Ich beziehe das noch einmal auf Herrn Trump, dem ich und die meisten von uns, vielleicht bis auf die ganz rechte Ecke des Hauses, ideologisch nicht so nahestehen. Viele von uns würden sagen: Gegen das, was er macht, und gegen das, was er propagiert – wenn man denn einmal weiß, was er eigentlich will –, wären wir die Ersten, zu protestieren. Aber man muss doch akzeptieren, dass dieser Mann in einer freien, demokratischen Wahl gewählt wurde und dass die Bundesregierung damit umgehen muss und mit ihm reden muss. Auch als GRÜNEN-Mitglied muss ich sagen: Dass die Bundeskanzlerin gesagt hat, auf Basis universeller Werte biete sie eine enge Kooperation an, ist ein vernünftiger Satz gewesen.
(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP – André Trepoll CDU: Auf dieser Basis spricht sie auch mit Ihnen!)
Sie fordern den "Gipfel der 7 Milliarden". Dazu möchte ich einfach nur den leisen Gedanken äußern: Es gibt jedes Jahr den Gipfel der 7 Milliarden, der heißt UNO-Vollversammlung. Der tagt jedes Jahr, seit es die UNO gibt. In jedem Jahr versammeln sich dort die Staaten dieser Welt und reden miteinander, und das ist auch richtig so.
Genau deswegen gilt auch das, was hier vorhin gesagt worden ist: Die G20 wird keine völkerrechtlich verbindlichen Beschlüsse fassen, aber sie kann eine Richtung vorgeben. Die verbindlichen Beschlüsse müssen natürlich im Rahmen der Vereinten Nationen gefasst werden.
Was mich dann schon ein bisschen irritiert hat, ist die Frage, was Sie eigentlich unter Demokratie verstehen, und die Frage, ob so ein Gipfel illegitim ist. Nun ist es doch so: Je weiter man im politischen Spektrum nach links rückt, desto schlimmer werden diese Gipfel gesehen, angefangen mit G7, dann G20, dann irgendetwas anderes. Die G7 ist aber das Gremium, aus ausschließlich aus demokratischen Staaten besteht. Bei der G20 gibt es vier Staaten – Sie haben sie genannt –, wo man sagen muss, dass der demokratische Rechtsstaat zumindest sehr gefährdet ist, die anderen 16 sind aber ziemlich demokratische Staaten. Schauen wir auf einen "Gipfel der 7 Milliarden", was Sie als die besondere Demokratie und Auszeichnung sehen.
da kommen lauter Leute, die sich dafür, wie man mit ihrem Volk umgeht, nicht so wirklich interessieren. Ob das demokratischer ist, ist eine Fragestellung, die man zwar nicht eindimensional beantworten kann, aber so, wie Sie sie hier beantworten, ist es doch ziemlich kurzsichtig.
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Herr Dr. Tjarks, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dolzer?
Wo wir gerade beim Demokratieverständnis waren, habe ich eine Frage: Wer hat denn die 20 dazu beauftragt oder wer legitimiert sie, dass die den Impuls geben? Warum ist das zum Beispiel im gesamten Weltgeschehen wichtiger, als wenn die Afrikanische Union einen Impuls geben würde? Warum wird das so angesehen? Nach Ihrem Verständnis wäre dann eigentlich die UNO nicht unbedingt demokratisch. Natürlich müssen wir ertragen, dass in der UNO auch Länder sind, deren Regierungschefs wie Herr Erdogan von Demokratie überhaupt nichts halten, aber das können wir ertragen. Aber diese G20 hat niemand dazu beauftragt, die Impulse zu geben, die die UNO dann umsetzen muss. Äußern Sie sich einmal dazu.
Herr Dolzer, das war im Wesentlichen keine Fragestellung, sondern eine Aussage. Ich habe nicht für mich beansprucht, zu wissen und zu definieren, was in diesem Bereich die beste Form der Demokratie ist, ob es die Gleichheit der Staaten ist, mit vielen, die sich intern wenig darum kümmern, was Demokratie ist, oder ein Zusammenschluss von demokratischen Staaten. Das habe ich nicht gemacht.
Ich habe versucht, deutlich zu machen, welche Schwierigkeiten es gibt. Sie haben in Ihrem Antrag gesagt, der eine Teil sei nicht demokratisch. Das habe ich nicht gemacht. Ich habe nur umgekehrt gesagt, Sie sollten sich mit dieser Definition ein wenig zurückhalten, weil sie nicht besonders zielführend ist.
Abschließend: Der Punkt, um den es geht – und damit komme ich wieder auf die Demonstrationsund Versammlungsfreiheit –, ist der zweite Punkt,
den Sie in Ihrem Antrag beschrieben haben. Natürlich muss eine andere Welt möglich sein. Natürlich haben wir ein Gefälle in der Welt, und viele in diesem Hause wollen, dass das anders und besser werden muss. Genau deswegen ist es auch legitim, diesen Gipfel mit friedlichem Protest, mit inhaltlichen Aktionen und Diskussionen zu begleiten. Ich glaube, das ist sehr wichtig. Und deswegen habe ich einen Wunsch an Sie. Meine Wahrnehmung ist, Sie preschen mit einem Antrag vor und sagen, wir wollen diesen Gipfel in der Stadt nicht, und sagen das ganz früh; wenn es nachher Schwierigkeiten gibt, haben wir es als Erste gesagt.
und so geht es immer weiter. Wenn du wirklich etwas willst, Heike, mit dem man etwas erreichen kann, dann muss das doch ein möglichst breites, kraftvolles Bündnis sein, das eben auch Herrn Trump sagt, dass eine andere Welt möglich ist, und dafür auf so einem Gipfel kämpft. Ein friedliches Bündnis. Das würde uns alle gemeinsam weiterbringen.
Solche Kurzschlussanträge, die in der Sache zudem ziemlich schlecht waren, helfen niemandem weiter. – Danke schön.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Als ich vor drei Wochen hier stand und zum Antrag der LINKEN zur Rentenreform gesprochen habe, war ich Ihnen noch dankbar, dass Sie dieses zentrale Thema angemeldet haben. Das ist heute allerdings anders. Der Antrag nämlich, der uns heute vorliegt, ist einfach nur populistisch und Ihre Rede, Frau Özdemir, war es noch viel mehr.
Ich will es kurz machen: In der G20 finden zwei Drittel der Weltbevölkerung Vertretung. Diese zwei Drittel der Weltbevölkerung bestreiten 80 Prozent des Welthandels und erwirtschaften rund 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.
tan, es klang teilweise an, und deswegen möchte ich etwas dagegen sagen. Auch Sie als Gegner des Kapitalismus müssen doch anerkennen: Den meisten Menschen geht es heute besser als früher,
gerade wegen Globalisierung, Wohlstand und internationalem Kapitalfluss. Das möchte ich Ihnen auch einmal anhand einiger Tatsachen zeigen.
Erstens: Wir haben weniger Armut. Lebten vor hundert Jahren weltweit noch mehr als 80 Prozent der Menschen an oder unterhalb der Armutsgrenze, sind es heute nur noch rund 10 Prozent. Nie war das weltweite Pro-Kopf-Einkommen höher und auch Geringverdiener profitieren davon: Bezieher von Hartz IV erhalten in Deutschland monatlich ungefähr so viel Geld wie ein Durchschnittsverdiener vor 40 Jahren, bereinigt um die Inflation.
Zweitens: Bessere Gesundheit. Weltweit steigt die Lebenserwartung und sinkt die Gefahr, durch Krankheiten zu sterben. Noch im 17. Jahrhundert wurden Menschen im Durchschnitt 30 Jahre alt, heute dagegen werden sie dank besserer Hygiene, des medizinischen Fortschritts und positiver Effekte der Industrialisierung durchschnittlich über 70 Jahre alt, in Deutschland sogar über 80 Jahre.
Drittens: Mehr Bildung. Nie konnten mehr Menschen lesen und schreiben. Noch im Jahr 1900 war es nur etwa jeder Fünfte auf der Welt. Das mag man sich heute kaum mehr vorstellen. Inzwischen liegt die Quote bei mehr als 80 Prozent.
Und viertens: Weniger Kriege. Die Bilder von Kriegen oder den Flüchtlingen auf Schlauchbooten oder überfüllten Schiffen sind schrecklich, aber es leben mehr Menschen in Demokratien als jemals zuvor, und zudem täuscht der Eindruck zunehmender Kriege auf der Welt, wie Friedensforscher sagen.
Die Zugewinne an Lebensqualität für die Menschen in den vergangenen 200 Jahren sind enorm. Zu keiner Zeit ging es uns besser als heute. Und diese Entwicklung wurde maßgeblich von den großen Industrienationen geprägt, begleitet und beschleunigt. Die Großen – das will ich noch einmal sehr deutlich sagen – sind nicht per se die Bösen.
Trotzdem ist natürlich nicht alles gut. Deswegen ist eine an den Interessen der weltweit 7 Milliarden Menschen orientierte internationale Koordinierung, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, natürlich das Gebot der Stunde. Aber wir müssen auch so ehrlich sein, dass Abstimmung, Diskussion und Konsens mit einer steigenden Zahl an beteiligten Menschen und Nationen zunehmend schwieriger werden. Deshalb ist und bleibt der G20-Zusammenschluss eine sinnvolle Institution, um die aktuellen und wichtigen Herausforderungen der Welt
gemeinschaft miteinander zu besprechen und Lösungsmöglichkeiten für die Bedrohungen, Missstände und Ungerechtigkeiten zu finden, die wir zweifellos früher wie heute in der Welt finden.
Es gibt viele Gründe, an G20 als Spitzenforum für globale Wirtschaftskooperationen festzuhalten. Heute stellen die Entwicklungs- und Schwellenländer schon mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung. Die G7 der großen Industrienationen kann allein also keine globalen Lösungen mehr anbieten. Die Vereinten Nationen sind indes manchmal zu groß. Die Resolutionen der Generalversammlung sind nicht bindend, der Sicherheitsrat ist reformbedürftig und spiegelt die politischen Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg wieder. Die G20 aber ist groß genug, um globalen Herausforderungen begegnen zu können, und klein genug, um konkrete Verhandlungen zu ermöglichen. Die Unterschiedlichkeit der Mitglieder und der vertretenen Systeme garantiert eine lebhafte Debatte. Die Anwesenheit der Staats- und Regierungschefs erleichtert Übereinkünfte in zentralen Fragen des Wachstums der Weltwirtschaft sowie der Regulierung und Deregulierung von Finanzmärkten. Es geht um technische Innovationen, um erhöhte Produktivität, den Abbau von Handelshemmnissen und eine weltweite Vernetzung von Infrastruktursystemen. Außerdem sind die Spitzen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds vertreten. Hiermit kann die G20 die Richtung weisen und den politischen Kurs vorgeben. Das – und damit gebe ich Ihrer Fraktion recht – sind die Aufgaben und die Fragen, mit denen sich die G20 beschäftigt und an deren Lösung sich das Zusammentreffen auch messen lassen muss.
Ich finde, für Hamburg ist der G20-Gipfel eine Gelegenheit, der Weltöffentlichkeit unsere Grundwerte – und dazu gehört insbesondere die Meinungsund Versammlungsfreiheit – zu zeigen, und zwar auch dann, liebe LINKE, wenn es um eine Meinung geht, die Sie nicht teilen.
Deshalb ist es wichtig, dass die Veranstaltung hier stattfindet, und ich denke, das sollten auch Sie erkennen, liebe LINKE. – Vielen Dank.