Protokoll der Sitzung vom 14.02.2018

Ja, genau so ist das. Wir wollen eine Gleichstellung von Frauen und Männern – die AfD vielleicht nicht –, und dann darf und soll das die Sprache sogar auch widerspiegeln. Und dementsprechend steuert unter anderem dieser rot-grüne Senat.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich weiß nicht genau, was die AfD so alles will. Sie wollen die Uhr nicht nur anhalten, Sie wollen sie zurückdrehen. Ich schätze, dass Sie ungefähr die Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts im Blick haben. Oder habe ich Sie da falsch verstanden?

(Dirk Nockemann AfD: Ja, allerdings!)

Im NDR war gerade O-Ton-mäßig zu hören – OTon AfD –:

"Männer sind mehr für die Politik gemacht."

Ach ja? Das hätten Sie wohl gern. Männer sind mehr für die Politik gemacht und haben eher den Drang mitzubestimmen – aha – als – Achtung, jetzt kommt es so richtig – Otto Normalfrau. Das ist ja

(Dr. Alexander Wolf)

der Wahnsinn. Also das war ja schon einmal eine kreative Spitzenleistung im Gendern, lieber Kollege. Da möchte man Ihnen ja zurufen, geht doch, wenn sich hier nicht offenbar das rundweg überholte, altbackene Frauenbild der AfD so deutlich zeigen würde. Wer so denkt, tut sich natürlich total schwer mit Emanzipation, mit Artikel 3 unseres Grundgesetzes und mit den neuen Usancen, wonach ständig auch sprachlich deutlich wird, dass es nicht nur Politiker, sondern auch Politikerinnen gibt beziehungsweise geben sollte, und zwar gleich viele, auch bitte hier auf der rechten Seite. Das wäre ja einmal was.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und weil Sie sich ja so groß um die Sprache sorgen und mich noch einmal in linguistische Debatten zurückversetzen, okay, dann zurück zum generischen Maskulinum, auf das Sie sich beziehen. Diesem allgemeingültigen universellen Männlichen – damit das auch Nichtintellektuelle verstehen –, um das Sie sich so viele Sorgen machen: Das war tatsächlich lange das Standardgeschlecht im Deutschen; das ist aber kein Naturgesetz. Sprache war das noch nie. Wir Frauen wollen nicht mehr jedes Mal überlegen müssen, ob wir dieses Mal mitgemeint sind oder nicht. Wir wollen ausdrücklich und spezifisch wahrgenommen und benannt werden. Darauf haben wir ein Recht und das soll bitte auch so bleiben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Da Sie sich so gern auf Frankreich beziehen, hier noch ein Zitat des Philosophen und HannahArendt-Preisträgers François Jullien zum Universellen, also beispielsweise Ihrem geschätzten universellen Maskulinum:

"… betrachtet sich als vollständig und fragt nicht länger danach, ob möglicherweise etwas fehlt. In diesem Sinne hat man mehr als hundert Jahre von einem universellen Wahlrecht gesprochen, ohne dass irgendjemand bemerkt hätte, dass die Frauen davon ganz ausgeschlossen waren."

Tja, da sind wir, Gott sei Dank, schon weiter. Wir haben die Gesellschaft verändert und wir verändern die Sprache. Und, meine Herren von der AfD, den Geist der Frauen respektive das spezifisch Weibliche, das kriegen Sie nicht mehr in die Flasche zurück. Und warum nicht? Because it's 2018. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Grunwaldt von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mir ernsthaft überlegt, ob ich heute über

haupt irgendetwas zu diesem Antrag sagen soll. Ich tue es nur, damit mein Schweigen nicht als Zustimmung gewertet wird, denn manche Dinge sprechen einfach für sich. Und dieser Antrag spricht für das Frauenbild der antragstellenden Fraktion.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Dieses ewig Gestrige aus Ihren Reihen und dieses Sich-an-diesem-Problem-Abzuarbeiten, an diesem vermeintlichen, als Gott den Mann schuf, übte sie nur. Also wenn Sie keine anderen Probleme haben, kann man Sie nur beglückwünschen. Fakt ist jedenfalls, dass Ihnen die Themen auszugehen scheinen und dass wir Ihren Antrag ablehnen werden.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Engels von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die AfD sorgt sich um die deutsche Sprache. Sie fordert in ihrem Antrag, die sogenannte Gendersprache abzuschaffen und zum grammatikalisch richtigen generischen Maskulinum zurückzukehren. Ich glaube, da liegen ein paar Missverständnisse vor.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erstens sind Sprache und Grammatik immer kulturell geprägt. Sie sind lebendig und verändern sich im Laufe der Zeit. Das sieht man jährlich an der Neuauflage des Dudens, der neue Wörter aufnimmt und neue Schreibweisen bestätigt. Es ist also Quatsch, zu so etwas wie einer reinen oder herkömmlichen Sprache zurückkehren zu wollen. Diese gibt es einfach nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aber Veränderungen, um gesellschaftliche Entwicklungen nachzuvollziehen, das fällt der AfD ja auch an anderen Stellen besonders schwer.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Zweitens hat auch das generische Maskulinum ein Geschlecht. Das heißt, auch Sprache, die das generische Maskulinum verwendet, ist in diesem Sinne Gendersprache. Vielleicht sollten Sie darüber einmal nachdenken.

Drittens ist es mittlerweile allseits anerkannt, dass Sprache Wirklichkeit prägt. Sprache kann Machtverhältnisse reproduzieren, und das heißt, dass wir auch auf die Sprache achten müssen, dass wir bei ihr nicht diskriminieren und dass wir alle Geschlechter mit einbeziehen. Wenn wir von Ärzten und Lehrern und Richtern reden, dann bildet sich in unseren Köpfen ein Bild, und zwar ein Bild von Männern mit Macht und Einfluss. Mit geschlechter

(Gabi Dobusch)

gerechter Sprache hingegen können wir ein Bild zeichnen, das selbstverständlich ebenso auch Frauen in diesen Positionen zeigt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aber eigentlich geht es in dieser Debatte gar nicht um die Veränderung der Sprache als solcher. Es geht vielmehr um einen Angriff auf die Geschlechtergerechtigkeit im Ganzen, den die AfD an verschiedenen Stellen führt. Da geht es gegen liberale Familienbilder und gegen die gleichgeschlechtliche Ehe genauso wie gegen die Gender Studies als wissenschaftliche Disziplin oder gegen die #MeToo-Debatte, die wir doch gerade jetzt so dringend brauchen. Der Versuch, feministische Errungenschaften zurückzudrehen, ist wirklich erschreckend, weil so viele Frauen über Jahrzehnte oder eigentlich Jahrhunderte dafür gekämpft haben, dass Frauen die gleichen Rechte erhalten. Erschreckend aber auch, weil hier von faktischer Gleichstellung zwischen Geschlechtern noch lange nicht die Rede sein kann. Feminismus ist aktueller denn je.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aber ich bin mir sicher, dass nicht nur ich, sondern sicherlich die allermeisten hier im Saal das Grundgesetz ernst nehmen. Das bedeutet, dass wir uns für die Gleichstellung und dafür einsetzen, dass niemand diskriminiert wird. In diesem Kontext muss ich mich eigentlich fast bei der AfD bedanken: Sie hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass es noch keine Verwaltungsvorschrift zur Umsetzung von geschlechtergerechter Sprache gibt – etwas, wofür bestimmt meine Kollegin Frau Dobusch und ich uns jetzt schleunigst einsetzen werden, dass sie kommt.

(Dirk Kienscherf SPD: Oh, nee!)

In dem Zuge sollte auch darüber nachgedacht werden, wie man das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum dritten Geschlecht mit einbezieht und wie wir unsere Debatten in dem Sinne aktualisieren, und zwar in die Zukunft und nicht, wie die AfD es will, zurück in die Fünfzigerjahre.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir GRÜNE haben uns im Übrigen bereits 2015 per Parteitagsbeschluss auf das Gendersternchen geeinigt.

(Dirk Kienscherf SPD: Na supi!)

Mit diesem können auch trans- und intersexuelle Menschen sprachlich berücksichtigt werden. Wir mussten für diesen Beschluss einen regelrechten Shitstorm aushalten. Aber ich bin davon überzeugt: Wer eine diskriminierungsfreie Gesellschaft will, braucht auch eine Sprache, die ebenso frei von Diskriminierung ist.

Zum Schluss möchte ich noch den Blick dahin lenken, auf welchen Verband die AfD sich in ihrem

Antrag stützt. Dem Verein Deutsche Sprache, auf den sich die AfD in ihrem Antrag bezieht, wurde jüngst von über 30 Professorinnen und Professoren aus den Sprachwissenschaften in einem offenen Brief ein intoleranter und unaufgeklärter Sprachpurismus attestiert: Der Verein habe wenig bis nichts mit sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun, bediene wissenschaftlich völlig unfundiert nationalistische Tendenzen und polemisiere gegen geschlechtergerechte Sprache. Hier zeigt sich wieder einmal, mit wem sich die AfD gern gesellt.

Ich denke, durch meine Ausführungen ist mehr als deutlich geworden: Unsere Grundhaltung ist klar: Wir lehnen diesen Antrag ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zuallererst: Auch wir werden diesen Antrag natürlich ablehnen. Meine Vorrednerin hat schon ausführlich dargestellt, wie der Stand ist. Ich glaube, Sie haben einfach nicht verstanden, was gendergerechte Sprache bedeutet, nämlich dass alle Menschen in dieser Gesellschaft in die Sprache eingeschlossen werden, dass alle Menschen erwähnt werden und dass gendergerechte Sprache eine Errungenschaft in diesem Land ist. Aber ich habe den Eindruck – und das sieht man auch an Ihrem Wahlprogramm –, dass Sie all die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte in diesem Land zerstören, bekämpfen möchten und dass Gleichstellung für Sie selbstverständlich ein Thema ist, Sie aber natürlich anders herangehen als meine Vorrednerinnen und ihre Parteien und auch meine Partei, nämlich dass Sie die Gleichstellung und ihre Errungenschaften ins Visier genommen haben. Man sieht es auch an Ihrem Wahlprogramm zum Bundestag, in das Sie deutlich als Forderung geschrieben haben, dass die Genderforschungsstellen abgeschafft werden sollen und Sie zum Beispiel auch das konservative Familienbild widerspiegeln, indem Sie sagen: Nicht die Frauen, sondern die Männer, die Väter müssen gestärkt werden. Ich glaube, das sagt schon alles über Sie und über Ihren Antrag aus. Ich habe bis jetzt aber auch nicht in den Ausschusssitzungen – meine Kolleginnen und Kollegen können vielleicht das Gegenteil erzählen – gesehen, dass Sie sich bei diesen Debatten konstruktiv eingebracht haben. Und das werden wir auch in Zukunft nicht sehen.

Wir unterstützen den Gendermainstream; wir werden weiterhin daran festhalten. Wir unterstützen die gendergerechte Sprache und möchten auch, dass sie in diesem Land weiterentwickelt wird, weil wir nicht diese Rückschritte machen möchten. Und

(Mareike Engels)