Häufig ist es so, dass die Politiker die Macht haben, aber ihre Einsichtsfähigkeit überschätzen. Damit meine ich Folgendes: Wir alle in diesem Parlament und anderswo sollten froh sein über eine wissenschaftliche Forschung,
Unterstützung und Beratung zu den Themen, über die Herr Baumann hier gesprochen hat und die ganz entscheidend sein werden für unsere weitere Entwicklung in Deutschland mit so vielen Menschen, die aus anderen Ländern gekommen sind.
Das ist genau der Punkt. Frau Dutschke, wenn Sie sagen, man brauche dafür ein paar Jahre und dann sei das Problem längst gegessen:
völlig falsch. Wir haben noch in zehn oder zwanzig Jahren damit zu tun, dass wir uns gegenseitig zu wenig verstehen, um uns ineinander integrieren zu können.
Denn wenn man zusammenleben will, muss man sich gegenseitig verstehen. Und das sage ich jetzt ganz bewusst: Herr Baumann hat mit keinem Wort gesagt, dass die anderen sich uns anpassen müssen. Das hat er mit keinem Wort gesagt und auch nicht gemeint. Wir müssen genauso die anderen verstehen. Aber häufig wissen wir gar nicht so genau, was es dort alles an Unterschieden gibt. Und das meinte ich damit, dass Politiker häufig glauben, sie seien einsichtsfähiger, als sie es wirklich sind. Politiker brauchen dort eine Beratung und dafür ist Forschung die allerbeste Gelegenheit. Ich bin Herrn Baumann dafür dankbar, dass er diesen Antrag hier eingebracht und begründet hat. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Professor Kruse und Herr Dr. Baumann, ich war von vornherein fest entschlossen, diesen Antrag abzulehnen, aber ich habe es noch nie erlebt, dass ein Redner und am Ende sogar zwei so intensiv dafür geworben haben, ihren Antrag abzulehnen. Ich habe es selten erlebt, dass jemand in einer Einbringungsrede einen eh schon schlechten Antrag noch viel schlechter macht. Was Sie hier gebracht haben, war einfach unglaublich.
Sie sollten sich auch nicht mehr damit herausreden, dass Sie neu im Parlament sind. Sie sind über ein Jahr hier und irgendwann einmal muss man dann auch dazulernen. Man kann ein Thema interessant finden, aber die Formulierung des Antrags und vor allen Dingen der Vortrag von Herrn Baumann waren sehr geeignet, Misstrauen gegen alle Ihre Anträge zu säen. Wir merken zunehmend, dass hinter einem vielleicht nur halbwegs harmlosen Antrag etwas ganz anderes steckt. Damit riskieren Sie auch künftig, alle Anträge abgelehnt zu bekommen. Das haben Sie, Herr Dr. Baumann und Herr Professor Kruse, sich selbst zuzuschreiben.
Sie, Herr Professor Kruse, sagen, man unterstelle Ihnen immer, mit Ausländern, Flüchtlingen oder sonst etwas zu kommen. Nein, das tun wir nicht. Das Problem ist, dass Sie, egal um welches Thema es sich handelt, es immer vor dem Flüchtlings
hintergrund sehen. Es mag ja interessant sein, über Kulturunterschiede zu forschen. Letztes Mal war es der Antrag bezüglich der Mobilitätskarte. Immer sind Sie diejenigen, die jedes Thema, das diese Stadt berührt, und sei es die Verkehrspolitik, in einen Zusammenhang mit Flüchtlingen bringen. Sie haben eine völlig einseitige Denkweise.
Nur ein einziges Thema beschäftigt Sie, und zwar mit Gewalt, und da müssen Sie sich nicht wundern, wenn wir genauso antworten. Überlegen Sie sich einmal Ihre Auftritte in der Bürgerschaft. Es ist einfach völlig destruktiv, was Sie machen, und nebenbei auch noch gefährlich. – Vielen Dank.
Das war nur Sitzgymnastik, alles klar. Gut. Dann sehe ich keine weiteren Wortmeldungen mehr und wir können zur Abstimmung kommen.
Wer nun die Drucksache 21/4427 an den Ausschuss für Wissenschaft und Gleichstellung überweisen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer dem AfD-Antrag aus der Drucksache 21/4427 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Bevor wir zum Punkt 15 der heutigen Tagesordnung kommen, möchte ich Ihnen die zwei vorliegenden Wahlergebnisse bekanntgeben.
Bei der Wahl einer oder eines Deputierten der Justizbehörde sind 87 Stimmzettel abgegeben worden. Davon waren 2 Stimmzettel ungültig, somit sind also 85 Stimmen gültig. Herr Justus Burgdorf erhielt 34 Ja-Stimmen, 37 Nein-Stimmen, 14 Enthaltungen. Damit ist Herr Burgdorf nicht gewählt worden und wir werden diese Wahl in der nächsten Sitzung wieder auf die Tagesordnung setzen.
Bei der Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Schule und Berufsbildung sind 84 Stimmzettel abgegeben worden. Davon waren 3 Stimm
zettel ungültig, somit 81 Stimmen gültig. Herr Krzysztof Walczak erhielt 35 Ja-Stimmen, 36 NeinStimmen, 10 Enthaltungen. Damit ist auch Herr Walczak nicht gewählt worden und wir werden auch seine Wahl in der nächsten Bürgerschaftssitzung durchführen.
Wir kommen zum Punkt 15 unserer Tagesordnung, Drucksache 21/4333, dem Bericht des Ausschusses für Justiz und Datenschutz: "Nein heißt Nein" – Für eine Reform des Sexualstrafrechts zur Verbesserung des Schutzes vor sexualisierter Gewalt auf Basis der Istanbul-Konvention und Verbesserung des Schutzes vor sexuellen Übergriffen – Tätliche sexuelle Belästigung unter Strafe stellen.
[Bericht des Ausschusses für Justiz und Datenschutz über die Drucksachen 21/2945 (Neu- fassung) und 21/3176: "Nein heißt Nein" – Für eine Reform des Sexualstrafrechts zur Verbesserung des Schutzes vor sexualisierter Gewalt auf Basis der Istanbul-Konvention (Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN) und Verbesserung des Schutzes vor sexuellen Übergriffen – Tätliche sexuelle Belästigung unter Strafe stellen (Antrag der CDU-Fraktion) – Drs 21/4333 –]
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Köln und in anderen Städten haben uns allen noch einmal deutlich gemacht, dass unser Sexualstrafrecht das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung nicht so ausreichend schützt, wie es eigentlich erforderlich wäre. Es gibt inzwischen, so meine ich und so meinen viele, einen gesellschaftsübergreifenden Konsens darüber, dass wir das Strafrecht an dieser Stelle so nachbessern müssen, dass im Ergebnis unser elementares Recht auf sexuelle Selbstbestimmung in jedem Fall und ohne Wenn und Aber geschützt ist.
Wir hatten uns bereits in der Bürgerschaft und im Justizausschuss im Februar und im März 2016 intensiv mit dem Thema der anstehenden Reform des Sexualstrafrechts befasst. Hamburg hat daraufhin eine Bundesratsinitiative angestoßen, die am 18. März 2016 erfolgreich war und von vielen anderen Bundesländern mitgetragen wird.
Wir begrüßen den nun vorliegenden Entwurf der Bundesregierung, der aber nach wie vor einige Strafbarkeitslücken enthält.
Es gibt unseres Erachtens zu viel Spielraum für Fälle, in denen ein klar formuliertes Nein des Opfers vom Täter ignoriert werden kann und er ohne Anwendung von Nötigungsmitteln sexuelle Handlungen vornehmen kann, ohne dass er dafür mit Strafe zu rechnen hätte. Unsere Forderung dagegen ist klar: Das Sexualstrafrecht ist so zu reformieren, dass der Grundsatz "Nein heißt Nein" umgesetzt wird.
Im Justizausschuss im März haben wir ebenfalls sehr intensiv und offen über die Notwendigkeit einer Reform debattiert. Inzwischen hat sich die Debatte weiterentwickelt. Ich möchte deutlich machen, worüber wir derzeit immer noch streiten. In der Debatte im Justizausschuss und ebenso in der Auseinandersetzung im Bundestag und auch im Bundesrat wurde deutlich, dass es einen großen interfraktionellen Konsens darüber gibt, dass die Reform des Sexualstrafrechts kommen muss. Unser Konsens besteht in der folgenden Annahme: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist insofern nicht weitreichend genug, als die Fälle des sogenannten Grapschens in der derzeitigen Fassung nach wie vor ungenügend oder gar nicht erfasst sind.
Einen Dissens allerdings haben wir bei der Frage, ob künftig allein der entgegenstehende Wille des Opfers, sei er klar geäußert oder aus den äußeren Umständen deutlich zu erkennen, der alleinige Anknüpfungspunkt sein solle, um eine Strafbarkeit zu begründen. CDU und FDP in der Bürgerschaft wollen, wenn ich sie richtig verstanden habe, nicht ganz so weit gehen, weil sie eine Entgrenzung des Tatbestands befürchten und auch Probleme mit der Beweislast in späteren Strafprozessen sehen. Diese Argumente sind ernst zu nehmen, aber ich möchte noch einmal kurz darstellen, warum unser grundsätzlicher Ansatz "Nein heißt Nein" das Angebot der Stunde ist, und warum er machbar und strafrechtlich auch völlig plausibel und völkerrechtlich geboten ist.
Schon vor den sexuellen Übergriffen in Köln stand die Reform des Sexualstrafrechts auf der Agenda des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz. Das Bundeskanzleramt hat dann jedoch bis zu den Übergriffen in Köln im Fortschreiten des Prozesses gehörig auf die Bremse gedrückt, wie man hört – angeblich, weil er zu weit ging. Gegenstand des Gesetzesvorhabens sind genau die Schutzlücken, die spätestens seit der Silvesternacht nun auch der breiten Öffentlichkeit bewusst sind. Anlass der Reform waren allerdings keine konkreten Vorfälle wie die in Köln, sondern die Istanbul-Konvention und deren Artikel 36. Dieser Artikel verlangt, kurz gefasst, dass ein Straftatbestand geschaffen wird, der alle nicht einver
ständlichen sexuellen Handlungen unter Strafe stellt. Artikel 36 Ziffer 2 der Konvention führt hierzu unmissverständlich aus: