Protokoll der Sitzung vom 15.02.2017

(Beifall bei der LINKEN – Arno Münster SPD: Das stimmt doch nicht!)

Zum Verbandsklagerecht. Unsere klare Haltung dazu: Das Verbandsklagerecht ist ein demokratischer Fortschritt. Es kann nicht sein, dass nur diejenigen, die Grund und Boden haben und direkt dort sitzen, ein Klagerecht haben, aber die Natur oder diejenigen, die keinen Grund und Boden haben, nicht. Dementsprechend ist das ein demokratischer Fortschritt, wenn es so gelungen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die große Frage ist: Wie gehen wir jetzt mit dieser Situation weiter um? Weil sowohl von der FDP wie auch von der CDU gesagt worden ist, wir müssten den Hamburger Schifffahrtsort weiter stärken und dürften die armen Unternehmen, die Pacht zahlen, auf jeden Fall nicht stärkeren Belastungen aussetzen, noch einmal zur Erinnerung: Die Pachten betragen durchschnittlich 3,50 Euro pro Quadratmeter – im Jahr. Das ist die Situation, und das, sagen Sie, sei katastrophal. Diese Art Dauersubventionierung von Schifffahrtsstandorten und -betrieben kann keine Zukunft haben. Was ist denn passiert in dem Bereich, den wir das letzte Mal in dieser Republik dauersubventioniert haben, bei den Hamburger Reedern? Was ist denn geschehen in diesem Bereich, obwohl es praktisch gar keine Steuern mehr gegeben hat, Stichwort Tonnagesteuer? Es ist eine katastrophale ökonomische Entwicklung, die sich aufgrund dessen eingestellt hat. Ihre Dauersubventionierung, die Sie hier wieder fordern, ist nicht nur nicht gerecht, sie ist auch ökonomisch katastrophal und sollte nicht weitergeführt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiterer wichtiger Punkt, die Sache mit der HHLA-Aktie. Auch das ist doch Unsinn. Sehen Sie sich die Entwicklung der HHLA-Aktie in den letzten drei Monaten an. Unter anderem, vielleicht mit einer zu optimistischen Prognose, ist sie auf 30 Prozent gestiegen, wogegen sie vorher jahrelang immer vor sich hin gedümpelt ist. Und dann ist sie einmal um 10 Prozent gesunken, und daraus machen Sie gleich eine Staatsaffäre. Das ist doch Unsinn. Auch das ist kein Argument, diese Thesen, die Sie vorbringen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Uwe Giffei und Wolfgang Rose, beide SPD)

Dementsprechend vergessen Sie völlig – darauf möchte ich noch einmal hinweisen – die immensen nicht nur ökologischen, sondern auch ökonomischen Kosten, die die Elbvertiefung hat; weit über 600 Millionen Euro. Wir vermuten nach den gegenwärtigen Informationen, dass wir auf jeden Fall die Elbphilharmonie-Kosten erreichen werden. Dazu haben wir jährlich eine Subventionierung der Baggerei. Das kostet den Hamburger Haushalt schon jetzt jedes Jahr über 100 Millionen Euro, und das wird sich durch eine weitere Elbvertiefung noch einmal dramatisch erhöhen. Wir werden also weiter über 100 Millionen Euro jährlich Ausgaben allein für Baggerarbeiten haben. Auch darüber muss man sich Gedanken machen. Das sollte doch ökonomisch begrenzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch zwei Punkte hinzufügen, weil sie wichtig sind für die weitere Debatte. Der eine – es wurde angesprochen, aber darüber ist zu wenig nachgedacht worden – ist die Frage der Hafenkooperation. Sie bedarf einer genaueren Diskussion, als wir sie im Plenum führen. Ich will Ihnen etwas ganz Einfaches sagen.

(Michael Kruse FDP: Erzählen Sie doch mal von Ihrem Gutachten, Herr Hackbusch!)

Wir waren im Jahre 2001 in einer Situation, die besser war als die jetzige. Vielleicht kann sich der Bürgermeister noch daran erinnern. Es gab eine Beteiligung von Hamburg am Wilhelmshavener Hafen. Einen solchen Schritt im Zusammenhang mit der HHLA zu diskutieren und sich dort zu beteiligen und gemeinsame Angebote für die Chinesen und andere Reeder zu machen, ist etwas, das damals vernünftig war und meiner Meinung nach heute noch um einiges vernünftiger ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Debatte, die im Jahr 2001 hier in der Bürgerschaft darüber geführt worden ist, warum das abgeschafft worden ist, ist eine sehr erstaunliche Debatte, die man vielleicht noch einmal nachvollziehen sollte. Das wesentliche Argument gegen diese Kooperation war: Die Schiffe werden jetzt 7 500 TEU groß, es ist es nicht vorstellbar, dass

sie größer werden. Dementsprechend hätte Wilhelmshaven nie eine Perspektive. Alle diese Argumente sind überholt durch die ökonomischen Wirklichkeiten. Eine Hafenkooperation ist notwendig und auch einfach zu machen, und dementsprechend wäre das durchaus ein Schritt, den Sie diskutieren müssen.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Kruse FDP: Haben Sie Ihr eigenes Gutachten ge- lesen?)

Ja, wir haben das Gutachten genau gelesen. Was ich Ihnen eben dargestellt habe, ist eine der Schlussfolgerungen, die ich aus dem Gutachten ziehe.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu weiteren Punkten. Natürlich muss man sich überlegen, die Hinterlandverkehre in dieser Stadt neu zu organisieren. Und zum Stichwort Hafenentwicklungsplan: Die neuen Zahlen aus dem Hamburger Hafen, weniger als 9 Millionen TEU, ist die Hälfte von dem, was angekündigt worden ist und woran der letzte Hafenentwicklungsplan an Masse orientiert war. Aufgrund dessen die gesamte Planung im Hamburger Hafen umzustellen, wäre ein vernünftiger Schritt. Das ist langfristige Entwicklungsplanung für den Hamburger Hafen, und das wäre die Zukunft. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Zu den Beschäftigten haben Sie gar nichts gesagt!)

Das Wort bekommt Frau Suding von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom letzten Donnerstag zur Elbvertiefung ist ein herber Rückschlag für den Hamburger Hafen und damit für die Stadt und die Metropolregion Hamburg.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Der Planfeststellungsbeschluss wurde Gott sei Dank nicht aufgehoben, aber – und dabei ist es völlig egal, ob 90 Prozent der Punkte unstrittig sind – dieser Planfeststellungsbeschluss wurde für rechtswidrig und damit für nicht nachvollziehbar erklärt. Das ist Fakt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Vollziehbar und nachvollziehbar sind verschiedene Dinge!)

Herr Dressel, das sollten Sie, Herr Jurist, zur Kenntnis nehmen.

Es kann nämlich nicht gebaut werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es kann also immer noch nicht losgehen. Die jahrelange Hängepartie geht weiter. Hafen und Hafenwirtschaft müssen weiterhin um ihre Ladung, um Geschäftsmodelle, um ihre gesamte Zukunft bangen. Für Hamburg war der letzte Donnerstag ein sehr schlechter Tag. Dieses Urteil ist ein Debakel. Sie, Herr Bürgermeister, konnten leider auch mit Ihrer Regierungserklärung nicht widerlegen, dass das so ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dieses Debakel kommt keineswegs aus dem Nichts. Das Urteil ist leider eine Klatsche mit Ansage. Spätestens seit 2014 war klar, dass das Bundesverwaltungsgericht Zweifel daran hatte, ob die vorgesehenen Maßnahmen zum Schutz des Schierlings-Wasserfenchels ausreichend sein würden, und es hatte auch erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit von Kreetsand als Ausgleichsmaßnahme. Diese Zweifel wurden von der Stadt auch in den nachgebesserten Planungsunterlagen nicht ausgeräumt. In der mündlichen Verhandlung kurz vor Weihnachten 2016 wurden sie noch einmal deutlich – sogar von Etikettenschwindel sprach das Gericht in Bezug auf die vorgeschlagene Ausgleichsmaßnahme. Damit attestierten die Richter den Verantwortlichen der Stadt ein unglaublich arrogantes und für Hamburg obendrein gefährliches Verhalten. Verantwortlich dafür ist am Ende der Erste Bürgermeister. Olaf Scholz nämlich hat das Projekt zur Chefsache gemacht, war aber bis heute nicht in der Lage, dieses zum Erfolg zu führen.

Nach dem verlorenen Volksentscheid zu den Energienetzen, dann dem verlorenen Volksentscheid zu Olympia, um nur einmal zwei Beispiele zu nennen, zeigt diese neue Niederlage wieder einmal, dass die Zukunft dieser Stadt bei Ihnen in den falschen Händen ist, Herr Scholz. Statt sich mit dem gebotenen Einsatz um das wichtigste Infrastrukturprojekt der Stadt zu kümmern, gefallen Sie sich lieber in der Bundespolitik, und dafür bekommt Hamburg nun die Quittung.

(Beifall bei der FDP und bei Ralf Niedmers CDU)

Der Enthusiasmus, den sowohl Senator Horch bei der Pressekonferenz in Hamburg als auch der Erste Bürgermeister am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin an den Tag gelegt haben, ist daher überhaupt nicht nachvollziehbar.

Heute haben wir wieder gehört, dass die Fahrrinnenanpassung kommen wird. Das werden wir sehen. Der heutige Auftritt des Bürgermeisters war in dieser Hinsicht wirklich schrecklich. Ich weiß nicht, woher er die Sicherheit nehmen will, dass diese Elbvertiefung kommt. Das Gleiche gilt für den Auftritt von Senator Horch und HPA-Chef in der Pressekonferenz. Alle haben auf Nachfrage hin überaus deutlich gemacht, dass sie keineswegs von den Auflagen des Gerichts überrascht waren; man

(Norbert Hackbusch)

habe das erwartet. Und alle haben versichert, dass die Erfüllung dieser Auflagen überhaupt kein Problem sei; man habe ja schon eine Liste an weiteren Ausgleichsflächen zur Hand, die müsse man jetzt bloß prüfen und dann in das Verfahren einbringen. Aber wenn erwartet wurde, dass das Gericht diese Auflagen machen würde, und es angeblich so einfach ist, diese zu erfüllen, dann drängen sich doch vehement ein paar Fragen auf. Warum haben denn die Planer die beanstandeten Planungsfehler nicht schon längst abgestellt? Warum haben die Verantwortlichen nicht viel früher die Chance genutzt, die Planungsunterlagen so nachzubessern, dass wir am 9. Februar 2017 grünes Licht bekommen haben? Warum ist der rot-grüne Senat das für den Hafen so unglaublich große Risiko eingegangen, dass die Fahrrinnenanpassung jetzt noch einmal um unbestimmte Zeit verschoben oder vielleicht sogar nie kommen wird? Die Antwort ist: Sie waren zu nachlässig und haben damit die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft der Stadt aufs Spiel gesetzt.

(Beifall bei der FDP und bei Ralf Niedmers und André Trepoll, beide CDU)

Es ist wahrlich nicht leicht, die durchaus hohen Auflagen des Gerichts zu erfüllen. Das kann Hamburg nicht im Alleingang lösen; dazu braucht es eine funktionierende Zusammenarbeit mit den angrenzenden norddeutschen Ländern, insbesondere mit Niedersachsen. Aber der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies – in Klammern: SPD – hat schon kurz nach der Urteilsverkündung deutlich gemacht, dass sein Interesse an einem starken Hamburger Hafen nicht so ausgeprägt ist.

Wenn es dann doch gelingt, diese Ausgleichsmaßnahmen zu finden, dann ist noch völlig unklar, ob sie erstens durch das Bundesverwaltungsgericht akzeptiert werden, und zweitens – das ist noch entscheidender –, ob die Umweltverbände nicht schon wieder klagen werden. Die Aussagen aus deren Richtung lassen jedenfalls nichts Gutes ahnen, was mindestens eine Verzögerung, im schlimmsten Fall sogar das Aus für die Elbvertiefung bedeuten würde.

Bei allem Verständnis dafür, dass es jetzt darum geht, die Kunden des Hafens nicht zu verlieren und ihnen und sich selbst nach dem für Hamburg so negativem Urteil Mut zu machen, muss es doch jetzt vor allen Dingen darum gehen, die Situation ehrlich, realistisch und nüchtern einzuschätzen. Das ist der Senat den Hamburgerinnen und Hamburgern schuldig. Das ist auch notwendig im Umgang mit den Hafenkunden, denn sie bindet man vor allem durch Vertrauen in das, was versprochen wurde. Versprochen wurde vom Wirtschaftssenator kurz nach Aufnahme seiner Amtsgeschäfte im Jahr 2011, dass Anfang 2012 die Bagger rollen. Jetzt schreiben wir das Jahr 2017 und immer noch

ist kein Bagger weit und breit zu sehen. So verspielt man Vertrauen.

(Beifall bei der FDP und bei André Trepoll und Ralf Niedmers, beide CDU)

Dieses Vertrauen muss der Senat jetzt so schnell wie möglich wieder aufbauen, aber nicht, indem den Reedereien Zeitpläne für die Elbvertiefung vorgelegt werden, die völlig unrealistisch sind und jeglicher Grundlage entbehren. Senator Horch muss schnell das Gespräch mit den Verantwortlichen in den Reedereien suchen und ihnen Anreize bieten, dass sie Hamburg mit ihren Liniendiensten weiter anlaufen, auch wenn der Hamburger Hafen jetzt im Wettbewerb mit anderen europäischen Häfen weiter an Attraktivität verlieren wird. Häfen wie Rotterdam und Antwerpen haben sich nämlich nach der Wirtschafts- und Finanzkrise besser erholt als Hamburg. Dort sind die Umschlagzahlen schneller gewachsen als in Hamburg, und dieser Trend wird sich durch die verzögerte Elbvertiefung noch verstärken.

Die Reedereien planen jetzt ihre Routen für die nächsten Jahre. Wenn Hamburg jetzt aus diesen Routenplänen herausfällt, kommen diese Schiffe auch nach einer Elbvertiefung in ein paar Jahren nicht wieder. Hamburg verkäme dann zum Regionalhafen, mit schweren wirtschaftlichen Folgen für die Stadt und die gesamte Metropolregion. Oberste Priorität muss daher haben, den Verlust von Ladung an andere Häfen in Europa zu stoppen.

Wenn Sie, Herr Dressel, mit dem Finger auf andere zeigen, wie Sie es auch heute in Ihrer Rede getan haben, dann möchte ich Sie noch einmal daran erinnern, dass es auch Ihr eigener Koalitionspartner ist, der nichts unversucht lässt, die Elbvertiefung scheitern zu lassen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ne, Unsinn!)

Ich jedenfalls habe noch nie einen Fall erlebt, in dem Koalitionspartner in ihrem Koalitionsvertrag explizit festhalten, dass sie sich über eines der zentralen Vorhaben der Legislaturperiode uneinig sind.

(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Auch das ist nicht richtig!)

SPD und GRÜNE haben in ihrem Vertrag festgestellt, dass sie sich über die Notwendigkeit der Elbvertiefung nicht einig sind.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und wie geht das dann weiter im Koalitionsvertrag?)