Protokoll der Sitzung vom 12.07.2017

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Senator Grote.

(Dr. Ludwig Flocken)

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Dora Heyenn, so ein Intro hätte ich mir jetzt nicht vorgestellt. Ich würde sagen: Herzlich willkommen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN – Michael Kruse FDP: Sprechen Sie für den Senat oder für die SPD?)

Das waren schwere Tage. Die Bilder und Eindrücke sitzen tief und sie werden uns lange nicht loslassen. Die Hamburger Polizei, gemeinsam mit den Kräften der Polizeien der Länder und des Bundes, hatte ihren wahrscheinlich schwersten, herausforderndsten Einsatz zu bestehen, und ich kann Ihnen versichern: Die eingesetzten Kolleginnen und Kollegen haben alles, aber auch wirklich alles gegeben, sind an ihre Leistungsgrenzen und über die Leistungsgrenzen hinweggegangen, haben sich buchstäblich bis zum Umfallen, bis zur Erschöpfung eingesetzt für die Sicherheit in unserer Stadt. Sie haben sich einer mit ungekannter Brutalität vorgehenden Gruppe von Gewalttätern entgegengestellt, hoch organisiert, unberechenbar und immer in der Absicht, unterwegs Polizisten anzugreifen, schwer zu verletzen und auch lebensgefährliche Verletzungen in Kauf zu nehmen.

Ich bin sehr froh und dankbar über die breite Welle der Solidarität, der Unterstützung und Dankbarkeit, die die Polizei Hamburg in diesen Tagen nach dem Gipfel erfährt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Die Polizistinnen und Polizisten verdienen diesen Dank, diese Anerkennung, diese Unterstützung und diesen Respekt. Es ist von enormer Bedeutung, dass diese Stadt in diesem Moment hinter ihrer Polizei steht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Der Einsatz hat stattgefunden auf der Grundlage eines Sicherheitskonzeptes, das so gründlich erarbeitet war wie noch nie irgendein Konzept vorher, in das alle Erkenntnisse, die irgendjemand an irgendeiner Stelle hatte, auch alle, die hier heute zitiert worden sind, selbstverständlich eingeflossen sind, alle Expertise, alles Erfahrungswissen, alles Know-how, das es in der deutschen Polizei und darüber hinaus überhaupt gibt, und an dem auch vorher niemand irgendeinen substanziellen Zweifel geäußert hat.

Obwohl das so war und obwohl Herausragendes geleistet wurde und viel gelungen ist, mussten wir die bittere Erfahrung machen, dass es Situationen gegeben hat, in denen wir allergrößte Schwierigkeiten hatten, die Lage zu bewältigen, und nicht so polizeilich damit umgehen konnten, wie wir das als Anspruch an uns selbst stellen. Das war natürlich

in erster Linie der Freitagmorgen in Altona und das war dann der Freitagabend am Schulterblatt.

Ich weiß, dass viele Betroffene, gerade abends am Schulterblatt, Angst, Verzweiflung, Hilflosigkeit empfunden haben und das Gefühl hatten, die Polizei helfe ihnen nicht. Das waren schlimme Stunden. Und ich sage deshalb stellvertretend für alle, die Verantwortung für die Sicherheit in dieser Stadt tragen, und auch ganz persönlich: Es tut mir leid, dass wir die Hamburgerinnen und Hamburger in diesen Stunden nicht besser schützen konnten.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Anna-Elisabeth von Treu- enfels-Frowein FDP)

Am schlimmsten war die Situation natürlich an dem Freitagabend in der Schanze, und Sie können mir glauben, das war für uns alle, für die Einsatzführung, für die Polizeiführung, für mich persönlich – auch für den Ersten Bürgermeister im Übrigen –, die wir alle dort zusammensaßen im Polizeipräsidium und die Bilder gesehen haben, kaum auszuhaltende Momente und Stunden und Situationen. Wir saßen dort und mussten, obwohl es einen schier zerrissen hat, mit einer Situation umgehen, in der wir eben nicht so helfen konnten und noch nicht vorrücken konnten, weil es eine Hinterhalt-Situation gab – davon musste ausgegangen werden –, wir im Übrigen nicht nur auf einem Dach, sondern auf mehreren Dächern bewaffnete Angreifer hatten, die einen Angriff mit Stahlkugeln, zerbrochenen Gehwegplatten und Molotowcocktails vorbereitet hatten und die das Ziel hatten, den Einsatzkräften schwerste und lebensgefährliche Verletzungen zuzufügen. Kein verantwortlicher Polizeiführer konnte in dieser Situation die Kolleginnen und Kollegen in diesen Einsatz hineinschicken. Es mussten Spezialkräfte geholt werden, um die Lage auf den Dächern, insbesondere auf dem einen Dach, zu bereinigen – etwas, das wir so noch nie hatten und von dem, glaube ich, niemand hier seriös behaupten kann, das hätte er vorausgesehen und das hätte man vorausahnen können.

Dieses erzwungene Abwarten war schmerzhaft, war schwierig. Ich kann Ihnen aber auch sagen: Wenn die Einsatzführung die Einschätzung hätte haben müssen, dass eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der Menschen am Schulterblatt besteht, dann wären die Einsatzkräfte in diesen Einsatz hineingegangen, unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Das haben die Beamtinnen und Beamten der Hamburger Polizei geschworen und diesen Eid hätten sie auch erfüllt.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der AfD und vereinzelt bei der CDU und der FDP – Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Sudmann?

Darauf verzichte ich jetzt.

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Deswegen sind die Vorwürfe, man habe die Schanze im Stich gelassen, geopfert oder hier keine Priorität gehabt – bei allem Verständnis für die Menschen, die sich an dem Abend geängstigt und alleingelassen gefühlt haben, aber an alle, die das jetzt im Nachhinein behaupten –, in einem hohen Maß ungerecht, und sie sind respektlos und eine schlimme Beleidigung für die Hamburger Polizistinnen und Polizisten.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich ist es in einem solchen Einsatz immer so, dass man sich dort, wo man Angriffe von vornherein erwarten kann, entsprechend aufstellt. Wir wussten, dass die Transferstrecken angegriffen werden, wir wussten, dass die Sicherheitszonen angegriffen werden und dass es Szenarien für andere Teile der Stadt gab, die konkret beschrieben waren. Ich glaube, niemand hätte verstanden, wenn wir dort nicht entsprechend aufgestellt gewesen wären, um diese Angriffe zurückzuschlagen – und sie sind den ganzen Freitag über zurückgeschlagen worden, mit einem erheblichen Einsatz; die annähernd 500 verletzten Polizistinnen und Polizisten zeugen davon. Aber es gab eben auch Szenarien, die bei allen abstrakten Warnungen vor einem hohen Gewaltpotenzial, die es gegeben hat – das ist völlig unbestreitbar, das wussten wir –, in dieser konkreten Form so nicht vorhersehbar waren, dass man sich präventiv dafür hätte aufstellen können, sondern da hat es eine Zeit gebraucht, um hier die polizeiliche Reaktion herbeizuführen.

Aber noch einmal: Das hat nichts mit einer Priorisierung zu tun. Jeder Hamburger, jede Hamburgerin kann sich darauf verlassen, dass die Polizei – die Hamburger Polizei, aber auch alle Einsatzkräfte, die hier im Einsatz waren – alles, aber auch wirklich alles tun wird, um die Stadt, und zwar die ganze Stadt, bestmöglich zu schützen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich kann es gar keinen vernünftigen Zweifel daran geben, dass das gesamte Einsatzgeschehen und die Ereignisse dieser Tage jetzt aufgearbeitet gehören, und zwar auf allen Ebenen. Viele Ebenen sind schon angesprochen worden. Natürlich nehmen sich auch die Sicherheitsbehörden nicht aus. Es ist völlig klar, dass man sich auch das Einsatzkonzept, die Lagebeurteilung, alles, was es jetzt an Erkenntnissen auch nachträglich gibt, genau anschaut, natürlich insbesondere mit dem Ziel, dass wir uns in Zukunft so aufstellen,

dass uns etwas wie das, was wir jetzt hinter uns haben, nie wieder passieren kann.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Bei dieser Aufarbeitung ist klar, dass wir natürlich auch nicht vergessen dürfen und sehen müssen, wer die wirklich Verantwortlichen für die Taten an diesen Tagen waren: erstens die hochkriminellen Gewalttäter, die über unsere Stadt hergefallen sind, zweitens die, die sie hierher eingeladen, sie beherbergt, verpflegt und versorgt haben, drittens die, die sie in ihre Reihen aufgenommen haben, ihnen Deckung gegeben und sie eben nicht ausgegrenzt und isoliert haben, und viertens diejenigen, die seit Jahren linksextreme Gewalt verharmlosen und jedes Mal, wenn sie ausbricht, als Erstes mit dem Finger auf die Polizei zeigen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Jörn Kruse AfD und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Fro- wein FDP)

Wir werden die Täter mit aller Konsequenz und Härte verfolgen. Die Hamburger Polizei hat dazu die Soko "Schwarzer Block" mit etwa 170 Beamten eingerichtet. Das ist eine der größten Sonderkommissionen, die wir überhaupt jemals eingerichtet haben. Wir haben eine hohe Zahl an Hinweisen, an Videomaterial, an Bildmaterial; es ist erschreckend, wie offen diese Taten zum Teil begangen worden sind. Wir werden alles tun, um mit diesen Straftaten entsprechend umzugehen, und wir werden uns natürlich dann auch um die Strukturen kümmern, die dahinterstehen. Dazu gehört natürlich auch die Rote Flora. Wir werden auch hier keine Konsequenz ausschließen. Aber das ist natürlich immer das Ende eines solchen Prozesses.

In diesem Zusammenhang – Strukturen – muss man dann auch einmal ein Wort an DIE LINKE verlieren.

(Cansu Özdemir DIE LINKE: Schon wieder? – Gegenruf von Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, ihr habt ja noch nicht geantwortet!)

Ich glaube, es hat uns allen ein bisschen den Atem verschlagen, Frau Özdemir, wie Sie sich hier eingelassen haben. Verglichen mit dem, was Sie eben in Ihrem Beitrag formuliert haben, sind die Herren Beuth und Blechschmidt ein Musterbeispiel an Einsichtsfähigkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP – Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Dass Sie anfangen, nachdem Sie pflichtschuldig eine halbherzige Gewaltdistanzierung abgeliefert haben, davon zu fantasieren, da seien Salafisten und Neonazis am Schulterblatt unterwegs gewesen –

(Zuruf von Cansu Özdemir DIE LINKE)

das hat, glaube ich, außer Ihnen niemand gesehen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Ihre Partei und Ihre Mandatsträger haben sich mit der linksextremen Szene im Vorfeld des Gipfels solidarisiert.

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Sie haben den aktiven Schulterschluss gesucht. Sie haben sich als tatsächlicher parlamentarischer Arm der extremistischen Linken verstanden und waren da auch reichlich aktiv.

(Zurufe von der LINKEN)

Sie haben das Gewaltpotenzial massiv marginalisiert. Sie haben aktiv bei der Organisation und Durchsetzung der Camps mitgeholfen,

(Zuruf von Cansu Özdemir DIE LINKE)

und Sie haben damit einen erheblichen Beitrag geleistet an direkter und indirekter Beihilfe zu dem, was in den letzten Tagen in unserer Stadt passiert ist.

(Cansu Özdemir DIE LINKE: Eine Schande ist das! Sagen Sie die Wahrheit!)

Sie hätten allen Grund, sich bei den Hamburgerinnen und Hamburgern zu entschuldigen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und der AfD – Cansu Özdemir DIE LINKE: Das müssen Sie tun! – Heike Sudmann DIE LIN- KE: Ich fordere einen Ältestenrat! – Anhal- tende Zurufe und Gegenrufe)

Na, ich muss Sie ja ziemlich getroffen haben.

(Glocke)