Darüber hinaus ist es aber tatsächlich so, dass in der Zuständigkeit der Innenbehörde auch die Ausländerbehörde und damit die Erstaufnahme von Geflüchteten oder auch die Umsetzung der aufenthaltsrechtlichen Regelungen außerhalb des Asylverfahrens liegt. Die große Aufgabe in den letzten anderthalb Jahren, in kurzer Zeit neu Angekommene, Geflüchtete unterzubringen und zu versorgen,
Dazu haben wir hier viel debattiert und werden auch weiterhin viel debattieren. Bei notwendigen Aufenthaltsbeendigungen hat Hamburg bisher äußerst erfolgreich Menschen zur freiwilligen Rückkehr beraten und Wege und Unterstützung aufgezeigt. Die Gesamtzahl der Rückkehrenden hat jeweils die Zahl der Abschiebungen um das Dreioder Vierfache überstiegen. Diesen Weg werden wir weiterverfolgen; die qualifizierte Beratung wird gestärkt werden.
Ganz anders – es wird Sie nicht überraschen, dass ich noch einmal auf dieses Thema zu sprechen komme – stellt sich die vom BMI und Herrn de Maizière seit Monaten angekündigte und gestern umgesetzte populistische Inszenierung einer Sammelabschiebung von insgesamt 34 Personen nach Afghanistan dar. Auch in Hamburg wurde die Notwendigkeit gesehen, sich daran zu beteiligen. Nachdem wir nun alle wissen, wie es umgesetzt wurde, muss ich heute selbstkritisch sagen, dass es auch in Hamburg nicht gelungen ist, den ausreisepflichtigen Menschen ausreichend gerecht zu werden. Die Verständigung darauf, nur sorgfältig überprüfte, eindeutige Fälle zu benennen, ist aus unserer Sicht nicht hinreichend umgesetzt worden. Wir wissen im Übrigen selbstverständlich, dass auch andere europäische Länder trotz der Sicherheitslage nach Afghanistan abschieben. Doch das hilft uns bei unseren Entscheidungen hier und heute nicht, gemessen an unserer Verantwortung gegenüber den einzelnen Menschen. Auch wenn es gelang, fast der Hälfte der auf dem Flieger gebuchten Menschen zu einer Überprüfung ihres Falls zu verhelfen, muss man schlicht und einfach sagen, dass dieser Vorgang sich nicht wiederholen darf.
Hierzu führen wir in der Koalition Gespräche, die wir auch weiterhin führen werden. Allen betroffenen Menschen kann ich an dieser Stelle nur empfehlen, den Rechtsweg zu suchen. Denn eines hat sich gestern und in den vergangenen Tagen gezeigt – und das ist ein gutes Ergebnis –: Der Rechtsstaat mit seinen Mechanismen funktioniert, wie im Übrigen auch die Arbeit im Eingabenausschuss.
Es ist nichts Einfaches auf der Seite, meine Damen und Herren von der Opposition, und es ist auch nichts, worüber man zynisch reden sollte. Wir haben schlicht und einfach die Verantwortung für die Menschen.
Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis dafür, dass das Anheizen der Stimmung, dass jede im Asylverfahren abgelehnte Person schlicht und einfach abzuschieben sei, unanständig ist.
Und wir brauchen eigenständige, selbstbewusste Lösungen auf Landesebene, die vor allem den langjährig ohne sicheren Aufenthaltstitel hier lebenden afghanischen Staatsangehörigen Perspektiven aufzeigen.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Anders als meine Vorrednerinnen und Vorredner möchte ich auf die Situation der Grund- und Menschenrechte in Hamburg eingehen. Ich werde mich auf einen einzigen Komplex konzentrieren, nämlich auf die Rechte der am meisten Schutzbedürftigen in unserer Stadt, auf die Rechte der Geflüchteten ohne Bleibeperspektive, wie es heißt. Ihre Rechte sind ein wichtiger Parameter für die gesamte Situation der Grund- und Menschenrechte. Man möchte glauben, dass sich die Situation der Grund- und Menschenrechte unter Rot-Grün gegenüber der letzten Legislaturperiode zum Besseren entwickeln würde. Dass bei Rot Grundrechte, Bürgerrechte, Menschenrechte eher die dritte Geige spielen, ist kein Geheimnis, aber Grün war einmal angetreten als Bürgerrechtspartei, als Partei, die die Grund- und Menschenrechte auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Ich schätze immer noch den Einsatz einiger grüner Kolleginnen und Kollegen im Bund und auch im Land, aber die Partei hat diese Qualität eingebüßt.
Deshalb hat sie den Kurs des Senats auch nicht wesentlich beeinflussen können. Ich habe die Rede des Bürgermeisters vor zwei Tagen mit Interesse verfolgt, sein Lob der Prestigeprojekte, die seine Entwicklungsideen für Hamburg symbolisieren. Ein Prestigeobjekt hat er zu erwähnen vergessen, nämlich den ersten Abschiebegewahrsam in der Bundesrepublik Deutschland. Ja, es musste unbedingt der erste sein, weil Hamburg beim Kurs der Verschärfung des Asylrechts Vorreiter sein möchte,
beim Kurs des Abbaus von Grund- und Menschenrechten der Geflüchteten, denen kein Bleiberecht zugebilligt wird. Ein Kinderspielplatz wurde in diesem Prestigeobjekt ebenfalls eingerichtet, weil im Zweifelsfall auch Kindern, in der Regel traumatisierten Kindern, die Freiheit entzogen werden soll. Kosten und Mühen wurden und werden nicht gescheut. Gut 180 000 Euro hat die Herrichtung gekostet. Die jährlichen Kosten liegen nach gegenwärtigen Schätzungen des Senats bei 1,2 Millionen Euro. Werte Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ihr tragt die reale Funktion dieses Abschiebegewahrsams mit und vielleicht habt ihr seine symbolische Bedeutung gnadenlos unterschätzt. Dass diese teure Einrichtung bisher in der Regel halb oder fast ganz leer steht, spielt für den Senat keine große Rolle; es geht eben auch und nicht zuletzt um den Symbolgehalt. Keiner hätte Hamburg zu diesem Abschiebegewahrsam zwingen können. Er war von diesem Senat gewollt. Die rechtlichen Einwände, die von vielen Seiten, auch von uns, im Vorfeld geäußert wurden, verhallten ungehört. Ohne auf die einzelnen Kritikpunkte einzugehen, geht es bei dem Abschiebegewahrsam hauptsächlich darum, dass Freiheitsentzug ermöglicht werden soll, wenn die Voraussetzungen für Abschiebehaft eben nicht vorliegen. Es geht darum, Abschiebungen, und vor allem auch Sammelabschiebungen, reibungsloser zu gewährleisten. Es geht also um die Beschränkung von Rechten Schutzloser, um reibungsloses Verwaltungshandeln zu ermöglichen. Der Eingriff in ein so hohes Rechtsgut, wie es die Freiheit in unserer Gesellschaft ist, ist damit nicht zu rechtfertigen.
Deshalb symbolisiert der Abschiebegewahrsam auch, dass Grund- und Menschenrechte der Geflüchteten ohne Bleibeperspektive, und ich wiederhole, von den am wenigsten Geschützten, im Zweifelsfall keine Rolle spielen. Wir wollen mit unseren Anträgen den Abschiebegewahrsam abschaffen und das Geld für die Stärkung von Grund- und Bürgerrechten ausgeben.
Zur Begründung unserer Forderungen nach einem unabhängigen Polizeibeauftragten komme ich aus Zeitgründen nicht; ich verweise aber auf die Rede der Kollegin Möller in der Haushaltsdebatte 2014.
Da es mir hier und heute um die Hamburger Abschiebepolitik geht, komme ich unvermeidlich zu dem Thema des gestrigen Tages, das weiter aktuell bleibt, nämlich der Sammelabschiebung nach Afghanistan, das dankenswerterweise auch Frau Möller angesprochen hat. Es geht um die Abschiebung in ein von Krieg, Terror und Konflikten zerrüttetes Land, in ein Land, das nach dem Global Peace Index das viertgefährlichste Land der Welt
ist, in dem die Zahl getöteter und verletzter Zivilisten 2015 mit 3 500 beziehungsweise 7 500 einen Höchststand erreichte und in dem 2016 mindestens ebenso viele Tote und Verwundete drohen, in dem es Hunderttausende Binnenflüchtlinge gibt, unzählige durch den anhaltenden Krieg entwurzelte Menschen, die in tiefster Not leben. Die Abschiebung in ein solches Land ist ein Rechtsbruch,
ist eine Verletzung der Genfer Konvention, die die Abschiebung in ein Land verbietet, in dem Leben gefährdet ist. Der Bundesminister erklärt Afghanistan par ordre du mufti zum sicheren Land, zumindest gäbe es sichere Gebiete. Auch in den wenigen Gebieten im Norden, die angeblich sicher sind, gibt es täglich Gefechte zwischen Milizen und Taliban. Niemand kann sagen, wie man sicher in diese Gebiete kommt und wie lange sie angeblich sicher bleiben. Die Bundeswehr ist nicht einmal in der Lage, das deutsche Konsulat in einem angeblich sicheren Gebiet zu schützen. Die Taliban kontrollieren laut NATO große Teile des Landes und auch der IS entfaltet in Afghanistan längst seine terroristischen Aktivitäten. Ich wiederhole: Die Abschiebung in ein solches Land ist ein glatter Rechtsbruch. Sie gefährdet Menschenleben, sie dient der Abschreckung. Sie dient dem Druck, freiwillig auszureisen. Machen Sie sich eigentlich eine Vorstellung, welcher Schrecken derzeit unter den afghanischen Geflüchteten hier in den Unterkünften, in den Familien, in den Schulklassen herrscht? Den Rechtsbruch als Mittel, Angst und Schrecken auszulösen, finde ich unerträglich.
Schlimm ist, dass Hamburg nicht hätte mitmachen müssen. Unsere Nachbarländer haben sich verweigert, doch auch hier beansprucht Hamburg eine Vorreiterrolle. Ich habe in den letzten Tagen eine Ausländerbehörde erlebt, die vor Eifer, möglichst viele Menschen in den Flieger zu schicken, völlig außer Rand und Band geraten schien,
die bei ihrem Übereifer auch etliche Rechtsbrüche oder rechtlich fragwürdige Maßnahmen in Kauf nimmt, zum Beispiel die Inhaftierung ohne richterlichen Beschluss oder einen Abschiebungsversuch trotz noch nicht entschiedenem Asylfolgeantrag, die Abschiebung eines Angehörigen einer verfolgten religiösen Minderheit ohne wirkliche Einzelfallprüfung - eine Ausländerbehörde also, die absolut willkürlich Menschen aus ihrem Leben herausreißt. Ich nenne zum Beispiel einen kürzlich Vater gewordenen Mann, der seit 21 Jahren hier lebt, einen unbefristeten Arbeitsvertrag hat und der nachts praktisch ohne Vorwarnung aus seiner Familie gerissen und zum Flieger transportiert wurde.
Eine Behörde ist an Recht und Gesetz gebunden. Ich erwarte eine vollständige Aufklärung möglicher Rechtsbrüche durch die Ausländerbehörde und entsprechende Konsequenzen, auch personelle.
Ein Wort zu den GRÜNEN: Ihre Pressemitteilung, Frau Gallina, Sie sind jetzt leider nicht da, und Herr Gwosdz, in allen Ehren, Ihre Ausführungen, Frau Möller, in allen Ehren. Aber solange sie konsequenzlos bleiben, solange diese Abschiebungen weitergehen, tragen Sie eine Mitverantwortung.
Die Bürgerschaft hat gestern die Hausordnung gegen den Protest meiner Fraktion entschlossen verteidigt. Verteidigen Sie doch genauso entschlossen geltendes Völkerrecht, die Genfer Flüchtlingskonvention und das Recht von Geflüchteten, nicht in Krieg und Terror abgeschoben zu werden. Keine Beteiligung an den Sammelabschiebungen nach Afghanistan. Legen Sie die Rechte der am meisten Schutzbedürftigen nicht der AfD zu Füßen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich war etwas überrascht über die Vorträge meiner beiden Vorrederinnen, und zwar nicht inhaltlich.
Ich denke schon, dass von Frau Möller und Frau Schneider sehr wichtige Fragen angeschnitten worden sind, die uns alle berühren. Auch mich berührt die Abschiebepraxis, auch mich berührt die Frage, ob Afghanistan ein sicheres Herkunftsland ist oder nicht. Auf der anderen Seite habe ich eine Haushaltsdebatte immer so verstanden oder verstehe sie immer noch so, dass es dabei vorrangig um den Haushalt dieser Behörde geht.
Sie haben sicherlich meine Unterstützung, wenn es darum geht, diese Fragen, die Sie eben angesprochen haben, an anderer Stelle, im Innenausschuss oder auch im Plenum, zu besprechen; dagegen habe ich überhaupt nichts, das würde ich begrüßen.
(Heike Sudmann DIE LINKE: Ohne Haushalt kann die Behörde gar nicht agieren, deshalb gehört es hierher! – Jörg Hamann CDU: Das unterstützen sogar wir!)
von ausgehe, dass wir die eben angesprochenen Fragen bei anderer Gelegenheit, vielleicht im Innenausschuss im Januar, näher besprechen werden.
Der Senat hatte sich bereits im Frühsommer für die drastischen Steigerungen des Einzelplans zugunsten des Innenbereichs entschieden und sich selbst dafür gefeiert. Ein genauer Blick auf den Einzelplan zeigt sehr schnell, dass die massive Ausgabensteigerung vor allem dazu dient, die zukünftigen Versorgungsleistungen seriöser abzubilden beziehungsweise zu berücksichtigen. Was an den zusätzlichen Ausgaben darüber hinausgeht, dient leider vor allem dazu, strukturelle Unterfinanzierung und Löcher der vorangegangenen Haushalte geradezuziehen. In den Quartalsberichten der Jahre 2015/2016 war nicht zu übersehen, dass es sich bei dem betreffenden Haushaltsbeschluss der SPD aus 2014 um einen Wahlkampfhaushalt gehandelt hat. So wurden immer wieder Kennzahlen aufgrund nicht auskömmlicher Budgets weit verfehlt oder nicht auskömmliche Budgets mussten durch Stellenbewirtschaftung ausgeglichen werden. Die letzten Tarifsteigerungen waren von vornherein unrealistisch niedrig geplant. Dass dies nun nachträglich korrigiert wird, ist so notwendig wie überfällig. Seriös wäre aber eine realistische Planung schon in 2014 gewesen. Leider setzt der Senat diese Art Planung für die nächste Tarifrunde fort. Das Ganze wieder nachträglich nach Kassenlage geradezuziehen funktioniert halt nicht immer. Konjunkturrisiken oder auch die greifende Schuldenbremse sind hierbei ein Vabanquespiel.