Protokoll der Sitzung vom 28.02.2018

Die Lebenswirklichkeit am 31. Oktober wird leider dazu führen, dass wir noch mehr amerikanischen Kommerzialismus hier haben werden, nämlich – das kennen wir ja – Halloween; das ist leider so. Andere werden dann in der Nacht noch mehr die Gedanken ihrer Ahnen lesen können. Die Kelten haben recht. Sie haben spät gewonnen, aber sie haben gewonnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Dann bekommt jetzt für den Antrag Nummer 5 noch einmal Professor Kruse das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die politische Mehrheit will unbedingt den Reformationstag zu einem zusätzlichen Feiertag machen. Diesbezüglich will ich zunächst einmal zwei Bemerkungen zur Diskussionskultur machen.

Erstens finde ich es sehr positiv, dass wir heute einmal nicht im Fraktionskorsett abstimmen oder argumentieren. Das empfinde ich immer als eine Deformation der Demokratie. Wir diskutieren hier heute viel freier und so stelle ich mir eigentlich Parlamentarismus vor.

(Beifall bei der AfD)

Die zweite Bemerkung bezieht sich auf das, was schon einige Vorredner gesagt haben, nämlich dass die heutige Diskussion eine Farce ist, weil

(Heike Sudmann)

längst feststeht, was herauskommt. Das ist auch schon vorher mit anderen Ländern abgestimmt worden. Insofern, kann man sagen, führen wir hier eine Phantomdebatte. Das finde ich negativ für die heutige Debatte.

(Ksenija Bekeris SPD: Da klatscht keiner!)

Ich habe die Gründe genannt, warum ich glaube, man sollte keinen religiösen Feiertag machen. Aber ich bin noch aus einem anderen Grund überrascht über die Präferenz für den Reformationstag. Wenn im Antrag davon die Rede ist, dass der Reformationstag etwas Verbindendes sein soll, ein Zeichen für den Dialog der Religionen geben soll, kann ich darüber wirklich nur staunen. Die Reformation vor 500 Jahren hat das Abendland nicht nur religiös gespalten, sondern war der Ausgangspunkt für grauenhafte Kriege und Gewalttaten. Ich erinnere nur an den Dreißigjährigen Krieg und viele andere brutale religiös motivierte Tätigkeiten. Der Dreißigjährige Krieg allein hat aus einer fatalen Mischung aus Religion, Machtansprüchen und Habgier Mitteleuropa fast menschenleer gemacht. So viele Menschen sind hier umgebracht worden. Das kann man natürlich nicht Luther als Person anlasten, aber es ist eine Folge der Reformation gewesen. Deshalb sollte man davon auch nicht als verbindend sprechen.

Dass der Reformator Luther ein übler Antisemit war, haben einige meiner Vorredner schon gesagt, muss aber auch ich an dieser Stelle noch einmal betonen. Dass der Reformationstag ein religiöser Feiertag ist, wird sich nun wirklich nicht bestreiten lassen, auch wenn einige meiner Vorredner das versucht haben.

Auch die Positionierung, es würde kein religiöses, sondern ein historisches Ereignis gefeiert, kann überhaupt nicht überzeugen. Es bleibt in jedem Fall ein religiös motiviertes Ereignis, das sich auch heute noch durch die fortdauernde Trennung von katholischen und evangelischen Glaubensüberzeugungen und von katholischer und evangelischer Kirche im Bewusstsein der Menschen in Deutschland und anderswo fest verankert hat.

Wenn man die Menschen befragen würde, was sie beim Begriff Reformationstag denken, würden wahrscheinlich 90 Prozent sagen, das sei der Tag, an dem Luther Katholiken und Evangelische gespalten hat. Dies ist der Kontext, in dem das stattfindet. Das muss man bedenken, wenn man den Tag zu einem Feiertag macht. Was denken die meisten Menschen über diesen Tag? Das ist genau ein religiöses Ereignis.

(Glocke)

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Das ist schade.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Frau Stöver.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viele Aspekte zu vielen unterschiedlichen Anträge sind schon genannt worden. Ich gebe zu, dass ich sehr viele Sympathien für sehr viele Aspekte, nicht für alle, habe; es sind auch einige skurrile genannt worden.

Ich stehe nun hier, um Ihnen zu erklären, warum ich es für richtig halte, den Tag der Reformation zu wählen. Mich bewegen hier Dinge weniger aus pragmatischen Gründen, sondern eher aus Gründen, die unser Innerstes, unsere Identität, unsere Gesellschaft und unsere geistige Heimat betreffen. Ich selbst – das hat auch Herr Tjarks schon gesagt – wünsche mir einen Feiertag mit norddeutschem Bezug. Das ist mit dem Blick auf Pragmatismus, mit dem Blick auf das alltägliche Zusammenleben sicherlich eine sinnvolle Sache. Eine Insellösung wäre, das auf Deutsch oder mit der lutherischen Klarheit gesagt, für alle Berufspendler in und um Hamburg ziemlich idiotisch. Wenn unsere Nachbarn den Reformationstag feiern und wir Hamburger nicht, wäre das sicherlich nicht gut.

Doch die Entscheidung für den Tag der Reformation ist deutlich mehr als Pragmatismus. Er bietet die Gelegenheit, das, was die Reformation alles in Bewegung gesetzt hat, in die Gegenwart zu übertragen. Martin Luther hat mit seinen Thesen einen religiösen, aber auch – und das ist mir wichtig – einen gesellschaftlichen Aufbruch bewirkt. Dieses betrifft nicht zuletzt ein neues Verhältnis von Staat und Kirche, zu dem die Religionsfreiheit und damit auch die Freiheit von Religion, aber auch die Schaffung von Recht und Gerechtigkeit gehören. Das ist mir wichtig. Denn wer auch immer heute in Deutschland eine Heimat sucht, egal welchem Glauben er angehört oder ob er überhaupt einen Glauben hat, dem sollte bewusst sein, dass genau dieses Verhältnis von Kirche und Staat in der Tradition von Martin Luther dafür sorgt, dass er bei uns eine Heimat finden kann.

(Beifall bei der CDU und bei Ekkehard Wy- socki SPD)

Ein weiterer Aspekt ist für mich unser heutiges Bildungswesen; darauf weise ich gern als schulpolitische Sprecherin meiner Fraktion hin. Denn dieses Bildungssystem fußt auf vielem, was durch die Reformation bewirkt wurde. Die Reformatoren und nicht nur Luther, sondern auch Melanchthon und Bugenhagen – das ist schon genannt worden – waren überzeugt davon, dass jeder die Bibel selbst lesen und sich selbst mit seinem Glauben auseinandersetzen sollte.

(Dr. Jörn Kruse)

Die Reformation hat also zu einem gewaltigen Bildungsschub – und zwar für alle Deutschen, unabhängig von ihrem sozialen Status – geführt. Der Beginn des Volksschulwesens und damit unseres heutigen Bildungssystems, das offen ist für alle Bürger, geht auf diese Reformatoren zurück. Das halte ich für eine sehr wichtige Errungenschaft.

Und noch einen Punkt, der nicht zu verachten ist, möchte ich nennen. Dass auch wir heute mit dem politischen Engagement hier sitzen können, das häufig seine Basis in starker, thematisch orientierter ehrenamtlicher Arbeit hat, geht zumindest teilweise auf die Reformation zurück. Die Errungenschaft des Ehrenamtes halte ich für einen wichtigen Aspekt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Der Reformationstag bietet die Möglichkeit der Identität mit unserem christlich geprägten Abendland und seinen Werten von Friede, Freiheit und Gerechtigkeit.

(Glocke)

Es wäre gut, uns für das Besinnen dieses Tages einen Tag freizunehmen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Engels.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auf einen Aspekt, zu dem ich in der ersten Runde nicht gekommen bin, möchte ich noch eingehen. Der Weltfrauentag ist ein Tag der Solidarisierung und er könnte es noch viel stärker sein, wenn er ein gesetzlicher Feiertag wäre. Ich halte es insbesondere für an der Zeit, den Frauentag gleichrangig mit dem 1. Mai, also dem Tag der Arbeit, zu behandeln. Diese Solidarisierung brauchen wir und wir beobachten auch, dass sie gerade jetzt stärker wird.

Letztes Jahr zum Weltfrauentag gab es in Hamburg den Sisters' March in Anlehnung an die Women's Marches in den USA. Es waren Tausende Menschen auf der Straße, um ein Zeichen für Gerechtigkeit, demokratische Grundwerte und eine Welt frei von Sexismus und Rassismus zu setzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Frauentag ist also auch ein wichtiges Zeichen für internationale Solidarität.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch auf einen Punkt eingehen, der mich sehr aufregt, seitdem ich zum ersten Mal gehört habe, dass die AfD den Tag des Grundgesetzes vorschlägt. Denn dass ausgerechnet die AfD diesen Tag als Feiertag einführen möchte, ist – ich kann es nicht anders sagen – blanker Hohn.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Ich möchte an dieser Stelle einen Artikel aus dem Grundgesetz zitieren, der mir besonders am Herzen liegt. Frau Blandow-Schlegel hat auch schon daraus zitiert, aber ich finde, gerade in diesen Zeiten kann man das nicht häufig genug tun. In Artikel 3 heißt es:

"Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."

(Dr. Jörn Kruse AfD: Ja und?)

Ich frage mich ernsthaft, wie Sie von der AfD sich zu den Verteidigern des Grundgesetzes aufschwingen können – das muss man sich erst einmal bewusst machen –, ausgerechnet Sie,

(Beifall bei den GRÜNEN)

die ständig zentrale Werte des Grundgesetzes anzweifeln, die Menschen qua Hautfarbe und Herkunft oder Religion, qua Geschlecht und sexueller Orientierung herabwürdigen und ausgrenzen, Sie, die die Presse und Meinungsfreiheit anzweifeln, ein Klima des Hasses und der Intoleranz verbreiten, anstatt Zusammenhalt und Solidarität zu fördern.

(Zuruf von Dr. Jörn Kruse AfD)

Das ist wirklich nichts als Hohn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frauenrechte sind Menschenrechte, Frauenrechte sind Grundrechte. Denn gleiche Rechte für alle, der Kampf gegen Diskriminierung und für gleichberechtigte Teilhabe, all dies sind Aufträge, die uns das Grundgesetz für unsere politische Arbeit gibt, Aufträge, die wir nach wie vor nicht erledigt haben. Deswegen ist total klar: Wenn wir das Grundgesetz ehren wollen, dann sollten wir nächste Woche den Frauentag feiern. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Buschhüter.