz vorsichtig sein – ein friedliches und gedeihliches Zusammenleben mit uns ist schon für kleinere Gruppen eine Riesenaufgabe, die unsere ganze Kraft erfordert. Daran sollten wir alle intensiv mitwirken, damit die Integration derjenigen, die schon bei uns sind, auch gelingt. Aber wir sollten nicht weitere Menschen anlocken.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt im Advent werden wir für dieses Jahr die Millionengrenze erreichen. Wann haben wir zwei Millionen? Wann drei? Wann vier?

(Dr. Monika Schaal SPD: Dann steht das Christkind vor der Tür!)

Anders als bei meinem genannten Erdbeben-Beispiel, bei dem die Zahl der Opfer, die umsiedeln will, endlich ist, geht das bei den Zuwanderern nicht. Die Mengen potenzieller Migranten im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika gehen in die Zigmillionen und steigen täglich an. Die Zahlen der Zuwanderer überfordern viele Städte und Gemeinden schon jetzt. Die Migranten in diesen Mengen – die Mengen sind das Entscheidende, wie ich am Anfang gesagt habe – werden Deutschland verändern und ich fürchte, nicht zum Positiven. Wir müssen Stopp sagen und das Stück für Stück auch durchsetzen. Ich weiß, dass das nicht einfach ist, aber wir sollten uns der Problematik bewusst sein und damit anfangen, Stopp zu sagen und das durchzusetzen,

(Beifall bei der AfD)

und zwar bevor uns die Probleme überrollen und es zu Gewalt kommt.

Viele Menschen hierzulande sind darüber sehr besorgt und wissen, dass unsere politische Klasse die Probleme nicht im Griff hat. Sie wird sie auch nicht in den Griff bekommen, wenn sie jetzt nicht offen sagt, was die Probleme sind und wie man die Mengen effektiv begrenzen kann. Angela Merkel ist jetzt bei der Zuwanderung so ohnmächtig wie der Zauberlehrling in Goethes Ballade. Aber sie ist mächtig genug, Deutschland nachhaltig zu schaden, weil die CDU sie lässt – Tradition Kanzlerwahlverein.

(Beifall bei der AfD)

Solange die CDU in Hamburg sich nicht klar in Richtung Vernunft und Nachhaltigkeit auf Bundesebene artikuliert, Herr Trepoll, kann ich Ihre Kritik an der Politik dieses Senats nicht wirklich richtig ernst nehmen.

(Jörg Hamann CDU: Er ist wohl geflüchtet vor Ihrer Rede!)

Ich werde sie ihm schriftlich hinterherschicken. Vielen Dank für den Hinweis.