Protokoll der Sitzung vom 01.03.2017

Vielen Dank, Herr Hackbusch. – Als Nächstes erhält das Wort Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe in doppelter Hinsicht ein kleines Problem. Das eine Problem ist, dass ich ein sehr enges emotionales Verhältnis zu Israel habe. Ich habe in einem Kibbuz gearbeitet und in einer nationalen Klinik in Jerusalem, und alle Angriffe auf Israel, auch wenn sie vielleicht im Einzelfall einmal richtig sein sollten, berühren mich persönlich ganz besonders. Das ist das eine Problem.

Das zweite Problem: Ich weiß erst seit wenigen Stunden, dass ich zu diesem Punkt reden soll, werde Ihnen also eine fremdformulierte Rede vortragen. Das Übliche, nämlich die Punkte, die Sie sonst von mir kennen, werden Sie also nicht hören.

(Zurufe von Dr. Anjes Tjarks GRÜNE und André Trepoll CDU)

Es mag sich auch ein bisschen anders anhören. Ich bitte, das zu entschuldigen.

Zunächst einmal möchten wir feststellen, dass wir die Idee des CDU-Antrags natürlich teilen. BDS ist, nicht nur für mich aufgrund der Situation, die ich gerade schilderte, sondern auch generell, eine schwer zu ertragende Bewegung. Dagegen muss man in der Tat vorgehen. Wir können Ihrem Antrag allerdings trotzdem nicht zustimmen, da er sowohl in den Petita als auch zum Teil in der Lyrik oder der Einführung nicht unseren Ansprüchen genügt. Sie fordern im ersten Petitum des Antrags eine Verurteilung durch dieses Haus unter der Erhebung des massiven, aber diffizilen Vorwurfs des Antisemitismus gegen die BDS-Bewegung. Das wurde hier schon ausgeführt: Ich bin, vorsichtig formuliert, nicht davon überzeugt, dass BDS antisemitisch ist – antiisraelisch ist sie sicher. Aber mit dieser scharfen Keule des Antisemitismus zu kommen, und dann noch in Deutschland, und dann im Einführungstext auch noch die Nationalsozialisten zu zitieren, das muss man sich erstens gut überlegen und zweitens gut begründen. Beides haben Sie hier nicht geleistet, und darum werden wir diesem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP und bei Martin Dolzer DIE LINKE)

Im Vortrag kam ein bisschen mehr, aber auch das, finde ich, hat nicht ausgereicht. Insbesondere – es wurde schon darauf hingewiesen – wurde zu wenig dargestellt, was in Hamburg passiert ist, abgesehen davon, dass Herr Esack hier gesprochen hat.

Punkt II ist auf den ersten Blick durchaus eingängig, sodass man sagen könnte: Ja, Behörden sollten das nicht unterstützen und so weiter, das ist in Ordnung. Es werden aber zum Teil Selbstverständlichkeiten aufgeführt, und zudem fordern Sie den Senat zu Aktivitäten auf, die dieser nach unserem Eindruck seit vielen Jahrzehnten ohnehin stetig verfolgt – übrigens verschiedene Senate, auch die CDU-geführten Senate haben sich in dieser Hinsicht eigentlich korrekt verhalten, ebenso wie der jetzige Senat. Insofern sehen wir eigentlich keinen Grund, solche Selbstverständlichkeiten noch einmal zu beschließen, insbesondere weil das so ausgelegt werden könnte, dass es vielleicht bisher nicht der Fall war.

(Beifall bei der FDP)

Dann gibt es noch den Antrag von Rot-Grün. Es klingt ein bisschen danach – erst werden die GRÜNEN angeführt, dann die SPD –, dass die Initiative oder die Federführung vielleicht bei den GRÜNEN gelegen hat. Es passiert mir nicht oft, aber diesem Antrag können wir inhaltlich als solchem zustimmen und werden das auch tun. Es handelt sich aus meiner Sicht um eine sehr gute Analyse, gar keine Frage, die wir teilen, ebenso die Petita. Was uns fehlt: Es bleibt bei einer Beschreibung oder ei

nem Anschluss an fremder Leute Äußerungen. Wir glauben aufgrund meiner einführenden Worte schon, dass bezüglich BDS noch weiterer Recherchebedarf besteht. Wir wollen es gern noch etwas genauer wissen und uns nicht darauf beschränken, uns einfach dem anzuschließen, was die Akademie der Weltreligionen herausgefunden hat. Wir glauben, dass eine weitere Analyse nötig ist. Darum haben wir einige Petita aufgeschrieben, inwieweit hier eine weitere, auch staatlich gestützte Recherche stattfinden soll. Und sollte diese zu Ergebnissen führen, die tatsächlich Handeln erfordern, dann hat ein solches auch zu erfolgen.

Das ist der Schwachpunkt des rot-grünen Antrags – dem wir, wie gesagt, zustimmen –: Uns fehlen die tiefere Analyse und möglicherweise auch die Ankündigung, von mir aus sogar Androhung, von Konsequenzen, wenn bei der Recherche schlimmere Dinge hervorkommen. Das ist der Grund, warum wir den CDU-Antrag ablehnen werden, dem rot-grünen Antrag zustimmen werden und Sie um Unterstützung für unseren Antrag bitten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Mathias Pe- tersen SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Schinnenburg. – Es erhält das Wort Professor Kruse von der AfD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Antiisraelische und antisemitische Haltungen gehören zur gemeinsamen Ideologie aller muslimischen Länder, insbesondere in der arabischen Welt,

(Zurufe von der LINKEN: Oh! – Kazim Abaci SPD: Wir sind doch in Hamburg!)

so unterschiedlich und untereinander verfeindet diese sonst auch sein mögen. Fast immer ist dies mit Aggression und Rassismus und oft auch mit Gewalt verbunden. Eine besonders negative Rolle spielt in diesem Kontext die Terrororganisation Hamas, die, wenn sie denn könnte, die Juden Israels ins Meer treiben würde, wie sie häufig selbst verkündet hat. In diesem ideologischen Kontext wirkt auch die BDS-Bewegung. Uns in Deutschland erinnert das an die damalige Nazi-Parole "Kauft nicht bei Juden!". Heute ist Israel ein Land mit Demokratie, Rechtsstaat, Bürgerrechten und, in dieser Weltregion besonders bemerkenswert, religiöser Toleranz – und das in der Nachbarschaft von Diktaturen unterschiedlichster Prägung, Ländern ohne Gewaltenteilung und ohne Rechtsstaat, mit starken islamistischen Bewegungen und der dazugehörigen Intoleranz und Irrationalität. Sehr viele trachten dem Staat Israel und den Juden buchstäblich nach dem Leben. Schon deshalb verdient Israel unsere Solidarität in Worten und Taten.

(Dr. Wieland Schinnenburg)

(Beifall bei der AfD)

Und dazu gehört die Zurückweisung antisemitischer Bestrebungen und Organisationen wie der BDS. Dazu hat Herr Ovens vorhin eine tolle Rede gehalten; Glückwunsch dazu. Wir werden also dem Antrag zustimmen. Dieser Antrag hat ein so zurückhaltendes, abgewogenes Petitum, dass eigentlich jeder hier im Parlament zustimmen können müsste. Aber für die Mächtigen im Hause hat der Antrag einen wesentlichen Haken: Er ist von einer Oppositionspartei eingebracht worden, und Oppositionsanträge gehören niedergestimmt.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Hören Sie doch auf mit der Jammerei!)

Ein solches Standardverhalten schadet dem Parlament und seinem Ansehen bei den Bürgern. Darüber sollten wir einmal im Unterausschuss Parlamentsreform sprechen, wo wir alle miteinander um das Ansehen dieses Parlaments besorgt sind.

(Wolfgang Rose SPD: Sie haben Herrn Tjarks nicht zugehört!)

Hier hätten Sie einmal Größe zeigen können, Herr Dr. Dressel und Herr Dr. Tjarks, das hätte dem ATeam Ehre gemacht. Dann hätte ich Chapeau gesagt.

(Zurufe von der SPD)

Auch dem FDP-Antrag, dessen Petitum etwas spezifischer und deshalb möglicherweise etwas kontroverser sein könnte, kann man gut zustimmen. Wir werden das tun und auch die Mehrheitsfraktionen müssten das tun können. Aber was machen Sie stattdessen? Sie machen, was Sie immer oder häufig machen, wenn Sie einen Oppositionsantrag zwar eigentlich richtig finden, aber dennoch nicht durchkommen lassen wollen: Sie schreiben einen eigenen Antrag, der im wohlklingenden Text Verständnis andeutet und dann im Petitum in Blabla versinkt. Damit tun Sie sich und der Sache keinen Gefallen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Professor Kruse. – Das Wort erhält Herr Ovens von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Tjarks, ich bin erfreut, dass Sie grundsätzlich unserer Initiative zustimmen, dass man für Antisemitismus in Hamburg keinen Zentimeter Raum geben darf. Das ist schön und ich bin auch davon ausgegangen, dass die GRÜNEN diese Aussage teilen können. Trotzdem bin ich etwas irritiert darüber, dass Sie mit Spitzfindigkeiten und Wortdeutungen punkten wollen, anstatt sich mit den inhaltlichen Dingen zu beschäftigen. Das erinnert ein bisschen an das, was Sie

sonst bei der AfD kritisieren – aber machen Sie gern, wie Sie es für richtig halten.

Natürlich, Herr Dr. Tjarks, ist es selbstverständlich möglich und auch angebracht, die israelische Politik, die Regierung zu kritisieren. Das tut die Bundesregierung, das tut die CDU, das tun viele andere Parteien, Fraktionen und Institutionen. Das ist völlig in Ordnung. Aber es ist ein Unterschied, Herr Dr. Tjarks – und genau das steckt in dem Begriff allgemein israelfeindliche Aktivitäten –, ob Sie die Politik eines Landes kritisieren oder aber ob Sie die Existenz eines Landes infrage stellen und dieses als solches kritisieren. Und genau das tut BDS, und genau dagegen verwehren wir uns.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Wenn Sie, Herr Dr. Tjarks, unseren Antrag in Gänze gelesen hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass in ihm nicht nur gute CDU-Politik von einem Bundesparteitag steckt – es ist zu begrüßen, dass hier auch einmal gute Politik von Parteitagen Einzug hält –,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das kommt bei Ihnen selten genug vor!)

sondern dass durchaus auch ein sehr großer Hamburg-Bezug gegeben ist, nämlich in zwei von drei Petita. Das erste Petitum bezieht sich auf den BDS allgemein, aber auch das hat klaren Hamburg-Bezug, denn wir sitzen nun einmal in einem Hamburger Landesparlament. Im zweiten Petitum geht es darum, was die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg machen sollen, und im dritten geht es darum, die in Hamburg verwurzelte Deutsch-Israelische Gesellschaft beziehungsweise die Gemeinschaft und den Austausch zu stärken. Ich weiß nicht, wie man da keinen Hamburg-Bezug in diesem Antrag lesen kann, aber vielleicht können Sie mir das später noch einmal erklären, Herr Dr. Tjarks.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es ist ein Stück weit bezeichnend. Wir haben im vergangenen Jahr einen sehr guten und wichtigen Antrag eingebracht, in dem es darum ging, ein Recherche- und Informationszentrum für Antisemitismus in Hamburg einzurichten, wie das Land Berlin es hat. Das hätte man schon längst auf den Weg bringen können; Hamburg fehlt so etwas, obwohl es offensichtlich notwendig ist. SPD und GRÜNE wollten darüber aber nicht abstimmen, sondern haben den Antrag erst einmal an einen Ausschuss überwiesen. Das kann man machen – wir werden sehen, ob Sie dort tatsächlich Flagge zeigen und unsere Initiative unterstützen. Grundsätzlich ist es diesem Parlament aber immer gut gegangen und ist es gut angesehen gewesen, wenn man einen klaren Bezug zwischen Hamburg und Israel hergestellt hat. Ja, es gibt viele Aktivitäten in dieser Stadt. Ich habe das gerade – lesen Sie es gern in

(Dr. Jörn Kruse)

meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage noch einmal nach – im Detail abgefragt, Herr Dr. Tjarks.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Ich habe Israel besucht!)

Das ist schön, dass Sie Israel besucht haben. Lassen Sie uns gern einmal zusammen hinfahren, es ist wunderschön dort.

Aber im Grunde geht es nicht darum, was es in dieser Stadt schon gibt. Denn ich glaube, von vielen dieser Initiativen hat der Senat erst erfahren, als wir ihn darum gebeten haben, das einmal aufzulisten, weil es private Initiativen sind. Das ist gut und richtig, aber wichtig ist es doch auch, was wir hier im Parlament für Zeichen setzen. Das letzte große Zeichen, das es in diesem Hause gab, war eine Initiative der CDU-Bürgerschaftsfraktion 1999, als wir hier, da allerdings gemeinsam, im gemeinsamen Interesse an der deutsch-israelischen Beziehung, eine Städtepartnerschaft mit einer Stadt in Israel und einer Stadt in Palästina beschlossen haben. Das war 1999, und es wäre gut, wenn wir uns daran wieder erinnern und gemeinsam für die hamburgisch-israelischen Beziehungen kämpfen würden, Herr Dr. Tjarks. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Vielen Dank, Herr Ovens. – Das Wort erhält Herr Wysocki von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur kurz: Ich denke, dass wir uns in der Bürgerschaft vielleicht insgesamt darum bemühen sollten – was man beim Antrag von Herrn Ovens leider nicht sehen konnte –, keine Gräben aufzureißen, die es gar nicht gibt, beziehungsweise neue Gräben zu schaffen. Das, was Sie abgefordert haben, ist Konsens des Hauses und darüber müssen wir nicht diskutieren; wir können es gern bestätigen. Aber es sollte Sie eigentlich nachdenklich machen, dass die einzige Fraktion, die Ihrem Antrag zustimmen wird, ganz rechts sitzt,

(Dr. Alexander Wolf AfD: Ach Gott, Herr Wy- socki!)

und dass diese Fraktion nach meinem Dafürhalten überhaupt kein geklärtes Verhältnis zum Thema Antisemitismus hat.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Martin Dolzer DIE LINKE – Dr. Jörn Kruse AfD: Das ist einfach verlo- gen!)

Insofern hätte diese Zustimmung bei Ihnen einige Denkprozesse auslösen müssen.

Wir bleiben dabei, dass wir einen Antrag vorlegen, der die Kontakte mit den jüdischen Gemeinden aufgreift. Es steht das 200-jährige Jubiläum der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hamburg an, es steht eine Vertiefung diverser Aktivitäten mit den jüdischen Gemeinden vor Ort an. Und wir stärken die Akademie der Weltreligionen, gerade weil dort ein Austausch gefördert wird, den wir unterstützen. Sie haben es zudem leider unterlassen darzustellen, was "allgemein israelfeindlich" ist. Das ist einfach zu platt. Ihr Antrag ist schlicht insgesamt zu platt, um ihn hier ernsthaft diskutieren zu können und als gemeinsame Grundlage zu nehmen, und deswegen glaube ich, dass er keine Mehrheit finden wird. – Vielen Dank.