Der Senat hatte sich bereits im Frühsommer für die drastischen Steigerungen des Einzelplans zugunsten des Innenbereichs entschieden und sich selbst dafür gefeiert. Ein genauer Blick auf den Einzelplan zeigt sehr schnell, dass die massive Ausgabensteigerung vor allem dazu dient, die zukünftigen Versorgungsleistungen seriöser abzubilden beziehungsweise zu berücksichtigen. Was an den zusätzlichen Ausgaben darüber hinausgeht, dient leider vor allem dazu, strukturelle Unterfinanzierung und Löcher der vorangegangenen Haushalte geradezuziehen. In den Quartalsberichten der Jahre 2015/2016 war nicht zu übersehen, dass es sich bei dem betreffenden Haushaltsbeschluss der SPD aus 2014 um einen Wahlkampfhaushalt gehandelt hat. So wurden immer wieder Kennzahlen aufgrund nicht auskömmlicher Budgets weit verfehlt oder nicht auskömmliche Budgets mussten durch Stellenbewirtschaftung ausgeglichen werden. Die letzten Tarifsteigerungen waren von vornherein unrealistisch niedrig geplant. Dass dies nun nachträglich korrigiert wird, ist so notwendig wie überfällig. Seriös wäre aber eine realistische Planung schon in 2014 gewesen. Leider setzt der Senat diese Art Planung für die nächste Tarifrunde fort. Das Ganze wieder nachträglich nach Kassenlage geradezuziehen funktioniert halt nicht immer. Konjunkturrisiken oder auch die greifende Schuldenbremse sind hierbei ein Vabanquespiel.
Aber es gibt in diesem Haushaltsplan auch erfreuliche Aspekte. Der Senat hat die FDP-Forderung aus den drei vorangegangenen Haushaltsberatungen aufgenommen und endlich realistische Zahlen für die Einnahmen aus Rettungsdienstgebühren, wie für die Ausgaben für Einsätze des Rettungsdienstes, angesetzt. Das nehmen wir erfreut zur Kenntnis,
auch wenn es auffällt, dass der Senat ausgerechnet kurz nach Änderung des Haushaltsrahmengesetzes meint, seine Ausgaben plötzlich nicht mehr herunterrechnen zu müssen. Dabei dürfen wir angesichts der nicht nur dramatisch schlechten, sondern auch von der Tendenz immer schlechter werdenden Erfüllungsquote der Eintreffzeiten beim Rettungsdienst nicht vergessen, dass ein in dieser Legislaturperiode überfälliger großer Wurf beim zu novellierenden Rettungsdienstgesetz zusätzliche Haushaltsrisiken birgt.
Ein weiteres bereits angesprochenes Thema ist der Verfassungsschutz. Nachdem Rot-Grün leider unseren Antrag für eine auch in 2017 fortgesetzte notwendige Verstärkung des Verfassungsschutzes noch ablehnte, lässt der nunmehr vorliegende diesbezügliche Antrag der Koalition darauf schlie
ßen, dass sie sich nicht mehr traut, diese Linie fortzusetzen. Leider kommen Sie dem öffentlichen Druck etwas spät nach. Angesichts der bekanntlich schwierigen Rekrutierung –das ist ein wichtiger Punkt – geeigneten Personals zu diesem Dienst wäre es nötig gewesen, diese Rekrutierung für 2017 bereits vor Monaten einzuleiten, um die neuen Stellen unverzüglich besetzen zu können.
Hinsichtlich der großen Personalkörper halten wir den weiterhin verfolgten Grundansatz bei den Einstellungen und Ausbildungszahlen für richtig. Auch Personalkörper werden bekanntlich ebenso wie Haushalte nicht in schlechten, sondern in guten Zeiten nachhaltig rekrutiert. Die Personalkörper von Polizei und Feuerwehr leiden in jüngerer Zeit an völlig defekten Altersstrukturen, die durch einen rein zufälligen Wechsel über mehrere Jahrzehnte zwischen Einstellungsstopps und Einstellungswellen verursacht wurden. Jetzt wieder einmal zu hohen Kosten die Ausbildungskapazität bei immer schwächerer Bewerberlage für viel Geld noch weiter aufzustocken, um sie dann beim nächsten Einstellungsstopp nach der Schuldenbremse und/oder im nächsten Konjunkturloch wieder auf Eis zu legen, nützt langfristig niemandem wirklich. Damit wiederholen wir die Fehler von gestern, anstatt aus ihnen zu lernen. Wenn die Polizei angesichts der Überstundenzahlen überbelastet ist und das Budget nicht vergrößert werden kann, ist es weiterhin vorrangig, Aufgabenkritik zu üben. Erlauben Sie mir dazu einige Anmerkungen.
Eigentlich hatte ich schon vor zwei Jahren gehofft, das Thema Schwertransporte beim nächsten Haushalt nicht wieder ansprechen zu müssen, und obwohl sich die Innenministerkonferenz im Grundsatz schon lange einig ist, dass hier dringend neue Regelungen erforderlich sind, bleibt alles beim Alten. Ein weiteres Thema: Betäubungsmittelgesetz.
Es wäre begrüßenswert, wenn vielleicht im Zuge der Bundestagswahlen kommende Mehrheiten den nötigen Mut fänden, um das Betäubungsmittelgesetz endlich der gelebten Realität oder zumindest der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzupassen.
Letzteres könnte unsere Schutzpolizei, besonders das LKA, wenigstens von vielen Fällen der Verfolgung von strafbarem Betäubungsmittelbesitz von Amts wegen entlasten. Diese binden einen riesigen Anteil der Ressourcen, um dann im Papierkorb zu laden, weil es keine Chance auf eine Anklageerhebung oder Verurteilung gibt. Insbesondere das gegenwärtige Vorgehen bei Cannabisprodukten frustriert völlig unnötig engagierte Polizisten. Ich kann die Kolleginnen und Kollegen von den Volksparteien nur wieder einmal bitten, endlich auf die
Verfassungsrichter, auf das Bündnis der Strafrechtsexperten und auf den Bund Deutscher Kriminalbeamter zu hören. Sie könnten durch Gesetzgebung bei der Kriminalpolizei nächstes Jahr wertvolle Kapazitäten freisetzen, um gefährlichere Kriminalität zu bekämpfen, anstatt den Rechtsstaat in Erfüllung der Dienstpflicht weiterhin öffentlich zur Farce machen zu müssen.
Die Zehntausende eingesetzten Mannstunden der Polizei, um im Rahmen der Taskforce mit Kleindealern Räuber und Gendarm zu spielen, bringen nicht nur wenig für die Sicherheit, sondern fehlen überall dort, wo Kriminalitätsfelder überhandnehmen. Ich nenne hier beispielsweise das Deliktsfeld Warenkreditbetrug.
Hinsichtlich der Schutzpolizei wäre bei der Aufgabenkritik zunächst einmal zu überprüfen, ob die Aufnahme von Unfällen, von Personenschäden oder möglicher Straftatbestände weiterhin durch die Polizei erfolgen muss – ein altes Thema. Ein vereidigter Sachverständigendienst könnte diese Sicherung von zivilrechtlichen Ansprüchen vermutlich ebenso gut erfüllen.
Das Thema Schäden leitet mich zur Produktgruppe Feuerwehr weiter. Hier fällt bei der Lektüre des Haushaltsplans wie schon bei den Quartalsberichten sofort auf, dass die Erfüllungsquoten für die Eintreffzeiten beim kritischen Wohnungsbrand nicht nur stetig verfehlt werden, sondern sich in der Tendenz von der Planzahl von 85 Prozent immer weiter entfernen. Da sich der Senat schon seit Beginn der Legislatur über ein paar pauschale und immer wieder mit copy and paste gesetzte Bausteine hinaus nicht dazu äußert, wie man denn zumindest wieder in die Richtung der 85 Prozent hinkommen will,
erscheinen die fortgeschriebenen Zielzahlen im Einzelplan schlicht und einfach unseriös. Auch wenn diese Haushaltspläne im Dezember beschlossen werden, sind Haushaltskennzahlen kein Wunschzettel. – Ich sehe, meine Zeit geht zu Ende.
Wenn der Staat die Daseinsvorsorge im Rahmen eines Monopols nicht erfüllen kann oder will, darf er es nicht mehr beanspruchen. Auch die indirekte Subvention durch chronische Kostenunterdeckung gilt es zu überprüfen.
Ich komme zum Schluss. Die Innere Sicherheit und der Brand- und Katastrophenschutz für die Menschen in Hamburg dürfen nicht vom Zufall in Form der aktuellen Kassenlage abhängen, sondern müs
sen nachhaltig und strukturell ausfinanziert sein. Wenn Budget und Aufgaben dauerhaft strukturell auseinanderfallen, müssen die Budgetzuteilungen an die Aufgaben oder die Aufgabenzuteilung an die Budgets angeglichen werden. In dieser Hinsicht ist der vorliegende Einzelplan unzureichend. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrtes Präsidium, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen von Frau Möller von den GRÜNEN und insbesondere von Frau Schneider von der LinksFraktion müssen unbedingt eine angemessene Erwiderung erfahren.
Sehr geehrte Frau Schneider, man kann von Abschiebungen nach Afghanistan halten, was man will. Man kann die eine oder die andere Position durchaus berechtigterweise einnehmen. Was man nicht kann und womit Sie wirklich den Rahmen des Zulässigen verlassen, ist es, deutschen Ausländerbehörden zu unterstellen, sie würden willkürlich handeln und Rechtsbruch begehen. Das geht einfach nicht.
Wir alle verteidigen, da seien Sie sicher, die Regeln des Völkerrechts. Aber wir verteidigen niemals Ihre Auslegung des Völkerrechts. Niemals.
Frau Möller, wen wollen Sie denn mit Ihrer Umfrage unter Hamburger Soziologiestudentinnen und -studenten beeindrucken, in der diese gesagt haben,
die Innere Sicherheit spiele gar keine Rolle? Das mag ja so sein, hat aber für mich keine Bedeutung. Herr Gladiator sagte vorhin: Fragen Sie einmal die Hamburger Bürgerinnen und Bürger. Ja, fast richtig, Herr Gladiator. Ich sage, fragen Sie doch bitte einmal die Opfer dieser vielen hunderttausend Straftäter; die werden Ihnen sagen, wo bei Ihnen die Innere Sicherheit steht, nämlich ganz oben.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Möller?
Nein, danke. – Frau Möller, wenn Sie diesem massiven Kriminalitätsgeschehen in Deutschland wirklich nur
mit der Erhöhung der interkulturellen Kompetenz von Polizeibeamtinnen und -beamten begegnen wollen, dann gehören Sie nicht in den Innenausschuss. Die großen Problemlagen, die es im Bereich der Inneren Sicherheit in Hamburg gibt – offene Drogenszene, Einbruchdiebstähle, niedrigste Aufklärungsquote in ganz Deutschland –, sind für uns alle Monate Anlass zu intensiven Debatten in diesem Haus über die gewaltigen Versäumnisse dieses Senats.
Nun versucht der Senat durch Schaffung 300 neuer Stellen bis 2021 dieser gefährlichen Entwicklung gegenzusteuern. Das ist zu wenig, das ist viel zu wenig. Herr Münster, Sie sind ein sehr geschätzter Kollege von mir
ich weiß, jetzt bekommen Sie wieder Probleme in Ihrer Fraktion –; aber wenn Sie mir ernsthaft sagen wollen, man wolle durch Umstrukturierungen im Bereich der Landespolizei weitere 200 Beamtinnen und Beamte auf die Straße bringen, dann ist das Märchenland. Denn wie viele Umstrukturierungen hat es denn bereits im Bereich der Hamburger Polizei gegeben? Polizeidirektion. Während meiner damaligen Amtszeit gab es zwei oder drei. Wir haben wirklich versucht, dadurch etwas auf die Straße zu bringen. Es ist damals etwas bescheiden gelungen. Dafür haben wir aber an anderer Stelle brilliert.
Als die Hamburger AfD während des Wahlkampfs 2014 500 neue Stellen im Bereich der Polizei forderte, weil diese Stadt Jahr für Jahr von immer wieder neuen Kriminalitätswellen überrollt wird, weil die Polizeibeamtinnen und -beamten eine Million Überstunden vor sich herschieben und weil die Gewährleistung der Inneren Sicherheit eine nicht verhandelbare Kernaufgabe dieses Staats ist, war die Antwort durch die Bank, für 500 Polizistinnen und Polizisten gebe es gar keinen Bedarf, das sei reiner Populismus der AfD und überhaupt nicht zu finanzieren, es gebe überhaupt keine entsprechenden Fachkräfte, die man dafür einstellen könne, und vor allem gebe es gar keine Ausbildungskapazitäten. Nun hat der Senat allerdings wieder einmal viel zu spät unter dem Druck der Ereignisse notgedrungen reagiert, weil die Überlastung der Polizei mittlerweile kaum noch zu verantworten ist und sich die Bürgerinnen und Bürger in Hamburg durch diesen Senat im Bereich der Inneren Sicherheit verraten und verkauft fühlen und weil last, but not least, da beißt die Maus keinen Faden ab, allein die guten Prognosen der AfD bereits als Katalysator für gutes Regierungshandeln dienen.
Unsere Wahlerfolge, unsere Umfragewerte machen der SPD Beine, und zwar in jedem Bereich, selbst im Bereich der Inneren Sicherheit.
Herr Dr. Dressel, Sie brüsteten sich vorgestern im Rahmen der Generaldebatte damit, mit diesen 300 zusätzlichen Stellen bis 2021 habe man die Zahl von 8 000 Polizeistellen erreicht und so eine wunderbare Steigerung habe es nie in Hamburg gegeben, weder unter Schill noch unter Nockemann.
Wenn ich das einmal vornehm ausdrücken möchte, würde ich sagen: Onkel Toms oder Onkel Dressels Märchenstunde. Und wenn ich es so ausdrücken wollte, wie ich es empfinde, würde ich sagen: Für wie dumm halten Sie dieses Parlament eigentlich? Anfang 2004 hat es eine Schriftliche Kleine Anfrage Ihres damaligen Fraktionskollegen und späteren Innensenators Michael Neumann an den Senat gegeben – spitzen Sie einmal die Ohren, Herr Dressel –,
Frage 3 lautete: Wie viele Bestandspolizistinnen und -polizisten und wie viele Stellen gibt es denn? Bezeichnenderweise lautete die Überschrift dieser Kleinen Anfrage von Herrn Neumann in seiner üblichen Diktion: Klarheit und Wahrheit statt Zahlentricks. Die Wahrheit und Klarheit hat er dann bekommen; das hat ihm aber nicht gepasst. Zum 1. Januar 2002 gab es danach in Hamburg 7 829 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte. Zum 1. Januar 2003, ein Jahr später, gab es 8 182 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte, ohne Angestellte im Polizeidienst, also 300 Beamtinnen und Beamte mehr innerhalb eines Jahres. Dann gab es zum 31. Dezember 2003 8 462 Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamte, also noch einmal 250 mehr. Aber Sie interessieren natürlich auch die Stellen. 2002 gab es 7 558 Stellen. Dann gab es zum 1. Januar 2003 7 881 Stellen, wieder einmal 250 mehr. Und am 31. Dezember des Jahres 2003 gab es 8 185 Stellen im Bereich des Polizeivollzugsdienstes. Herr Dressel, wie gesagt, versuchen Sie nicht, mich für dumm zu verkaufen. Das, was ich Ihnen hier vorgetragen habe, ist eine Leistungsbilanz.